Sektion Bern
Kein Verhandlungser folg ohne Beziehung >> Der Präsident der SAQ-Sektion Bern, Semih Seven, begrüsste die Teilnehmenden und freute sich, dass die Abendveranstaltung trotz Corona-Umfeld stattfinden konnte und übergab das Wort dem Referenten des Abends, Stefan Zweifel. Stefan Zweifel beschäftigt sich hauptberuflich mit Verhandlungstechnik. Am Berner SAQAbend erklärte er den Teilnehmenden, dass – bevor die eigentliche Verhandlung auf Sachebene beginnt – die Werte und die Beziehung der Verhandlungspartner geklärt werden sollten. Stefan Zweifel liess den Abend «praktisch» angehen und gab den Teilnehmenden folgende Aufgabe: «Zu zweit sind Sie Gewinner eines verlängerten Wochenendes. Aber: Eine Person will unbedingt in die Berge, die andere unbedingt ans Meer. Handeln Sie eine Lösung aus.»
Verhandlungen die Regel. Und nicht die Ausnahme.
Motivation begreifen «Entscheidend ist die Frage nach dem ‹Warum› der Verhandlungsposition», erklärte der Verhandlungsexperte und Familienvater. «Haben Sie Ihren Verhandlungspartner gefragt, warum er denn unbedingt in die
II
Die Verhandlung um die Orange Anhand eines praktischen Beispiels erklärte Stefan Zweifel, weshalb die Frage nach dem Warum bei Verhandlungen entscheidend sein kann: «Zwei Teenager streiten sich um eine Orange.» Damit haben beide eine klare Position formuliert
Zürcher Verhandlungsmodell
SAQ-Teilnehmende in der Verhandlung Nach angeregten Verhandlungen unter den «Verhandlungspartnern» rief der Referent zur auswertenden Diskussion auf. Das Ergebnis war ernüchternd. Nur drei Zweiergruppen hatten eine Lösung aushandeln können. Bei den anderen neun Gruppen wurden sich die Parteien nicht einig. «Kein Wunder», erklärte Stefan Zweifel, «Die Ausgangslage der Verhandlungen waren – wie häufig im Leben – sogenannte Positionen, weshalb die meisten Verhandlungen vermutlich zu keiner Lösung geführt haben.» Bei solchen Kämpfen sei das Motto schnell einmal: «Habe ich mehr, hast du weniger – oder umgekehrt.» Leider seien solche
Berge oder ans Meer will?» Erst bei der Diskussion dieser hintergründigen und oft verborgenen Beweggründe komme das ganze Potenzial der Verhandlung zum Vorschein.
(Ich will die Orange) und der Streit beginnt. Für den schlichtenden Elternteil ist die Lösung einfach: Er halbiert die Orange und gibt jedem Kind eine Hälfte. Diese offensichtliche Lösung entspricht dem üblichen Feilschen. Und dem (gut schweizerischen) Kompromiss. Der Verhandlungstrainer weiter: «Der schlichtende Elternteil hätte auch nachfragen können, warum denn die beiden eine Orange wollen. Jetzt wird es spannend. Denn der eine Teenager hat Hunger und will die Orange essen. Der andere jedoch möchte einen Kuchen backen und braucht lediglich die Orangen-Schale. Stefan Zweifel dazu: Erst jetzt, wo die echten, hintergründigen Interessen der Teenager geklärt sind, können kreative und für beide Parteien positive Lösungen gefunden werden.»
>> Zürcher Verhandlungsmodell
Stefan Zweifel stellte das «Zürcher Verhandlungsmodell» vor. Dieses wurde 2013 am Bulliger Institut für Verhandlungstechnik entwickelt. Stefan Zweifel, der den Bullinger-Standort in Bern führt und aufbaut, erklärte den Unterschied so: «Die meisten Verhandlungsmodelle fokussieren auf die Sach- und Beziehungsebene. Das Zürcher Verhandlungsmodell erweitert die Perspektive auf Persönlichkeit und Werte. In der Kombination dieser vier Ebenen liegt der Schlüssel zum Erfolg: Erst diese Erweiterung schafft neue Handlungsoptionen, um auch in schwierigen Herausforderungen zuverlässig auf Mehrwertlösungen hinzuarbeiten. Zudem ist es ein bildhaftes Modell. Dies hilft ungemein, den komplexen Verhandlungsablauf ganzheitlich zu erfassen. Und sich auch unter Druck im VerhandlungsMQ | 10/2020