Leben und wir
Kinder im Krieg
Wo Hilfe am dringendsten gebraucht wird Eine Geschichte über leidende Kinder, verzweifelte Eltern und eine abrupt zerstörte Kindheit. Eine Geschichte, die Realität ist und nur einige 100 Kilometer von uns entfernt passiert und uns auch direkt selbst betrifft. Wie die Geschichte ausgeht, wissen wir nicht, wir können vorerst nur helfen. von heidrun henke
„Ein Königreich der Isolation, und es sieht so aus, als wäre ich die Königin. Der Wind heult wie dieser wirbelnde Sturm im Inneren.“ Die Zeilen dieses Songtextes aus dem Film „Die Eiskönigin – völlig unverfroren“ gehen unter die Haut, vor allem, wenn es dieses kleine ukrainische Mädchen trällert, das sich gerade mit ihrer Familie und anderen Schutzsuchenden in einem Bunker befindet und dort mit zarter Stimme, doch voller Selbstbewusstsein den anderen für ein paar Minuten Hoffnung schenkt. In zahlreichen Städten und Regionen bringen sich die Bewohnerinnen und Bewohner der Ukraine vor den Angriffen in Sicherheit, suchen in U-Bahn-Stationen, Kellern oder Luftschutzbunkern Unterschlupf, so auch dieses kleine Mädchen. Das rührende Video, das sie singend im Bunker zeigt, geht um die Welt. Genauso das Bild eines kleinen Buben, der sich nur mit einem kleinen Rucksack und seinem Stofftier alleine auf den Weg macht, um vor dem Krieg zu fliehen. Auch die Bilder, die Familien am
Eine ukrainische Familie kommt nach tagelangen Strapazen endlich am Wiener Hauptbahnhof an.
Bahnhof zeigen, wie sie sich verabschieden müssen. Hände, die sich noch ein letztes Mal berühren, dazwischen die Glasscheibe des Zugfensters. Die Scheibe ist komplett angelaufen vom Atem der vielen Menschen, die sich in die Züge zwängen, um vor dem Krieg zu fliehen. Das Schicksal vieler Familien, die von einen Tag auf den anderen auseinandergerissen werden. Derzeit dürfen nur noch Frauen, Kinder und alte Menschen die Ukraine verlassen, sofern dies überhaupt möglich ist. Für viele alte Menschen ist es kaum möglich, den strapaziösen Fluchtweg zu bewältigen. Sie müssen gestützt oder getragen werden, über Schutt und Asphaltbrocken, vorbei an zerbombten Häusern. Auch kranke Menschen müssen sich in Sicherheit bringen, ihre Therapien abbrechen und ohne Schmerzmittel und Behandlung ins Ungewisse aufbrechen. Krebskranke Kinder, die das Krankenhaus verlassen und umgesiedelt werden müssen. Es sind genau diese Szenen, die unerträglich sind, die wir nur in kleinen Dosen aushal-
© Caritas
Signs of Hope. Bei der youngcaritas -Initiative schenken Kinder anderen Kindern, die sich im Krieg befinden, Mut und Hoffnung in Form von Botschaften und Zeichnungen.
ten. Vor allem unschuldige Kinder müssen die Schrecken dieses Kriegs mittragen und erdulden, werden traumatisiert, entwurzelt, müssen mit ansehen, wie ihr Bruder, ihr Vater an der Grenze zurückbleibt oder sterben selbst während eines Bombenangriffs. „Ich fliehe mit meinem Kind und weiß nicht wohin, ich fliehe, weil es am Leben bleiben soll“, weint eine Ukrainerin in die Kamera. Sie ist gerade mit ihrer 5-jährigen Tochter in Rumänien angekommen und hat keine Ahnung, wie und wohin es weitergehen soll. Es steht uns allen die größte Flüchtlingsbewegung seit dem Zweiten Weltkrieg bevor. Mittlerweile sind schon über 3 Millionen Menschen auf der Flucht aus der Ukraine, die Hälfte davon sind Kinder, und laufend werden es mehr. Die meisten Geflüchteten befinden sich derzeit in Polen, doch viele reisen weiter, auch in Österreich sind schon Tausende Flüchtlinge angekommen. Ich habe neulich eine ukrainische Mutter mit ihren drei Kindern, schwer bepackt mit Rucksäcken und Reisetaschen, bei der
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