Quo vadis, Automobile?
FOKUS
Verdammt, wir leben noch! Das Problem moderner Technik und ihrer Reparierbarkeit ist für markenoffene Werkstätten wahrlich kein neues. Dennoch könnte die zunehmende Digitalisierung die eine oder andere unliebsame Veränderung nach sich ziehen. Von Roland Scharf
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as war es für ein Aufschrei. Ein Massensterben unter den Betrieben wurde schon vorhergesagt, wenn die Autohersteller die Daten nicht freigeben. Denn ohne diese würde man kein Auto mehr reparieren können – und Werkstätten ohne Markenzugehörigkeit liefen Gefahr, zusperren zu müssen. Die Ironie: Diese Angst hatte man vor mehr
„Wir reden viel mit Verbänden und Organisationen. Die schätzen, dass wir ein neutraler Marktteilnehmer sind.“ Lars Faust, Geschäftsführer FabuCar als einem Vierteljahrhundert, als mit der KatalysatorPflicht auch die Onboard-Diagnose in den Autos Einzug hielt. Der Rest der Geschichte ist bekannt: Diagnosegeräte sind längst erschwinglich, teils sogar als Handy-App Privaten zugänglich, die OBDII-Ports vereinheitlicht, einst teure Spezialwerkzeuge in Online-Shops erhältlich und alles ist in den normalen Werkstattalltag übergegangen. Es gab bis jetzt immer einen Weg weiterzumachen. Trotz fortschreitenden Einzugs der Elektronik: Ein Auto besteht seit Jahrzehnten aus den gleichen Bauteilen. Stoßdämpfer, Traggelenke, Scheinwerfer, Zahnriemen, Bremsen, Öle und Filter, Windschutzscheiben, Klimaanlagen, alle brauchen das obligatorische „Pickerl“ – und streng genommen sind diese
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AUTO & Wirtschaft 06/2021
Basisarbeiten auch die Haupteinnahmequellen freier Werkstätten. Hat ein Auto ein gewisses Alter erreicht, ist der Besitzer meist auch nicht mehr bereit, die Stundensätze der Markenbetriebe zu bezahlen, was ihn automatisch in die offenen Arme der Freien führt. Daran wird die Digitalisierung nichts ändern.
Überschaubare Geschwindigkeit des Wandels Natürlich kommen mit der Telematik, der Vernetzung des Pkw mit dem Hersteller, neue Herausforderungen auf die Branche zu. Und wieder einmal geht es darum, an Daten heranzukommen, um noch arbeiten zu können. Doch sollte man hier die Kirche im Dorf lassen. Die Verbreitung vernetzter Fahrzeuge schreitet laut Caruso, dem großen Daten-Marktplatz in überschaubaren Schritten voran. EU-weit klettert deren Anteil von derzeit 39 bis 2030 zwar auf 175 Millionen Stück, was aber nicht einmal die Hälfte des gesamten Fuhrparks der Union ausmacht. Bedeutet somit im Umkehrschluss: Vor allem die älteren Fahrzeuge sind nach wie vor ganz normal handzuhaben. Also die Autos der Stamm-Klientel, die ohnehin nicht zum Vertragspartner fährt. Geändert haben sich neben Schraubenformen und den immer mühsameren Platzverhältnissen im Motorraum natürlich auch diverse technische Finessen. Aber auch da gibt es ein Zauberwort: Vernetzung, allerdings auf bodenständigere Art und Weise. Damit sind nicht nur Zusammenschlüsse freier Werkstätten