Wir sind weg
Mit der „Kräuterhexe“ auf Tour im Thayatal Wer die Schönheit der Natur kennt, will sie schützen, ist „Kräuterhexe“ Helga Donnerbauer überzeugt. Die älteste Nationalpark-Rangerin Österreichs bietet daher „Kräuterspaziergänge“ für Kinder und Erwachsene im Thayatal an. Mit kleinen Geschichten erweckt sie die Pflanzenwelt zum Leben. von dagmar weidinger
Totholz als Lebensraum Auslöser für die Nationalparkidee sei ein geplantes drittes Staukraftwerk entlang des Flusses in der tschechischen Stadt Býčí skála gewesen. Wiesen, Wälder und Felsen wären so quasi über Nacht von den Fluten verschluckt worden. „Kraftwerksbauer sind eigentlich die besten Naturschützer“, bringt es Helga Donnerbauer mit einem Augenzwinkern auf den Punkt. Das Projekt habe nämlich den Naturschutz erst so richtig auf den Plan gerufen. Während Tschechien aufgrund des verstaatlichten Besitzes bereits 1991 recht rasch und unbürokratisch einen
© Dagmar Weidinger (2), BR Nationalparks Austria Robert Gamperl (1), BR NP Thayatal Milek (2)
Wanderschuhe und ausgediente Kapperl sollte man bepflanzen. Findet Helga Donnerbauer, die älteste Nationalpark-Rangerin Österreichs. Dementsprechend ziert ihr üppig mit „Fetthenne“ und Hauswurz bewachsenes erstes Paar Wanderschuhe den Eingang des Besucherzentrums im Nationalpark Thayatal. Österreichs kleinster Nationalpark und seine älteste Rangerin feierten 2020 beide ein besonderes Jubiläum. Im Jahr 2000 wurde das grenzüberschreitende Gebiet entlang der tschechischen und österreichischen Thaya hierzulande zum Nationalpark erklärt – vor 20 Jahren also. Helga Donnerbauer, seit 40 Jahren ansässig im nahe gelegenen Ort Merkersdorf, ist 80 geworden. Ihre Geschichte und die des Nationalparks sind aufs Engste verwoben, war es doch ihr Mann, der vor rund zwei Jahrzehnten federführend in der lokalen Bürgerinitiative war, die sich für ein Naturschutzgebiet aussprach. Wer sich heute mit Helga Donnerbauer auf eine ihrer „Kräuterwanderungen“ durch die grüne Lunge begibt, kann sich kaum vorstellen, dass hier nicht schon immer der Naturschutz im Zentrum stand. Fast märchenhaft wirkt die üppig bewaldete Landschaft zu beiden Seiten der Thaya – Mischwald, wohin das Auge blickt, in vielen verschiedenen Grünschattierungen. Dazwischen saftige Wiesen am Flussufer mit umgefallenen Bäumen, die ins Wasser ragen.
Wer sich im Nationalpark bewegt, darf kein Obst mitnehmen. Zum Glück hat Helga Donnerbauer auch im eigenen Garten genügend Dirndln für köstliche Marmelade.
Nationalpark errichten konnte, sollte es in Österreich länger dauern. Die ansässigen Bauern sowie zwei Grafengeschlechter mussten erst überzeugt werden, auf ihren Landstrichen künftig auf Eingriffe zu verzichten. Helga Donnerbauer plaudert gerne aus dem Nähkästchen: „Die Bauern haben immer schon das Totholz liegen gelassen. Dass sie es nun tun mussten, hat ihnen dennoch nicht gepasst.“ Und
trotzdem war der Naturschutz erfolgreich. Kurz vor der Jahrtausendwende wurde die ehemalige Arztpraxis in Hardegg zum ersten Nationalparkbüro umgewandelt. Gleich zu Beginn des „Kräuterspaziergangs“ weist Donnerbauer auf ein besonderes Kennzeichen jedes Nationalparks hin: das Totholz. „Die umgefallenen Baumstämme sorgen dafür, dass sich eine besondere Artenvielfalt entwickeln kann“, sagt die Rangerin. Neue Nistplätze, Rückzugsorte und Futterquellen entstehen so über die Jahre auf natürlichem Weg. Störereignisse wie der Eisbruch vor sechs Jahren tragen zusätzlich zu einer rascheren Wildwerdung bei. Bereits in den 90er-Jahren hätten die tschechischen Kollegen 1.290 Pflanzenarten im
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