ZUM W ER K
PAUL DUK AS Sinfonie C-Dur
6
DAS U NBEK A N NTE MEISTERW ERK EINES SK RUPULÖSEN KOMPONISTEN VON MICH A EL DEMEL
Es sind gerade einmal gut zehn Minuten, die den Ruhm des Komponisten Paul Dukas begründet haben. So lange dauert sein hinreissendes Orchester-Scherzo L’ Apprenti sorcier, eine musikalische Umsetzung von Goethes Zauberlehrling. Dirigenten wie Orchester lieben dieses Filetstück spätromantischer Orchestrierungskunst. Walt Disney hat die Popularität der Tondichtung noch gesteigert, indem er dazu in seinem Episodenfilm Fantasia von 1940 Mikey Mouse als Zauberlehrling präsentierte.
Ansonsten ist Dukas ein Fall für Spezialisten. Viel gerühmt und selten aufgeführt ist etwa seine Oper Ariane et Barbe-Bleue, die von Fachleuten in einem Atemzug mit Pelléas et Mélisande von Dukas’ Studienkollegen Claude Debussy genannt wird. Mitschuldig an der Unbekanntheit seines übrigen Schaffens ist der Komponist selbst. In zerstörerischer Selbstkritik vernichtete er den Grossteil seiner Kompositionen, weil sie seinen Qualitätsmassstäben nicht standhalten konnten. Überlebt hat bloss ein gutes Dutzend Werke. Seine 2. Sin fonie etwa wurde ein Opfer der Selbstzensur. Die Partitur seiner 1. Sinfonie konnte nur durch die Intervention von Freunden vor der drohenden Vernichtung bewahrt werden. Das 1895 vom Komponisten im Alter von dreissig Jahren begonnene und 1896 vollendete Werk zeigt ihn ein Jahr vor dem Zauberlehrling auf einem ersten Höhepunkt seiner Schaffenskraft. Formal gibt die Sinfonie sich klassizistisch. Dafür stehen bereits die schlichte Tonart C-Dur und die Gliederung in drei abgeschlossene Sätze nach dem Schema schnell – langsam – schnell. Der 1. Satz folgt dem Aufbau eines traditionellen Sonatenhauptsatzes. Nacheinander werden drei Themen präsentiert. Das eröffnende Thema trumpft kraftvoll auf, ein zweites steht dazu mit sanft wiegendem Rhythmus in lyrischem Kontrast.