26 WISSEN
Wenn es einfach zu viel wird Das Elternbild der Gesellschaft wird immer perfektionistischer, der Druck wächst, mehr und mehr Eltern sind dem Burnout nahe. Wie man dem vorbeugen kann, vermittelt zurzeit ein Workshop im Familljen-Center. Heute ist ein guter Tag. Die Sonne scheint, Ramona Kriens* sitzt auf ihrer Terrasse, und seit einigen Wochen hält sie ganz gut durch. Mit ihren Händen malt sie eine Kurve in die Luft. Es geht auf und ab. Bei der Hälfte der aufsteigenden Kurve hält sie inne. „Ich bin jetzt hier.” Dank einer Psychologin und der Unterstützung ihres Mannes, ihres Fahrrades und den Sonntagen. Wenn sie ganz unten ist, wünscht sie sich manchmal, einfach nicht mehr da zu sein. Das Einzige, was sie dann durch den Tag bringt, ist der Gedanke: Irgendwann ist all das vorbei, dann kann ich mich zur Ruhe legen.
gefährdet. Die Zahlen stammen aus einer Untersuchung der katholischen Universität Louvain (UCL) und beziehen sich auf Belgien. In Luxemburg dürften sie etwa gleich sein, weiß Sophie Hannick. 2018 hat sie an einer Forschungsarbeit mitgewirkt. Herauskam eine Methode, mit der Eltern dem Burnout vorbeugen und ihn bekämpfen können. Schon vor der Pandemie hat sich das Problem stetig verschlimmert, in allen Ländern. „Besonders
Aufstehen, anziehen, Frühstück machen, Kinder wecken, sie zur warmen Jacke überreden, zur Schule bringen. Einkaufen, waschen, kochen, nochmal waschen, das eine Kind zum Sport bringen, das andere zum Zahnarzt. In letzter Zeit zwingt sie sich, täglich Fahrrad zu fahren. Das tut ihr gut. Ramona Kriens ist Hausfrau. Und sonst nichts, so denkt sie oft. Sporadisch sucht sie nach einem Job, doch kaum etwas ist mit ihrem Familienleben und dem Beruf ihres Mannes vereinbar. „Ich dachte immer, je größer die Kinder werden, desto mehr Zeit habe ich für mich. Es wird einfacher. Aber so ist es nicht. Es gibt immer neue Schwierigkeiten.” Sehr intensiv sucht sie auch nicht nach Arbeit. Und was genau ihr Freude machen würde, weiß sie auch nicht. Sie weiß inzwischen, das ist ein Symptom des Burnouts. Fünf Prozent der Eltern sind im Burnout. Weitere acht Prozent sind stark
Es gibt die Pille. Wir haben uns ausgesucht, Eltern zu sein. Lis Thomé
dramatisch ist es in individualistischen Gesellschaften, etwas weniger dort, wo Solidarität und Gemeinschaft eine größere Rolle spielen”, sagt Sophie Hannick. Dennoch: „Uns hat überrascht, dass selbst in vielen afrikanischen Ländern Eltern im Burnout sind. Es ist überall verbreitet.” Sophie Hannick ist ausgebildete Trainerin am „Training Institute for Parental Burnout”. Sie leitet einen Workshop für Eltern und vermittelt ihre Kenntnisse nun in anderen Ländern weiter. Inzwischen findet das Training in 45 Ländern statt, zurzeit zum ersten Mal in Luxemburg. Hier hat sie unter anderem Lis Thomé ausgebildet. Gemeinsam veranstalten sie den Workshop am Familljen-Center in Bonneweg auf Basis der Methode, die die UCL ausgearbeitet hat. Sophie ist eine Art Botschafterin. Denn zu wenig Leute wissen mit dem Burnout umzugehen. „Ärzte, die gestresste Mütter und Väter krankschreiben, setzen sie manchmal noch mehr der Stressquelle aus. Für einige Eltern ist die Arbeit nämlich ein Rückzugsort, wo sie ihre Batterien wieder etwas aufladen können.”, sagt Sophie Hannick. Seit etwa dreieinhalb Jahren ist Ramona Kriens im Burnout. Die schlimmste Phase war kurz vor der Pandemie. Da dachte sie, jetzt muss irgendetwas passieren. „Ich hatte überhaupt keine Geduld mehr. Mama, Mama. Mama. Manchmal halte ich schon das nicht mehr aus. Ich schreie sie dann unverhältnismäßig an. Ich weiß, sie können nichts dafür. Nein, du hast nichts gemacht. Es ist nicht deine Schuld.”