Das Heft – Ausgabe Nr. 5 (2021) – Integration – Inklusion

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AUS DER PH

Interprofessionelle Kooperation bereits im Studium etablieren Das forschungsbasierte Lehrentwicklungsprojekt KoLeh bringt angehende Lehrer*innen und pädagogische Fachpersonen bereits im Studium im digitalen Raum zusammen und steigert so das Bewusstsein, wie wichtig Zusammenarbeit zwischen den Berufsgruppen in der inklusiven Bildung ist. Von Anja Blechschmidt

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ie Zusammenarbeit von Lehrpersonen und weiteren pädagogischen Fachpersonen, also die interprofessionelle Kooperation in multiprofessionellen Teams, ist zwingend für gelingende Inklusionsbemühungen im schulischen Kontext. Mit dem Verständnis schulischer Bildung als gemeinsame Entwicklungsaufgabe aller beteiligten Professionspartner sollte Kooperation bereits im Studium etabliert werden. Eine strukturelle Herausforderung für die interprofessionelle Kooperation im Schulkontext liegt in eingeschränkten Möglichkeiten zur direkten Interaktion, die sich etwa aus der Verantwortung der pädagogischen Fachpersonen für mehrere Klassen und Schulhäuser oder Teilzeitanstellungen ergibt. Einen Lösungsansatz bietet die fortschreitende Digitalisierung, durch die die Zusammenarbeit inhaltlich vertieft, erweitert und adaptiv gestaltet werden kann. Das forschungsbasierte Lehrentwicklungsprojekt KoLeh – digitale Kooperation von Lehrpersonen und pädagogischen Fachpersonen schon in der Hochschullehre – verfolgt deshalb das Ziel, bereits im Studium die digitale, interprofessionelle Kooperation zu etablieren. Zwei Kohorten von Studierenden der Pädagogischen Hochschule FHNW aus Studiengängen mit unterschiedlichem Berufsziel (Lehrpersonen, Sonderpädagog*innen, Logopäd*innen) und gemeinsamem Arbeitsort Schule nahmen im Herbstsemester 2019 und im Frühjahrssemester 2020 am Projekt teil. Die Studierenden jeweils zweier Lehrveranstaltungen verschiedener Studiengänge lösten anhand von Videovignetten (kurze Filme zu Lernsituationen verschiedener Schüler*innen) digital kooperative Reflexionsaufgaben zum Thema inklusive Schulung. Ziel des Projektes ist es, den Studierenden neben den fachlichen Kompetenzen ihrer jeweiligen Lehrveranstal-

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tung digitale Fertigkeiten für den spezifischen Kontext «interprofessionelle Kooperation in multiprofessionellen Teams» zu vermitteln. Dazu denken parallel rund 250 Studierende aus vier Studiengängen über Videoreflexion und Onlinebefragungen unter anderem darüber nach, inwieweit die digitale Bewältigung kooperativer Arbeitsaufträge zu einem wahrgenommenen Anstieg der digitalen Kompetenz und der Online-Selbstwirksamkeit führt. Die Ergebnisse zeigen Effekte der durchgeführten Lehrentwicklungen im Bereich kooperatives onlinegestütztes Lernen zwischen Professionsgruppen im Studium auf. Besonders erfreulich ist, dass den Studierenden vermehrt sowohl die Bedeutsamkeit der digitalen als auch der interprofessionellen Kooperation für die spätere Praxis in multiprofessionellen Teams bewusst wird. Sie nehmen die studiengangsübergreifende Zusammenarbeit im Rahmen des KoLeh-Projektes als eine besondere und nachhaltige Lernerfahrung wahr, die in ihrem derzeitigen offiziellen Studienplan im direkten Kontakt noch keine Rolle spielt. Die digitale Kooperation wird von Studierenden weiterhin kritisch wahrgenommen. Sie bevorzugen mehrheitlich das Face-to-Face Setting und räumen zusätzlich die Notwendigkeit und das Potenzial digitaler Kooperationsangebote ein, durchaus katalysiert durch die aktuelle Pandemiesituation. Die Studierenden betonen, dass sie sich die Zusammenarbeit mit den anderen Berufsgruppen nun konkreter vorstellen können, da sie schon Beteiligte kennen gelernt haben. Zudem betonen auch die Dozierenden der unterschiedlichen Studiengänge, dass sie motiviert in weitere Kooperationsformate einsteigen möchten. Gespräche für längerfristige curriculäre Einbettungen werden aufgenommen.

ANJA BLECHSCHMIDT ist Leiterin der Professur für Kommunikationspartizipation und Sprachtheorie am Institut Spezielle Pädagogik und Psychologie der PH FHNW. Sie leitet das Projekt KoLeh.


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