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Dichtung
Abgesang Gerade drei Monate war es her, dass der Vater in einem Krankenhaus der ehemaligen Kreisstadt verstorben war. Der Mietvertrag bestand noch, da der vereinbarte Kündigungstermin überschritten worden war und der Wohnungsbesitzer auf seine Rechte bestanden hatte. Wir waren an einem Samstag angereist, um die Wohnung aufzulösen. Einen Hauptteil hatte bereits mein Schwager Heiner erledigt, der Handtücher, Bettwäsche und andere Textilien an eine Flüchtlingsunterkunft in einem benachbarten Ort weiter verschenkt hatte. Die brauchbaren Möbel und Geschirr hatte ein Sozialarbeiter für jung verheiratete Paare aus Rumänien und dem Kosovo organisiert und ich war froh, dass die Einrichtungsgegenstände noch weiter in Gebrauch sein würden und nicht, wie in unserer „Wegwerf-Gesellschaft“ üblich auf dem Müll gelandet waren. Wir befanden uns also schon in einer weitgehend leeren Wohnung und nur noch Bücher, Bilder und persönliche Gegenstände erinnerten an den Verstorbenen. Mittlerweile war die Mutter der Vermieterin dazu gekommen und jammerte über die Eigenheiten meines Vaters und dass die angemieteten Räume verschmutzt und sehr renovierungsbedürftig seien. Sie hatte ihn zwar bis zu seinem Ende immer gut versorgt, sich aber ihre Dienste sehr angemessen entlohnen lassen. Mein Vater war diesbezüglich stets ein großzügiger Mensch gewesen, der sich nur ungern etwas schenken ließ. Mittlerweile hatte ich den Eindruck gewonnen, dass diese Frau immer noch Kapital
Hans Günther Lauth
aus dem abgelaufenen Mietverhältnis schlagen wollte. Ihre Schauergeschichten über den Verstorbenen ließen mich kalt, da ich dies doch ihrer sehr bescheidenen Intelligenz zuschrieb. Mit ihrer Tochter, die der eigentliche Vertragspartner war, einigte ich mich schnell auf einen Verzicht hinsichtlich der geleisteten Kaution und damit war das Thema erledigt. Die Bilder, größtenteils von meiner verstorbenen Schwester gemalt, gingen wieder in den Fundus meines Schwagers über und die verbliebenen Bücher waren doch sehr veraltet, bzw. nicht mehr aktuell. Die würden, nachdem sie auch von Rumänen oder Albanern kaum genutzt werden könnten, entweder in eine Sozialinitiative von Langzeitarbeitslosen, die in der Metropole einen SeconhandBuchladen betrieben oder in eine Altpapiersammlung gelangen. Für uns blieben nur noch zwei Körbe mit persönlichen Erinnerungen: Fotos, Urkunden vom Sportverein oder Gegenstände wie Taschenmesser, Ferngläser etc.. Besonders betroffen machte mich ein kleiner Stapel mit Sterbebildern, die mein Vater gesammelt hatte. Bis auf eine Person waren mir alle Verstorbenen persönlich bekannt und mir wurde auf einmal sehr deutlich bewusst, dass hier meine Kindheit und Jugend im Heimatort auf einen kleinen Stoß von Zetteln zusammengeschrumpft war. Mittlerweile waren es ja auch schon 40 Jahre her, dass ich von zu Hause weg gegangen war. Die Generation der Verstorbenen war nicht mehr und ihre Kinder und Enkel kannte ich nicht mehr. Ich war zu