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INTERNATIONALER KREIS
HANDEL, ERNÄHRUNG UND VERBRAUCHERSCHUTZ
Transatlantischer Austausch mit US-Diplomat Clark Price
Pragmatische Agrarpolitik gefragt
Angesichts des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine sind die deutsch-amerikanischen Beziehungen für die Sicherheit des europäischen Kontinentes und für die Handelsbeziehung auf beiden Seiten des Atlantiks von höchster Bedeutung. Der Internationale Kreis tauschte sich hierzu mit dem Gesandten der US-Botschaft in Berlin, Woodward Clark Price, aus. Das Gremium pflegt traditionell ein sehr gutes Verhältnis zur US-Botschaft und hat in Clark Price einen hervorragenden Ansprechpartner gefunden. Der Diplomat schnitt in seinem Impulsvortrag alle wichtigen Eckpunkte an: Den Bruch von Lieferketten, die Energieversorgung mit Öl und Gas, die Eindämmung des Konfliktes sowie die Rolle Europas. Clark Price betonte, dass die USA weder eine Entkopplung der westlichen Wirtschaft von Russland noch China bestreben würden. Derzeit ginge es allein darum, den Krieg in der Ukraine zu beenden, und zwar so schnell wie möglich. Die gestörten Lieferketten und die Energiepreisexplosion belasten die Volkswirtschaften ohnehin sehr stark. Die engen transatlantischen Beziehungen sind insbesondere dem Internationalen Kreis des Wirtschaftsrates ein wichtiges Anliegen. Zugleich wiederholten die Unternehmer im Internationalen Kreis ihre Forderung, dass wieder Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen aufgenommen werden sollten. Der Abbau transatlantischer Handelshemmnisse bleibt dringend notwendig. Die brüchigen Lieferketten werden für die Industrie neben den horrenden Energiekosten zur Dauerbelastung. Eine transatlan tische Freihandelszone würde hier auf beiden Seiten des Atlantiks zu deutlichen Entlastungen führen. Der Internationale Kreis unterstützt, dass Bundesfinanzminister Christian Lindner die Initiative ergriffen hat und öffentlich einen neuen Anlauf auf ein l Freihandelsabkommen fordert.
Der Wirtschaftsrat fordert ein Umdenken in der Agrarpolitik. Konkret bringt er einen Verzicht auf weitere Quotierungen ins Spiel, etwa der von der Bundesregierung vorgesehenen Ökolandbau-Quote von 30 Prozent. Denn Ökolandbau ist weit weniger ertragreich als konventioneller Landbau und wird kaum in der Lage sein, die Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln in Deutschland und Europa gewährleisten zu können. Weiterhin sollte darüber nachgedacht werden, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln nicht noch weiter zu reglementieren. Durch die voraussichtliche Verknappung von Düngemittel mit der rus sischen Invasion in der Ukraine besteht ohnehin die Gefahr vermehrter Ernteausfälle in Europa. Auch die ab 2023 bestehende Verpflichtung der Stilllegung von vier Prozent der Ackerflächen hat vor dem Hintergrund steigender Preise und der gleichzeitigen Verknappung von Agrarrohstoffen keine Existenzberechtigung mehr. Aus Sicht des Wirtschaftsrates ist jetzt wichtig, ein Sicherungssystem zur Nahrungsmittelversorgung zu entwickeln und so einen noch höheren Selbstversorgungsgrad zu erreichen. Schon während der Corona-Pandemie hatte die Ernährungswirtschaft mit Lieferengpässen, steigenden Rohstoffbeschaffungskosten und der anziehenden Inflation, auch befeuert durch hohe Energiekosten, zu kämpfen. In der Folge sind bereits die Lebensmittelpreise spürbar gestiegen. Nun wird durch den Krieg in der Ukraine, der Kornkammer Europas, auch die Diskussion der Versorgungs sicherheit mit Lebensmitteln neu geführt werden müssen. Vor dem Hintergrund, dass 30 Prozent des globalen Weizenhandels auf die Ukraine und Russland entfallen, kann davon ausgegangen l werden, dass die Preise weiter steigen.
Foto: AdobeStock©Zoran Zeremski
NEUES AUS DEN KOMMISSIONEN
HIGHLIGHT-WEBTALK MIT DR. CARSTEN LINNEMANN MDB
Wie die Neuausrichtung der Politik gelingen kann Wenige Tage vor seiner Wahl zum stellvertretenden CDU-Bundesvorsitzenden konnte der Wirtschaftsrat Dr. Carsten Linnemann MdB zu einem Webtalk begrüßen. Dabei zeigte er auf, wie die Neuausrichtung der Partei gelingen kann. Die Stagflation drohe zur Verarmung großer gesellschaftlicher Bereiche zu führen. Vor diesem Hintergrund sei es ein Glücksfall, dass Friedrich Merz die Urabstimmung zum CDU-Vorsitz so klar gewonnen habe. Die Niederlage der CDU bei der Bundestagswahl 2021 sei hauptsächlich auf die Strategie des „Weiter so“ zurückzuführen. Dies habe dazu geführt, dass die Partei nicht mehr wahrnehmbar gewesen sei. „Die Menschen erwarten von uns, dass wir konstruk-
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tiv, seriös und professionell sind, dass wir Stil und Haltung zeigen, und dass wir als CDU und CSU vernünftig miteinander umgehen“, erklärte Carsten Linnemann. Für die Zukunft wünsche er sich, dass die CDU sich nicht mehr emotional erpressen lässt und sich nicht aus Angst vor möglichen Shitstorms davor scheut, klare Positionen zu beziehen. Die Partei müsse sich wieder um die „stinknormalen“ Leute in Deutschland kümmern, die L ebenswirklichkeit wahrnehmen und dort z uhören, l wo es wehtut.
TREND 1/2 2022
Foto: Thorsten Schneider
Foto: us.embassy.gov