SOZIALES & GESUNDHEIT TITELTHEMA
INTERNATIONALER TAG
Gegen Gewalt an Frauen Mit dem Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen und Mädchen am 25. November und dem Internationalen Tag der Menschenrechte am 10. Dezember stehen zwei wichtige Kalendertage an, die uns eines ins Bewusstsein rufen sollen: Gewalt an Frauen ist eine Verletzung der Menschenrechte und entschieden abzulehnen! Viele Aktionen unterstreichen dieser Tage diese Botschaft! von Judith Steinmair
E
s war ein schleichender Prozess“, sagt Karin T. (Name von der Redaktion geändert), eine betroffene Frau, die im Frühjahr „ vergangenen Jahres PZ-Redakteurin Judith Steinmair ihre Leidensgeschichte anvertraut hatte. „Es fing mit Beleidigungen und Geringschätzungen aller Art an, und mein damaliger Partner legte ein gänzliches Desinteresse am Familienleben an den Tag. Ich dachte, ein gemeinsames Kind schweißt zusammen, aber das Gegenteil war der Fall. Worauf das zurückzuführen war, ist mir nie ganz klar geworden, vermutlich kamen unverarbeitete Altlasten seiner Kindheit zum Vorschein. Die anfängliche verbale Brutalität hat sich gesteigert, und dann folgten auf Worte Taten… Das reichte vom Herumschubsen bis zu Schlägen, Hauptsache Schmerzen zufügen. Nach außen hin schien ja alles in Ordnung zu sein, nach außen hin gab er sich nett und zuvorkommend. Einige haben mitbekommen, dass ich total ausgelaugt war. Es ging aber in Richtung Andeutungen, mit der ganzen Wahrheit bin ich zunächst nicht vollständig rausgerückt. Und das ganze Ausmaß der Tragödie wurde von den wenigen Eingeweihten leider heruntergespielt, als nicht so tragisch wahrgeAUTONOME PROVINZ BOZEN - SÜDTIROL
PROVINCIA AUTONOMA DI BOLZANO - ALTO ADIGE
PROVINZIA AUTONOMA DE BULSAN - SÜDTIROL
Gegen Gewalt an Frauen Wehrt euch. ES GIBT HILFE!
112 1522
GEA Kontaktstelle gegen Gewalt 800 276 433 | www.casadelledonnebz.it Haus der geschützten Wohnungen 800 892 828 | www.hdgw.it
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Meran
Frauen gegen Gewalt
Bruneck
Frauenhausdienst Pustertal
Brixen
Frauenhausdienst Eisacktal
800 014 008 | www.donnecontrolaviolenza.org 800 310 303 | www.bezirksgemeinschaftpustertal.it
PZ 23 | 25. N OV E M B E R 2021
800 601 330 | www.bzgeisacktal.it
JEDE DRITTE FRAU WIRD OPFER VON GEWALT
Jede dritte Frau, ist laut UN Women Statistik 2018, weltweit immer noch Opfer von Gewalt. Wenn Gewalt in Mord gipfelt, herrscht blankes Entsetzen. Italien rangiert bei der Statistik der Femizide leider weit vorne. Im vergangenen Jahr wurden 115 Frauen in Italien ermordet, drei davon in Südtirol, eine davon im Pustertal. Insgesamt gab es 26 Frauen(Mädchen)morde in den vergangenen 30 Jahren in Südtirol. Dabei sind Frauenmorde nur der Gipfel des Eisbergs, sagt Helga Seebacher, die Leiterin des Frauenhausdienstes Bruneck. Gewalt an Frauen hat nämlich viele Gesichter, körperlicher Natur, natürlich, aber auch Erniedrigung, Demütigung, Ausbeutung und Stalking sind beispielsweise ein Ausdruck von Gewalt.
EIN AUSWEG AUS DEM DILEMMA
Notrufnummer
Bozen
nommen. Als ich vor meiner Familie schließlich den Vorhang hab fallen lassen, habe mich ans Frauenhaus gewandt und den Stein damit ins Rollen gebracht. Ich bin unendlich froh, den Ausstieg aus dieser unerträglichen Gewaltbeziehung geschafft zu haben! Mein Appell: Liebe Frauen: Ihr seid wertvoll, liebt Euch selbst und kehrt der Gewalt den Rücken. Eine solche Erfahrung wie die unsere ist schlimm, aber mit dem Ausstieg wird es besser! Und an die Menschen, die häusliche Gewalt mitbekommen: Helft! Zu signalisieren, dass man nicht blind gegenüber dem Leiden ist und Betroffene anzusprechen ist wichtig. Wegschauen ist keine Hilfe.“ (Auszüge aus einem Interview in der PZ Nr. 9 vom 30.4.2020)
Landesbeirat für Chancengleichheit für Frauen Commissione provinciale per le pari opportunità per le donne Cumiscion provinziela per la valivanza dla chances per l`ëilis
Ein Ausweg aus der Gewalt - nicht immer leicht und leider auch nicht immer selbstverständlich. Laut Auskunft des Frauenhausdienstes benötigen von Gewalt betroffene Frauen oft mehrere Anläufe, bevor sie konkrete Hilfe in Anspruch nehmen. Die Schuld wird meist bei sich selbst gesucht. Auch lassen sich viele Betroffene immer wieder von der Bitte um Vergebung und dem Versprechen, es komme nie wieder vor, umstimmen und halten so ihr Leid aus. „Wir haben uns ja so geliebt und hatten auch schöne Zeiten...“, „Er hatte doch so eine schwere Kindheit...“, „Er hat mir versprochen, dass er es nicht mehr macht...“, so oder ähnlich lauten oftmals die Beschwichtigungen der Frauen. Aber Ertragen ist kein Ausweg, sagen die Expertinnen vom Frauenhausdienst, und die betroffenen Frauen sollen wissen, dass es Anlaufstellen gibt, die ihnen helfen. Wie eben der Frauenhausdienst mit seiner anonymen und kostenlosen Beratungsstelle. Bei Bedarf und in Rücksprache mit den Betroffenen werden auch Kontakte zu weiteren Diensten/Ämtern/Gerichtsbehörden aufgenommen und Frauen dorthin begleitet. Mit den Geschützten Wohnungen bietet der Frauenhausdienst zudem eine vorübergehende Möglichkeit, in einem geschützten Rahmen die Gewaltsituation zu überwinden, wobei die Aufenthaltsdauer in etwa sechs Monate beträgt.