AAM Nr. 43 Mai 2022

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Dem Himmel

so nah

Auf Pilgerwegen lässt man den Alltag für eine Zeit lang hinter sich. So gesehen ist der neue und ziemlich alpine Pilgerweg „Hoch und Heilig“ in Osttirol eine besonders sinnvolle Route.

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TEXT GEORG WEINDL FOTOS SHUTTERSTOCK.COM, GEORG WEINDL, TVB OSTTIROL, PETER MAIER, DALPIAZ FABIAN, TVB OSTTIROL/KRALER CLEMENS, TIROL WERBUNG/UHLIG BERND

Ruhige Wege über Almwiesen und entlang quirliger Gebirgsbäche sind typisch für den Pilgerweg durch Osttirol

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alpe adria magazin | pilgerweg

as Pilgerleben ist ja eher dafür bekannt, dass es der Kasteiung und Sinnfindung dient, also bescheiden und unspektakulär ist. In Osttirol ist das ein wenig anders. Das Villgratental in Osttirol ist eine vitale und archaische Gegend. Das liegt nicht nur an den hohen Gipfeln über den steilen Wiesenhängen, an den alten Bauernhöfen, die wie Denkmäler in der Landschaft stehen und an der Gelassenheit, die das Tal ausstrahlt, das damit wirbt, dass es hier nichts geben würde. Das ist natürlich eine Untertreibung, weil das Tal für stressgeplagte Stadtleute ein Fluchtpunkt besonderer Qualität ist. In Zeiten, in denen man sich beim Waldbaden und Bäumeumarmen vom Alltagsstress erholt und vom Bauern, dessen Schweinderl das Schnitzel gespendet hat, die Adresse und Telefonnummer erfragt, erleben solche Refugien eine kräftige Renaissance. Auch deshalb passt der Pilgerweg „Hoch und Heilig“ gut in unsere Zeit. Wir starten zu unserem Ausflug auf dem Pilgerweg ganz hinten im Villgratental in Kalkstein bei der ersten von zahlreichen Wallfahrtskirchen auf

diesem Weg. Auf der anderen Straßenseite leuchten die dachhohen Fensterflächen der Badl Alm, einem ziemlich coolen, zeitgemäßen Ausflugslokal. Und vor der Wallfahrtskirche Maria Schnee in Kalkstein steht das fast schon feudale Grab der Wildererlegende Pius Walder, dem auch heute noch wohl „berühmtesten“ Villgratener, der 1982 von Verfolgern hinterrücks erschossen worden ist, was dann zur Legende reifte und über Jahre für allerhand Streitereien sorgte.

9 Etappen, 13.000 Höhenmeter Der „Hoch und Heilig“-Weg hat neun Etappen, ist 200 Kilometer lang mit gut 13.000 Höhenmetern, die einen bis auf 2650 Meter raufschicken. „Die Begegnung mit der Natur, die Einsamkeit und der Blick von oben versprechen kontemplative Wirkung“, versichert uns Dekan Bernhard Kranebitter, der Initiator und Ideengeber des Pilgerweges ist und die Berge seiner Osttiroler Heimat und die zahlreichen Wallfahrtskirchen, denen wir unterwegs begegnen werden, wie seine Westentasche kennt. Zuerst aber laufen wir uns von der Kirche Maria Schnee auf dem flachen Weg talauswärts warm, plaudern mit Schwester Maria, die sich um die Gäste im ehemaligen Schulhaus kümmert, das heute zum Orden der Kalasantiner gehört, einem katholischen Männerorden. Ein schmaler, aber gut gehbarer Steig am Waldrand, bringt uns zur Wegelate Säge und zum versteckten Naturdenkmal Sinkersee. Danach geht es im Zickzack ein Stück bergab auf den Talboden zur Unterstaller Alm. Der kontemplative Charakter der Wanderung ist natürlich immer gut als Vorwand für eine Rast in der Jausenstation, wo uns hausgemachte Kuchen schwach werden lassen und wir ehrfürchtig raufschauen zum 2510 Meter


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