zek Hydro - Ausgabe 1 - 2022

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HYDRO

Interview

„OHNE INTELLIGENTE NETZE WIRD ES NICHT GEHEN“

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Foto: Pixabay

zek: Wie stark spielen denn hier die erneuerbaren Energien hinein? Zoll: Die spielen natürlich sehr stark hinein: Wenn die Menschen am Abend heimkommen, kochen, ihren PC und ihr TV einschalten, steigt der Verbrauch. Aber häufig ist zu diesem Zeitpunkt nicht mehr so viel Grünstrom verfügbar, um den Bedarf komplett decken zu können. Daher ist es so wichtig, einen gewissen Zeitversatz zu schaffen. Es geht immer um die Frage: Wann wird Energie erzeugt und wann wird sie benötigt?

DI Roland Zoll forscht am ASCR in Sachen Smart Grids. Er ist überzeugt, dass an intelligenten Netzen in Zukunft kein Weg vorbeiführt.

zek: Wird die wachsende Elektromobilität unsere Netze an ihre Grenzen bringen? Zoll: Naja, ich vergleiche dies immer mit einer Autobahn. So wenig es möglich sein wird, dass wir zu jeder Haustüre eine vierspurige Autobahn bauen, so wenig wird es möglich sein, dass man eine Leitungsinfrastruktur baut, die es jedem Haushalt ermöglicht, einen Tesla gleichzeitig mit allen anderen Haushalten ans Netz zu hängen. So wird es nicht gehen. Aber mit einem intelligenten Management können wir den Kunden diesbezüglich Ängste nehmen. Denn nicht jedes E-Auto braucht zu jeder Sekunde die volle Leistung, das eine ist mehr geladen, das andere weniger, Temperaturwerte können unterschiedlich sein. Daher ist es so wichtig, dass das Netz mit den E-Autos kommunizieren kann. zek: Was braucht es denn für ein smartes Netz? Zoll: Das Fundament bildet zweifellos die Sensorik. Jeder Messsensor, der uns in der Niederspannung die Augen öffnet, ist wichtig. Bis dato hat es noch nirgendwo in Europa ein großflächiges Messsystem im Niederspannungsbereich gegeben, weil der Energiefluss ja bis dato nur unidirektional war. Lastumkehrungen hat es im Niederspannungsbereich bis etwa vor 10 Jahren noch gar nicht gegeben. zek: Wie beurteilen Sie die Entwicklung dieser Sensoren? Zoll: Das läuft sehr gut, da es sich um Standardsensoren handelt, die für das Monitoring benutzt werden. Sie bringen Industriestandard mit, beginnend bei weni-

Februar 2022

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Foto: Glanzer

zek: Herr Zoll, warum brauchen wir überhaupt smarte Netze, sind die alten nicht mehr gut genug? Zoll: Der wesentlichste Grund liegt darin, dass sich auch unser Energie-Umfeld ändert, das smart ist – und dazu volatil. Als Verteilnetzbetreiber müssen wir unseren Kunden zu jeder Zeit sicher und zuverlässig Strom zur Verfügung stellen können. Durch den Umstand, dass sich die Abnehmer zunehmend volatil verhalten, müssen wir uns anpassen. Und dafür braucht es intelligente Netze. zek: Was sehen Sie als die großen Herausforderungen dabei? Zoll: Die E-Mobilität im großen Stil steht vor der Tür, ebenso die Herausforderungen, die mit den neuen Energiegemeinschaften, die das EAG möglich macht, einhergehen. Und natürlich können Verteilnetzbetreiber ihre Infrastruktur nicht innerhalb von zwei Jahren erneuern, oder so schnell anpassen, wie der Markt in eine Richtung ausschlägt. Wir brauchen also die Lösungen nicht morgen, sondern heute schon. Wir können nicht nur reagieren, sondern müssen proaktiv in eine strategische Netzplanung hineingehen. Man darf dabei ja nicht vergessen, dass das Ausbringen von Betriebsmitteln zum Teil sehr träge ist. Man denke an die langen Lieferzeiten für Kabel und anderes Zubehör oder etwa die rechtlichen Rahmenbedingungen für Grabungsarbeiten. Daher müssen wir wissen, wann und wo wir welche Leistung benötigen – und nicht im Nachhinein reagieren.

Die Stromnetze der Zukunft werden intelligent: Mit Elektromobilität, mit Hightech-Rechenzentren und nicht zuletzt mit dem starken Ausbau erneuerbarer Energien kommen Herausforderungen auf die Netzbetreiber zu, die mit den alten, passiven Stromnetzen nicht mehr zu bewältigen sein werden.

Foto: ASCR

Der rasante Ausbau der erneuerbaren Energien und der wachsende Markt an Elektroautos bringt gravierende Herausforderungen für unsere Stromnetze mit sich. Eine Transformation von passiven hin zu digitalen, intelligenten Netzen ist als Folge darauf längst im Gange. Mit welchen Herausforderungen man dabei konfrontiert ist und worauf die Forschung aktuell abzielt, erläutert DI Roland Zoll, zuständig für die Netzplanung Strom und Telekommunikation im Bereich Smart Grid bei Wiener Netze, in einem ausführlichen Interview mit zek HYDRO. Zoll betreibt seine Forschungen im Rahmen der Aspern Smart City Research (ASCR), einem gemeinschaftlichen Forschungsunternehmen von Wien Energie, Wiener Netze, Siemens und zwei weiteren Partnern.


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