Rheuma Management, Ausgabe Mai/Juni 2022

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GICHTARTHRITIS

Mit der Harnsäuresenkung sollte man es nicht übertreiben Während eine Treat-to-target (T2T)-Therapie bei Gichtarthritis unumstritten ist, aber mitunter nicht konsequent genug verfolgt wird, war bislang unklar, ob eine intensivierte Serum-Harnsäuresenkung auch bei erosiver Gicht sinnvoll ist. Neuseeländische Rheumatologen um Nicola Dalbeth, Auckland, kommen in einer randomisierten, doppelblind-kontrollierten 2-Jahres-Studie zu dem Schluss, dass diese trotz hoher Medikamentenlast nicht mit weniger knöchernen Erosionen verbunden war.

In die Studie waren 104 Patienten mit erosiver Gicht, die eine oralen harnsäuresenkende Therapie (ULT) erhielten und einen Serum-Harnsäurespiegel von ≥0,30 mmol/l (>5 mg/dl) zu Baseline aufwiesen, eingeschlossen worden. Zur Erinnerung: In der Regel wird ein Zielwert von ≤6 mg/dl (=0,357 mmol/l) angestrebt, bei schwerer tophöser Gicht sind es ≤5 mg/dl. Es erfolgte nun eine Randomisierung auf entweder des Erreichen eines noch tieferen Serum-Harnsäurezielwerts von <0,20 mmol/l (<3,4 mg/dl) durch eine intensivierte orale ULT oder des Standard-Zielwerts von <0,30 mmol/l. Die orale ULT erfolgte mit Allopurinol, Probenecid, Febuxostat oder Benzbromaron, die protokollgerecht bis auf die maximal zugelassene Dosis eska-

liert werden konnten. Primärer Endpunkt war der Gesamt-CT-Erosionsscore. Obwohl mit der intensivierten oralen ULT im Vergleich zur Standard-ULT (im Verlauf des 2-jährigen Follow-uo) signifikant niedrigere Serum-Harnsäurewerte dokumentiert wurden (p=0,002), erreichten in Jahr 2 dennoch weniger Patienten den randomisiert festgelegten Zielwert als mit der Standardtherapie (62 vs. 83 %; p<0,05). In der intensiver behandelten Gruppe wurden im Vergleich signifikant höhere Allopurinol-Dosen erreicht (746 ± 210 vs. 497 ± 186 mg/Tag; p<0,001) und auch deutlich häufiger Kombinationstherapien eingesetzt (p=0,0004). In beiden Therapiearmen kam es bis Jahr 2 zu einem nur marginalen Anstieg

knöcherner Erosionen im CT (primärer Endpunkt), ohne Unterschied zwischen bei beiden Gruppen (p=0,20). Solche Unterschiede fanden sich auch nicht bezüglich klinischer OMERACT-Domänen (Gichtschübe, Tophi, Schmerzen, globales Patientenurteil der Krankheitsaktivität, gesundheitsspezifische Lebensqualität, Bewegungseinschränkungen) über 2 Jahre, auch die Raten unerwünschter Ereignisse waren vergleichbar. Daraus lässt sich ableiten, dass der bei schwerer Gicht in Leitlinien empfohlene Zielwert von ≤5 mg/dl ausreichend und darüber hinaus gehend kein Zusatznutzen erreichbar ist. m Quelle: Arthritis Rheumatol 2022; doi: 10.1002/art.42055

Mit Selbstmanagement zu besserer Harnsäurekontrolle Bei Gichtpatienten stellt oft die Adhärenz bei der Harnsäuresenkung ein Problem dar, auch funktioniert die T2T-Einstellung oft nicht. Schottische Rheumatologen um Philip Riches, Edinburgh, fanden nun in der monozentrischen, randomisierten, kontrollierten Machbarkeitsstudie GoutSMART, dass eine Harnsäure-Selbstmessung mit der gleichnamigen App in Kombination mit ärztlicher Unterstützung zur Therapieeskalation im Rahmen eines T2T-Ansatzes zu guten Ergebnissen führte.

Eingeschlossen wurden 60 Gichtpatienten (im Mittel 53 Jahre, 97 % Männer) mit Serum-Harnsäurespiegel ≥0,36 mmol/l und Empfehlung zum Beginn oder Eskalation einer harnsäuresenkenden Therapie. Vor der 2:1-Randomisierung auf ein Selbstmonitoring oder „Usual Care“ erhielten die Teilnehmer einen Managementplan (z. B. mit Allopurinol 100 mg/ Tag zu starten oder die Dosis um 100 mg zu erhöhen bzw. weiter zu steigern, bis der Zielwert von 0,30 mmol/l erreicht ist). 40 Patienten der SelbstmonitoringGruppe wurden angeleitet, selbst ihren Harnsäurespiegel mit der GoutSMARTApp alle 2 Wochen (Ziel nicht erreicht)

bzw. 1x monatlich (im Zielbereich) zu testen und die Werte in die Tagebuchfunktion der App einzutragen, die vom Studienteam bewertet wurden und ggf. zu einer weiteren Eskalation oder einem Switch zu Febuxostat rieten. Die 20 Teilnehmer der Kontrollgruppe nutzen eine abgespeckte Version der App (nur Tagebuch) und wurden vom Hausarzt betreut. Den primären Endpunkt, das Erreichen des Zielwerts von ≤0,30 mmol/l nach 24 Wochen, erreichten signifikant mehr Patienten der Selbstmonitoring-Gruppe (73 vs. 15 %; p<0,0001). Zusätzlich kam es in dieser Gruppe in den 24 Wochen im

Trend seltener zu Gichtanfällen (im Mittel 2,03 vs. 3,00 pro Patient), in Woche 52 war dieser Unterschied sogar signifikant (0,81 vs. 2,06 pro Patient). Die reduzierte Anzahl von Schüben könnte laut den Autoren auch ein Zufallsbefund sein (hohe Schubfrequenz im Kontrollarm), die Anfallsprophylaxe war in beiden Armen vergleichbar. Die ersten Ergebnisse dieser Studie sind ermutigend, eine weitere Evaluation einer solchen App-basierten Strategie mit Selbstmessung in größeren Studien wäre wünschenswert. m Quelle: Lancet Rheumatol 2022; 4(5): e320-e328


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