HANDEL
„Dann ist das sinnlos“ Heftige Kritik an der Führung der Wirtschaftskammer üben in diesem Doppel-Interview der bisherige Einzelhandelssprecher Komm.-Rat Ing. Josef Schirak und sein Nachfolger Stefan Hutschinski: In der WKO hätten derzeit Parteiinteressen Vorrang vor Brancheninteressen. Von Mag. Heinz Müller
A
UTO-Information: Herr Schirak, Sie waren von 1967 bis 2020 in unterschiedlichsten Funktionen in der Wirtschaftskammer Niederösterreich und in der Wirtschaftskammer bundesweit aktiv. Damit sind Sie der „längstdienende“ Wirtschaftskammer-Vertreter bisher: Wie ist Ihre Bilanz? Josef Schirak: Die Kammer hat sich gewandelt, aber leider nicht in die Richtung, die ich gern gesehen
„Wir waren damals frei, bis zum Minister zu gehen, und ich musste nicht fragen, ob ich darf oder nicht.“ Komm.-Rat Ing. Josef Schirak hätte. Denn das derzeitige Präsidium geht völlig andere Wege. Ich hatte zu meiner Zeit als Bundesgremialobmann (1990-1997, Anm.) nie ein Problem, die Interessen meiner Sparte zu vertreten. Wir waren frei, bis zum Minister zu gehen, und ich musste nicht fragen, ob ich darf oder nicht. Es war sinnvoll, dass die einzelnen Branchen mit dem Ministerium direkt ihre Probleme diskutieren konnten, ohne das Präsidium der Wirtschaftskammer damit zu belasten. In ausschließlich branchenspezifischen Problemstellungen
16
AUTO & Wirtschaft 06/2021
braucht es keine Bevormundung durch die jeweilige Kammerspitze: Diese sollte sich zweckmäßigerweise um tragbare Rahmenbedingungen für die Arbeit ihrer Mitglieder und deren Branchenvertreter bemühen. Jetzt ist das nicht mehr der Fall? Schirak: Jetzt höre ich, dass der jeweilige Bundesgremialobmann beim Präsidium fragen muss, ob er seine Branchenangelegenheit direkt ans Ministerium herantragen kann. Das kann es nicht sein! Wenn niemand solche Sachen direkt ansprechen darf, sondern nur über das Präsidium der Kammer, dann ist das sinnlos. Ich bedaure, dass in der Wirtschaftskammer derzeit sichtlich Partei interessen Vorrang vor Brancheninteressen haben. Ich bin daher sehr froh, dass es den VÖK (Verband österreichischer Kraftfahrzeugbetriebe) gibt, der für die Verbände der einzelnen Markenhändler als Sprachrohr auftritt. Nachdem die Wirtschaftskammer Teil der Sozialpartnerschaft ist, ist es sehr wichtig, dass die jeweiligen Branchenbelange von ihren jeweiligen Gremien, Innungen etc. direkt mit den Ministerien in Richtung Gesetzgebung ausverhandelt werden können.