JAHRBUCH 2008 ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR ALPIN- UND HÖHENMEDIZIN
ALPINE NOTFALLMEDIZIN – FLUGRETTUNG VA R I A
HERAUSGEBER: B. HADITSCH W. D O M E J W. S C H O B E R S B E R G E R M. BURTSCHER
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IMPRESSUM Herausgeber: HADITSCH Bernd, Dr.med., Vorstandsmitglied ÖGAHM, Ambulatorium für Vorsorge-, Gesunden- und Jugendlichenuntersuchungen der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse sowie Institut für Adaptive- und Raumfahrtphysiologie Graz, Wormgasse 9, 8010 Graz. E-Mail: bernd.haditsch@inode.at DOMEJ Wolfgang, Univ.-Prof. Dr.med., Vizepräsident der ÖGAHM, ARGE Alpinmedizin, Klinische Abteilung für Lungenkrankheiten, Medizinische Universitätsklinik Graz, Auenbruggerplatz 20, A-8036 Graz. E-Mail: wolfgang.domej@meduni-graz.at SCHOBERSBERGER Wolfgang, Univ.-Prof. Dr.med, Vizepräsident der ÖGAHM, Institut für Urlaubs-, Reise- und Höhenmedizin, Private Universität für Gesundheitswissenschaften, Medizinische Informatik und Technik (UMIT), Eduard Wallnöfer-Zentrum 1, A-6060 Hall in Tirol. E-Mail: wolfgang.schobersberger@umit.at BURTSCHER Martin, Univ.-Prof. DDr., Präsident der ÖGAHM, Institut für Sportwissenschaften, Leopold Franzens Universität Innsbruck, Fürstenweg 185, A-6020 Innsbruck. E-Mail: martin.burtscher@uibk.ac.at
Verleger: Österreichische Gesellschaft für Alpin- und Höhenmedizin Satz, Gestaltung und Druck: Raggl Druck GmbH, Rossaugasse 1, A-6020 Innsbruck ISBN-Nr.: 978-3-9501312-8-4 Alle Rechte vorbehalten Umschlagbild U1: Höhenlager 2 (6.800m), Muztagh Ata (7.546 m), Westchina Foto: Helmut Hackl Umschlagbild U4: Lasten-Kamele am Fuße des Muztagh Ata Foto: Helmut Hackl Abfahrt vom Wari La (5.311m) nach Sakti Foto: Günther Sumann 3
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VORWORT Am 30. August 2008 erreichte für die meisten von uns völlig überraschend die traurige Nachricht, dass unser Ehrenpräsident, Prof. Elmar Jenny, in seinem 82. Lebensjahr verstorben ist. Am 6. September 2008 durften wir ihn in seiner Wahlheimat Brand in Vorarlberg auf seinem letzten Wege begleiten. Elmar Jenny ist und bleibt untrennbar mit unserer Gesellschaft verbunden. Er zählt zu den bedeutendsten Pionieren der Alpin- und Bergrettungsmedizin weltweit. Er ist Mitbegründer der Österreichischen Gesellschaft für Alpin- und Höhenmedizin (ÖGAHM) und hat sie als ihr erster Präsident behutsam und mit starker Hand durch die schwierigen Jahre ihrer Entwicklung geführt. Die Aufgaben und Tätigkeiten dieser Gesellschaft gehörten ohne Zweifel zu seinen wichtigsten Lebensinhalten. Auch als Ehrenpräsident hat er an fast allen Veranstaltungen, Präsidiums- und Vorstandssitzungen der ÖGAHM teilgenommen und war unermüdlich bedacht, deren ursprüngliche Zielsetzungen uneigennützig und zum Wohle aller BergsteigerInnen im Auge zu behalten. Neben unzähligen Initiativen hat er auch das Jahrbuch der ÖGAHM ins Leben gerufen. Inzwischen können wir auf ein Kompendium von 19 Jahrbüchern zurückgreifen, das in einzigartiger Weise die Weiterentwicklung der Alpin- und Höhenmedizin in verständlicher und anwendungsorientierter Form dokumentiert. Leider darf unser hochgeschätzte Freund und Ehrenpräsident Elmar Jenny das 20-jährige Jubiläum unserer Gesellschaft nächstes Jahr nicht mehr miterleben. Im meinem persönlichen und im Namen des gesamten Vorstandes darf ich aber versichern, dass Elmar Jenny unvergesslich in unserer dankbaren Erinnerung bleiben wird. Das Jahrbuch 2008 widmen wir unserem Elmar Jenny.
Univ.-Prof. DDr. Martin Burtscher Präsident der ÖGAHM
Prof. Dr. Elmar Jenny (gest. 30.8.2008)
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Inhalt Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Vorwort des Präsidenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
Fachartikel F. Scheibmayr, M. Burtscher, Th. Küpper, W. Schobersberger Höhenanpassungsprofile bei kommerziellen Trekkingtouren: Internationale Empfehlungen versus touristische Realität . . . . . . . . . . . . . . 11 Th. Haider, V. Leichtfried, C. Möller, G. Hoffmann, W. Schobersberger, R. Koch, M. Burtscher Bovines Colostrum zur Prophylaxe gastrointestinaler Infekte . . . . . . . . . . . 25 M. Burtscher, H. Gatterer, M. Faulhaber Vorakklimatisation durch intermittierende Hypoxie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 A. Cogo, G. Fiorenzano COPD patients at altitude . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 M. Tannheimer Kampfpiloten und Expeditionsbergsteiger: Leistungsfähigkeit unter hypobarer Hypoxie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 G. Ruedl, P. Ploner, I. Linortner, A. Schranz, Ch. Fink, R. Sommersacher, Th. Woldrich, W. Nachbauer, E. Pocecco, M. Burtscher Wirken sich hormonelle Faktoren auf die Häufigkeit von Kreuzbandverletzungen im Freizeitskilauf aus? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 Ch. Guger, W. Domej, G. Schwaberger, G. Edlinger Changes of ECG, oxygen saturation, Lake Louise Score and concentration performance on Kilimanjaro . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85
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W. Domej, M. Trapp, E-M. Miggitsch, H. Tilz, Ch. Guger, G. Schwaberger Autonomes Nervensystem, arterieller Blutdruck und Höhenexposition. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 H.P. Dimai, W. Domej Der Einfluss hypoxischer Umweltbedingungen auf den Knochenstoffwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 R. Fischer Höhenaufenthalt und Stoffwechselveränderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 N.C. Netzer, R. Chytra, Th. Küpper Bei adipösen Personen führt niedrigintensives Training in normobarer Hypoxie zu signifikant mehr Gewichtsverlust als in normobarer Normoxie (Sham Hypoxie) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 R. Roller-Wirnsberger Bergsport im Alter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 Th. Küpper Höhenwirksamkeit von Medikamenten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 R. Waanders, W. Studer, F. Pleh, A. Kristen System DARIX4000 in der Praxis – Teil 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 U. Prettenhofer Natürliche Strahlenexposition im Vergleich zu diagnostischtherapeutischer Strahlenbelastung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 M. Leitl Belastungen bei zivilen und militärischen Auslandseinsätzen . . . . . . . . . . 209 G. Brauchle, C. Eitzinger, H. Stummer Zur gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit psychischen Traumatisierungen – ein historischer Abriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227
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Autorenliste BRAUCHLE Gernot, ao. Univ.-Prof. Dr., Institut für Human- und Wirtschaftswissenschaften, Private Universität für Gesundheitswissenschaften, Medizinische Informatik und Technik (UMIT), Eduard WallnöferZentrum 1,A-6060 Hall in Tirol. E-Mail: gernot.brauchle@umit.at BURTSCHER Martin, Univ.-Prof. DDr., Präsident der ÖGAHM, Institut für Sportwissenschaften, Leopold Franzens Universität Innsbruck, Fürstenweg 185, A-6020 Innsbruck. E-Mail: martin.burtscher@uibk.ac.at COGO Annalisa, Dr., Centro Studi Biomedici applicati allo Sport, Universita di Ferrara, Italia. E-Mail: annalisa.cogo@unife.it DIMAI Hans Peter, Univ.Prof. Dr.med., Universitätsklinik für Innere Medizin, Klinische Abteilung für Endokrinologie und Nuklearmedizin, Medizinische Universität Graz, Auenbruggerpl. 15, A-8036 Graz. E-Mail: hans.dimai@meduni-graz.at DOMEJ Wolfgang, Univ.-Prof. Dr.med., Vizepräsident der ÖGAHM, ARGE Alpinmedizin, Klinische Abteilung für Lungenkrankheiten, Medizinische Universitätsklinik Graz, Auenbruggerplatz 20, A-8036 Graz. E-Mail: wolfgang.domej@meduni-graz.at FISCHER Rainald, PD Dr.med., Deutsche Gesellschaft für Berg- und Expeditionsmedizin, Bertha von Suttner Weg 7a, D-82152 Martinsried. E-Mail: fischer@bexmed.de GUGER Christoph, Dipl.Ing. Dr.techn., g.tec medical engeneering GmbH, Guger Technologies OEG, Sierningstrasse 14, A-4521 Schiedlberg. E-Mail: guger@gtec.at HAIDER Thomas, Univ.Ass. Mag.rer.nat. Dr.med., Institut für Urlaubs-, Reise- und Höhenmedizin, Private Universität für Gesundheitswissenschaften, Medizinische Informatik und Technik (UMIT), Eduard Wallnöfer-Zentrum 1, A-6060 Hall in Tirol. E-Mail: thomas.haider@umit.at
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KÜPPER Thomas, PD Dr.med., Institut für Arbeits- & Sozialmedizin der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen, Pauwelsstr. 30, D-52074 Aachen. E-Mail: tkuepper@ukaachen.de LEITL Martin, m.leitl@gmx.de
M.P.S., Weiher 3, D-94469 Deggendorf. E-Mail:
NETZER Nikolaus, PD Dr.med., Hermann Buhl Institut für Hypoxie und Schlafmedizinforschung der Paracelsus Medizinischen Universität, Salzburg und Fachklinik Ghersburg für Geriatrische Reahbilitation. Ghersburgstrasse 9, D-83043 Bad Aibling. nikinetzer@yahoo.com PRETTENHOFER Ulrike, Ass.Prof. Dr. med. MSc., ARGE-Alpinmedizin, Univ. Klinik für Strahlentherapie, Medizinische Universität Graz, Auenbruggerplatz 32, A-8036 Graz. E-Mail: ulrike.prettenhofer@meduni-graz.at ROLLER-WIRNSBERGER Regina, Dr.med., Abteilung für Angiologie, Medizinische Universitätsklinik Graz, Auenbruggerplatz 15, 8036 Graz. E-Mail: regina.roller-wirnsberger@meduni-graz.at RUEDL Gerhard, Dr., Institut für Sportwissenschaft, Bereich Alpinsport, Leopold Franzens Universität Innsbruck, Fürstenweg 185, A-6020 Innsbruck. E-Mail: gerhard.ruedl@uibk.ac.at SCHEIBMAYR Franz, Mag., Institut für CT- und MRT-Diagnostik am Schillerpark Linz, Baumgarting 2, A-4904 Atzbach. E-Mail: franz.scheibmayr@atzbach.at TANNHEIMER Markus, Dr.med., Oberstabsarzt, Abteilung für Visceral- und Thoraxchirurgie, Oberer Eselsberg 40, D-89081 Ulm. E-Mail: markus.tannheimer@arcor.de WAANDERS Robb, Mag. Dr., Kassier der ÖGAHM, Bahnhofstrasse 16/2, A-6800 Feldkirch. E-Mail: robb.waanders@lkhr.at
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F r a n z S c h e i b m a y r, M a r t i n B u r t s c h e r, T h o m a s K Ăź p p e r, Wo l f g a n g S c h o b e r s b e r g e r
HÜhenanpassungsprofile bei kommerziellen Tr e k k i n g t o u r e n Internationale Empfehlungen versus touristische Realität Profiles of high altitude adaptation during commercial trekking tours International recommendations in comparison to the reality of tourism
S U M M A RY Because of the fact that more and more people are looking for a great adventure on their holiday, also the number of tourists in commercial organized trekking tours rises enormously. Not only the absolute number of trekking tourists, but also the cases of trekkers suffering from acute mountain sicknesses increases in parallel. International guidelines give a global calculation of the time needed for high altitude adaptation/acclimatisation. Whether the profiles of high altitude adaptation/acclimatisation in commercial trekking tours are similar to these guidelines or not, has not been studied before. By analyzing 111 commercial trekking routes using the traffic light system for the three typical signal colours (red = big discrepancy, yellow = some discrepancy, green = no discrepancy as compared to the guidelines) we could demonstrate enormous differences between the international guidelines and the touristic reality. For example, not more than 28 % of all studied treks can be classified as fulfilling the guidelines concerning the advice of a rest day after 1000 m altitude difference. More and more trekking agencies try to accept the desires of the trekking tourists and start to modify and shorten well prepared trekking tours. The danger of this reaction is that the agencies ignore the acclimatisation rules at high altitudes and incriminate the inexperienced tourist with additional risks during the
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trekking tour. The following article describes approaches in order to solve this high altitude related problem in the future and gives advices to the inexperienced tourists to protect them from non-serious trekking agencies. Keywords: high altitude adaptation, trekking, guidelines, acute mountain sickness
Z U S A M M E N FA S S U N G Aufgrund der Tatsache, dass immer mehr Menschen bei ihrer Urlaubsplanung nach körperlicher Herausforderung suchen, ist auch die Anzahl der Touristen bei kommerziell geführten Trekkingtouren stark gestiegen. Parallel dazu wird ebenfalls eine Zunahme der Akuten Bergkrankheit beim Höhentrekking beobachtet. Internationale Richtlinien geben Empfehlungen über die richtige Höhenanpassung an große Höhen, wie diese beim Trekking aufgesucht werden. Ob kommerzielle Trekkinganbieter im Hinblick auf die Erstellung der Höhenanpassungsprofile diese Guidelines berücksichtigen, wurde bislang nicht untersucht und ist deshalb Hauptziel der vorliegenden Studie. Insgesamt wurden 111 kommerzielle Trekkingtouren entsprechend einem Ampel-Prinzip mit den drei typischen Signalfarben zu Darstellung gebracht (rot = keine Übereinstimmung, gelb = mäßige Übereinstimmung, grün = Übereinstimmung mit den Richtlinien zur Höhenanpassung). Die Ergebnisse sind als alarmierend einzustufen. So konnte das empfohlene Einhalten von Ruhetagen nach 1000 Höhenmetern nur bei 28% aller analysierten Trekkingtouren nachgewiesen werden. Ein Großteil der Reiseanbieter versucht auf die besonderen Wünsche und Bedürfnisse der Touristen vermehrt einzugehen und Trekkingtouren abzuändern, zu verkürzen bzw. noch „attraktiver“ zu gestalten. Die große Gefahr dabei besteht allerdings darin, die Akklimatisationsregeln in großen Höhen somit zu verletzen und die unerfahrenen Trekkingtouristen mit unnötigen höhenmedizinischen Risiken zusätzlich zu belasten. Der Artikel beschreibt mögliche Ansätze, diese Höhenproblematik zukünftig besser in den Griff zu bekommen, sowie Verhaltensweisen für den unerfahrenen Trekkingtouristen, unseriöse Trekkingangebote abschätzen zu können. Schlüsselwörter: Höhenanpassung, Trekking, Empfehlungen, Akute Höhenkrankheit
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EINLEITUNG Die jährlich steigende Zahl an Trekkingtouristen deutet auf einen ungebrochenen Trend des Höhentourismus hin. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind es jährlich etwa 35 Millionen Menschen, die Gegenden über 3000 m Seehöhe aufsuchen (1). Viele dieser Trekkingtouristen bevorzugen verstärkt Trekkingziele in ungewohnt großen Höhen. Sie sind sich dabei allerdings kaum bewusst, dass nicht nur alpinistische Gefahren, sondern die Höhe selbst zu einer großen Gefährdung für ihre Gesundheit werden kann. Beinahe alle Trekkingreisen bzw. -touren können einerseits durch die Höhenbergsteiger selbst „auf eigene Faust“ organisiert werden oder andererseits bei kommerziellen Reiseveranstaltern gebucht und durchgeführt werden. Verbunden mit dem deutlichen Anstieg an Trekkingtouristen ist es naturgemäß auch zu einem kräftigen Ansteigen der Angebote von Reise- und Trekkingagenturen gekommen, wobei erwartungsgemäß nicht nur seriöse und verantwortungsvolle, sondern durchaus auch unseriöse Trekkinganbieter in Erscheinung treten.
PROBLEMSTELLUNG Die Höhenproblematik liegt nun darin, dass Aufenthalte über 2500 m Seehöhe eine ganz gezielte Höhenanpassung erfordern. Die Höhenanpassung (Adaptation, Akklimatisation) ist ein sehr komplexer Vorgang, der es möglich macht, den menschlichen Körper an die stets steigenden Höhen erneut anzupassen. Ab dem Überschreiten der sog. „kritischen Schwellenhöhe“ (> 2500 m) ist die Methode der „einfachen“ Sofortanpassung nicht mehr ausreichend. Wer hier noch höher aufsteigen möchte wird einem ständigen „Höhenreiz“ ausgesetzt und muss den Organismus schrittweise an die steigenden Höhen anpassen. Kommt es zu Fehlern bei der Höhentaktik, so können schon mit einer Latenzzeit von 6 bis 12 Stunden nach dem Überschreiten der Schwellenhöhe erste Anzeichen einer Höhenkrankheit auftreten. Die Höhenbergsteiger klagen über Symptome, wie Kopfschmerzen, Übelkeit, Appetitlosigkeit, Leistungsabfall oder Schlafstörungen. Reagiert man sinngemäß auf diese ersten auftretenden Symptome und steigt vorerst nicht weiter auf, so klingt die Akute Höhenkrankheit innerhalb von 1 bis 2 Tagen spontan ab. Werden die ersten Warnzeichen einer sich anbahnenden Höhenkrankheit allerdings ignoriert, so kann auch die „milde“ Akute Höhenkrankheit in eine der beiden schwereren Formen (Höhenlungenödem – Höhenhirnödem) oder in beide gleichzeitig übergehen.
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Die Inzidenz für das Auftreten der Akuten Höhenkrankheit (AMS) liegt bis 3000 m Seehöhe bei etwa 25 % und oberhalb von 4000 m Seehöhe sogar über 45 % (Details zur Akuten Höhenkrankheit, Höhenhirnödem und Höhenlungenödem siehe 2-7). In kommerziell geführten Trekkinggruppen ist diese Situation zusätzlich noch verschärft, da hier auch noch gruppendynamische Aspekte ins Spiel kommen. Die oftmals unerfahrenen Trekkingtouristen versuchen häufig erste Anzeichen einer sich anbahnenden Höhenkrankheit zu bagatellisieren oder zu verheimlichen, um nicht zum „Gruppenaußenseiter“ zu werden. Eine aktuelle Studie von Weyd M. (8) zeigt, dass unter den kommerziellen Trekkingtouristen ein absolut unzureichender Kenntnisstand über die Gefahren beim Höhentrekking herrscht. Immerhin 60 % der Probanden waren der Auffassung, dass höheninduzierte Komplikationen erst ab einer Höhe von 4000 m Seehöhe auftreten könnten. Ebenfalls haben 45 % aller untersuchten Probanden bekannt gegeben, keinen persönlichen Vorteil zu sehen, wenn sie mehr oder weniger über die Höhentaktik Bescheid wüssten. Viele Trekkingtouristen sind der Auffassung, dass das Auftreten von Symptomen einer Höhenkrankheit etwas Schicksalhaftes sei und einfach auftreten könne. Höhenmediziner widerlegen diese Aussage indem Sie bekräftigen: “Jeder Mensch kann höhenkrank werden, wenn er nur schnell genug höher steigt“. Diese einleitenden Gegebenheiten und Vorkommnisse waren die ausschlaggebenden Beweggründe, welche die Autoren animiert haben eine Untersuchung mit der folgenden Forschungsfrage durchzuführen: Gibt es hinsichtlich den Profilen der Höhenanpassung zwischen den international vorgegebenen Empfehlungen und der touristischen Realität (kommerzielle Angebote) Abweichungen bzw. kommt es hier zu Diskrepanzen?
METHODIK Für die vorliegende Untersuchung war es erforderlich, möglichst viele Trekkingtouren verschiedener Trekkingregionen und unterschiedlicher Reiseveranstalter aus Reisekatalogen, Internet-Homepages und Trekkingangeboten zu identifizieren und zu analysieren, um diese anschließend einem einheitlichen Schema zu unterwerfen. Insgesamt konnten 111 Trekkingtouren von 28 unterschiedlichen Reiseagenturen berücksichtigt werden. Die einzelnen Touren wurden randomisiert ausgewählt und verteilen sich auf die vier typischen Trekkingkontinente, Asien, SüdAmerika, Afrika und Europa entsprechend der nachfolgenden Darstellung (Abbildung 1).
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Abbildung 1: Internationale Aufteilung der Trekkinggebiete, bezugnehmend auf die Anzahl der Trekkingangebote Für jede Tour musste eine eigene Excel-Tabelle und ein Höhen-Zeit-Profil erstellt werden (Tabelle 1, Abbildung 2). Da für eine ordnungsgemäße Höhenanpassung gerade die ersten 5 bis 7 Tage nach dem Überschreiten der Schwellenhöhen von besonderer Bedeutung sind (9), wurden für diese Untersuchung auch nur die ersten Tage bzw. Schlafhöhen für die Beurteilung herangezogen. Wichtig war dabei, dass die jeweils erste Schlafhöhe jeder Trekkingtour über 2500 m Seehöhe liegen musste. Aufbauend auf diese erste Schlafhöhe wurden auch NEPAL - Annapurna Round Trek
AKTIV
Tabelle 1: Darstellung einer „Aktiven“ Trekkingtour anhand des AmpelPrinzips
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Abbildung 2: Darstellung eines Schlafhöhen-Zeit-Profils die weiteren Schlafhöhen jeder Trekkingtour eingezeichnet und vor allem die Schlafhöhendifferenzen (=SHD) mit den drei Signalfarben skizziert. Da es für den menschlichen Organismus des weiteren von großer Bedeutung ist, ob die täglichen Höhenetappen der jeweiligen Trekkingtour zu Fuß oder per Jeep, Bus oder Flugzeug überwunden werden, mussten alle analysierten Trekkingtouren zusätzlich in „Aktive“ (Marsch zu Fuß, mit dem eigenen Gepäck am Rücken) und „Passive“ (Transport per Flugzeug, Bus oder Jeep) Trekkingtouren unterteilt werden. Für die Gegenüberstellung der bereits identifizierten und analysierten Trekkingtouren mit den international vorgegebenen Empfehlungen, wurden die Guidelines der Österreichischen Gesellschaft für Alpin- und Höhenmedizin (ÖGAHM), der Deutschen Gesellschaft für Berg- und Expeditionsmedizin (BEXMED) und der International Society for Mountain Medicine (ISMM) herangezogen. Da es hier in Bezug auf die Höhenanpassung eine ganze Reihe von höhentaktischen Regeln gibt, hat sich diese Untersuchung auf die drei wichtigsten Akklimatisationsregeln beschränkt: Höhentaktik:
- max. 300 – 400 Höhenmeter pro Tag (SCHLAFHÖHENDIFFERENZ) - alle 1000 Höhenmeter einen Ruhetag einplanen - nach „passiver“ Ankunft über 3000 m Seehöhe mindestens 3 Nächte auf dieser Höhe bleiben
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Abbildung 3: Aufbau des Ampel-Prinzips (SHD = Schlafhöhendifferenz; Hm = Höhenmeter)
Entsprechend dieser drei höhentaktischen Regeln wurde ein eigenes „AmpelPrinzip“ mit den 3 typischen Signalfarben entworfen (Abbildung 3). Die Farbe grün signalisiert dabei die internationalen Empfehlungen der höhenmedizinischen Fachgesellschaften. Die Signalfarbe rot hingeben symbolisiert einen alarmierenden Eindruck und soll darauf hinweisen, dass man sich im absolut kritischen Gefahrenbereich bewegt. Gelb zeigt an, dass die Kriterien teilweise erfüllt wurden. Auch die Ruhetagsempfehlung wurde in das vorliegende Ampel-Prinzip integriert, wobei dafür ganz bewusst eigene Farbtöne gewählt wurden.
ERGEBNISSE Schon bei der ersten Auswertung, wo 68 „Aktive“ Touren aller 111 analysierten Trekkingtouren dargestellt sind, kommt ein sehr bedenkliches Bild zum Vorschein. Die Ampelstellungen der ersten sieben Trekkingtage werden hier in Bezug auf die täglichen Schlafhöhendifferenzen (SHD) dargestellt (Abbildung 4). Gerade die ersten Stunden und Tage nach dem Überschreiten der kritischen Schwellenhöhe sind für den menschlichen Organismus eine sehr sensible Phase, um sich an die steigende Höhe anzupassen.
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Abbildung 4: Ampelstellung aller „Aktiven“ Trekkingtouren Das vorliegende Diagramm (Abbildung 4) zeigt allerdings, dass schon bei der ersten SHD nicht einmal die Hälfte aller analysierten „Aktiven“ Trekkingtouren die Empfehlung, nur 300 bis 400 Höhenmeter pro Tag (bezogen auf die SHD) aufzusteigen, einhalten konnten. 49 % aller „Aktiven“ Touren waren bei der 1. SHD sogar im kritischen roten Signalbereich. Auch bei der 2. bis zur 5. SHD bewegten sich knapp 40 % aller Trekkingtouren abseits der vorgeschriebenen Empfehlungen. Bei der zweiten höhentaktischen Regel, wo es in erster Linie darum geht, nach einer „Passiver“ Ankunft über 3000 m Seehöhe mindestens drei Nächte auf dieser Höhe zu bleiben, zeigt sich ebenfalls ein warnendes Bild (Abbildung 5).
Abbildung 5: Ampelstellung aller „Passiven“ Trekkingtouren (Gesamtzahl = 43 Touren)
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Nicht einmal die Hälfte aller analysierten „Passiven“ Trekkingtouren (47 %) konnten die Empfehlungen der internationalen Fachgesellschaften einhalten. 35 % blieben nur 2 Nächte und immerhin 18 % aller „Passiven“ Trekkingtouren blieben überhaupt nur eine Nacht auf dieser „3000-m-Höhe“ und stiegen schon am nächsten Tag höher auf. Als durchaus vorbildhaft sind auch die 12 % der 47 % im grünen Ampelbereich zu vermerken, welche anstatt der vorgeschriebenen 3 Nächte sogar eine vierte Nacht auf dieser neu erreichten Höhe blieben und erst danach höher aufstiegen. Bei der dritten höhentaktischen Regel wurde untersucht, inwieweit die kommerziellen Reiseveranstalter bei ihrer Tourengestaltung auf das Einhalten der erforderlichen Ruhetage Acht geben. Laut internationalen Empfehlungen der Fachgesellschaften ist es erforderlich, alle 1000 Höhenmeter im kontinuierlichen Aufstieg einen erholsamen Ruhetag in das Tourenprogramm einzuplanen (10). Nach der Auswertung aller analysierten Trekkingtouren zeigt sich dazu folgende Darstellung (Abbildung 6).
Abbildung 6: Ergebnisdarstellung der Ruhetags-Empfehlung
Bei nur 28 % aller identifizierten und untersuchten Trekkingtouren konnten die vorgeschriebenen und erforderlichen Ruhetage leitliniengerecht nachgewiesen werden. Bei den restlichen 72 % aller Touren musste die Ruhetags-Empfehlung mit „nicht-erfüllt“ markiert werden. Nach näherer Betrachtung bzw. Aufsplittung der 72 % im „nicht-erfüllten“ Bereich kommt sehr gut zur Darstellung, wie sich diese große Zahl zusammenstellt (Abbildung 7). 39 % aller ausgewerteten Trekkingtouren, welche bereits im „nicht-erfüllten“ Segment eingereiht wurden, hatten tatsächlich keinen Ruhetag in ihrer Tourenplanung berücksichtigt. 24 % haben zwar einen Ruhetag nach den erforderlichen 1000 Höhenmetern bei ihrer Tourengestaltung berücksichtigt, nützen die-
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Abbildung 7: Aufsplittung der Ruhetags-Empfehlung sen Tag jedoch nicht für die Erholung des menschlichen Körpers, sondern führen an diesen Tagen zusätzlich ausgeprägte Gipfelbesteigungen und Akklimatisationstouren durch. 9 % der 72 % im „nicht-erfüllten“ Bereich haben in ihrer Tourengestaltung zwar einen Ruhetag eingeplant und diesen auch ordnungsgemäß durchgeführt, allerdings nicht nach den erforderlichen 1000 Höhenmetern im kontinuierlichen Aufstieg, sondern erst nach etwa 1400 Höhenmetern.
DISKUSSION Die Quintessenz der vorliegenden Ergebnisse ist, dass es unter allen untersuchten Trekkingangeboten teilweise zu erheblichen Abweichungen zwischen der Realität und der Empfehlung kommt. Es gibt nur wenige sog. „Schwarze Schafe“, Reiseveranstalter welche sich absolut nicht an die Empfehlungen der Fachgesellschaften halten, allerdings konnten auch nur wenige Reiseanbieter identifiziert werden, welche sich völlig korrekt und vorbildhaft an die internationalen Guidelines halten. Fazit dieser Untersuchung ist somit, dass sich ein Großteil der analysierten Reiseveranstalter mit deren ausgeschriebenen Trekkingtouren deutlich abseits der international vorgegebenen Empfehlungen bewegt. Auch durchgeführte Subgruppenanalysen einzelner Trekkingregionen und einzelner Reiseagenturen konnten diese untersuchte Tatsache nicht widerlegen. Auf der Suche nach möglichen Ursachen für dieses starke Abweichen der touristischen Realität von den Empfehlungen der Fachgesellschaften, lässt sich folgender Trend erkennen: Kommerzielle Reiseveranstalter versuchen vermehrt auf die Wünsche und Bedürfnisse der Höhentouristen einzugehen – GEFAHR !!
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Der unerfahrene Trekkingtourist sieht sich bei seiner Tourenauswahl und –vorbereitung naturgemäß mehrere Trekkingangebote durch und entscheidet sich im Zweifelsfall für jenes Angebot mit der „attraktiveren“ Preisgestaltung der Pauschalreise. Ganz nach dem Motto: „Je kürzer die Reise, desto billiger die Reise“. Ein zweites Phänomen ist der begrenzte Urlaubsanspruch. Der durchschnittliche Höhentourist hat maximal drei bis vier Wochen durchgehend Urlaub. Innerhalb dieser Zeitspanne möchte er/sie aber sein gewünschtes Trekkingziel dennoch erreichen und sucht sich somit jenen Reiseveranstalter, welcher zumindest versucht, das bevorzugte Trekkingziel in der zur Verfügung stehenden Reisezeit zu erreichen. Das Verkürzen von Reisezeiten bei gleichen Trekkingzielen ist nur durch das Streichen von Ruhetagen bzw. durch das Anheben der täglichen Schlafhöhendifferenzen möglich. Nicht selten müssen derartige Trekkingunternehmungen aufgrund verkürzter Akklimatisationsphasen mit einer Reihe höhenkranker Touristen abgebrochen werden. Hinsichtlich der Datenvergleichbarkeit der analysierten Touren zeigt sich zusätzlich folgende Problematik. Das Fehlen von allgemeingültigen, internationalen Guidelines für eine optimale Höhenanpassung in mittleren und großen Höhen führt nicht selten zu Interpretationsschwierigkeiten der internationalen Empfehlungen. Die aus jahrzehntelanger Erfahrung resultierenden Empfehlungen sind aufgrund fehlender prospektiver Studien und Untersuchungen bezüglich dieses Themas lediglich als Richtlinien zu betrachten. So heißt es in den Richtlinien (3) konkret: „Nach Erreichen der Schwellenhöhe (2500 m) mehrere Nächte auf dieser Höhe schlafen“ - Schon anhand dieser Empfehlung wird ersichtlich, wie ungenau und dehnbar diese Definition gewählt wurde. Für einen Reiseveranstalter ist es mitunter sehr einfach, diese Empfehlung nun sowohl mit vier Nächten oder eben auch nur mit zwei Nächten zu interpretieren. Gerade diese locker und unklar gehaltenen Definitionen bzgl. Schlafhöhenunterschiede, Tage/Nächte bzw. Ruhetage ermöglichen vielen Reiseagenturen ihre Tourengestaltung und ihre Tourenprofile, aus verkaufstrategischen Gründen, in immer kürzere Zeiträume zu verpacken. Zusammenfassend lässt sich über die Validität der internationalen Empfehlungen somit festhalten, dass das Schlagwort „Höhentrekking“ einer dehnbaren „Definitions-Spanne“ unterliegt und für die Reiseveranstalter somit sehr weitläufig auslegbar ist.
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BLICK IN DIE ZUKUNFT Bezugnehmend auf die aktuelle Situation beim kommerziellen Höhentrekking ist es besonders wichtig, die Gefahren und Risiken beim Höhentrekking sichtbarer zu machen. Nur durch Publikationen und Informationen ist es möglich, den unerfahrenen Trekkingtouristen ausreichende Kenntnisse über die höhentaktischen Regeln zu vermitteln. Mögliche Ansätze, die derzeitige Höhenproblematik zukünftig zu entschärfen, wären durchaus vorhanden. Nur die Bereitschaft, sich daran zu beteiligen müsste dazu von beiden Partnern, den Reiseveranstalter auf der einen Seite und den Trekkingtouristen auf der anderen Seite akzeptiert werden. Schon das Einplanen von 2 bis 3 zusätzlichen Trekkingtagen würde bei einem Großteil der Reiseveranstalter helfen, gerade in den ersten Tagen nach Überschreiten der 2500-m-Grenze, ihre Tourengestaltung vom gelben in den grünen Ampelbereich bzw. zumindest vom roten in den gelben Signalbereich anzupassen. Erst damit wäre ein sinnvolles Senken der täglichen Schlafhöhendifferenzen möglich und auch die erforderlichen Ruhetage könnten leitliniengerecht eingehalten werden. Ein weiterer Ansatz wäre das Erstellen von Tourenberichten nach einer erfolgten Trekkingtour. Entweder der Bergführer oder der Trekking-Guide, welche die Trekkinggruppe im gesamten Verlauf der Tour begleiten, könnte einen begleitenden Tourenbericht, sowie eine AMS-Check-Liste gemäß dem Lake Louise Scoring System verfassen. Diese Berichte müssten anschließend nicht von der jeweiligen Reiseagentur, sondern von einer unabhängigen Auswerteeinheit analysiert und evaluiert werden, um für weitere zukünftige Empfehlungen bezüglich der Höhenanpassung zur Verfügung zu stehen. Auch das vorgestellte Ampel-Prinzip könnte zur Entschärfung des bestehenden Höhenproblems als „Universal-Werkzeug“ eingesetzt werden. Für den unerfahrenen Trekkingtouristen wäre es durchaus hilfreich, wenn er sich schon bei seiner Trekkingtouren-Auswahl bzw. -Vorbereitung mit Hilfe der drei Signalfarben, noch von Zuhause aus, für oder gegen einen seriösen Reiseveranstalter entscheiden könnte. Als Limitation dieser Studie muss genannt werden, dass die internationalen Guidelines bezüglich der Höhenanpassung nicht in allen Trekkinggebieten strikt angewendet werden können. Häufig sind es die geografischen Vorgaben von Routen am Trekkingort, die es nicht immer möglich machen, sich laut vorgestelltem Ampel-Prinzip, im grünen Singalbereich zu bewegen.
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L I T E R AT U R (1)
Berghold, F.: Drug abuse in the mountains, In: Viscor, G., Ricart, A. and Leal, C. (eds.) Health and Height, Publications Universitat Barcelona, Barcelona, 99 – 106 (2003).
(2)
Bärtsch, P.: Höhenkrankheiten. Dt. Zschr. Sportmed.12, 396 – 400 (2000)
(3)
Berghold, F., Schaffert, W., 2006, Physiologie und Medizin der großen und extremen Höhen – Höhentrekking und Höhenbergsteigen, In: CD Lehrskriptum Alpin- und Höhenmedizin, Berghold, F., Förster, H., (Hrsg.), 12. Auflage, 2008.
(4)
Schöll, E., 2003, Review Höhenkrankheit: Teil I, [online] Available: http://forum-alpinum.ch/Dokumente/FA/FA_03_03.pdf, abgerufen am 17.08.2008
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T h o m a s H a i d e r, Ve r o n i k a L e i c h t f r i e d , C l a u d i a M ö l l e r, G e o r g H o f f m a n n , Wo l f g a n g S c h o b e r s b e r g e r, R o b e r t K o c h , M a r t i n B u r t s c h e r
Bovines Colostrum zur Prophylaxe gastrointestinaler Infekte Eine randomisierte, doppelblinde, Placebo kontrollierte Pilot-Feldstudie an HöhenbergsteigerInnen während einer 3-wöchigen Ski-Expedition zum Muztagh Ata (7.456m) Bovine Colostrum as prophlylaxis against gastrointestinal infections S U M M A RY Gastrointestinal infections are frequently reported in high altitude mountaineers and trekkers. Although the reason for this observation is not yet clear, it is conceivable that an accumulation of various environmental, socio-cultural, and psychological stressors that occur along those kinds of mountain activities may compromise defence mechanisms of the human immune system. Bovine Colostrum (BC), the early milk produced by cows during the first several days post-parturition, differs substantially from mature milk by higher amounts of immunoglobulins, growth factors, cytokines, and nucleosides. BC protects the newborn calf from opportunistic infections and facilitates its growth, and it may therefore also protect humans against infectious diseases. In fact, an increasing amount of recent scientific studies suggest such an immune supportive effect of orally applied BC. In 25 healthy and well-trained high altitude mountaineers we performed a randomised, double-blind, placebo-controlled trial to test if a regular (2 times daily) prophylactic intake of BC during a 3-week ski-expedition is able to reduce the incidence of gastrointestinal (GIT-) infections. Actually, in the present study we found a reduced incidence of GIT-infections in the intervention group as compared to the placebo group during the first days in altitude which reaches significance at day 2 in the base camp , while there were no significant differences in AMS-incidence between groups within the same observation period. In conclusion, we suggest that a prophylactic intake of BC may help to reduce the incidence of GIT-infections in high altitude mountaineers and trekkers, but further studies which focus on that issue are needed.
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Keywords: high altitude mountaineering, infections, bovine colostrum, prophylaxis, Lake Louise Scoring System
Z U S A M M E N FA S S U N G Gastrointestinale Infekte werden bei Höhenbergsteigern und Trekkern häufig beobachtet. Obwohl derzeit noch keine eindeutige Erklärung dafür existiert, ist es denkbar, dass möglicherweise die Anhäufung von unterschiedlichen umweltbedingten, soziokulturellen und psychischen Stressoren, welche bei derartigen Aktivitäten in großer Höhe auftreten, zu einer Kompromittierung der menschlichen Immunabwehr führen. Bovines Colostrum (BC), die Erstmilch gebärender Kühe während der ersten Tage nach der Geburt (post partum), unterscheidet sich deutlich von reifer Milch durch einen höheren Gehalt an Immunglobulinen, Wachstumsfaktoren, Zytokinen und Nukleosiden. BC schützt das neugeborene Kalb vor opportunistischen Infekten und fördert sein Wachstum. Aus diesem Grund könnte BC möglicherweise auch den menschlichen Organismus vor derartigen Infekten schützen. Tatsächlich häufen sich aktuell wissenschaftliche Studien, welche einen immun-supportiven Effekt von oral zugeführten BC berichten. Deshalb führten wir an 25 gesunden, gut trainierten HöhenbergsteigerInnen eine randomisierte, doppelblinde, Placebo-kontrollierte Studie durch, um zu testen, ob eine regelmäßige (2 x täglich) prophylaktische Einnahme von BC während einer 3-wöchigen Ski-Expedition zum Muztagh Ata die gastrointestinale (GIT-) Infekthäufigkeit senken kann. In der aktuellen Studie zeigte sich in der Interventionsgruppe (Colostrum-Gruppe) eine reduzierte Inzidenz von GITInfekten im Vergleich zur Placebo-Gruppe während der ersten Tage in Höhenexposition, welche am Tag 2 schließlich zu einem statistisch signifikanten Unterschied führte, wobei es bezüglich der AMS-Inzidenz keine Unterschiede im gleichen Beobachtungszeitraum gab. Somit könnte eine regelmäßige prophylaktische Einnahme von BC dazu beitragen, die Inzidenz von GIT-Infekten bei Höhenbergsteigern und Trekkern zu senken. Jedoch bedarf es noch weiterer wissenschaftlicher Untersuchungen, welche sich künftig dieser Thematik widmen. Schlüsselwörter: Höhenbergsteigen, Infekte, Bovines Colostrum, Prophylaxe, Lake Louise Scoring System
EINLEITUNG In der wissenschaftlichen Literatur wird häufig eine erhöhte Infektanfälligkeit bei Höhenbergsteigern und Trekkingreisenden diskutiert (1-5). Basnyat und
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Litch (2) konnten während einer 22-tägigen Trekking-Tour im nepalesischen Himalaya-Gebiet (Höhenunterschiede: Minimum: 487m ü. NN, Maximum: 5100m ü. NN) anhand einer an Höhenbergsteigern und Lastenträgern durchgeführten Kohortenstudie zeigen, dass 33% der aufgetretenen medizinischen Probleme auf eine Infektbeteiligung zurückzuführen waren. Dabei traten höhenbedingte Pharyngitiden und Bronchitiden (12%) am häufigsten auf, gefolgt von der akuten Höhenkrankheit (8%) und Entzündungen des Magen-Darm-Traktes (6%). Während der Teilnahme an Bergexpeditionen sowie Trekkingreisen in fremde und oftmals ferne Länder wird der menschliche Organismus in Abhängigkeit von der jeweiligen Zieldestination einer Vielzahl von speziellen Belastungen (körperliche Stressoren) ausgesetzt, die sich in unterschiedlicher Intensität und Ausprägung auf das menschliche Immunsystem und dessen funktionale Kapazität auswirken können. So können beispielsweise transmeridiane Flüge über 3 oder mehrere Zeitzonen (vor allem in östlicher Richtung) zu einer Verschiebung der zirkadianen Rhythmik führen, die trockene leicht hypoxische Kabinenluft in den Flugzeugen eine Dehydratation bedingen, wodurch es häufig zum Auftreten von Symptomen-Komplexen wie etwa dem Jetlag und der Reisemüdigkeit kommt (6). Zu diesen transportabhängigen Faktoren gesellen sich meist noch klimatische und umweltbedingte Veränderungen (Temperatur, Luftfeuchtigkeit, barometrischer Druck, kosmische Strahlung) sowie soziokulturelle Unterschiede hinsichtlich Ernährung und Hygiene als lokale Einflussgrößen hinzu. Letztendlich scheint eine stressinduzierte Kompromittierung menschlicher Immunfunktionen sowie eine Schwächung physiologischer Schutzbarrieren (z.B. Schleimhäute der Atemwege und des Magen-Darm-Traktes) in Kombination mit einem veränderten Spektrum an Pathogenen für die beobachtete erhöhte Infektanfälligkeit bei Höhenbergsteigern und Trekkingreisenden verantwortlich zu sein (3, 7, 8). Derartige Infekte sind zwar meist selbst limitierend und selten direkt lebensbedrohlich, sie können aber Höhenbergsteiger nachhaltig schwächen und damit die gesamte Tourenplanung erheblich durcheinander bringen. Ferner existieren Hinweise, dass möglicherweise Infekte auch mit einer erhöhten AMS-Inzidenz assoziiert sind (1). Die Suche nach effizienten und verträglichen Strategien zur Infektprophylaxe ist daher von großer Bedeutung. Bovines Colostrum (BC), die Erstmilch gebärender Kühe, unterscheidet sich deutlich von „reifer“ Milch (herkömmlicher Kuhmilch) durch den höheren Gehalt an Immunglobulinen, Zytokinen, Wachstumsfaktoren, Nukleosiden und ist ferner reich an Oligosacchariden und immunregulierenden Faktoren (9). In der wissenschaftlichen Literatur existieren zahlreiche Hinweise bezüglich einer prophylaktischen als auch therapeutischen Wirkung von bovinem Colostrum
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gegen verschiedene virale, bakterielle und mikrobielle Infektionen (zusammengefasst in den Übersichtsartikeln (9-12)). Angesichts der berichteten positiven Effekte von Rinder-Colostrum zur Infektprophylaxe bei kaum vorhandenen bis minimalen Nebenwirkungen (leichte gastrointestinale Beschwerden wie etwa Blähungen, die jedoch zu keinem Einnahmeabbruch führten (9)) und der zuvor geschilderten möglicherweise erhöhten Infektanfälligkeit bei Höhenbergsteigern und Trekking-Reisenden könnte eine prophylaktische Einnahme von RinderColostrum auch zu einer Abnahme der Infektanfälligkeit bei dieser Personengruppe führen. Basierend auf eigenen Literatur-Recherchen existiert bis dato noch keine publizierte Placebo kontrollierte Doppelblind-Untersuchung zu dieser Hypothese. Deshalb wurde eine randomisierte doppelblinde, Placebo kontrollierte Pilotstudie mit der Fragestellung durchgeführt, inwieweit eine regelmäßige prophylaktische Einnahme von bovinem Colostrum während der geplanten 3-wöchigen Ski-Expedition zum Muztagh Ata die gastrointestinale Infektanfälligkeit bzw. Erkrankungshäufigkeit der teilnehmenden BergsteigerInnen reduzieren kann.
M AT E R I A L U N D M E T H O D E N 1. Probanden Von den 26 HöhenbergsteigerInnen, die an der Ski-Expedition zum Muztagh Ata teilnahmen, konnten insgesamt 25 Personen anhand der festgelegten Kriterien zur Studienteilnahme eingeschlossen werden. Zu den definierten Einschlusskriterien gehörten eine regelmäßige beschwerdefreie Bergsportausübung sowie eine Teilnahme aus eigenem Interesse bzw. auf eigenen Wunsch. Zum Ausschluss aus der Studie führte das Bekanntsein einer kardiovaskulären Erkrankung (z.B. KHK oder arterielle Hypertonie), einer chronischen Stoffwechselerkrankung (z.B. behandlungsbedürftiger Diabetes Mellitus), einer chronischen Erkrankung des Gastrointestinaltrakts (z.B. Mb. Crohn) oder der Atemwege (z.B. COPD) sowie das Vorliegen einer akuten Erkrankung oder eines akuten Infektes zum Startzeitpunkt der Studie. Eine bekannte Laktoseintoleranz führte ebenfalls zum Ausschluss aus der Studie. Eine Person musste aufgrund von körperlichen Beschwerden sowie Anzeichen eines nephrotischen Syndroms ausgeschlossen werden. Insgesamt nahmen somit 25 gesunde und gut trainierte HöhenbergsteigerInnen im Alter zwischen 25 und 65 Jahren (23 Männer und 2 Frauen) teil, wobei die TeilnehmerInnen großteils aus dem Süddeutschen Raum (Bayern) und Österreich stammten. Es wurden nur jene BergsteigerInnen zur Teilnahme an der Studie zugelassen, die vor dem geplanten Start ihre freiwillige schriftliche Einwilli-
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gungserklärung abgegeben hatten. Die Probandengruppe wurde anschließend randomisiert und in 2 Gruppen aufgeteilt (Colostrum-Gruppe, n= 12; PlaceboGruppe, n= 13). Das Studienprotokoll wurde von der Ethikkommission der Medizinischen Universität Innsbruck genehmigt.
2. Bovines Colostrum/Placebo (Produktbeschreibung/Einnahmeprotokoll/Studiendesign) Bei dem Test-Präparat (Fa. Meggle) handelte es sich um Kau-Lutschtabletten (Vertriebsagentur: Walter Thurnwalder), welche aus dem Pulver einer innerhalb der ersten 12 Stunden nach der Geburt des Kalbes (post partum) vom Muttertier gesammelten Erstmilch hergestellt wurde. Eine derartige Vorgehensweise sichert dem Produkt einen besonders hohen Gehalt an immunaktiven Substanzen und Wachstumsfaktoren, da in der wissenschaftlichen Literatur bekannt ist, dass nur innerhalb der ersten 24 Stunden post partum eine maximale Konzentration an Inhaltsstoffen zu erwarten ist und danach ein deutlicher quantitativer Abfall im zeitlichen Verlauf stattfindet (9). Das Placebo-Präparat (Fa. Meggle) wurde ebenfalls als Kau-Lutschtablette (in vergleichbarer Farbe, Form und Konsistenz) den Probanden dargeboten, jedoch ohne Colostrum-Beimengungen. Um die Kriterien eines Doppelblind-Designs zu gewährleisten wurde den beiden Ärzten, welche vor Ort die Feldstudie koordinierten und betreuten, 2 mit Buchstaben kodierte Behälter (A und B, je 1 Behälter mit dem Colostrum-Präparat und 1 Behälter mit dem Placebo-Präparat) sowie eine dementsprechend kodierte Teilnehmerliste (Gruppe A und Gruppe B) ausgehändigt. Die Interventionsgruppe (Colostrumgruppe) nahm während des Zeitraums der Ski-Expedition (ca. 3 Wochen) jeweils morgens und abends 1 Colostrum-Tablette, während die Placebogruppe (Kontrollgruppe) im gleichen Zeitraum und in gleicher Weise die Placebo-Tabletten zu sich nahm. Die Einnahme (Colostrum/Placebo) startete direkt nach Abschluss der Baseline-Untersuchung (t0).
3. Fragebögen/Scoring-Systeme Infekte des Magen-Darm-Traktes (Gastrointestinaler Infekt-Score, GITIS) Zur Erfassung der Infektsymptomatik des Magen-Darm-Traktes zu bestimmten Zeitpunkten diente ein spezieller Symptomatik-Fragebogen (GITIS), welcher in Zusammenarbeit mit der Universitätsklinik für Gastroenterologie der Medizinischen Universität Innsbruck (Univ.-Prof. Dr. med. Robert Koch) erstellt wurde, wobei in der Konzeption ein besonderes Augenmerk auf die einfache und schnelle Erhebbarkeit und damit auf die Einsetzbarkeit in Feldstudien gelegt wurde.
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Der Fragebogen setzte sich aus 8 verschiedenen Merkmalen (Items) zusammen, welche sich häufig bei gastrointestinalen Infekten verändern (Stuhlfrequenz/24Std., Stuhlkonsistenz, Stuhlmenge) bzw. neu auftreten (Blutbeimengungen, Bauchschmerzen, Windabgänge, Übelkeit/Erbrechen, Fieber) können. Die einzelnen Items (mit Ausnahme der Stuhlfrequenz/24h) wurden zusätzlich anhand einer Zahlenskala von 0 bis 3 hinsichtlich ihrer Ausprägung (Intensität) eingeteilt. Dabei wurde ein Anstieg des Symptomatik-Scores ≥6 als gastrointestinale Erkrankung bzw. Infekt gewertet. Akute Bergkrankheit (Lake Louise Scoring System, LLSS) Das Lake Louise Scoring System (LLSS) wurde im Zuge des 1991 in Lake Louise abgehaltenen Hypoxia-Symposiums zur Standardisierung der Symptomatik der akuten Höhenkrankheit (AMS) entwickelt. Das LLSS besteht aus 3 Erhebungsabschnitten (1. Subjektiver Fragebogen, 2. Objektive klinische Beurteilung, 3. Funktionsprüfung) und ist mittlerweile ein international häufig eingesetztes, durch Studien mehrfach validiertes Scoring-System zur Erfassung der AMS-Inzidenz und zur Beurteilung des Schweregrades der AMS-Symptomatik (13, 14). Der subjektive LLSS gliedert sich in fünf Merkmale bzw. Symptome (Kopfschmerz, gastrointestinale Symptome, Müdigkeit/Schwäche, Schwindel, Schlafstörungen) der akuten Bergkrankheit (Acute Mountain Sickness, AMS), wobei anhand einer Zahlenskala von 0 bis 3 der Schweregrad dieser Symptome (von 0= keine Symptomatik bis 3= schwere Symptomatik) festgelegt wird. Im Zuge der Feldstudie wurde vor allem der subjektive Abschnitt des LLSS erhoben, wobei ein Gesamtscore von ≥4 in einer Höhe von ≥2500m ü. NN. (Schwellenhöhe) als Vorliegen einer akuten Bergkrankheit gewertet wurde.
4. Basisparameter in Ruhe (Blutdruck, Herzfrequenz, Sauerstoffsättigung, Körperkerntemperatur) Der Blutdruck wurde mittels elektronischer Messung (Omron M5 Professional) nach dem Riva-Rocci-Prinzip in standardisierter Vorgehensweise am Oberarm bestimmt. Die Herzfrequenz wurde mit Hilfe einer EKG-genauen Pulsuhr (Polar S810i) erfasst und die arterielle Sauerstoffsättigung anhand eines tragbaren Pulsoxymeters (PulseOx 5500) am Finger des Probanden abgelesen. Die Körperkerntemperatur wurde mit Hilfe eines in den äußeren Gehörgang des Probanden eingeführten Infrarotsensors (Braun ThermoScan IRT 4520) nahe am Trommelfell gemessen. Diese so genannte epitympanale Temperaturmessung wurde neben der klinischen Anwendung in der Intensivmedizin auch bereits bei Feldmessungen zur Bestimmung der Körperkerntemperatur herangezogen (15).
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5. Datenerhebung/Messung/Statistik Die Untersuchungen wurden von 2 Ärzten vor Ort zu unterschiedlichen Zeitpunkten während der Ski-Expedition durchgeführt. Die Eingangsuntersuchung (t0) fand direkt nach Ankunft am Ausgangsort der Expedition (Bishkek, Kirgisistan) in Tal Lage (800m ü. NN.) statt. Weitere Untersuchungen folgten während der 3-tägigen Anreise ins Basislager (Zeitpunkt t1), direkt (akut) nach Ankunft im Basislager (Zeitpunkt t2), nach einer Übernachtung im Basislager (subakut, Zeitpunkt t3) sowie nach einer weiteren Nacht im Basislager (Zeitpunkt t4) und vor dem endgültigen Verlassen des Basislagers (Zeitpunkt t15). Auch auf der Rückreise wurden weitere Untersuchungen durchgeführt (Zeitpunkte t16-t21). Die Abschlussuntersuchung erfolgte schließlich wieder am Ausgangsort der Expedition (Bishkek) kurz vor der Heimreise (Zeitpunkt t22). Zu den gegebenen Zeitpunkten wurden die beiden Scores (LLSS, GITIS) sowie die aktuelle Medikamentenanamnese erhoben und die Basisparameter in Ruhe (Herzfrequenz, Blutdruck, arterielle Sauerstoffsättigung, Körpertemperatur) mit Hilfe der jeweiligen Messgeräte bestimmt. Da für die Bestimmung der Basisparameter neben der standardisierten Vorgehensweise auch eine standardisierte Ruheposition erforderlich war, wurden alle Messungen in einer aufrecht sitzenden Position durchgeführt. Die statistische Auswertung erfolgte mittels SPSS-Software 16.0. Zum Vergleich der beiden Gruppen (Colostrum, Placebo) untereinander bezüglich der erhobenen Messparameter wurde nach Testung auf Normalverteilung (KS-Test) der Student-t-Test für unabhängige Stichproben herangezogen. Die aus den Scores (LLSS, GITIS) ermittelte Infekt- und AMS-Inzidenzen zu unterschiedlichen Zeitpunkten der beiden Gruppen wurden mit Hilfe des Chi-Quadrat-Tests (bei einer erwarteten Häufigkeit≤ 5 ¨ Exakter Test nach Fisher) miteinander verglichen. Mögliche Zusammenhänge zwischen einzelnen Erhebungen wurden mittels Korrelationsanalysen überprüft. Bei einem 95% Konfidenzintervall wurde ein P-Wert< 0,05 als statistisch signifikant gewertet.
ERGEBNISSE Die Untersuchungen während der 3-wöchigen Ski-Expedition erfolgten dabei zu mehreren Zeitpunkten und in unterschiedlichen Höhen (Abb.1). Der Ergebnisteil gliedert sich in folgende 2 Abschnitte: 1. Baseline-Untersuchung in Tal Lage (t0); 2. Höhenuntersuchungen während der Anreise zum Basislager (t1) und im Basislager (t2-t4, t15) sowie Untersuchungen in Tal Lage (t16-t21, t22) nach Abreise aus dem Basislager (Abb.1).
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Abb.1 Höhenprofil der Ski-Expedition mit Untersuchungsorten (Rahmen) zu unterschiedlichen Untersuchungszeitpunkten (Pfeile): t0= Baseline-Untersuchung in Tal Lage, t22= Abschluss-Untersuchung in Tal Lage, t1= 1. Höhenuntersuchung, t2= Untersuchung im Basislager (akut), t3= Untersuchung im Basislager (subakut), t4= Untersuchung im Basislager kurz vor Aufbruch in das Höhenlager 1, t15= Untersuchung im Basislager kurz vor Abreise, t16-t21= Untersuchungen nach Verlassen des Basislagers.
1.Baseline-Untersuchung in Tal Lage (t0) An der Feldstudie nahmen insgesamt 25 gesunde und gut trainierte HöhenbergsteigerInnen (23 Männer, 2 Frauen) im Alter zwischen 26 (Minimum) und 63 (Maximum) Jahren teil. In der nachfolgenden Tabelle (Tab.1) sind die anthropometrischen Charakteristika (Körpergröße, Körpergewicht, BMI) sowie die gemessenen physiologischen Parameter in Ruhe (Herzfrequenz, Blutdruck, arterielle Sauerstoffsättigung, Körperkerntemperatur) der beiden Gruppen (Colostrum, Placebo) dargestellt. Es ergaben sich in der Baseline-Erhebung keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Gruppen bezüglich dieser Parameter.
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TABELLE 1 Baseline-Untersuchung (anthropometrische Charakteristika/Basisparameter) Gruppe A (n=12) Gruppe B (n=13) P-Wert Mittelwert (Standardabweichung) Anthropometrische Daten Alter, Jahre Körpergröße, cm Körpergewicht, kg BMI, kg m-2
47 (11) 177 (6) 73 (10) 23,3 (2,4)
46 (8) 180 (6) 76 (9) 23,4 (1,8)
0,373 0,149 0,404 0,938
Physiologische Parameter in Ruhe Herzfrequenz, Schläge min-1 Blutdruck systolisch, mmHg Blutdruck diastolisch, mmHg Arterielle Sauerstoffsättigung, % Körperkerntemperatur, °C
73 (12) 131 (15) 77 (12) 97 (1) 36,8 (0,3)
69 (10) 133 (12) 78 (11) 98 (1) 36,6 (0,3)
0,373 0,760 0,972 0,101 0,281
Vergleich der Mittelwerte (Standardabweichungen) beider Gruppen (Colostrum, Placebo) bezüglich anthropometrischer Charakteristika und physiologischer Basisparameter. Student-t-Test für unabhängige Stichproben, Konfidenzintervall: 95%; * P-Wert< 0,05.
2. Höhenuntersuchungen (t1-t4, t15) und Nachfolgeuntersuchungen in Tal Lage (t16-t21, t22) Basisparameter in Ruhe Nach akuter Höhenexposition während des Aufstiegs zum Basislager (4.500m ü. NN) kam es in beiden Gruppen (Colostrum, Placebo) zu den aus der Literatur bereits bekannten typischen Veränderungen der Parameter des Lunge-Herzkreislaufsystems in Ruhe (Abb. 2). So folgte einem signifikanten Abfall der arteriellen Sauerstoffsättigung (Mittelwert aus allen Probanden (MW) ± Standardabweichung (S), t0 97 ± 1 % vs. t2 79 ± 5 %, P-Wert< 0.001)) ein signifikanter Anstieg der Herzfrequenz (t0 71 ± 11 S/min vs. t2 87 ± 12 S/min, P-Wert< 0.001) und des systolischen Blutdrucks (t0 132 ± 13 mmHg vs. t2 151 ± 20 mmHg), welche sich nach Rückkehr in Tal Lage (t22) wieder normalisierten. Bezüglich der Körperkerntemperatur (t0 36,7 ± 0,3 °C vs. t2 36,8 ± 0,7 °C, P-Wert= 0,363)
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ergaben sich im gleichen Beobachtungszeitraum keine signifikanten Veränderungen. Interessanter Weise wies die Colostrum-Gruppe im Vergleich zur Placebo-Gruppe während des kritischen Zeitpunkts signifikant erhöhter gastrointestinaler Erkrankungshäufigkeit (t3, Abb.3) sowohl eine tendenziell niedrigere Körperkerntemperatur als auch höhere arterielle Sauerstoffsättigung auf (t3,Abb.2).
Abb.2 Vergleich der Basisparameter in Ruhe (A= Systolischer Blutdruck (SBP), B= Arterielle Sauerstoffsättigung (SaO2), C= Herzfrequenz (HR), D= Körperkerntemperatur (ET)) zu unterschiedlichen Zeitpunkten (t0= Ausgangspunkt in Tal Lage, t1-t4= Höhenexpostion, t22= Endpunkt erneut in Tal Lage) innerhalb der Gesamtgruppe (t, grüne Kurve), der Colostrum-Gruppe (c, blaue Kurve) und der Placebo-Gruppe (p, rote Kurve). Signifikanter Abfall der SaO2 und signifikante Anstiege des SBP und der HR in beiden Gruppen von t0 nach t2. Tendenziell höhere SaO2 und niedrigere ET zum Zeitpunkt t3 in der Colostrum-Gruppe. Student-t-Test bei abhängigen Stichproben, Konfidenzintervall: 95%, * P-Wert < 0,001.
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AMS- und Infekthäufigkeit (LLSS, GITIS) Die anhand des GITIS ermittelte gastrointestinale Erkrankungshäufigkeit stieg in den ersten Tagen während der Anreise zum Basislager in der Placebo-Gruppe kontinuierlich an (Abb. 3) und erreichte am 2. Tag im Basislager (t3) im Vergleich zur Colostrum-Gruppe einen signifikant höheren Wert (54% vs. 8%, PWert< 0,05). Die AMS-Inzidenz (nicht abgebildet) war zu diesem Beobachtungszeitpunkt (t3) in beiden Gruppen ident. Im weiteren Verlauf der Ski-Expedition reduzierte sich die gastrointestinale Erkrankungshäufigkeit in beiden Gruppen deutlich und es ergaben sich zu den nachfolgenden Beobachtungszeitpunkten diesbezüglich keine weiteren signifikanten Unterschiede. Bezüglich der Zusammenhangsprüfung zwischen der Inzidenz von AMS und der GIT-Erkrankungshäufigkeit ergab sich im Beobachtungszeitraum t1-t4 lediglich zum Zeitpunkt t1 eine geringe Korrelation (Spearman Korrelationskoeffizient r= 0,406, P-Wert< 0,05) zwischen LLSS und GITIS innerhalb der gesamten Teilnehmergruppe (Colostrum und Placebo). Insgesamt ergab sich für die Colostrum-Gruppe innerhalb des 3-wöchigen Beobachtungszeitraums eine im Vergleich zur Placebo-Gruppe um 36% reduzierte (64% vs. 100%) kumulierte Erkrankungshäufigkeit (= Quotient aus der Summe der einzelnen Erkrankungsfälle innerhalb der jeweiligen Gruppe über den gesamten Beobachtungszeitrum und der Gesamtteilnehmerzahl (n= 25) in Prozent)).
Abb.3 Gastrointestinale Erkrankungshäufigkeit im Zeitverlauf (t1-t22) der Expedition. Prozentueller Inzidenz-Vergleich zwischen Colostrum-Gruppe (blaue Kurve) und Placebo-Gruppe (rote Kurve). Exakter Test nach Fisher, Konfidenzintervall: 95%, * P-Wert< 0,05.
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DISKUSSION In der vorliegenden Feldstudie zeigte sich in den ersten Tagen der Expedition eine temporär signifikant reduzierte gastrointestinale Erkrankungshäufigkeit in der Colostrum-Gruppe im Vergleich zur Placebo-Gruppe bei vergleichbarer AMS-Inzidenz innerhalb der beiden Gruppen. Insgesamt ergab sich somit eine deutliche Reduktion der kumulierten gastrointestinalen Erkrankungshäufigkeit in der Colostrum-Gruppe im Vergleich zur Placebo-Gruppe. Bovines Colostrum zur Infektprophylaxe Die aktuelle Feldstudie demonstriert wiederum, dass gastrointestinale Erkrankungen während derartiger Expeditionen vor allem in den ersten 3-9 Tagen nach Reisebeginn durchaus keine Seltenheit darstellen und bestätigt damit frühere Untersuchungen (1-3, 5). Einen möglichen Erklärungsansatz liefert die bereits eingangs geschilderte Hypothese der Kombination aus stressoreninduzierter Kompromittierung menschlicher Immunabwehrfunktionen (erhöhte Infektanfälligkeit) und einer qualitativ (Erregerspektrum) und quantitativ (Erregermenge) veränderten Pathogen-Last. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie, welche auf eine reduzierte gastrointestinale Infekthäufigkeit durch prophylaktische orale BC-Supplementation hindeuten, unterstützen somit die Hypothese, dass BC möglicherweise auch den Menschen und im weiteren Sinn den Höhenbergsteiger vor Infekten schützen kann. Da in der wissenschaftlichen Literatur diesbezüglich noch keine direkt vergleichbare Studie an diesem Personenkollektiv existiert, müssen klinische Studien zum Vergleich herangezogen werden. Vorweg sei hierbei die Problematik angesprochen, dass sich bis dato noch kein einheitlicher Herstellungs-Konsens für einen BC-Standard etabliert hat, wodurch es zu gravierenden Unterschieden hinsichtlich der Zusammensetzung der Inhaltsstoffe der verwendeten BC-Produkte kommt. Ein weiterer Aspekt in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass bei einem Großteil der bis dato publizierten Prophylaxe-Studien so genanntes „Hyperimmune bovine colostrum“ (HBC) verwendet wurde, welches durch Immunisierung der Mutterkuh gegen ein spezifisches Pathogen gewonnen wurde. Das HBC zeichnet sich mitunter durch einen höheren Erreger-spezifischen Antikörper-Titer gegenüber BC von nicht-immunisierten Kühen aus (9). Die zuvor genannten Problematiken spiegeln sich somit auch in den heterogenen Studienergebnissen wieder, wobei aber durchaus eine mögliche prophylaktische Wirkung von hochwertigem BC gegenüber gastrointestinalen Infekten herauszufiltern ist (11). Der mögliche Wirkmechanismus von BC bezüglich der Prävention von gastrointestinalen Infekten ist ebenfalls Gegenstand aktueller Forschung. Bovines Colostrum schützt das junge Kalb vor opportunistischen Infekten mitunter durch eine passive Immunisierung mit Immun-
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globulinen der Subtypen IgG (größter Anteil), IgA und IgM. Als eine mögliche Wirkungsschiene von BC zur gastrointestinalen Infektabwehr beim Menschen wäre daher ebenfalls eine passive Immunisierung durch BC-Immunglobuline denkbar. Mit Hilfe von radioaktiv markierten Immunglobuline aus BC konnte an gesunden Probanden nachgewiesen werden, dass ca. 19% der verabreichten Immunglobuline den Intestinalraum intakt erreichten (16). In Zusammenhang mit akuter Höhenexposition weisen Daten aus wissenschaftlichen Studien an Tieren und Menschen vor allem auf eine Beeinträchtigung der T-Zellfunktion hin (7), welche mitunter auch für die intestinale Abwehr von pathogenen Bakterien wie etwa E.coli eine wichtige Rolle spielt (17). Interessanter Weise konnte eine mikrobielle Untersuchung zeigen, dass es in der Darmflora von Höhenbergsteigern während der Höhenexposition tatsächlich zu einer Verschiebung der Mikroflora in Richtung einer Zunahme potentiell pathogener Bakterien (unter anderem auch E.coli) kommt (4). Umgekehrt ergab eine Studie an Mäusen, dass oral verabreichtes BC intestinale (intraepitheliale) Lymphozyten dahingehend stimuliert sich in T-Helferzellen vom Typ I (Th1) zu transfomieren, wodurch möglicherweise eine verbesserte Th2-mediierte Infektabwehr induziert wird (18). Ein weiterer möglicher Wirkungsansatz wäre über unspezifische antimikrobiell und antiviral wirksame Komponenten im BC, wie etwa Lactoferrin und Lactoperoxidase gegeben (19). So soll etwa bovines Lactoferrin, ein Eisen bindendes multifunktionales Glykoprotein des Komplementsystems, durch Immunmodulation sowohl im Intestinaltrakt als auch systemisch zu einer gesteigerten unspezifischen Infektabwehr beitragen (20). Eine weitere an Mäusen durchgeführte Studie konnte zeigen, das bovines Lactoferrin protektiv gegenüber Lipopolysaccharid (LPS)-inuzierter Diarrhoe wirkt (21). Auch die im BC reichlich vorhandenen Wachstumsfaktoren könnten zu einer gesteigerten Regenerationsfähigkeit der humanen intestinalen Schleimhaut beitragen, wodurch die intestinalen Schutzbarrieren gestärkt werden würden. Damit könnte BC auch den Nebenwirkungen von bestimmten Medikamenten, wie etwa jenen der nichtsterioidalen Antiphlogistika (NSAID), welche gerne von Höhenbergsteigern zur Linderung von Höhenkopfschmerzen verwendet werden (22), entgegen wirken. Eine Studie an Ratten konnte dazu zeigen, dass BC die durch NSAID ausgelösten lokalen Entzündungen und Permeabilitätsstörungen im Gastrointestinaltrakt reduziert (23). Zusätzlich soll BC auch antioxidative Eigenschaften aufweisen, wobei es hierzu noch genauerer Analysen bedarf (24). Generell scheint BC somit eine antiinflammatorische Wirkung zu haben, was auch ein möglicher Erklärungsansatz für die in der Literatur beschriebenen positiven Effekte von BC bei entzündlichen GIT-Erkrankungen sowie bei NSAID- und Chemotherapeutika-induzierten Entzündungen der Darmschleimhaut sein könnte (25). In
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Anbetracht der vielseitigen, teils mit experimentellen und klinischen Studien an Tieren und Menschen untermauerten, möglichen Infektabwehrmechanismen von BC, legt eine potentielle Wirksamkeit von BC zur Infektprophylaxe somit auch bei Höhenbergsteigern nahe, wobei vermutlich wiederum ein Kompendium aus mehreren lokalen und systemischen Wirkkomponenten von BC daran beteiligt ist. Es bedarf aber noch weiterer kontrollierter Studien an Höhenbergsteigern unter Verwendung von standardisiert hergestelltem BC, um eine bessere Aussagekraft diesbezüglich erreichen zu können. Bovines Colostrum und AMS Obwohl in der wissenschaftlichen Literatur Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen dem Auftreten der akuten Bergkrankheit (AMS) und der Inzidenz von Infekt-Symptomen existieren (1), konnte in der aktuellen Studie nur zu einem Zeitpunkt eine geringe Korrelation zwischen AMS-Inzidenz und gastrointestinaler Infektsymptomatik nachgewiesen werden. Allerdings wurden in der aktuellen Studie nur die ersten 4 Tage in Hypoxie miteinander verglichen, womit natürlich nur ein relativ kurzer Beobachtungszeitraum vorliegt. Außerdem wurde in der vorangegangenen Studie im Gegensatz zur vorliegenden Studie die Gesamthäufigkeit von Infektsymptomen erhoben, welche damit (neben der gastrointestinalen Infekthäufigkeit) auch die respiratorischen Infektsymptome inkludierte. Somit könnte vielleicht die respiratorische Infekt-Inzidenz für den gefundenen Zusammenhang mit der AMS-Inzidenz primär verantwortlich gewesen sein. Tatsächlich konnte eine Studie an jungen Ratten zeigen, dass eine milde virale Infektion der Atemwege mit einer erhöhten Anfälligkeit für das Höhenlungenödem (High Altitude Pulmonary Edema, HAPE), einer schweren Manifestation der AMS verbunden war (26). Es bedarf also noch weiterer Studien, welche sich dieser Thematik detaillierter widmen. Generell muss eine mögliche Symptom-Überlappung zwischen AMS und opportunistischen Infekten mit in Betracht gezogen werden (27), welche letztendlich auch zu Fehldiagnosen in beide Richtungen führen können (28) und damit auch die tatsächlichen Inzidenzen verfälschen. Inwieweit eine prophylaktische Einnahme von BC möglicherweise auch vor den bei Höhenbergsteigern häufig beobachteten Infekten der oberen Atemwege schützen kann ist ebenfalls noch nicht geklärt und bleibt eine interessante Fragestellung für zukünftige Studien. In der vorliegenden Studie zeigte die Colostrum-Gruppe während der ersten Tage in Hypoxie eine tendenziell höhere arterielle Sauerstoffsättigung im Vergleich zur Placebo-Gruppe, was spekulativ betrachtet, ein möglicher indirekter Hinweis auf eine reduzierte respiratorische Infekt-Präsenz sein könnte. Ferner konnte eine aktuelle Studie anhand der Auswertung von selbst geführten Tagebüchern von Probanden, welche an
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randomisierten und Placebo-kontrollierten Doppelblind-Studien mit BC teilnahmen zeigen, dass eine regelmäßige Einnahme von BC über mehrere Wochen zu einer reduzierten Infekt-Inzidenz der oberen Atemwege führte (29). Einen möglichen Erklärungsansatz für diese Beobachtung liefert dabei eine weitere Studie, die anhand von Läufern zeigen konnte, dass eine Einnahme von BC über mehrere Wochen zu einem signifikanten Anstieg von sekretorischem IgA, welches bekanntlich vor Infekten der oberen Atemwege schützt, im Speichel dieser Athleten führte (30). Limitationen der Feldstudie Die vorliegende Feldstudie weist mitunter auch Limitationen auf. Die Hauptlimitation ergibt sich hinsichtlich der Erhebung der gastrointestinalen Infekt- bzw. Erkrankungshäufigkeit mittels eines neu konzipierten Symptomatik-Fragebogens (GITIS). Obwohl sich dieser Fragebogen in der praktischen Anwendung als einfach und schnell durchführbar erwiesen hat und damit für Feldstudien bestens geeignet ist, bedarf es hierbei noch zusätzlicher Vergleiche mit bereits validierten klinischen gastrointestinalen Symptomatik-Fragebögen wie etwa der Gastrointestinal Symptom Rating Scale (GSRS), welche unter standardisierten Bedingungen durchgeführt werden (31). Da ferner kein direkter Erregernachweis nach positiver Infekt-Symptomatik (GITIS ≥ 6) erstellt werden konnte, war ein Kausalschluss hinsichtlich des Vorliegens eines gastrointestinalen Infekts nicht eindeutig möglich, da andere Ursachen nicht ausgeschlossen werden konnten. Auch die Probandenzahl war relativ klein und es bedarf deshalb noch zusätzlicher derartiger Studien, um die statistische Aussagekraft weiter verbessern zu können. Aufgrund der beim Höhenbergsteigen üblichen Mehrlagerstrategie und der damit verbundenen Aufspaltung der Gesamtgruppe in Kleingruppen, war es ferner nicht möglich ein lückenloses Infekt-Monitoring während des gesamten 3wöchigen Expeditionszeitraums gewährleisten zu können. Im Unterschied zu Laborstudien herrschen bei Feldstudien generell weniger standardisierte Verhältnisse während der jeweiligen Erhebungen und Messungen, wodurch es zu einer Zunahme der Fehlerquellen bei derartigen Studien kommen kann.
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DANKSAGUNG Das Colostrum-Projekt 2008 konnte letztendlich nur aufgrund der freiwilligen Teilnahme jener 26 Bergsteiger und BergsteigerInnen (siehe Foto) realisiert werden. Besonderer Dank gilt dabei Herrn Dr. Daniel Bach f체r die tatkr채ftige Unterst체tzung w채hrend der wissenschaftlichen Erhebungen vor Ort.
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M a r t i n B u r t s c h e r, H a n n e s G a t t e r e r, M a r t i n F a u l h a b e r
Vorakklimatisation durch intermittierende Hypoxie Pre-acclimatization by intermittent hypoxia
S U M M A RY Acute exposure to high altitude provokes the development of mountain illnesses and decrease of exercise performance. Thus, sufficient acclimatization is of utmost importance for mountaineers, trekkers and athletes performing at high altitude. The main purpose of this paper was to review existing studies and observations on the effectiveness of pre-acclimatization at simulated altitude. Data source: A PubMed search has been performed and preliminary observations from our laboratory have been included. Although some beneficial effects have been demonstrated, it is not possible to draw firm conclusions from the few available studies dealing with effects of preacclimatization at simulated altitude on the reduction of AMS incidence and performance loss at high altitude. For the present, 1-4 hours of daily exposures for 1-5 weeks to simulated altitudes of about 4000 m seem to initiate ventilatory and autonomous nervous system adaptations to high altitude with the potential to reduce AMS development. At least for protocols of short duration, rest during hypoxic exposures seems to be similar effective as exercise. For the more prolonged protocols exercise may be included to enhance exercise performance in hypoxia. Keywords: intermittent hypoxia, pre-acclimatization, mountaineering, acute mountain sickness, exercise performance
Z U S A M M E N FA S S U N G Eine akute Höhenexposition erhöht das Risiko für Höhenerkrankungen und reduziert die körperliche Leistungsfähigkeit. Eine ausreichende Akklimatisation ist für Bergsteiger, Trekker und Athleten, die in der Höhe trainieren oder Wettkämpfe bestreiten, von entscheidender Bedeutung. Dieser Artikel soll einen Überblick über bestehende Studien und Beobachtungen zur Wirksamkeit einer Vor-
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akklimatisation unter simulierten Höhenbedingungen geben. Es wurde eine Literatursuche in der Datenbank „Pub-Med“ durchgeführt und mit vorläufigen Beobachtungen aus dem eigenen Labor der Autoren ergänzt. Bislang gibt es nur wenige Studien, die sich mit der Thematik einer Vorakklimatisation unter simulierten Höhenbedingungen zur Reduzierung der Inzidenz der akuten Bergkrankheit (AMS) und dem Leistungsverlust in großen Höhen beschäftigt haben. Obwohl mehrere positive Effekte gezeigt werden konnten, können auf Basis der vorhandenen Ergebnisse keine endgültigen und fixen Schlussfolgerungen gezogen werden. Zum momentanen Zeitpunkt scheinen 1- bis 4-stündige Hypoxie-Expositionen pro Tag über 1–5 Wochen in etwa 4000 m simulierter Höhe Anpassungen im Bereich der Atmung und des autonomen Nervensystems zu bewirken, welche die AMS-Inzidenz reduzieren könnten. Zumindest für kurzfristige Vorakklimatisationsprotokolle dürfte körperliche Aktivität während der HypoxieExpositionen im Vergleich zu rein passiven Aufenthalten keine Vorteile bringen. Für längerfristige Protokolle könnte zusätzliches Training in Hypoxie genutzt werden, um die Leistungsfähigkeit in Hypoxie zu steigern. Schlüsselwörter: Intermittierende Hypoxie, Vorakklimatisation, Bergsteigen, akute Bergkrankheit, Leistungsfähigkeit
EINLEITUNG Eine ausreichende Akklimatisation ist unumgänglich, um große Höhen ohne höhenbedingte Beschwerden beziehungsweise „Höhenkrankheiten“, welche die Chance auf einen Gipfelerfolg mindern und unter Umständen auch lebensbedrohliche Formen annehmen können, zu erreichen. Das Risiko für Höhenerkrankungen hängt dabei zu einem großen Teil von der individuellen Anfälligkeit und der Aufstiegsgeschwindigkeit ab (1). Allerdings sind längere Aufenthalte in großen Höhen mit negativen Auswirkungen auf die muskuläre Leistungsfähigkeit und die Energiereserven verbunden, was die Erfolgsaussichten einer Gipfelbesteigung wiederum reduzieren kann (2). Eine Vorakklimatisation unter simulierten Höhenbedingungen könnte das Risiko für Höhenerkrankungen verringern und die Leistungseinbuße minimieren. Mehrere Untersuchungen zeigten positive Auswirkungen einer Vorakklimatisation in künstlicher Höhe (3-7). Die verwendeten Vorakklimatisationsprotokolle (Höhe, Anzahl und Dauer der Expositionen, mit und ohne körperliche Belastung, etc.) unterschieden sich jedoch in wesentlichen Punkten, und es existiert zurzeit noch kein Standardprotokoll zur Vorakklimatisation. Der vorliegende Artikel soll einen Überblick über bereits publizierte Arbeiten und Beobachtungen zur Vorakklimatisation geben. Davon abgeleitet werden vorläufige Empfehlungen für eine wirkungsvolle
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Vorakklimatisation für nachfolgende Höhenunternehmungen und Möglichkeiten für die weitere Forschungsentwicklung aufgezeigt.
METHODIK Die Suche erfolgte über die Datenbank PubMed (Publikationsjahre 1976 bis 2007) mit folgenden Suchbegriffen: intermittent hypoxia, simulated altitude, acclimatization, adaptation, preparation, mountaineering, trekking, acute mountain sickness (AMS), exercise, performance und hypoxic ventilatory response (HVR). Ebenso inkludiert wurden den Autoren bekannte und in Übersichtarbeiten zitierte Artikel. Es wurden die Untersuchungen in die Übersicht aufgenommen, welche die AMS-Inzidenz nach einer Vorakklimatisation unter simulierten Höhenbedingungen (intermittierende Hypoxie) erhoben haben. Von den ausgewählten Studien wird nachfolgend eine ausgeglichene Auswahl besprochen. Zusätzlich werden vorläufige Daten aus eigenen routinemäßigen Höhenvorbereitungen präsentiert und durch eine exemplarische Anwendung von intermittierender Hypoxie an einer zu Höhenlungenödem neigenden Person ergänzt.
ERGEBNISSE Die Tabelle 1 gibt eine Übersicht über publizierte wissenschaftliche Arbeiten sowie über zwei Fallberichte aus unserem Labor, die sich mit der Wirksamkeit einer Vorakklimatisation durch intermittierende Hypoxie auseinandergesetzt haben. Von diesen Untersuchungen behandelten, neben unseren Beobachtungen, lediglich zwei die Thematik der Vorakklimatisation zur Prävention der akuten Bergkrankheit (4,6) und weitere drei die Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit in der Höhe (3,5,7). Alle konnten positive Effekte nachweisen. Die Hypoxiedauer betrug in diesen Untersuchungen 3 oder mehr Stunden pro Tag für 6 bis 20 Tage bei einem Sauerstoffanteil (FiO2) von 12 % entsprechend 4000 m (3-7). In unseren Fallberichten zeigte bereits eine geringere Hypoxiedosis von 1 Stunde pro Tag für 5-7 Tage bei einem FiO2 von 14-12% positive Wirkungen. Zwischen einem aktiven und einem passiven Aufenthalt in Hypoxie konnten keine Unterschiede festgestellt werden (5,6). Der HVR, sofern gemessen und auch die Ventilation und/oder die arterielle Sauerstoffsättigung (SaO2) während Training, war gesteigert, vorausgesetzt das Training fand über 2500 m statt (3,5,710). Eine Untersuchung konnte zudem einen verbesserten Gemütszustand in Höhe nach 3 Tagen einer 3-stündigen Hypoxievorbereitung feststellen (11), ebenso konnte gezeigt werden, dass die autonome Kontrolle durch Hypoxie vagoton verändert wurde (8). Beobachtungen aus unserem Labor wurden 2005 auf dem Hypoxiekongress in Bad Reichenhall präsentiert und werden in Folge dargelegt.
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Tabelle 1: Art und Effekt der Höhenexposition ausgewählter Studien
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Beobachtung 1: Insgesamt wurden 141 Trecker und Bergsteiger beobachtet. 67 davon (58 Männer, 9 Frauen; Alter 21-67 Jahre) absolvierten eine Vorakklimatisation in unserem Labor (1-2 h, auf 3000-5000 m; normobare Hypoxie) an 5 aufeinanderfolgenden Tagen unmittelbar vor Abreise in die Bergregionen. Alle 141 Personen, davon 74 ohne Vorakklimatisation, wurden gebeten, während ihres Aufenthalts einen Fragebogen zur AMS Symptomatik auszufüllen. 10% der Vorakklimatisations-Gruppe entwickelten leichte AMS Symptome, von den Teilnehmern ohne Vorakklimatisation hingegen 30%, wobei der AMS Score höher ausgeprägt war. Aus diesem Grund kann angenommen werden, dass eine Vorakklimatisation durchaus Wirkung besitzt, auch wenn die Untersuchung einige Schwächen aufweist. So kann ein möglicher Placeboeffekt nicht ausgeschlossen werden. Auch fehlen Informationen zur Vorbereitung der beiden Gruppen in natürlicher Höhe. Beobachtung 2/Fallbericht: Eine 64-jährige Frau, sportlich aktiv, mit einer bekannten Höhenintoleranz entwickelte in einer von uns durchgeführten Untersuchung klare Symptome eines Höhenlungenödems auf 3500 m (nach Gabe von O2 verbesserte sich ihr Zustand). Ein Jahr später, auf einer Trekkingtour im Himalaya musste die Frau aufgrund eines erneuten Höhenlungenödems ausgeflogen werden, erholte sich aber vollständig. Nach 5-jähriger Expeditionsabstinenz plante sie einen erneuten Versuch. Wir exponierten sie, zusammen mit ihrem Partner, einem 30-60 Minuten dauernden Hypoxiereiz an 5 aufeinander folgenden Tagen. Im Verlauf der Hypoxiesitzungen konnte ein deutlicher Anstieg der SaO2 beobachtet werden. In den letzten zwei Tagen waren die SaO2 –Werte in Hypoxie mit jenen ihres Partners, der die Höhe im Allgemeinen sehr gut tolerierte, vergleichbar (Tabelle 2). Im Anschluss daran reiste sie ins Himalayagebiet HAPE
Nicht-HAPE FiO2/SaO2 (%)
Tag 1:
13/59-73
13/85
Tag 2:
13/77
13/85
Tag 3:
12/79
12/80
Tag 4:
12/80
12/81
Tag 5:
15/89
15/92
Tabelle 2: Veränderungen der hypoxieabhängigen SaO2-Werte bei einer HAPEempfindlichen und einer nicht HAPE-empfindlichen Person im Rahmen eines 5-tägigen Hypoxieprogrammes ( 1 h/Tag).
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(unter medizinischer Aufsicht) und erreichte ohne Probleme Höhen von über 5000 m.
DISKUSSION Beim Höhenbergsteigen wirken auf den menschlichen Organismus verschiedene Stressoren: Sauerstoffmangel (Hypoxie), niedriger Luftdruck (Hypobarie), Kälte, körperliche und psychische Belastungen, Strahlung, etc.. Der bedeutendste Stressor ist unbestritten die Hypoxie. Bei zu rascher und zu ausgeprägter Hypoxieexposition (= going too high too fast) wird die Anpassungsfähigkeit des Organismus momentan überfordert und lebensbedrohliche Erkrankungen (Höhenlungenöden, Höhenhirnödem) sind die Folgen (1). Um diesen Erkrankungen vorzubeugen, ist eine individuell dosierte, stufenweise Anpassung notwendig. Wie aus den Trainingswissenschaften lange bekannt, führen wiederholte Reize mit ausreichenden Erholungsphasen zu erfolgreicher Adaptation und Leistungssteigerung (12). Daraus könnte man zumindest hypothetisch ableiten, dass auch wiederholte Hypoxiereize eine effektive Vorakklimatisation vor dem eigentlichen Höhenunternehmen (Trekkingtour, Expedition) bedeuten. Unterstützt wird diese Annahme durch Akklimatisationsstrategien, wie sie derzeit von einigen erfolgreichen Höhenbergsteigern praktiziert werden. Sie bereiten sich beispielsweise durch Kurzzeitanstiege in größere Höhen mit nachfolgenden Erholungsphasen in niedrigeren Lagen (intermittierende Hypoxie) vor und sind dann in der Lage, die höchsten Berge in kürzester Zeit zu besteigen. Leider gibt es bis heute nur wenige aussagekräftige Untersuchungen, die sich mit der Effektivität und auch den resultierenden Risiken dieser Strategien beschäftigten und wenn, haben sie unterschiedliche und damit kaum vergleichbare Expositionsprotokolle verwendet (Tabelle 1). Daraus können zwar vorsichtige Annahmen für die Wirksamkeit intermittierender Hypoxie zur Vorakklimatisation abgeleitet werden, eine differenzierte Beurteilung der unterschiedlichen Protokolle bleibt allerdings spekulativ. Nahezu alle Untersuchungen zur AMS-Inzidenz und psychophysischen Leistungsfähigkeit nach intermittierender Hypoxie fanden zumindest einzelne positive Aspekte (3-7, unsere eigenen Studien). Diese Effekte scheinen unabhängig davon, ob die Kurzzeit-Hypoxie-Expositionen passiv oder bei körperlicher Aktivität absolviert wurden. Eine Expositionsdauer von 14 Stunden pro Tag für zumindest 1 Woche scheint notwendig, um nachweisbare Akklimatisationseffekte hervorzurufen. Diese Akklimatisationswirkungen dürften für 3 – 7 Tage anhalten. Der verwendete Hypoxiegrad lag meist um 12 % FiO2, was einer Höhe von etwa 4000 m entspricht. Nur 1 Studie deutet darauf
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hin, dass moderatere Hypoxie (15,5 % FiO2) zumindest die HVR nach 1 Woche intermittierender Hypoxie nicht steigert (13). Wurde allerdings die Gesamtexpositionszeit z.B. auf 25 Tage ausgedehnt, wurde die HVR erhöht (14). Eine ausreichend hohe HVR und adäquate Hyperventilation und arterielle Sauerstoffsättigung (SaO2) scheinen die bedeutendsten Akklimatisationseffekte nach intermittierender Hypoxie darzustellen (3-10, 14-20). Personen mit einer besonderen AMS-Anfälligkeit, besonders HAPE-anfällige Personen, zeigen durchwegs eine niedrige HVR (21, 22). Unser Fallbericht bestätigt, dass die Anhebung einer niedrigen HVR durch intermittierende Hypoxie der HAPE-Entwicklung bei nachfolgendem Höhenaufenthalt vorbeugt. Allerdings darf nicht vergessen werden, dass die Höhenakklimatisation einen komplexen Prozess mit einer Fülle von biologischen Reaktionen neben der Hyperventilation darstellt. In den ersten Stunden/Tagen der Höhenexposition, wenn Höhenerkrankungen besonders häufig auftreten, scheinen Veränderungen des autonomen Kontrollsystems und vermutlich auch begleitende renale Reaktionen in den Akklimatisationsprozess involviert zu sein (23). Die Abbildung 1 zeigt einen schematischen Überblick über physiologische Antworten auf akute und subakute Höhenexposition, die durch intermittierende Hypoxie im Sinne einer Vorakklimatisation beeinflusst werden könnten. Hyperventilation und gesteigerte Sympathikotonie mit Erhöhung von Herzfrequenz und Herzminutenvolumen verbessern die hypoxiebedingte Einschränkung der Sauerstoffversorgung der Gewebe. Kardiopulmonale Hypoxiereaktionen verlaufen typischerweise nach einem gut definierten Muster, welches durch Hyperventilation, Anstieg von Herzfrequenz und Herzminutenvolumen, durch pulmonal-arterielle Vasokonstriktion, Abfall des peripheren Gefäßwiderstandes, einen moderaten Anstieg des systemischen Blutdruckes und eine Blutumverteilung zu Gunsten von Organen mit hohem Energiebedarf, z.B. Gehirn, Herz, Skelettmuskulatur, charakterisiert ist (24-26). Außerdem ist der Kohlenhydratmetabolismus in akuter Hypoxie über den damit verbundenen Sympathikotonus beeinflusst, was sich in vergleichsweise hohen Blutlaktatkonzentrationen bei körperlicher Aktivität äußert (27). Während die Ventilation bis auf ein bestimmtes Maß im Rahmen der Akklimatisation ansteigt und auch erhöht bleibt, scheinen akute Auswirkungen der erhöhten autonomen Aktivität mit zunehmender Dauer allmählich wieder auf Tallagenwerte zurückzukehren, zumindest gemessen an Herzfrequenz- und Laktatreaktionen bei körperlicher Aktivität (27, 28). Daher kann angenommen werden, dass eine angemessen hohe HVR und niedrige Sympathikotonie bei akuter Höhenexposition Zeichen einer erfolgreichen Vorakklimatisation darstellen. Während die HVR durch intermittierende Hypoxie ohne Zweifel gesteigert werden kann, sind entsprechende Adaptationen des autonomen Nervensytems unklar. Fulco et al. beispielsweise
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zeigten, dass Betablockade mit einer Tendenz reduzierter AMS-Inzidenz verbunden war (29). Ledderhos et al. fanden eine verminderte Toleranz auf simulierte Hypoxie (4200 m) bei jungen Männern mit Grenzwerthypertonie (30). Sie beobachteten bei diesen Personen eine übersteigerte sympathikotone Reaktion, verminderte Diurese und eine erhöhte AMS-Inzidenz. Scherrer et al. berichteten über gesteigerte Sympathikusaktivität bei HAPE-empfindlichen Personen (31). Personen mit HAPE-Neigung könnten also von einer HVR-Steigerung und Verminderung des Sympathikotonus durch vorbereitende intermittierende Hypoxie profitieren. Allerdings fanden Lusina et al. nach 1-stündiger Hypoxieexposition pro Tag über 10 Tage eine anhaltend erhöhte sympathische Aktivität in der Skelettmuskulatur, allerdings ohne begleitende hämodynamische Veränderungen (9). Fu et al. konnten keine Veränderungen autonomer Kontrollmechanismen nach 4-wöchiger intermittierender Hypoxie bei jungen Sportlern nachweisen (32). Bernardi et al. hingegen demonstrierten eine gesteigerte HVR und erhöhte Vagusaktivität in progressiver Hypoxie nach 2-wöchiger intermittierender Hypoxievorbereitung (8). Im Gegensatz zur Schlafapnoe scheinen die in den hier angeführten Studien verwendeten Protokolle intermittierender Hypoxie gut verträglich und nicht von einer zunehmenden Steigerung der Sympathikusaktivität begleitet zu sein. Zumindest die Untersuchung von Bernardi et al. weisen auf adaptive Effekte auch des autonomen Nervensystems durch den Einsatz intermittierender Hypoxie hin (8). Außerdem beeinflussen die Sympathikusaktivierung und die Hyperventilation bei akuter Hypoxieexposition die Nierenfunktion (23). Während die Sympathikusaktivierung Antidiurese fördert, wird die Diurese durch die Hyperventilation angeregt. Antidiurese wurde gelegentlich zusammen mit einer erhöhten AMS-Inzidenz beobachtet. Dies lässt zumindest spekulieren, dass eine niedrige HVR und eine gesteigerte Sympathikusaktivierung mit reduzierter Diurese und AMS-Neigung assoziiert sind, während eine hohe HVR und geringe Sympathikusaktivierung in akuter Hypoxie eine gute Hypoxie- oder Höhentoleranz anzeigen sollten. Wenn dies zutrifft, müsste die verminderte AMS-Neigung bei akuter Höhenexposition auch von erhöhter Diurese nach intermittierender Hypoxievorbereitung begleitet sein. Obwohl es etliche Hinweise für die Wirksamkeit von intermittierender Hypoxie zur Vorakklimatisation gibt, gestatten die derzeit verfügbaren Studien keine sicheren Aussagen. Am ehesten scheinen Protokolle zu wirken, die täglich 1-4 Stunden Hypoxie (~ 4000 m) über 1-5 Wochen einsetzen. Ihre Wirkungen zeigen sich vornehmlich an der Steigerung der HVR und möglicherweise an einer Reduktion der hypoxieassoziierten Reaktionen des autonomen Nervensystems. Der Ruheaufenthalt in Hypoxie für die Vorakklimatisation scheint zumindest ähnlich wirksam wie körperliche Aktivität während intermittierender Hypoxie.
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Bei länger dauernder Vorbereitung könnte die körperliche Aktivität zusätzlich zur Leistungssteigerung in der Höhe genutzt werden. Für klare Empfehlungen einer individualisierten Vorakklimatisation durch intermittierende Hypoxieexpositionen ist allerdings die Bestätigung durch noch besser kontrollierte Studien notwendig.
Abbildung 1: Schematischer Überblick über ausgewählte physiologische Reaktionen bei akuter Hypoxieexposition (Höhe), welchen im Rahmen der Vorakklimatisation durch intermittierende Hypoxie besondere Bedeutung zukommt.
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Annalisa Cogo, Giuseppe Fiorenzano
COPD patients at altitude S U M M A RY Chronic Obstructive Pulmonary Disease (COPD) is a major health problem because of its high prevalence in the general population. Sometimes COPD patients ask their physicians about the possibility either to travel in mountain regions or to go by plane. The article reviews this possibility analyzing the characteristics of COPD, the high altitude environment, the adaptations of the respiratory system to high altitude and the recommendations for the patients. COPD is characterized by airflow obstruction not fully reversible, in response to exposure to noxious particles (cigarette smoke, professional exposures, pollution) in susceptible subjects. Symptoms of COPD are cough, sputum, progressive dyspnoea. Spirometry confirms the diagnosis and allows to assess the severity of obstruction. At altitude the climate is characterized by a progressive reduction of barometric pressure, with a reduction of inspired fraction of oxygen. Other findings are the decrease of air density, temperature and humidity, and a reduction of allergens and pollutants. In normal subjects, adaptation to high altitude is characterized by hyperventilation, pulmonary vasoconstriction and increased work of breathing. COPD patients have a reduction of the respiratory reserve, with a difficult adaptation to high altitude. The major problem is the gas exchange impairment. In COPD patients it is possible to predict the PaO2 at altitude using spirometry and gas analysis at sea level, so detecting the patients that require oygen supplementation at high altitude or during flights. Inspiration of drier and colder air may be beneficial for patients with mild symptoms, but dangerous for more impaired subjects. To evaluate the possibility for COPD patients to travel at high altitude an individual evaluation is needed, including spirometry, blood gas analysis and walking test. The results may be evaluated depending on: the living altitude, the altitude of destination, the rate of ascent, the duration of stay, the amount of exercise at altitude. Keywords: COPD, altitude, mountaineering, hypoxia, flight
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Z U S A M M E N FA S S U N G Chronisch obstruktive Lungenerkrankungen (COPD) stellen aufgrund ihrer hohen Prävalenz in der Bevölkerung ein bedeutendes Gesundheitsproblem dar. Die betroffenen Patienten wünschen von den behandelnden Ärzten vielfach Auskunft über mögliche Probleme in der Höhe (Bergsport, Fliegen). Der vorliegende Beitrag gibt einen Überblick über COPD Merkmale, das Höhenklima, die Adaptationen des Atemsystems in der Höhe und die Empfehlungen für COPD Patienten. COPD ist eine obstruktive Atemwegserkrankung mit Flussbehinderung bei Schadstoffexposition (z.B. Zigarettenrauch, industrielle Schadstoffe), die nicht vollkommen reversibel ist. COPD Symptome sind Husten, verstärkte Schleimproduktion und zunehmende Atemnot. Lungenfunktionstests bestätigen die Diagnose und den Schweregrad der Erkrankung. Das Höhenklima ist durch die Reduktion des Luftdruckes und des Sauerstoffpartialdruckes charakterisiert. Außerdem nehmen mit der Höhe die Luftdichte, die Temperatur und die Luftfeuchtigkeit aber auch die Konzentration von Allergenen ab. Bei gesunden Personen ist die Höhenakklimatisation durch Hyperventilation, pulmonal-arterielle Vasokonstriktion und erhöhte Atemarbeit gekennzeichnet. COPD Patienten weisen eine Einschränkung der Atemreserve mit Schwierigkeiten der Höhenadaptation auf. Bei diesen Personen ist es möglich, den PaO2 in der Höhe anhand von Lungenfunktionstests und Blutgasen vorauszusagen. Die Einatmung von kalter und trockener Luft kann für Patienten mit leichter COPD günstig sein, ist aber gefährlich für jene mit schwerer COPD. Eine Beurteilung wird anhand der Lungenfunktion, Blutgasanalyse und eines „Walking Tests“ durchgeführt. Die Ergebnisse werden in Abhängigkeit folgender Faktoren beurteilt: absolute Höhe, Dauer des Höhenaufenthaltes, Anstiegsgeschwindigkeit und körperliche Belastung in der Höhe. Schlüsselwörter: COPD, Höhe, Bergsport, Hypoxie, Fliegen
C H R O N I C O B S T R U C T I V E P U L M O N A RY D I S E A S E ( C O P D ) ( 1 ) COPD is a chronic disease characterized by airflow limitation which is usually progressive and not fully reversible, associated with an abnormal inflammatory response of the lung to noxious particles or gases. Is a preventable and treatable disease with some significant extrapulmonary effects that may contribute to the severity in individual patients.
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According to the airflow limitation, COPD is divided in 4 stages Stage I:
Mild
FEV1/FVC < 0.70 Ɒ 80% predicted
Stage II: Moderate
FEV1/FVC < 0.70 50% Ɐ FEV1 Ɱ 80% predicted
Stage III: Severe
FEV1/FVC < 0.70 30% Ɐ FEV1 Ɱ 50% predicted
Stage IV: Very Severe FEV1/FVC < 0.70 FEV1 Ɱ 30% predicted or FEV1 Ɱ 50% predicted plus chronic respiratory failure
COPD prevalence, morbidity, and mortality vary across countries but are worldwide increasing. In fact, COPD is a leading cause of morbidity and mortality worldwide and is projected to increase in next future due to continued exposure to COPD risk factors (GOLD) The main risk factors for COPD is the exposure to noxious particles such as tobacco smoke, occupational dusts, indoor air pollution from heating and cooking with biomass in poorly ventilated dwellings and outdoor air pollution. Other risk factors are: genes, oxidative stress, respiratory infections, socioeconomic status and co-morbidities. Exposure to noxious agents leads to small airways disease, characterized by airway inflammation and remodeling and to parenchyma destruction causing loss of alveolar attachments and decrease of elastic recoil. A clinical diagnosis of COPD should be considered in any patient who has dyspnea, chronic cough or sputum production, and/or a history of exposure to risk factors for the disease. The diagnosis should be confirmed by spirometry. A post-bronchodilator (400mcg of salbutamol in four separate doses) FEV1/FVC < 0.70 confirms the presence of airflow limitation that is not fully reversible. Another important point to be taken into account is the increased risk of COPD patients for comorbidities such as ischemic heart disease, osteoporosis, diabetes, lung cancer and respiratory infections which are responsible of COPD exacerbations.
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A LT I T U D E Before considering how patients suffering from chronic obstructive pulmonary disease can cope with altitude, a revision of the environmental changes at high altitude affecting the respiratory system as well as its compensatory responses is needed (2, 3). The main environmental characteristic is the progressive, nonlinear decrease in barometric pressure with increasing altitude. The main consequence of this reduction is the progressive decrease of the so called “oxygen cascade”: alveolar, arterial and tissue oxygen tension (Pa,O2) values. Ambient temperature also decreases (around 1°C every 150m) as well as the air density and the absolute humidity. The consequence is that at high altitude colder and drier air is breathed, as compared to sea-level; this fact favours the loss of water through the airways especially during exercise induced hyperventilation. Allergen and outdoor pollution exposure is usually reduced or absent in the mountain so decreasing the inflammatory stimulus to the airways.
R E S P I R AT O RY R E S P O N S E S T O A LT I T U D E The lung is the gate between the environmental oxygen and the metabolic machinery of the body and immediately responds to hypoxia by increasing ventilation (the so called hypoxic ventilatory response) in order to improve oxygen saturation. Hyperventilation is obtained at expense of a higher respiratory work. In healthy subjects, the increase in ventilation is at beginning obtained with an increase in tidal volume while respiratory rate increases only at higher altitude (2, 4).
P U L M O N A RY VA S C U L A R S Y S T E M The second immediate response to hypoxia exposure is the pulmonary vasoconstriction. In fact, a level of alveolar hypoxia ≤70mmHg triggers hypoxic pulmonary vasoconstriction and a subsequent increase in pulmonary arterial pressure which is variable among healthy subjects.
P U L M O N A RY M E C H A N I C S Various changes in pulmonary mechanics have been described at high altitude. The decreased density of the air reduces respiratory resistance and increases the flows. In many studies a decrease in forced vital capacity and slow vital capacity has been reported. These change can be due to different factors: an increase in pulmonary vascular blood, mild interstitial oedema and decreased respiratory muscle strength. As regards FEV1, conflicting results are reported:
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decrease, increase or no change. These conflicting results may me due to the fact that several studies are different in the altitude at which are performed, in the rate of ascent (and the level of acclimatization). Moreover, small numbers of subjects are usually studied in each research (3, 4).
R E S P I R AT O RY PAT H O P H Y S I O L O G Y O F C O P D The airflow limitation and the progressive derangement of lung architecture induce several problems in COPD patients such impairment of gas exchange, increased ventilator requirements, pulmonary hypertension, respiratory muscle weakness. All of them can be affected by high altitude. Bronchial obstruction The reduced density of the air should reduce airflow resistance. This could be a favourable factor for mild COPD patients. For more severe patients we should also take into account the possibility that both hypoxemia and the reduced temperature of inhaled air could worsen the bronchoconstriction. Gas exchange The key question is to define the level of PaO2 at altitude: is the COPD patient able to maintain an adequate PaO2 or does he need supplemental oxygen? In other words, is PaO2 expected to fall below the thresholds stated by British Thoracic Society and Aerospace Medical Association guidelines of 50-55mmHg (5, 6)? Most of the available studies have examined this question during either hypoxia simulation test or during commercial flights (7-18). Only one study reports data directly obtained in the mountain (19). In any case, no data are available at altitudes above 3000m. It seems possible to predict the level of hypoxemia at altitude, combining sea-level FEV1 values with the sea-level PaO2: PaO2, Alt = (0.5196PaO2,SL)+(11.856 FEV1)â&#x20AC;&#x201C;1.76 (9-12). Subjects with a predicted PaO2 = 50â&#x20AC;&#x201C; 55 mmHg should travel to high altitude with supplemental O2. (5, 6). Altitude
SL PaO2
Alt PaO2
References
1900m
66
54
7
1524
68
55
19
2348
72
55
19
3048
72
50
13
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As en example, we also report the data from some studies: However, it is important to note that all studies examined small numbers of patients with an average FEV1 of 1–1.5 L and without hypercapnia. No information is available for patients with more severe disease or evidence of hypercapnia. Pulmonary hypertension Patients with severe COPD and baseline hypoxaemia often develop pulmonary hypertension at sea level. The exposure to altitude and the relative more severe hypoxemia is expected to worsen pulmonary hypertension so putting the patients at risk for the development of high altitude pulmonary oedema or acute right heart failure These patients should be advised to avoid altitude exposure. If this is not possible, they should assume both oxygen and a prophylactic therapy (nifedipine SR 20mg b.i. d). through the duration of their stay at altitude (3).
R E C O M M E N D AT I O N S Patients who only present with symptoms or mild airway obstruction can take advantage of the lower density and the lower humidity of the inhaled air and the reduction in air pollutants. COPD patients whose baseline FEV1 is ≤1.5 L should be assessed prior to highaltitude travel to determine the need for supplemental oxygen. Assessment of COPD patients prior to high-altitude exposure • Spirometry to assess the level of bronchial obstruction • Blood Gas Analysis to assess the efficiency of gas exchange • Six minute walking distance to detect the presence of oxygen desaturation during exercise at sea level Some specific questions should be asked: • The living altitude • The altitude of destination • The sleeping altitude • The rate of ascent (by cable car, bus, walking) • The duration of stay • The amount of exercise at high altitude? In fact, the possibility to develop acute mountain sickness and to suffer from adverse events is directly related to the severity of hypoxemia which further deteriorates during sleeping (due to the onset/worsening of sleep apnoea at altitude) and exercise (3, 4).
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M a r k u s Ta n n h e i m e r
Kampfpiloten & Expeditionsbergsteiger: Leistungsfähigkeit unter hypobarer Hypoxie Z U S A M M E N FA S S U N G Kampfpiloten und Expeditionsbergsteiger halten sich beide in hypobarer Hypoxie auf, bei beiden macht es Sinn die Leistungsfähigkeit vor entsprechender Exposition zu prüfen – soweit die Gemeinsamkeiten. Die aufgabenspezifische Testung ist schwierig, da die jeweilige Leistungsfähigkeit sehr komplex ist. In der Arbeitsmedizin wird daher in Bereichen, die als besonders wichtig erachtet werden diese Tätigkeit simuliert, so auch bei Jetpiloten. Diese trainieren in eigens dafür erbauten Humanzentrifugen und Unterdruckkammern und müssen sich dabei für ein Jagdflugzeug wie den Eurofighter „Typhoon“ qualifizieren. In der Höhenmedizin wären aussagekräftige Schlussfolgerungen bereits aus der Höhenanamnese möglich, in Zeiten kommerziell buchbarer Expeditionen ist diese jedoch bei medizinischen Rat suchenden Personen häufig leer. Obwohl selbstverständlich eine solide Ausdauerleistungsfähigkeit eine Grundvoraussetzung für erfolgreiches und sicheres (Expeditions-) Bergsteigen ist, lässt deren Quantifizierung mittels Ergometertest nur sehr eingeschränkt auf die komplexe Tätigkeit mir hoher koordinativer Komponente schließen wie sie z.B. das Begehen einer technisch anspruchsvolle Routen in extremer Höhe darstellt. Allerdings lässt sich auch in der Höhenmedizin eine erfreuliche Tendenz hin zu realitätsnahen Feldtest verzeichnen. Schlüsselwörter: Kampfpiloten, Expeditionsbergsteigen, Leistungsfähigkeit, Hypoxie
S U M M A RY Both, fighter pilots and high altitude mountaineers are exposed to hypobaric hypoxia. Therefore, testing their efficiency before exposure makes sense – so far the common characteristics. Testing this specific efficiency is difficult because of the very complex occupations. Hence, the occupational medicine uses simulation in fields of high importance, thus also with jet pilots. In military, a
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special human centrifuge and a hypobaric chamber is used to qualify pilots for the Eurofighter “Typhoon”. In high altitude medicine conclusions would be possible from high altitude anamnesis, but in times of commercial expeditions often persons without high altitude experience need medical advice. It is out of question that a good endurance capacity is necessary for safe and successful (expedition-) mountaineering. But the correlation between ergometry testing and climbing a challenging alpine route at extreme altitude is limited. Indeed, a positive trend towards field test close to reality can be observed. Keywords: fighter pilots, expedition, exercise, hypoxia
EINLEITUNG Expeditionsbergsteiger und Kampfpiloten müssen in einer lebensfeindlichen Umgebung in hohem Maß leistungsfähig sein, damit beschäftigt sich die Höhenbzw. die Flugmedizin. Diese beiden hochspezialisierten Teilgebiete der Medizin befassen sich mit einer jeweils sehr speziellen Physiologie, welche in der „normalen“ Medizin nur unzureichend abgebildet werden; dies dürfte die Hauptgemeinsamkeit beider Fächer sein. Ein Vergleich zwischen Kampfpiloten und Expeditionsbergsteiger ist zwar sehr interessant und passend für eine Veranstaltung wie der Jahrestagung der ÖGAHM, aber doch mehr ein Vergleich von Äpfeln mit Birnen. Daher soll auf die grundsätzliche Problematik der Messung einer hochspezialisierten Leistungsfähigkeit und der aufgabenspezifischen Testung eingegangen werden.
Z U R P R O B L E M AT I K D E R A U F G A B E N S P E Z I F I S C H E N LEISTUNGSFÄHIGKEIT Mit leistungsdiagnostischen Tests erfasst man primär nur die Leistungsfähigkeit für die jeweils gestellte Aufgabe unter den jeweiligen Testbedingungen. Die Vorstellung, man könne die sogenannte körperliche Leistungsfähigkeit oder einzelne motorische Grundeigenschaften an sich mit einem einzigen Test abprüfen, wurde bei einem Expertengespräch in Konsequenz von Komplexität und Spezifität menschlichen Leistens als „altes Modell“ bezeichnet, mit dem höchstens eine abstrakte Leistungsfähigkeit, nicht jedoch eine konkrete Leistungsfähigkeit abgeprüft werden könne. Das Schließen von einer abstrakten Leistungsfähigkeit auf eine konkrete, aufgabenspezifische Leistungsfähigkeit muss mit einem Transferverlust einhergehen; je unähnlicher beide sind, desto größer der Transferverlust (1).
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Aus der Historie sind sowohl in der Höhen- wie auch in der Flugmedizin bemerkenswerte Fehleinschätzungen bekannt. So konnten Messner und Habeler 1978 eindrucksvoll die Aussage von Physiologen (2-5) wiederlegen, dass der Mt. Everest nicht ohne künstlichen Sauerstoff besteigbar wäre. Gleiches gilt auch für die Testung der Höhentauglichkeit mittels Bestimmung der hypoxic ventilatory response (HVR), bei der es naheliegend schien, dass erfolgreiche Höhenbergsteiger eine sehr lebhafte HVR benötigten (6-8). Auch hier wiesen Messner und Habeler eine träge HVR auf (9). Andere Untersuchungen konnten keine besondere HVR bei Spitzenhöhenbergsteigern nachweisen (10). In der militärischen Flugphysiologie gibt es analoge Beispiele. So wurde ausgesprochen Wert auf die Stufenergometrie und PWC 170 im Rahmen der Untersuchung auf Wehrfliegerverwendungsfähigkeit gelegt (11). Im praktischen Pilotenalltag waren Bomberpiloten auffällig, die zwar ihre Bomben reproduzierbar hochpräzise abwarfen, denen aber die Wehrfliegerverwendungsfähigkeit wegen ungenügender Ergometerleistung aberkannt wurde. In diesen Zusammenhang fällt die Aussage eines G3-Offiziers eines Heeresfliegerkommandos, der auf gezieltes Befragen erklärte, seine Hubschrauberpiloten benötigten Ausdauerfitness nur für die Untersuchung in Fürstenfeldbruck, ansonsten nicht (12). Diese exemplarischen Fälle sollen verdeutlichen wie der so geläufige Begriff der körperlichen Leistungsfähigkeit sehr differenziert betrachtet werden muss, wenn es um eine zu testende aufgabenspezifische Leistungsfähigkeit geht. Grundsätzlich misst man mit Tests nur die körperliche Leistungsfähigkeit für eine bestimmte Aufgabe, nämlich die jeweilige Testsituation. Dies geht sogar soweit, dass auf unterschiedlichen Ergometern unterschiedliche Leistungen erbracht werden. Dies führte zu der pragmatischen Empfehlung an Betroffene, für einen persönlich wichtigen Leistungstest auch auf dem jeweiligen Testergometer zu trainieren (13). Dies verdeutlicht die Problematik der aufgabenspezifischen Testung der Leistungsfähigkeit und wirft dabei zugleich die Frage auf, wie die hochkomplexe Leistungsfähigkeit eines Expeditionsbergsteigers oder eines Jetpiloten überhaupt messbar getestet werden kann. Bemerkenswerterweise wird in der Arbeitsmedizin in den Bereichen, die als besonders wichtig angesehen werden, Leistungsdiagnostik anhand von Simulatoren, mit denen die Komplexität eines realen Arbeitsplatzes so nachgeahmt wird, durchgeführt. Der Prüfling gerät nach kurzer Zeit in die Illusion der realen Tätigkeit hinein, so z.B. bei CockpitSimulatoren für Luftfahrzeuge, Lokomotiven oder Schiffen oder die realitätsnah gestalteten Prüfstrecken für Feuerwehrleute oder Schießbahnen für Spezialkommandosoldaten.
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KAMPFPILOTEN Eine quasi praxisnahe Simulation der Beschleunigungskräfte erfolgt für die Jetpiloten in einer eigens dafür gebauten Zentrifuge. Hier werden Anti-gManöver (Erlernen der Koordination von isometrischer Muskelanspannung und einer speziellen Atemtechnik zur erforderlichen Erhöhung des Blutdrucks) erlernt und geübt, sowie der individuell angepasste Anti-g-Anzug getestet. Eurofighterpiloten müssen dabei +9 G über 15 Sekunden mit einem Onset von 6 G/sec tolerieren, um überhaupt für dieses Jagdflugzeug zugelassen zu werden. Des Weiteren muss das gesamte fliegende Personal der Bundeswehr regelmäßig ein festgelegtes Höhen-Zeit-Profil in einer eigens dafür erbauten Unterdruckkammer durchlaufen. Ziel dieser Ausbildung ist es, jeden einzelnen mit der akuten hypobaren Hypoxie vertraut zu machen und die individuellen Symptome zu kennen, um im Falle eines Druckverlustes schneller reagieren zu können.
HÖHEN-, EXPEDITIONSBERGSTEIGER Beim Höhen- Expeditionsbergsteigen lässt sich hinsichtlich der Anfälligkeit für die Höhenkrankheit bzw. das individuelle Akklimatisationsverhalten die zuverlässigste Voraussage aus einer vergleichbaren früheren Höhenexposition ableiten (14). Allerdings suchen inzwischen gehäuft unerfahrene Personen mit leerer Höhenanamnese vor geplanten (kommerziellen) Expeditionen medizinischen Rat. Eine ausreichende (anamnestisch erhebbare) Ausdauerleistungsfähigkeit vorausgesetzt sind nach Bärtsch spezielle Tests wegen ungenügender Sensitivität und Spezifität auch in diesem Fall nicht sinnvoll (14). Dennoch werden zur Leistungsdiagnostik im Bergsport nach wie vor Laufband- und Fahrradergometrie empfohlen (15). Hier dürfte der Wunsch des Untersuchers sowie des Untersuchten nach einem vermeintlich „objektiven Test“ ein wichtiger Faktor sein. So weisen z.B. Kren et al. sogar ausdrücklich darauf hin, dass Rückschlüsse aus der Ergometrie auf die sportartspezifische Leistungsfähigkeit nicht einfach übertragen werden dürfen, da bei Labortests der sportartspezifische Wirkungsgrad der Muskelarbeit nur wenig zur Geltung kommt. Die grundsätzlich vorzuziehenden Feldtests sind wegen des erheblichen Aufwands schwer durchführbar, allerdings wird man über einen Laufbandergometertest allein keine Aussage über die Leistungsfähigkeit bei komplexen Tätigkeiten mit hoher koordinativer Komponente wie z.B. das Bergsteigen in technisch anspruchsvollen Routen in extremer Höhe treffen können (15). Zumindest wird die für alpines Bergsteigen auch in Hinsicht der Unfallvermeidung unabdingbar notwendige allgemeine Ausdauerleistungsfähigkeit damit erfasst (16, 17). Um den Laufbandtest der Realität anzunähern, kann ein solcher Test bei 2 km/h und
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einer Neigung von 15% mit Bergschuhen und Rucksack durchgeführt werden (17). Am Berg können allerdings Ergometerdefizite durch ein individuell optimales Gehtempo (18) oder eine rationelle Steigeisentechnik wieder kompensiert werden (19). Einen für Trekker und Expeditionsbergsteiger praktikablen Ansatz zur Abschätzung der eigenen spezifischen Leistungsfähigkeit verfolgt Lämmle (20). Er wählte den Hüttenaufstieg zur Rudolfshütte bzw. zur Franz-Senn-Hütte als Teststrecke, die der Bergsteiger mit Rucksack absolvieren muss. Anhand der dafür benötigten Zeit kann auf die maximale Sauerstoffaufnahmefähigkeit geschlossen und so beurteilt werden, ob die Leistungsfähigkeit ausreichend für Bergwandern, Trekking, Höhen- oder sogar Expeditionsbergsteigen ist. Die Durchführung auf unebenem Grund mit Bergschuhen und schwerem Rucksack erlaubt hierbei eine spezifischere Aussage als ein (Fahrrad-) Ergometertest. Gerade vor technisch einfachen Touren oder Trekkings ist dies für Personen ohne aussagekräftige Höhenanamnese eine sinnvolle Empfehlung im Rahmen eines Beratungsgesprächs.
Abb. 1: Gruppeninterne (36 Pers.) Auswertung des Leistungstest. Die Testbesten (linker Teil der Grafik) waren auch in der Höhe symptomarm. Abszisse: Addition der Ränge beider Zielkriterien: schnellste Zeit = Rang 1 und höchste Sättigung = Rang 1. Ordinate: Höhensymptomatik auf dem Mt Blanc ermittelt mit einem Fragebogentest (Bundeswehrintern, analog dem Lake Louise Score)
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Eine eigene Untersuchung (21) ermöglicht bei bereits akklimatisierten, asymptomatischen Personen diejenigen zu identifizieren, welche auch bei weiterem Aufstieg frei von AMS bleiben. Hierzu wird im Hüttenbereich der Turiner Hütte (3372 m) eine Treppe von 90 m Länge und 46 m Höhendifferenz so schnell wie möglich hochgerannt. Die dafür benötigte Zeit sowie die tiefste gemessene Sauerstoffsättigung nach Erreichen des Ziels dienen als Zielkriterien. Mit einer Laufzeit von über 75 sec und einer Sättigung tiefer als 65% wurden alle Personen identifiziert, die später auf dem Mt. Blanc eine AMS aufwiesen. Besonders geeignet scheint dieser Test zu sein, wenn ohne die Möglichkeit der weiteren Akklimatisation weiter aufgestiegen und in der Höhe verblieben werden muss, z.B. für einen Hilfseinsatz oder einen militärischen Einsatz und dafür die bereits am besten akklimatisierten Personen innerhalb einer Gruppe identifiziert werden sollen.
SCHLUSSFOLGERUNG Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass generell bei Untersuchern wie bei Untersuchten ein Bedürfnis zur Leistungstestung besteht. Eine aufgabenspezifische Testung durch eine sehr praxisnahe Simulation ist für Kampfpiloten der Bundeswehr verwirklicht. Dies wäre auch in der Höhenmedizin wünschenswert und wird bereits ansatzweise realisiert. So zeigt sich eine Tendenz hin zu Feldtests und einer stärkeren Gewichtung der Höhenanamnese, allerdings werden in der täglichen Praxis zur Leistungsdiagnostik im Bergsport nach wie vor Labortests durchgeführt.
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G e r h a r d R u e d l , P a t r i c k P l o n e r, I n g r i d L i n o r t n e r, A l o i s S c h r a n z , C h r i s t i a n F i n k , R e n a t e S o m m e r s a c h e r, To m a s Wo l d r i c h , We r n e r N a c h b a u e r, E l e n a P o c e c c o , M a r t i n B u r t s c h e r
Wirken sich hormonelle Faktoren auf die Häufigkeit von Kreuzbandverletzungen im Freizeitskilauf aus? Do hormonal factors affect ACL injury rate in recreational skiing?
S U M M A RY Current data show that injury to the knee joint accounts for one third of all injuries to adult skiers. There are marked gender differences in knee injury rates. Female recreational skiers have a 2-fold greater incidence in knee injuries and a 3-fold higher risk to sustain an ACL injury than male skiers. The causes of the gender-specific injury rate of knee injuries and ACL ruptures in female skiers may be related to differences in anatomical, neuromuscular and hormonal factors. Regarding hormonal factors oral contraceptive use and menstrual cycle phase are suggested to influence the risk of ACL injuries in female athletes. However, only few data are available for recreational sports. Female recreational skiers with a non-contact ACL injury and age-matched controls completed a self-reported questionnaire relating to menstrual history and oral contraceptive use. Menstrual history data were used to group subjects into either preovulatory or postovulatory phases of menstrual cycle. Our results showed that oral contraceptive use did not have any protective effect against ACL injuries in recreational skiers. In contrast, analysis of menstrual history data revealed that recreational skiers in the preovulatory phase were significantly more likely to sustain an ACL injury than were skiers in the postovulatory phase. The likelihood to sustain an ACL-injury in recreational female skiers is 2 fold increased in the preovulatory phase of their menstrual cycle while oral contraceptive use showed no association with ACL injury rate. Keywords: anterior cruciate ligament (ACL), ski injury, risk factor, menstrual cycle phase, oral contraceptives (OC)
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Z U S A M M E N FA S S U N G Aktuelle Studien zeigen, dass Knieverletzungen ein Drittel aller Verletzungen bei erwachsenen Skiläufern ausmachen. Dabei gibt es einen gravierenden geschlechtsspezifischen Unterschied. Weibliche Skiläufer verletzen sich doppelt so häufig am Knie und haben ein dreifach höheres Risiko, sich eine Kreuzbandverletzung zuzuziehen, als männliche Skifahrer. Gründe dafür werden in differierenden anatomischen, neuromuskulären und hormonellen Faktoren gesehen. Betrachtet man hormonelle Faktoren, so wird vermutet, dass die Antibabypille einerseits und die unterschiedlichen Phasen des Menstruationszyklus andererseits das ACL-Verletzungsrisiko bei Leistungssportlerinnen beeinflussen. Für den Freizeitsport gibt es in dieser Hinsicht jedoch nur wenige Studien. Wir befragten ACL-verletzte Skiläuferinnen und altersgemachte Kontrollpersonen, ob sie die Pille nehmen, sowie bezüglich ihrer Menstruationshistorie. Anhand der Menstruationsdaten konnten wir alle Studienteilnehmer in eine präovulatorische bzw. postovulatorische Phase einteilen. Es zeigte sich, dass die Pille nicht in der Lage ist, das Verletzungsrisiko zu reduzieren. Im Gegensatz dazu stellten wir fest, dass das Risiko einer ACL-Verletzung in der präovulatorischen Phase signifikant höher als in der postovulatorischen Phase ist. Die Wahrscheinlichkeit als Frau sich eine ACL-Verletzung im Skilauf zuzuziehen, ist in der Phase vor dem Eisprung doppelt so hoch wie in der Phase nach dem Eissprung, während der Konsum der Pillen in keiner Beziehung zum Verletzungsrisiko steht. Schlüsselwörter: Vorderes Kreuzband, Skiverletzung, Risikofaktoren, Phase im Menstruationszyklus, Antibabypille
EINLEITUNG Das Knie stellt heutzutage mit rund 30% aller Verletzungen die dominante Verletzungslokalisation im alpinen Skilauf dar (7, 9). Dabei zeigen sich deutliche geschlechtsspezifische Differenzen. Frauen verletzten sich am Knie allgemein doppelt so häufig wie Männer (9, 20). Bei ca. 50% der schweren Knieverletzungen im alpinen Skilauf ist das vordere Kreuzband (ACL) betroffen (17), welches sich Frauen sogar um das 3-fache häufiger verletzen als Männer (5, 23). Diese Geschlechtsdifferenzen in der Verletzungshäufigkeit des ACLs sind auch aus anderen Sportarten wie z.B. Basketball, Fußball, Handball, Rugby und der Leitathletik bekannt (16, 26). ACL-Verletzungen treten bei Frauen bis zum 6fachen häufiger auf als bei Männern, welche dieselbe Sportart auf einem ähnlichen Leistungsniveau betreiben (11, 16). Die Unterschiede in der Verlet-
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zungsrate des ACLs werden im Besonderen in differierenden anatomischen, neuromuskulären und hormonellen Faktoren zwischen Männern und Frauen gesehen (12). Aktuelle Studien untersuchen daher, ob das Risiko einer ACLVerletzung bei Frauen während des Menstruationszyklus aufgrund der hormonellen Schwankungen variiert oder konstant bleibt (1, 6, 11). Die Ergebnisse geben deutliche Hinweise, dass das ACL-Verletzungsrisiko in Abhängigkeit der Phase des Menstruationszyklus zu sehen ist. So verletzen sich in verschiedenen Sportarten signifikant mehr Athletinnen in der Zeit vor dem Eisprung (präovulatorische Phase) als danach (postovulatorische Phase) (1, 6, 11). Ein weiterer hormoneller Einflussfaktor stellt möglicherweise die Einnahme der Antibabypille dar. Während allerdings in einer Studie die Einnahme der Antibabypille das Verletzungsrisiko senkt (13), konnte in einer anderen Studie kein Zusammenhang zwischen ACL-Verletzung und Pille gefunden werden (2). Es stellt sich die Frage, in wie weit die Erkenntnisse dieser Studien, deren Studienpopulation sich sehr häufig aus Leistungssportlerinnen zusammensetzt, auch für Freizeitsportlerinnen gelten. Für den alpinen Skilauf sind bisher nur wenige Studien bekannt, die sich mit möglichen Auswirkungen hormoneller Faktoren auf die Verletzungsrate des vorderen Kreuzbandes befassen. Daher wollen wir mit dieser Untersuchung den Einfluss (1) der Pille und (2) der Phase im Menstruationszyklus auf die ACLVerletzungshäufigkeit im Freizeitskilauf überprüfen.
METHODE Die vorliegende Untersuchung wurde als Fall-Kontroll-Studie konzipiert und in den Wintersaisonen 2006/2007 und 2007/2008 in Tirol durchgeführt. Vor Beginn der Befragung erklärten alle Teilnehmer ihr Einverständnis, nachdem sie über Sinn und Zweck der Untersuchung aufgeklärt wurden.
PAT I E N T I N N E N Kreuzbandverletzte Skifahrerinnen wurden in der „medalp sportclinic sölden – imst“ und in der Sportsclinic Austria mittels MRI untersucht. Nur Frauen, die sich ihre ACL-Verletzung nach einem selbstverschuldeten Sturz zugezogen haben, wurden befragt. In die Studie einbezogen wurden Frauen, die die Pille nehmen und solche, die sie nicht verwenden. Von der Studie ausgeschlossen wurden Frauen, die sich in der Menopause befanden. Schlussendlich konnten 93 Patientinnen in die Studie einbezogen werden.
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KONTROLLPERSONEN Unverletzte Skifahrerinnen wurden willkürlich im selben Untersuchungsgebiet an fünf verschiedenen Tagen in einem Zeitraum von zwei Monaten in der Wintersaison 2007/2008 befragt. 107 nach Alter gematchte Kontrollpersonen erfüllten die Inklusionskriterien.
FRAGEBOGEN Patientinnen und Kontrollpersonen wurden von uns hinsichtlich Alter, Größe und Gewicht befragt. Zusätzlich erfolgte die Erfassung hormoneller Faktoren in Anlehnung an den Fragebogen von Wojtys et al. (25), der u.a. Fragen nach dem Zeitpunkt der ersten Menstruation, dem Datum der letzten Menstruation, der durchschnittlichen Länge des Mentruationszyklus und dem Gebrauch der Antibabypille beinhaltete. Mit Bezug zur Studie von Hewett et al. (11) wurde der individuelle Menstruationszyklus in prä- und postovulatorische Phase unterteilt. Die präovulatorische Phase dauert vom Beginn der Regelblutung bis zum Eisprung, während die postovulatorische Phase vom Eisprung bis zum Ende des Menstruationszyklus verläuft. Als Voraussetzung für die Einteilung in die zwei Phasen wurde angenommen, dass der postovulatorische (luteale) Teil des Zyklus mit 14 Tagen unabhängig von der Zyklusdauer konstant bleibt (6, 11). So beträgt beispielsweise die Teilung bei einem 21-tägigen Zyklus 7 und 14 (präovulatorisch/postovulatorisch) und bei einem 32-tägigen Zyklus 18 und 14 Tage. Da das Datum der letzten Menstruation und die durchschnittliche Zyklusdauer erfasst wurden, konnten wir das Unfalldatum bei den Patientinnen bzw. das Befragungsdatum bei den Kontrollpersonen der prä- bzw. postovulatorischen Phase des jeweiligen Zyklus zuordnen.
S TAT I S T I K T-Tests and Mann-Withney-U-Test für unabhängige Stichproben wurden entsprechend verwendet, um Unterschiede mit Hinblick auf Alter, Größe, Gewicht, Beginn der Menstruation und Zyklusdauer festzustellen. Die Prüfung von Häufigkeitsunterschieden hinsichtlich der Verwendung der Pille und der einzelnen Menstruationsphasen erfolgte anhand von Chi-Quadrat-Tests. P-Werte < 0,05 werden als statistisch signifikant angesehen.
ERGEBNISSE ACL-verletzte Skifahrerinnen und unverletzte Kontrollpersonen unterscheiden sich nicht signifikant (P > 0.05) hinsichtlich Alter, Größe und Gewicht, Zeitpunkt der ersten Menstruation und Zyklusdauer (Tabelle 1).
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In Tabelle 2 werden hormonelle Faktoren dargestellt. Es zeigt sich, dass sich die beiden Gruppen hinsichtlich der Häufigkeit der Pille nicht signifikant unterscheiden. Jeweils knapp mehr als ein Drittel der befragten Patientinnen (34,4%) und Kontrollpersonen (35,5%) geben an, aktuell die Pille zu verwenden. Unterteilt man den Zyklus der Frauen, die keine Pille nehmen, in prä- und postovulatorische Phasen, so befinden sich 57,4% der verletzten Frauen und 42% der Kontrollpersonen in der Phase vor dem Eisprung. Es zeigt sich ein starker Trend (Chi-Quadrat = 3,051; P < 0,09) dahingehend, dass sich mehr Frauen vor dem Eisprung ihre ACL-Verletzung zugezogen haben. Ein 1,9-fach (95% CI: 0,925-3,728) höheres Verletzungsrisiko wurde für die präovulatorische Phase berechnet.
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Fasst man alle Studienteilnehmerinnen, egal ob die Pille verwendet wurde oder nicht, zusammen, so zeigt sich, dass sich in der präovulatorischen Phase signifikant (Chi-Quadrat = 5,016; P < 0,03) mehr Frauen eine Kreuzbandverletzung im alpinen Skilauf zuziehen als in der postovulatorischen Phase. Wiederum wurde ein 1,9-fach (95% CI: 1,081-3,331) höheres Risiko einer ACL-Verletzung für die präovulatorische Phase berechnet.
DISKUSSION In der vorliegenden Studie wurde der Einfluss der Pille und der Zyklusphasen auf die ACL-Verletzungshäufigkeit bei Skifahrerinnen untersucht. Anlass dafür war unter anderem das Ergebnis einer aktuellen Studie unserer Arbeitsgruppe, wo Skiläuferinnen, die älter als 14 und jünger als 60 Jahre sind, also im Zeitintervall von der Maturität bis zur Menopause, sich signifikant häufiger eine Knieverletzung zuziehen als gleich alte Männer (7). Einen Grund für diesen geschlechtsspezifischen Unterschied könnten möglicherweise auch hormonelle Faktoren darstellen. In einem ersten Schritt wurde daher festgestellt, ob der Gebrauch der Pille das Verletzungsrisiko senken kann. Allerdings zeigte sich, dass sich die beiden Gruppen hinsichtlich des prozentualen Pillengebrauchs nicht signifikant von einander unterscheiden. In beiden Gruppen verwendet knapp ein Drittel der Teilnehmerinnen die Pille (34,4% der Patientinnen bzw. 35,5% der Kontrollgruppe). Dies stimmt in etwa mit dem momentanen durchschnittlichen Pillengebrauch in Deutschland überein, der bei rund 40% liegt (10). Damit scheint ein möglicher Schutz der Pille vor ACL-Verletzungen im Skilauf nicht gegeben. In Übereinstimmung mit unserem Resultat fanden Agel et al. (2) bei 3150 Basketball- und Fußballspielerinnen keinen Unterschied in der ACL-Verletzungsrate zwischen der Gruppe, die die Pille verwendete, und jenen Sportlerinnen, die auf die Pille verzichteten. Im Gegensatz dazu waren weibliche Athleten in der Studie von Moller-Nielson und Hammar (13), welche die Pille nutzten, einem niedrigeren ACL-Verletzungsrisiko ausgesetzt. Allerdings muss festgehalten werden, dass in den beiden erwähnten Studien einerseits Leistungssportlerinnen untersucht wurden und nicht Freizeitsportlerinnen wie in unserer Untersuchung. Andererseits handelte es sich bei diesen untersuchten Populationen um keine Skiläuferinnen. Dies ist insofern von Bedeutung, da sich die ACL-Verletzungsmechanismen im Skilauf deutlich von denen in den Ballsportarten unterscheiden (5, 15, 19). Daher ist es fraglich, in wie weit die Erkenntnisse hinsichtlich des Pillengebrauchs aus anderen Studien auf einen weiblichen Freizeitskiläufer zu übertragen sind. Unserem Wissen nach sind wir
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die ersten, die zeigen konnten, dass der Gebrauch der Pille das ACL-Verletzungsrisiko im alpinen Skilauf nicht zu reduzieren vermag. In einem aktuellen IOC-Statement zu ACL-Verletzungen bei Sportlerinnen wird festgehalten, dass bis zum heutigen Tag ein endgültiger Beweis für den präventiven Effekt der Pille noch fehlt (18). In einem zweiten Schritt wollten wir wissen, ob die ACL-Verletzungshäufigkeit in Beziehung zu einer von zwei Zyklusphasen steht. In einer aktuellen Studie aus dem alpinen Skilauf fanden Beynnon et al. (6) ein 3-fach höheres Risiko einer ACL-Verletzung vor dem Eisprung als danach. Inkludiert waren ACL verletzte Frauen, die über einen normalen Menstruationszyklus verfügten, keine Antibabypille nahmen und keine früheren Knieverletzungen hatten. Die Einteilung der Patientinnen und der unverletzten Kontrollpersonen in prä- oder postovulatorische Zyklusphase erfolgte einerseits durch eine Messung der Östrogen- und Progesteronkonzentration im Blut, andererseits mittels einer Befragung der Menstruationsdaten. Das Ergebnis unserer Untersuchung bestätigt, wenn auch nur durch einen starken Trend (P = 0,81), das Resultat von Beynnon et al. (6). Interessanterweise stimmt die prozentuale Verteilung der ACL-Verletzungen in der prä- bzw. postovulatorischen Phase (57 vs. 43%) in der Studie von Beynnon et al. (6) exakt mit unserem Ergebnis überein. In unserer Studie haben jene Frauen, welche die Pille nicht nehmen, ein fast 2-fach höheres ACL-Verletzungsrisiko in der Phase vor dem Eisprung. Für die Erhebung mittels Fragebogen stellten Beynnon et al. (6) jedoch auch nur einen starken Trend (P = 0,86) hinsichtlich eines 2,4-fach höheren Verletzungsrisikos in der präovulatorischen Phase fest. Es stellt sich daher die Frage nach der Genauigkeit der Einteilung der Zyklusphasen auf Grundlage einer Befragung der Menstruationsdaten (11, 22, 24). Wie auch in Studien aus anderen Sportarten festgestellt wurde, scheint das ACLVerletzungsrisiko in der Phase vor dem Eisprung erhöht (1, 11). Allerdings ist der Einfluss der Hormone bzw. Hormonschwankungen auf das erhöhte Verletzungsrisiko in der präovulatorischen Phase bis jetzt unklar. Bei Frauen ohne Pillenkonsum wird der Östrogenpeak knapp vor dem Eisprung (zwischen dem 10. und 14. Tag bei einer 28-tägigen Zyklusdauer) für das höhere ACL-Verletzungsrisiko verantwortlich gemacht (1, 24). Im Gegensatz dazu berichten Slauterbeck et al. (22) and Myklebust et al. (14) von einer signifikant höheren Anzahl an ACL-Verletzungen während der Menstruation (1. bis 7. Tag), wenn sowohl die Östrogen- als auch die Progesteronkonzentration niedrig ist. Auch wenn man Frauen, welche die Pille nehmen, und jene, die sie nicht nehmen, in einer Gruppe zusammenfasst, zeigt sich ein höheres Verletzungsrisiko in der präovulatorischen Phase (11). Dies ist erstaunlich, da die Pille die Hormonfluktuationen
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während des Menstruationszyklus auf einem niedrigen Niveau stabilisiert, um so eine Ovulation zu verhindern (4). Zusätzlich unterschieden sich in einer Studie von Wojtys et al. (24) die Östrogenkonzentrationen von Frauen mit und ohne Pille zum Zeitpunkt der ACL-Verletzung nicht. Es wird spekuliert, dass möglicherweise der niedrige Progesteronlevel in der präovulatorischen Phase entscheidend für das höhere Verletzungsrisiko ist (1). Daher haben wir in einem dritten Schritt in Anlehnung an Hewett et al. (11) unsere gesamte Studienpopulation (Frauen mit und ohne Pille) zusammengefasst und konnten ein signifikantes (P = 0,025), um das 1,9-fach höheres Risiko einer ACL-Verletzung für die präovulatorische Phase zeigen. Das bedeutet, dass das Risiko, sich als Frau im Freizeitskilauf eine Ruptur des Vorderen Kreuzbandes zuzuziehen, fast doppelt so hoch vor dem Eisprung als nach dem Eisprung ist, unabhängig vom Pillenkonsum. Nach neuesten Erkenntnissen wirkt sich die Hormonfluktuation mehr auf aktive (muskuläre) denn auf passive (Bänder) Strukturen der Kniestabilität aus (11). So nehmen die Entspannungsfähigkeit der Oberschenkelmuskulatur in der Zeit vor dem Eisprung signifikant ab und die Ermüdung signifikant zu (21). Burtscher et al. (8) stellten in einer Studie fest, dass mit zunehmender Höhe die Sturzhäufigkeit im alpinen Skilauf zunimmt. Dennoch scheint eine Höhenexposition, wie sie im alpinen Skilauf häufig vorkommt, keinen Einfluss auf die maximale und submaximale Leistungsfähigkeit in den unterschiedlichen Zyklusphasen zu haben (3). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass hormonelle Faktoren in einer Beziehung zur Häufigkeit von Kreuzbandverletzungen bei Skifahrerinnen stehen. Während sich der Pillenkonsum in unserer Studie nicht protektiv auswirkt, zeigt sich ein potentieller Zusammenhang zwischen der präovulatorischen Phase und einem erhöhten ACL-Verletzungsrisiko. Auch aus der Erkenntnis, dass sich der Menstruationszyklus auf die Verletzungshäufigkeit auswirkt, lassen sich folgende Empfehlungen zur Verletzungsprävention generell und für den Zeitraum vor dem Eisprung im Speziellen geben: • Vorbereitendes Fitnesstraining • Ausreichendes Aufwärmen • Genügend Pausen während der Abfahrten bzw. während des Skitages • Dem Skikönnen angepasste Geschwindigkeit und Fahrweise
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C h r i s t o p h G u g e r, Wo l f g a n g D o m e j , G ü n t h e r S c h w a b e r g e r, G ü n t e r E d l i n g e r
Changes of ECG, oxygen saturation, Lake Louis Score and concentration per f o r m a n c e o n K i l i m a n j a r o Veränderung von EKG, Sauerstoffsättigung, Lake Louise Score und Konzentrationsfähigkeit am Kilimanjaro S U M M A RY ECG parameters such as heart rate (HR) and heart rate variability (HRV), oxygen saturation (SaO2) and the Lake Louise Score (LLS) are common tools to describe the effects of high altitudes on the human body. Besides these parameters, we also tested mental processing performance at high altitudes. In this study, 8 subjects climbed Mt. Meru and Mt. Kilimanjaro within 9 days. The Mt. Meru (4,566 m) climb was undertaken shortly before the ascent of Mt. Kilimanjaro (5,896 m) to adapt to the altitude. The HR, the LLS, the SaO2 and d2 test score were determined at three points: (i) at 3,500 m on the way up Mt. Meru, (ii) at 4,633 m on the way to Uhuru Peak, and (iii) at sea level in Mombassa. The results show that heart rate and LLS reached their maxima, and the concentration performance its minimum at 3,500 m and not at 4,633m. Only the SaO2 values were slightly lower at 4,633 m than at 3,500 m. The study showed that the acclimatization hike up Mt. Meru and the acclimatization days before reaching 4,633 m had a positive effect on heart rate, LLS and concentration performance. The d2 test proved to be a very effective and easy tool that can be used by anyone to study the high altitude effect. Keywords: high altitude medicine, Lake Louise Score, d2 test, heartrate
Z U S A M M E N FA S S U N G EKG-Parameter wie die Herzfrequenz (HR) und Herzratenvariabilität (HRV), die Sauerstoffsättigung (SaO2) und der Lake Louise Score (LLS) werden häufig zur Beschreibung der Höhensymptomatik verwendet. Neben diesen Parametern
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untersuchten wir auch die Konzentrationsleistungsfähigkeit in der Höhe. Im Rahmen der Studie wurden von 8 Personen der Mt. Meru und der Mt. Kilimanjaro in 9 Tagen bestiegen. Dabei wurde der Mt. Meru (4,566 m) vor dem Mt. Kilimanjaro (5,896 m) bestiegen, um eine bessere Akklimatisation zu gewährleisten. Die HR, der LLS, SaO2 und der d2-Test wurden auf 3 verschiedenen Höhen eruiert: (i) auf 3,500 m am Weg zum Mt. Meru, (ii) auf 4,633 m auf dem Weg zum Uhuru Peak und (iii) auf Meereshöhe in Mombassa. Die HR und der LLS erreichten das Maximum und die Konzentrationsleistungsfähigkeit ihr Minimum auf 3,500 m und nicht auf 4,633 m. Nur die SaO2 Werte waren geringfügig auf 4,633 m niedriger im Vergleich zu 3,500 m. Im Rahmen dieser Studie konnte die positive Auswirkung der Akklimatisationstour auf den Mt. Meru und der zusätzlichen Akklimatisationstage am Mt. Kilimanjaro auf Herzrate, LLS und Konzentrationsleistungsfähigkeit gezeigt werden. Der d2-Test ist ein sehr effektiver und einfach zu verwendender Test, um die Auswirkung der Höhe zu beschreiben, und kann leicht von jedem verwendet werden. Schlüsselwörter: Höhenmedizin, Lake Louise Score, d2 Test, Herzrate
INTRODUCTION ECG parameters such as heart rate (HR) and heart rate variability (HRV), the Lake Louise Score (LLS) or oxygen saturation are common tools to investigate the effects of high altitude on the human body. It was shown that even with little subjective awareness of the reduced amount of oxygen at an altitude of 2,700 m, the cardiovascular and central nervous systems are already affected (1). A study of 10 subjects on the Dachstein showed that the heart rate (HR) increased from an altitude of 990 m to 2,700 m (1) and heart rate variability (HRV) parameters decreased significantly. With the increase in altitude, the sympathetic system becomes more active than the parasympathetic system. These effects were also shown in a study in a hypobaric chamber at 4,000 and 5,000 m altitude (2, 3), in studies of long-term exposure to altitudes above 4,000 m (4, 5, 6), and in mountaineers at 2,700 m and 3,700 m (7). The Lake Louise Score (LLS) was created in Canada and is a simplified and standardized scoring system that allows diagnosis and quantification of acute mountain sickness (AMS) in altitude research (9). Currently, it is widely used by mountaineers and trekkers because it is short, has a simple format and is easy to complete. The LLS is sensitive enough to detect AMS, but the very specific scoring system also avoids over-diagnosis.
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Due to reduced atmospheric pressures at high altitude, alveolar oxygen pressure and therefore arterial oxygen saturation (SaO2) are reduced. The resulting lack of oxygen seen at tissue level is regarded as a crucial trigger mechanism in the development of high altitude illness in hitherto healthy persons (4). It can easily be measured non-invasively by pulse oximetry and serves as an objective indicator of oxygen delivery to the tissue. Some studies have shown that SaO2 at rest correlates with high altitude symptomatology even at higher altitude and with high altitude performance [9, 10]. Next to these parameters, mental processing performance at altitude was also of interest. The present study introduces the d2 test as instrument to quantify the effect of altitude. It is a standard instrument for quantifying concentration, speed and attention in clinical and other settings (11). The test was originally developed to investigate aptitude for driving a motor vehicle. The subjectâ&#x20AC;&#x2122;s task is to differentiate similar visual symbols as quickly and accurately as possible. The number of correctly processed items is a marker for individual attention and concentration performance. The test lasts approximately 5 minutes and can also be performed simultaneously by groups. We also looked at the effect of acclimatization on HR, LLS, SaO2 and concentration performance.
EXPERIMENTS AND METHODS In July 2006, eight healthy subjects (3 female, 5 male, 31-36 years) participated in the Kilimanjaro study. Seven subjects were first-time participants. One subject had taken part in the same experiment 2 years earlier in the Alps. Seven subjects were right handed, one was left handed. After an ascent of Mt. Meru for acclimatization, Mt. Kilimanjaro was climbed via the Machame route (Fig. 1). The height profile of the Kilimanjaro climb is shown in Figure 2.
Fig. 1. Mt. Kilimanjaro, 5.895 m
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The measurements for the experimental studies were performed 3 times: (i) at 3,570 m at Saddle Hut on the way to Mt. Meru; (ii) at 4,633 m in the Barafu Camp on the way to the summit of Mt. Kilimanjaro; and (iii) at sea level in Mombassa. The measurements always took approximately 1.5 hours.
Fig. 2. Height profile of the Mt. Meru and Mt. Kilimanjaro climb. The numbers on the x-axis indicate the day; B – breakfast, L – lunch, D – dinner. The climb started at 1,380 m in Arusha. The first measurement point (MP) was at 3,570 m in the Saddle Hut on the way to Mt. Meru. The second measurement point was at 4,633 m in the Barafu Camp. This is the last camp before reaching the Uhuru Peak (highest summit of Mt. Kilimanjaro). The third measurement was performed at sea level in Mombassa 7 days after the climb. .
First, ECG data to assess autonomous and central nervous system function were acquired with the g.MOBIlab+ pocket PC-based ECG recording system (g.tec medical engineering GmbH, Graz, Austria). The ECG was recorded as Einthoven I lead with 256 Hz and 16-bit resolution. The oxygen saturation (SaO2) was measured with a portable device (SPO 5500 P, Graseby Medical Ltd, UK) fixed on the index finger. The Lake Louise Score questionnaire was then filled out. The questionnaire contains 8 items covering headache, gastrointestinal symptoms, fatigue/weakness, dizziness, difficulty sleeping, mental status, ataxia and peripheral edema. AMS
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is present if there was an increase in altitude and the person has headache or at least one other symptom and a total score equal to or above 5. The minimum score indicates that the subject is healthy; the maximum score is 25. Finally, the d2 test was administered. The test consists of 14 rows with 47 characters each (total of 658 items), as shown in Figure 3. There is a time limit of 20 seconds for each row. The task is to differentiate the characters d or p with 1 to 4 dashes. Every d with 2 dashes has to be crossed out with a pencil; no other signs should be marked. Each row contains 21 or 22 targets (i.e. characters to be crossed out) in random order. Each row is a small test in and of itself and allows evaluation of performance over time. The test counts the number of items processed (TN), the percentage of errors (E%), the concentration performance (CP â&#x20AC;&#x201C; the number of correctly processed items minus the incorrectly crossed items), the errors (E) and the TN minus E (TN-E) as well as the fluctuation rate (FR). About 5 minutes are needed to complete the test. An important advantage is that the test can be administered to a group.
Fig. 3. First 3 lines of the d2 test showing the processed items. After arrival at a new altitude, the subjects rested at least for 1 hour prior to testing.
R E S U LT S Table 1 shows the results of the d2 test for all 8 subjects at the three measurement time points. The mean CP value decreased from 242.6 at sea level (SL) to 194.1 at 3,500 m and again increased to 212.3 at 4,640 m. The same trend can be seen for female and male participants with slightly more reduced values for females at altitude, but no significance analysis was performed because of the limited number of subjects. The maximum CP at SL was achieved from S8 (283), at 3,500 m from S6 and S8 (212) and at 4,640 m from S3 (245). S4 showed a CP performance that was well under the performance of all other subjects. The most characters (TN) were processed at SL, followed by 4,640 m and 3,500 m. The most errors (E) were made at 3,500 m, followed by SL and 4,640 m.
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SL
3,500 m
4,640 m
d2 CP
S1 S2 S3 S4 S5 S6 S7 S8 Mean/STD Female Male
209 228 259 184 249 282 247 283 242.6±34.4 240.0±38.4 244.2±36.4
177 180 208 158 211 212 195 212 194.1±20.4** 189.7±19.4 196.8±22.7
179 186 245 144 230 244 232 238 212.3±37.6** 201.0±32.2 219.0±42.5
TN
Mean/STD
605.6±46.2
530.3±37.2**
541.8±54.4**
E
Mean/STD
19±36.1
26.9±33.2**
13.1±18.9**
** p< 0.01
Table 1: Concentration performance of the d2 test at Kilimanjaro for each subject and mean and standard deviation for the group.
Table 2 shows the LLS, the SaO2 and HR response to the different altitudes at Kilimanjaro as grand average of the 8 subjects. The LLS increases from SL to 3,500 m, where it reaches its maximum of 2.0. At 3,870 m it again decreases and finally increases to 1.9 at the highest measurement point of 4,640 m. SaO2 decreases from SL to 3,500 m and slightly increases at 3,870 m before reaching its minimum at the highest point. The HR increases from SL to 3,500 m and then decreases until 4,640 m. Female subjects reached higher LLS scores, lower SaO2 values and higher HR at 3,500 m and 4,640 m than male subjects, but no significance test was performed for the male and female groups because of the small size of the group.
90
SL
2,509 m
3,500 m
3,870 m
4,640 m
LLS Female Male S4
0±0 0±0 0±0 0
0.5±0.8** 1.0±1 0.2±0.4 1
2.0±1.1** 2.7±0.6 1.6±1.1 2
0.5±0.5** 0.7±0.6 0.4±0.5 0
1.9±1** 2.0±0 1.8±1.3 3
SaO2 [%] Female Male S4
97.1±0.8 97.3±1.5 97.0±0 97
96.1±1.7** 97.0±2.0 95.6±1.5 97
88.0±3.2** 87.3±4.5 88.4±2.6 90
88.3±2.1** 88.7±1.2 88.0±2.5 90
82.0±3.5** 80.0±5.2 83.2±1.9 86
HR [bpm] Female Male S4
71.6±10.8 75.3±8.1 69.4±12.5 62
79.1±14.7** 84.7±14.7 75.8±15.3 75
99.0±12.3** 102.0±14.7 97.2±12.0 83
82.3±10.3** 83.0±15.4 81.8±8.2 75
79.3±12.6** 81.3±17.2 78.0±11.2 78
** p<0.01
Table 2: Grand average (for all subjects) of LLS, SaO2 and HR at Kilimanjaro
Of special interest is subject S4, who had a LLS of 2 at 3,500 m and of 3 at 4,640 m, which was in the range of all other subjects. The SaO2 value was 90% and 86% at the two altitudes, which was also in the range of the other subjects or even a little higher (i.e. better). The HR of 83 bpm and 78 bpm was also in the range of the other subjects and even below the average. But interestingly, this subject had been taking Diamox‚ for several days and due to a very severe headache at 4,640 m could not attempt the summit.
DISCUSSION Within this study, ECG parameters, the LLS and oxygen saturation were measured at different altitudes and for the first time, compared to CP of the d2 test. The former are very commonly used parameters to describe high altitude symptoms. The LLS is especially popular because unlike ECG and oxygen saturation, it does not require special equipment.
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Of special interest in this study is that the d2 test is a very effective and easily administered test to evaluate concentration performance at altitude. It decreased from a score of 242.6 at SL to 194.1 at 3,500 m. This altitude was reached after only 2 days of acclimatization. It is very interesting that the CP again increased to 212.3 at 4,640 m because of the 4 days additional acclimatization. It is also noted that the CP performance at 3,500 m was still 3% above the average German CP value and 8% above that at 4,640 m (12). The test also clearly shows that subjects are not able to process the characters at altitude as fast as at sea level and that with some adaptation, the processing speed again increases. It is quite obvious that subjects made most errors at 3,500 m, but the minimum error rate was reached at 4,640 m and not at sea-level. It must be noted that the SL-recording was made after the other 2 test points, so that the training effect does not explain this situation. Also interesting is that the LLS and the HR reached their maxima and CP its minimum at 3,500 m and not at 4,640 m. But the SaO2 reached the minimum at the highest point, i.e. 4,640 m. This shows that the HR, CP and LLS react faster than the SaO2 to altitude changes and acclimatization. The parameters HR, CP, LLS and SpO2 so allow us to quantify the positive effect of the acclimatization hike up Mt. Meru (4,566 m). Subject S4 showed LLS, SaO2 and HR values in the range of the other subjects, but could not attempt the summit because of severe headache. As he had been taking Diamox from the first day on, it could be that the medicine masked the high altitudes effects on LLS, SaO2 and HR. But if the CP value is considered, the minimum can be found at 4,640 m, where the severe headache developed that stopped him from continuing the climb. Table 3 compares the HR and LF/HF values for different studies performed [1 described in this paper, Dachstein see (1), Königsbrück see (2), Pakistan see (12)]. All 4 studies have in common that the HR and LF/HF increased from the base station (Low) to the top station (High). Notably, the ascent times and adaptation times were very different. On the Dachstein, the subjects needed only 6 min by cable car to ascend from 990 m to 2,700 m. In Königsbrück, the ascent from 134 m to 4,000 m was completed within 11 hours. This means that the time was longer but the altitude was also higher. On Kilimanjaro, the altitude was 4,640 m but acclimatization extended over 8 days. In Pakistan, the acclimatization period was 16 days. What is remarkable is that all these studies nonetheless have a very similar HR and LF/HF response. This shows that a fast ascent to lower altitudes leads to the same values as a slow ascent to higher altitudes and shows the acclimatization effect.
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Dachstein KĂśnigsbrĂźck Kilimanjaro Pakistan
HR Low [bpm]
HR High ,]
LF/HF LF/HF Altitude Ascent- GroupLow High time size [1] [1] [m]
69.1 68.9 71.6 66.1
80.4 81.6 79.3 80.2
2.1 2.5 2.4 2.8
4.4 3.9 3.2 3.2
2,700 4,000 4,640 4,480
6 min 11 h 8 days 16 days
10 10 8 4
All differences are significant p< 0.01
Table 3: Comparison of HR, LF/HF parameters Summarizing, we can recommend using the d2 test as an additional parameter to detect symptoms of high altitude sickness. It is simply a sheet of paper with a task that takes only about 5 minutes to perform and can be done simultaneously by the whole group to save time.
ACKNOWLEDGEMENT We are grateful to Eva Hornbachner, Elisabeth Pranzl, Nicole Guger-Ulrich, Mike Gruber, Hannes Stiebitzhofer, Robert Leeb, and Herbert Ramoser for their participation in the Kilimanjaro study. The project was partially funded by the European Union PRESENCCIA Project and the FFG in Austria. We are also grateful to the Austrian Society for Alpine and High Altitude Medicine (_GAHM) for the Scientific Award and funding for this study. We are indebted to Eugenia Lamont (native speaker), B.A., and former Senior Technical Editor, Library of Congress, Washington, DC, for linguistic proofreading of the manuscript.
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Wo l f g a n g D o m e j , M i c h a e l Tr a p p , E v a - M a r i a M i g g i t s c h Hemma Tilz, Christoph Guger und GĂźnther Schwaberger
Autonomes Nervensystem, arterieller Blutdruck und HĂśhenexposition Autonomic nervous system, arterial blood pressure, and altitude exposure S U M M A RY The autonomic nervous system is a principal player in mediating many of the physiological adjustments to hypoxia. The first days at high altitude provoke an increase in both parasympathetic and sympathetic drive which is followed by a rapid decrease in parasympathetic and further increase in sympathetic activity; the latter attenuates with progressing acclimatization. Acute hypobaric hypoxia per se causes direct vasodilatation of peripheral vasculature, that is, however, offset by altitude-induced sympathetic vasoconstriction. The increase in sympathetic tone increases systemic vascular resistance, arterial blood pressure and heart rate, partly due to chemoreceptor reflexes and changes of the baroreceptor function. Increased heart rate in acute hypoxia is due to combined cardiac sympathetic excitation and decrease of parasympathetic/vagal tone; both mechanisms contribute almost to the same extent to the chronotropic response. Interindividual variations in heart rate and arterial blood pressure at altitude depend on systemic as well as cardiac sympathoadrenal activity, which, at sea level, are generally lower in subjects with high aerobic endurance capacity than in untrained persons. Generally, exposure to moderate altitude causes small increases in blood pressure and heart rate in healthy subjects. However, systemic vasoconstriction may also occur as a reflex response to a major increase in pulmonary pressure at altitude (HAPH). After several days at altitude and return to normoxic conditions the sympathetic drive may be maintained for some days; afterwards, heart rate and cardiac output return to a magnitude comparable with sea level values. Keywords: Autonomic nervous system, sympathetic and parasympathetic activity, arterial blood pressure, arterial hypertension, high altitudes
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Z U S A M M E N FA S S U N G Das autonome Nervensystem spielt in der Vermittlung etlicher physiologischer Anpassungen an Hypoxie eine vorrangige Rolle. Die ersten Tage unter höhenatmosphärischen Bedingungen führen zu gesteigerter sympathischer und parasympathischer Aktivität, der eine rasche Abnahme des Parasympathikotonus und weitere Zunahme des Sympathikotonus folgen; letzterer schwächt sich mit zunehmender Akklimatisation wiederum ab. Akute hypobare Hypoxie per se bewirkt eine direkte Vasodilatation peripherer Gefäße, die aber durch die hypoxieinduzierte sympathische Vasokonstriktion wiederum aufgehoben wird. Die Steigerung des adrenergen Tonus unter Höheneinfluss führt zu einem Anstieg des systemischen Gefäßwiderstandes, des arteriellen Blutdruckes sowie der Herzfequenz und wird teilweise durch Reflexe, die von peripheren Chemorezeptoren ausgehen, aber auch durch Modulation der Barorezeptorfunktion hervorgerufen. Der Herzfrequenzanstieg infolge akuter Hypoxämie wird durch eine Kombination aus sympathischer Aktivierung und vagaler Abschwächung der kardialen Chronotropie vermittelt, zu welcher beide Teile etwa gleichermaßen beitragen. Auf Normalhöhe haben Ausdauertrainierte im Allgemeinen ein niedrigeres adrenerges Aktivierungsniveau gegenüber Untrainierten. Interindividuelle Unterschiede im Herzfrequenz- und Blutdruckverhalten stehen in der Höhe mit unterschiedlicher systemischer sowie kardialer sympathischer Aktivität im Zusammenhang. Bei gesunden Individuen führt eine Exposition in mittlerer Höhe in der Regel zu einem geringen Blutdruck- und Herzfrequenzanstieg. Eine systemische Vasokonstriktion kann auch reflektorisch auf einen hohen pulmonalarteriellen Druckanstieg unter höhenatmosphärischen Bedingungen (HAPH) auftreten. Nach mehrtägigem Höhenaufenthalt und Rückkehr auf normoxische Normalhöhe kann eine erhöhte sympathische Aktivität noch für einige Tage beibehalten werden; danach kehren Herzfrequenz und Herzminutenvolumen zu Größenordnungen wie auf Meereshöhe zurück. Schlüsselwörter: autonomes Nervensystem, Sympathikus- und Parasympathikusaktivität, arterieller Blutdruck, arterielle Hypertonie, große Höhen
EINLEITUNG Höhenaufenthalte führen im Rahmen der unmittelbar einsetzenden Höhenadaptation zu sympatho-adrenerger Tonussteigerung, einer Zunahme des systemischen Gefäßwiderstandes, des Blutdruckes, der Herzfrequenz sowie der Atmung. Zirkulatorische Anpassungen an atmosphärische Höhenbedingungen wirken im Sinne einer Umverteilung des Blutflusses und Aufrechterhaltung des Blutdruckes. Das sympathische autonome Nervensystem wird zum Teil durch
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zentrale Hypoxieeffekte, reflektorisch über eine Stimulation von Chemorezeptoren, vermutlich jedoch auch über pulmonalarterielle Barorezeptoren und eine Modifikation der systemischen Barorezeptorfunktion stimuliert. Nach nur wenigen Minuten anhaltender Aktivierung des cholinergen Systems kommt es unter akuter Höhenhypoxie über Reflexe peripher-arterieller Chemorezeptoren zu sympathischer Exzitation, zu konsekutiver Vasokonstriktion in der Skelettmuskulatur und im Splanchnikusgebiet, sowie zu Dilatation von Koronargefäßen und Sensitivitätssteigerung der Barorezeptorfunktion (1). Ein Höhenaufenthalt beeinflusst das Blutdruckverhalten in Abhängigkeit von absoluter Höhe, Temperatur, Aufstiegsgeschwindigkeit, Dauer der Hypoxiexposition sowie individuellen Faktoren. Während die meisten Menschen auf ungewohnte höhenatmosphärische Bedingungen ohne wesentliche Blutdruckänderungen reagieren (Abbildung 1), gibt es einige wenige, die mit einer mäßiggradig hypertonen oder auch hypotonen Kreislaufregulation antworten. A.
B.
Abbildung 1: Systolischer Blutdruck (sBP), Mitteldruck (mBP) und diastolischer Blutdruck (dBP): Ruhe-Ausgangswerte auf Höhe von Graz, 353 m (A) und Ruhe-Blutdruckwerte nach passivem Aufstieg in 2.700 m Höhe (B) am Beispiel eines 30-jährigen, normotensiven Probanden: geringer Blutdruckanstieg, Blutdruckwerte jedoch innerhalb des Normbereiches (BD <135/85)[unveröffentl. Daten]. Hochgradige Blutdrucksteigerungen im Sinne hypertoner Krisen sind unter atmosphärischen Bedingungen bis etwa 4.000 m nicht zu erwarten und kasuistisch auch nicht belegt. Vielmehr kommt es nach einem mehrwöchigen Höhen-
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aufenthalt zu einer systolischen und diastolischen Abnahme des Blutdruckes in Ruhe- als auch unter Belastung. Bei Hypertonikern besteht unter Höheneinfluss eine gewisse Variabilität des Blutdruckverhaltens, wobei der adrenerge RuheAusgangstonus auf Normalhöhe eine führende Rolle spielen dürfte. Methodische Unterschiede sind vermutlich der Grund, dass die Untersuchungsergebnisse bezüglich der Auswirkung der Höhe auf den arteriellen Blutdruck häufig inkonsistent sind und die Datenlage in diesem Zusammenhang für eine individuelle Prognose des Blutdruckverhaltens in der Höhe nicht ausreichend ist. Es gibt allerdings bis dato keinen Hinweis, dass eine arterielle Hypertonie in der Höhe mit einem höheren Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse verbunden wäre als auf Normalhöhe. Wegen des moderaten Hypoxiereizes in geringer bis mittlerer Höhe bedeutet ein Kur- oder Rehabilitationsaufenthalt für Patienten mit bestehenden Herzkreislauferkrankungen grundsätzlich einen Vorteil. Nach Rückkehr auf gewohnte Normalhöhe können Verbesserungen des Blutdruckverhaltens über mehrere Monate anhalten.
S Y S T E M I S C H E S Y M PAT H I S C H E A K T I V I T Ä T UNTER HYPOXIE Die ersten Tage in der Höhe führen zu einer Steigerung sympathischer, initial auch parasympathischer Aktivität. Akute Hypoxie ist ein starker Aktivator des systemischen und regionalen sympathischen Nervensystems (1) und erhöht die Ruhe-Herzfrequenz bei Mensch und Tier, wobei die Aufstiegsgeschwindigkeit beim Bergsteigen den Herzfrequenzanstieg maßgebend mitbeeinflusst. Tierexperimentelle Untersuchungen verschiedener Säugetierspezies zeigen, dass sich hypoxische Atemgasgemische stimulierend auf das sympathoadrenale System auswirken. So führt beispielsweise akuter Hypoxieeinfluss bei spontan atmenden anästhesierten Tieren zu einem Anstieg der Sympathikusaktivität, Katecholaminfreisetzung, Herzfrequenz sowie regionalen Vasokonstriktion (2). Es scheint, dass auch ß-adrenerge Rezeptoren des Myokards verstärkt stimuliert werden. Unter körperlicher Belastung ist die maximale Herzfrequenz in der Höhe allerdings limitiert, Maximalwerte wie auf Meeresniveau können nicht erreicht werden. In 5.800 m Höhe liegt die maximale Herzfrequenz zwischen 140 - 150/min, auf Meereshöhe im Bereich von 180 - 200/min. Die Verminderung der maximalen Herzfrequenz und des HMV in der Höhe finden dabei zu einem Zeitpunkt statt, da Plasma- und Harnkatecholaminausscheidung deutlich höher sind als auf Meereshöhe. Sherpas, die sich von Geburt an in großer Höhe aufhalten, zeigen unter maximaler Belastung keine derartige Begrenzung der kardialen Chronotropie, wobei ihre Herzfrequenzen in 4.880 m 190 - 200/Minute erreichen (3).
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Längere Höhenaufenthalte führen bekanntlich über eine Steigerung der Erythropoese zu Polyglobulie. Letztere trägt zusammen mit der Höhendiurese, Verminderung des Plasmavolumens und Dehydratation zur Hämokonzentration bei, wodurch einerseits das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System aktiviert wird oder auch Symptome zerebraler Minderperfusion auftreten können, andererseits der pulmonalarterielle Druck ansteigt, was im Extremfall zu akuter Rechtsherzdekompensation führen kann. Grundsätzlich kann es auch auf Basis einer hypoxischen pulmonalarteriellen Druckerhöhung reaktiv zu systemischer Vasokonstriktion und systemischer Blutdrucksteigerung kommen (4, 5). Hansen und Sander führten direkte Messungen der sympathischen Aktivität mit Hilfe der Peronaeus-Mikroneurographie durch (6). Die registrierten Aktivitäten waren nach 4-wöchigem Höhenaufenthalt um das 3-fache gegenüber der Aktivität am Meersspiegelniveau gesteigert. Drei Tage nach Rückkehr auf Meeresspiegelniveau waren sympathische Aktivität, Blutdruck und Herzfrequenz noch immer signifikant höher als vor dem Höhenaufenthalt. Im Anschluss an einen Höhenaufenthalt setzt sich die Exzitation des sympathischen Nervensystems auch auf normoxischer Normalhöhe für einige Tage fort.
K A R D I A L E S Y M PAT H I S C H E A K T I V I E R U N G U N T E R HÖHENEINFLUSS Eine hypobare Hypoxie beeinträchtigt letztlich die Herzfrequenzantwort auf adrenerge Stimulation in großer Höhe (7), wobei die Regulation adrenerger Rezeptoren sehr komplex erscheint. An Hunden konnte gezeigt werden, dass sich auch der chronotrope Effekt von Isoproterenol (selektiver ß1-/ß2-Aktivator) nach 10-tägiger Höhenakklimatisation abschwächt. Mitarbeiter derselben Arbeitsgruppe fanden im Myokard akklimatisierter Ziegen einen zweifachen Anstieg der Catechol-O-Methyltransferase (COMPT), jenes Enzym, das in sympathischen Nervenenden der Zielorgane zur Inaktivierung der Katecholamine beiträgt (8). Diese Enzyminduktion im Katecholaminmetabolismus während der Akklimatisationsphase könnte zur Abschwächung der Herzfrequenzantwort auf körperliche Belastung in der Höhe beitragen. Auch eine myokardiale Downregulation adrenerger Rezeptoren beim Menschen ist vorstellbar. Bisher wurde nur am Myokard der Ratte nach 5-wöchiger Höhensimulation von 4.250 m eine gesicherte Abnahme adrenerger Rezeptoren nachgewiesen (9). Bei extrem höhenexponierten Flachländern fanden Antezoma et al. bei unveränderter Rezeptoraffinität ebenfalls eine Abnahme der 2-Rezeptordichte (10); dieses Ergebnis war jedoch in einer Untersuchung von Zaccaria et al. nicht nachvollziebar (11); letzterer konnte darüber hinaus eine zahlen- sowie affinitätsmäßige Abnahme thrombozytärer ␣2-Rezeptoren bei chronisch hypoxieexponierten Probanden
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nachweisen. Katecholaminkatabolismus und Downregulation adrenerger Rezeptoren könnten jedoch durchaus zusammenwirken, wobei die Abschwächung der kardialen sympathogenen Reaktion erst nach etwa einwöchigem Aufenthalt in der Höhe eintritt. Im Vergleich zu normoxischen Bedingungen zieht eine akute Hypoxieexposition auch einen Anstieg des Herzminutenvolumens (HMV) in Ruhe sowie unter körperlicher Belastung nach sich. Mit fortschreitendem Akklimatisationsprozess auf einer bestimmten Höhenstufe nimmt des HMV jedoch wiederum bis zu einer Größe auf Meeresniveau ab. Die Herzfrequenz kann bei sehr kleinem Schlagvolumen allerdings erhöht bleiben, wobei die Abnahme des Schlagvolumens mit verminderter kardialer Füllung und dem Rückgang des Plasmavolumens in der Höhe erklärbar ist.
H Y P O X I S C H E K AT E C H O L A M I N P R O V O K AT I O N Die Auswirkungen hypobarer Hypoxie auf die Katecholaminfreisetzung beim Menschen zeigen häufig inkonsistente Ergebnisse, da Methoden, Aufstiegsgeschwindigkeiten und Untersuchungshöhen in vielen Fällen nicht vergleichbar sind. Darüber hinaus kann die sympathische Aktivität auch nur regional gesteigert sein, während in anderen Körperregionen zeitgleich eine normale oder unter Umständen sogar verminderte sympatho-adrenerge Aktivierung vorherrscht. Die Katecholaminkonzentrationen des regionalen venösen Plasmas spiegeln quasi den Nettoeffekt aus Freisetzung, Rückresorption und Konzentration im arteriellem Plasma wider, so dass Änderungen der Katecholamine infolge der Höhenhypoxie mit Vorsicht zu bewerten sind. Die Bestimmung der venösen Plasmakonzentration von Noradrenalin gibt somit keinen wirklichen Hinweis auf die systemische sympathische Aktivität (12). Adrenalin Akute Hypoxie hat in Ruhe nur eine moderate Auswirkung auf den Adrenalinspiegel im Blut oder Harn (Abbildung 2). Innerhalb der ersten vier Stunden nach Ankunft in der Höhe kann erstmals ein Anstieg der Adrenalinkonzentration im arteriellen Blut beobachtet werden (13). Nach Kjaer et al. steigert eine akute Hypoxämie nur bei Ausdauertrainierten den Plasma-Adrenalinspiegel in Ruhe und unter Belastung, was vermuten lässt, dass Ausdauertraining zu einer höheren Kapazität adrenomedullärer Adrenalinfreisetzung führt und der Grad der körperlichen Fitness auf diesem Wege das autonome Nervensystem in seiner Reaktivität auf akute Hypoxämie beeinflusst (14). In Abhängigkeit vom Hypoxiegrad zieht zusätzliche körperliche Belastung einen weiteren Anstieg des Adrenalinspiegels nach sich. Beide Reize, Hypoxie und körperliche Belastung sind in Bezug auf die Adrenalinausschüttung somit additiv. Der Adrenal-
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inspiegel erreicht nach etwa 2 - 3 Tagen ein Maximum und nimmt danach, soferne die Hypoxämie durch Ventilations- und Hämoglobinanstieg kompensiert werden kann, ab.
Abbildung 2: Mittlere 3h-Harnkonzentrationen von Adrenalin und Noradrenalin im Verlauf: Meereshöhe (SL), 1 Woche (1 Wo) und 4 Wochen (4 Wo) in 5.000 m Höhe und nach 1 Woche (1 WoSL) auf Meereshöhe [modifiziert nach (15)] Noradrenalin Bouissou et al. fanden bereits nach zweitägigem Höhenaufenthalt einen Anstieg des von sympathischen Nerven freigesetzten Noradrenalins um 30%, wovon 10 - 20% der Zirkulation zugeführt wurden und im Plasma gemessen werden konnten (16). Im Gegensatz zu Adrenalin führt der Anstieg von Noradrenalin nach 1 - 2-wöchigem Höhenaufenthalt im Plasma und Harn zur Plateaubildung auf erhöhtem Niveau (Abbildung 2). Zusätzliche körperliche Belastung führt intensitätsabhängig auch bei Noradrenalin zu einem weiteren Konzentrationsanstieg. Cunningham et al. berichteten über einen Anstieg der Plasmakatecholaminspiegel und 24h-Harnkonzentrationen während eines 17-tägigen Aufenthaltes am Monte Rosa in 4.559 m Höhe (17). Während der Anstieg von Noradrenalin am 12. Tag sein Maximum erreichte, wurden für Adrenalin keine signifikanten Konzentrationsänderungen nachgewiesen. Zu ähnlichen Ergebnissen kamen Pace und Kollegen (18). Die Harnkonzentration von Noradrenalin nahm über zwei Wochen in 3.850 m Höhe langsam zu, während sie für Adrenalin unverändert blieb. Maher et al. fanden in 4.300 m Höhe ebenfalls erhöhte Harnkatecholamine, wobei die Spiegel aber bereits ab dem ersten Tag gegenüber den Konzentrationen auf Meeresniveau erhöht waren und sich der Anstieg bis zum 11. Tag fortsetzte. Bei Fortdauer der Hypoxie führte körperliche Belastung zu einem weiterem Anstieg der Katecholamine (6). Unter hypobarer Hypoxie fanden Mazzeo et al. Noradrenalin- und Adrenalinkonzentrationen über jenen, die
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auf Meereshöhe gemessen wurden (13). Unter gleichzeitiger submaximaler Belastung zeigte Noradrenalin einen steileren Anstieg als auf Meeresniveau. Das Ausmaß des Plasma-Noradrenalinanstieges unter submaximaler Belastung und fortbestehender Hypoxie ist ein Hinweis darauf, dass der Grad adrenerger Aktivierung mit dem Grad der Hypoxie korreliert. Für Adrenalin ergab sich dagegen kein Anstieg, obwohl die Konzentrationen ebenfalls über jenen auf Meereshöhe lagen. Bei der Everest II-Studie zeigte sich nach 40-tägigem Aufenthalt und unter extremer Höhensimulation (Luftdruck 282 mmHg) eine Erhöhung des Ruhe-Plasma-Noradrenalins, während gleichzeitig das plasmatische Adrenalin sogar vermindert war. Unter Maximalbelastung zeigten jedoch beide Katecholamine ähnlich wie bei sportlichem Übertraining fallende Tendenz (19, 20). Gosney et al. untersuchten Nebennieren und Hypophysen nativer Höhenbewohner zwischen 3.600 und 3.800 m Höhe und verglichen sie mit am Meeresspiegel lebenden Kontrollpersonen (21). Die Nebennieren permanenter Höhenbewohner zeigten ein um etwa 50% größeres Organvolumen; die Hypophysen waren hingegen nicht vergrößert, wiesen jedoch einen höheren Gehalt an ACTH auf. Möglicherweise kommt es unter chronischer Hypoxie zu einer hypoxischen Inhibition der adrenokortikalen Empfindlichkeit. Man kann annehmen, dass für eine ausreichende Nebennierenfunktion unter hypoxischen Bedingungen höhere ACTH-Spiegel erforderlich sind. Calbet untersuchte gesunde Probanden im Rahmen eines 10-wöchigen Aufenthaltes in 5.260 m Höhe, wobei der systemische Blutdruckanstieg mit dem Anstieg des plasmatischen Noradrenalins und Adrenalins korrelierte (22). Zusätzlich konnte gezeigt werden, dass die Noradrenalinkonzentration der unteren Extremität gegenüber der Konzentration auf Meeresniveau erhöht war. Diese Steigerung sympatho-adrenerger Aktivität erfolgte jedoch erst nach Kompensation des Sauerstoffgehaltes durch den zeitabhängigen Hämoglobinanstieg. Bogaard untersuchte mit Mitarbeitern die Auswirkungen pharmakologischer Blockaden des sympathischen sowie parasympathischen Nervensystems hinsichtlich des Herzfrequenzverhaltens und des HMV unter Belastung in einer Höhe von 3.800 m (23). Dabei entsprach Propranolol dem zu erwartenden Effekt der negativen Chronotropie; Anticholinergika ließen hingegen die maximale Herzfrequenz bis zu Werten auf Meeresniveau ansteigen. Keine der beiden pharmakologischen Testsubstanzen zeigte jedoch unter Höheneinfluss eine signfikante Modifikation der maximalen Sauerstoffaufnahme (VO2max), Leistungsfähigkeit (Wattmax) oder des maximalen HMV, obwohl alle Messwerte unter jenen auf Meereshöhe lagen. Mazzeo blockierte das ␣-adrenerge System bei weiblichen Probanden in 4.300 m Höhe, was zu einem Anstieg des Noradrenalins
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sowohl in Ruhe als auch unter Belastung gegenüber Kontrollen ohne pharmakologische Blockade führte (24). Trotz zyklusabhängiger Veränderungen zeigten Frauen dieselben sympathikoadrenalen Reaktionsmuster wie Männer.
PA R A S Y M PAT H I S C H E A K T I V I T Ä T U N T E R H Ö H E N H Y P O X I E Die Hypoxieantwort des parasympathischen Systems leitet sich von der Blockadewirkung muscarinisch-cholinerger Rezeptoren des postganglionären parasympathischen Systems ab. Clar et al. bestimmten die akute Hypoxieantwort vor und nach Hypoxieexposition (25). Dabei kam es nach 8-stündiger Hypoxiekonditionierung zu einem deutlichen Anstieg der Herzfrequenzantwort, wobei dieser Anstieg durch cholinerge Substanzen wiederum aufgehoben wurde. Den Autoren zufolge ist der Hauptanteil der hypoxieinduzierten Tachykardie auf cholinerge Effekte zurückzuführen. Zu ähnlichen Ergebnissen kamen auch Boushel und Mitarbeiter, die die Auswirkungen muscarinisch-cholinerger Effekte in Ruhe und Belastung auf Meereshöhe nach 9-wöchiger Höhenexposition in 5.260 m Höhe untersuchten (26). Eine cholinerge Blockade unter Hypoxiebedingungen führte zu einer deutlichen Erhöhung der Ruheherzfrequenz auf 80/Minute gegenüber 53/Minute auf Meereshöhe. Gleichzeitige körperliche Belastung erhöhte unter denselben höhenatmosphärischen Bedingungen die Herzfrequenz um 40/Minute gegenüber 16/Minute auf Meeresniveau. Eine parasympathische Exzitation in Ruhe sowie unter Belastung ist wahrscheinlich die Erklärung für die Abnahme der Herzfrequenz im Rahmen der dauerhaften Höhenanpassung. Die Steigerung des cholinergen Tonus in der Höhe könnte aber die Folge einer Dichteänderung muscarinisch-cholinerger Rezeptoren darstellen. Tierexperimentell konnte am Myokard von Meerschweinchen, die entweder auf Meeresniveau oder in großer Höhe (4.300 m) gehalten wurden, deutlich gemacht werden, dass höhengewohnte Tiere signifikant höhere cholinerge Rezeptorendichten aufweisen als die Tiere im Tiefland (27). Eine 5-wöchige Verbringung auf Meeresniveau führte bei den hypoxiegewohnten Tieren zu einer Verminderung der muscarinisch-cholinergen Rezeptorendichte ähnlich wie bei ständig auf Meereshöhe lebenden Tieren. Es wird vermutet, dass eine längerdauernde Hypoxieexposition zu einer Sensitivitätsabschwächung des kardiovaskulären Systems auf sympathische Reize führt, es gleichzeitig aber auch zu einer Verstärkung des parasympathischen Tonus kommt, wodurch der Herzfrequenzrückgang verstärkt wird. Da akute Herzfrequenzänderungen nur unter Kontrolle des autonomen Nervensystems erfolgen, muss eine Einbremsung des kardialen Vagotonus für den verbleibenden Anteil der Herzfrequenzsteigerung verantwortlich sein. Der Anstieg kardialer sympathischer Aktivität und adrenerger Stimulation des Sinusknotens dürfte daher mit maximal 50% am
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Herzfrequenzanstieg beteiligt sein (28). Infolge akuter systemischer Hypoxämie können auch bei Hunden etwa 40% der Tachykardie durch Blockade des Parasympathikus mit Atropin oder durch chemische Sympathektomie aufgehoben werden (Adrenalektomie plus Neurotoxin/6-Hydroxydopamin). Eine kombinierte Anwendung eines Parasympatholytikums wie beispielsweise Atropin und einer Sympathektomie führt zur völligen Aufhebung des Herzfrequenzanstieges (29). Bei einigen gegenüber normo- oder hypobarer Hypoxie akut exponierten Probanden reicht eine Vorbehandlung mit Propranolol jedoch nicht aus, den Herzfrequenzanstieg zu verhindern. Eine kombinierte Blockade des vegetativen Nervensystems mit Atropin und Propranolol beseitigt hingegen auch in diesen Fällen die Herzfrequenzantwort unter akuter simulierter Höhe (30). Dagegen führt akute Hyperoxie bei Hunden zu Bradykardie, die jedoch durch Vorbehandlung mit Atropin völlig aufgehoben werden kann. Diese Beobachtung ist als Hinweis zu werten, dass eine durch Hyperoxie hervorgerufene Bradykardie durch einen Anstieg der kardialen Vagusaktivität hervorgerufen wird. Der Einfluss chronischer Hypoxie auf die kardiale parasympathische Regulation der Herzfrequenz ist dagegen wenig untersucht. Hughson berichtete über Herzfrequenzsteigerungen männlicher Probanden am 4. Tag in 4.300 m Höhe unter Beibehaltung des Frequenzniveaus bis zum 12. Tag (31). Dabei ergaben die Zeit- und Frequenzbereichsanalysen der Herzfrequenzvariabilität (HRV), dass zwei konventionelle Indikatoren der kardialen vagalen Herzfrequenzmodulation, nämlich die Standardabweichung der R-R-Intervalle (SDNN) und das Hochfrequenzband (HF) im selben Ausmaß zu beiden Zeitpunkten vermindert waren. Unter 12-tägiger Hypoxieexposition in großer Höhe resultierte bei diesen Probanden eine anhaltende Tachykardie mit Abnahme der beiden von der Herzfrequenzvariabilität abgeleiteten Parameter für den kardialen Parasympathikus. Die Blockade cholinerger Rezeptoren durch Atropin kann die Veränderungen kardio-vagaler Aktivität während anhaltender Hypoxämie aufzeigen. Eine stärkere Zunahme der Chronotropie nach Verabreichung von Atropin spricht für einen größeren Pegel an kardio-vagalem Tonus und vice versa. Nach 1 Woche auf 4.350 m fanden Grover et al. nach Verabreichung von Atropin bei männlichen Probanden einen mit Meereshöhe vergleichbaren Anstieg der Ruheund Belastungsherzfrequenz (32). Native tibetische Hochlandbewohner zeigten dagegen nach Verabreichung von Atropin keinen Unterschied betreffend das Ausmaß des Herzfrequenzanstieges in Ruhe gegenüber akklimatisierten Han aus dem Tiefland (33). Unter Ruhebedingungen existieren somit keine klaren Unterschiede in Bezug auf den vagalen Tonus zwischen nativen Höhenbewohnern und akklimatisierten Flachländern.
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Die Ergebnisse dieser Untersuchungen weisen darauf hin, dass sich der kardiale Parasympathikus beim Menschen weder durch kurzzeitige noch langzeitige Höhenanpassung wesentlich verändert. Diese Beobachtungen lassen auch vermuten, dass eine Abnahme des kardio-vagalen Tonus zur Tachykardie, wie sie während der initialen 1 - 2 Wochen der Höhenexposition beobachtet wird, beim Menschen beiträgt. Die Rückkehr des kardio-vagalen Tonus bis zur Aktivität am Meeresspiegel trägt zur Herzfrequenzabnahme im Rahmen eines längerdauernden Höhenaufenthaltes bei. Die Frage, welche Mechanismen tatsächlich zur Reduktion der maximalen Chronotropie in Höhen über 4.000 m führen, ist daher nicht endgültig geklärt. Neben einem erhöhten Vagotonus könnte ein Teil der Reduktion der maximalen Herzfrequenz in großer Höhe auch durch ein verändertes Ansprechverhalten des Sinusknotens auf ß-adrenerge Stimulation bedingt sein. Der experimentelle Zugang ist die gemessene Herzfrequenz unter maximaler Belastung nach Verabreichung von Atropin, das jedoch keinen Einfluss auf die maximale Herzfrequenz auf Meereshöhe hat (32). Eine höhere Herzfrequenz während körperlicher Belastung nach Gabe von Atropin würde die Annahme stützen, dass eine erhöhte kardio-vagale Aktivität einen inhibitorischen Frequenzeffekt in der Höhe ausübt. Bei mit Atropin vorbehandelten Probanden stieg die durchschnittliche maximale Herzfrequenz nach einer Woche in 4.600 m Höhe um 11/Minute (34), während sich die maximale Herzfrequenz bei nativen tibetischen Hochlandbewohnern in großer Höhe nach Verabreichung von Atropin nur um 5 Schläge/Minute erhöhte. Im Gegensatz dazu zeigten akklimatisierte Flachlandbewohner (Han) nach 1 - 2 Jahren in 3.600 m Höhe nach Vorbehandlung mit Atropin einen Rückgang ihrer maximalen Herzfrequenz um 6/Minute (33). Diese Ergebnisse sind allerdings nicht klar genug, ob der kardiale Parasympathikus die führende Rolle in Bezug auf die Limitierung der maximalen Herzfrequenz akklimatisierter Individuen in der Höhe spielt (35).
V E G E TAT I V E S N E RV E N S Y S T E M B E I H Ö H E N I N T O L E R A N Z Der Anstieg sympathischer Aktivität erfolgt bei Patienten mit akuter Bergkrankheit (AMS) und Höhenlungenödem (HAPE) wesentlich deutlicher als bei unbeeinträchtigter Höhenverträglichkeit. Duplain et al. explorierten HAPEsensitive Bergsteiger in großer (4.599 m) sowie geringer Höhe bei normobarer Hypoxie, indem sie die sympathische Aktivierung direkt über intraneurale Elektroden ableiteten (36). In beiden Höhenlagen zeigten HAPE-sensitive einen deutlich höheren sympathischen Aktivierungsgrad als HAPE-resistente Probanden. Diese höhere Sympathikotonie ging auch der HAPE-Manifestation am Berg voraus. Bei beiden Untersuchungsgruppen ergab sich eine signifikante
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Beziehung zwischen dem Grad sympathischer Aktivierung und der Höhe pulmonalarterieller Druckwerte. Hoon et al. fanden bei 29 symptomatischen AMSPatienten einen mäßiggradigen, signifikanten, über 10 Tage anhaltenden Anstieg der Harnkatecholamine, der bei 76 Probanden ohne AMS-Symptomatik nicht nachvollziehbar war (37). Loeppky et al. prüften autonome Reaktionen unter hypobaren Kammerbedingungen, indem sie Herzfrequenzvariabilität (HRV) als auch Plasmakatecholamine bestimmten (38). Dabei zeigten AMS-sensitive Probanden signifikant höhere Katecholaminspiegel sowie Quotienten aus Niedrig- und Hochfrequenzmustern (LF/HF-Ratio) als Zeichen einer intensiveren Sympathikusaktivierung. Lanfranchi et al. untersuchten 41 Bergsteiger auf der Capanna Margeritha am Monte Rosa (4.559 m), wobei Spektralanalysen der R-R-Intervalle des EKG sowie Messungen der Blutdruckvariabilität als Gradmesser der Aktivierung des autonomen Nervensystems herangezogen wurden (39). AMS-Patienten reagierten mit deutlicher Dysfunktion ihres autonomen Nervensystems; demzufolge könnten AMS-empfängliche Personen bereits im Vorfeld als risikobehaftet identifiziert werden, wenn sie unter höhenatmosphärischen Bedingungen durch eine besonders deutliche „Low-frequency-Komponente“ ihrer systolischen Blutdruckvariabiltät (LF-SBP) auffallen (40). Bevor AMS-gefährdete Probanden tatsächlich Symptome entwickeln, zeigen sie unter kurzzeitiger Hypoxie bereits eine verminderte LF-Komponente ihrer Herzfrequenzvariabilität (HVR) als Hinweis ihrer deutlich gesteigerten Sympathikusaktivierung (Abbildung 3). Dadurch wird auch die potentielle Rolle überschießender reflektorischer Vasokonstriktion in der Pathogenese der AMS verständlich. A.
B.
Abbildung 3: Unterschiedliche Spektrogramme der Herzfrequenzvariabilität (HRV) in Ruhe in Höhe von Graz, 353 m (A) und am Hunerkogel/Dachstein, 2.700 m (B) am Beispiel eines 27-jährigen gesunden, nichtakklimatisierten männlichen Probanden [unveröffentl. Befund]
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BAROREZEPTORSENSITIVITÄT Barorezeptoren (BR) sind dehnungssensitive Mechanorezeptoren, die im Bereiche des Aortenbogens und der Carotissinus lokalisiert sind; sie gewährleisten eine kurzfristige reflektorische Blutdruckanpassung, die zentral vom bulbären
Abbildung 4: Barorezeptorreflexbogen (Graphik: CNSystems) Kreislaufzentrum durch Modifikation des peripheren Gefäßwiderstandes und des HMV gesteuert wird (Abbildung 4). Dehnung der BR infolge Blutdruckanstieg führt über verstärkte afferente Signale zu reflektorischer Hemmung sympathischer und Überwiegen parasympathischer Aktivierung, vice versa bei fallendem Blutdruckwerten. Hypoxie hat einen nachhaltigen Einfluss auf die Ventilation, wobei Atemfrequenz und Atemtiefe den Barorezeptoreflex mitbeeinflussen (4). Der primäre kardiale Effekt arterieller Chemorezeptorstimulation besteht in einem Anstieg efferenter vagaler Aktivität und Bradykardie. Gegen diesen Effekt sind tierexperimentell Afferenzen pulmonalarterieller Barorezeptoren nachgewiesen, so dass eine systemische Hypoxämie bei vielen Spezies, so auch beim Menschen, zu einer Tachykardie statt zu erwarteter Bradykardie führt (5). Untersuchungen der Barorezeptorsensitivität in der Höhe bzw. simulierter Höhe führten bisher häufig zu widersprüchlichen Ergebnissen, wobei bereits über eine Zunahme, Abnahme bis zu keiner Änderung des Carotis-Barorezeptorreflexes berichtet wurde (Abbildung 5). Sagawa et al. setzten 7 exponierten akklimatisierte Probanden einer simulierten Höhe von 4.300 m und stimulierten zusätzlich die Carotis-Barorezeptoren, indem sie positive wie negative Drucke über der Halsregion applizierten (41). Dabei fanden sie unter höhenatmosphärischen Bedingungen keine Änderungen des Einstellungsniveaus der Carotis-Barorezeptoren, jedoch eine um 50% verminderte Herzfrequenzantwort. Bei permanenten Höhenbewohnern ergaben Untersuchungen ebenfalls keine Änderung des Barorezeptorfunktion (42).
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A.
B.
Abbildung 5: Barorezeptorsensitivität (BRS) in Ruhe auf Grazer Niveau, 353 m (A) und nach Ankunft am Hunerkogel/Dachstein, 2.700 m (B) am Beispiel eines 31-jährigen, gesunden Probanden: BP Up-Events, BP Down-Events und Gesamtereignisse; keine deutlichen Unterschiede zwischen (A) und kurzzeitigem Erreichen der Bergstation mit der Dachstein-Gletscherbahn (B)
SYSTEMISCHER BLUTDRUCK UNTER HYPOXIE Ein Höhenaufenthalt kann das Blutdruckverhalten in Abhängigkeit von Höhe, Temperatur, Aufstiegsgeschwindigkeit und Expositionsdauer beeinflussen, wobei die Steigerung des arteriellen Blutdruckes unter höhenatmosphärischen Bedingungen eng mit adrenerger Aktivierung verbunden ist (43). Ein rascher aktiver oder passiver Höhengewinn bis in mittlere oder große Höhen bedeutet eine Stressprovokation für einen gesunden, mehr jedoch für einen kranken Organismus (44) (Abbildung 6).
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Abbildung 6: Elektronisches Blutdruckmonitoring (CNAP, Fa. CNSystems) in Ruhe während einer Seilbahnfahrt von 1.700 auf 2.700 m (Dachstein-Gletscherbahn 2008). Die Verminderung sympathischer Aktivität durch regelmäßiges aerobes Ausdauertraining (Wandern, Bergsteigen, Langlauf, Joggen, Schitouren, Mountainbiking) spielt daher in der nichtpharmakologischen Blutdrucksenkung eine wesentliche Rolle (20). Unter Höheneinfluss besteht eine gewisse Variabilität des Blutdruckverhaltens von Hypertonikern, wobei der sympathische Ruhetonus auf gewohnter Normalhöhe maßgebend sein dürfte. Die Anpassung der Perfusion an höhenatmosphärische Bedingungen hat eine Umverteilung des Blutflusses und Aufrechterhaltung des Blutdruckes zum Ziel. Es ist ausreichend belegt, dass Anpassungen des systemischen Blutdruckes unter hypobarer Hypoxie auch über den Natriummetabolismus und die Natriurese erfolgen. Die primäre Auswirkung hypobarer Hypoxie besteht in einer direkten Vasodilatation peripherer Gefäße, die in der Folge durch die sympathikusinduzierte Vasokonstriktion aufgehoben wird (45). Auf eine kurzzeitige cholinerge Exzitation folgt über peripher-arterielle Chemorezeptoren eine sympathische Aktivitätssteigerung mit reflektorischer Vasokonstriktion innerhalb der quergestreiften Muskulatur und im Splanchnikusgebiet sowie eine Dilatation von Koronargefäßen und Sensitivitätsmodifikation der Barorezeptorfunktion (2). In diesem Zusammenhang wurde bei akut höhenexponierten Hypertonikern eine verstärkte Reaktivität arterieller Chemorezeptoren beobachtet (46). Eine akute Hypoxie verursacht bis in eine Höhe von 4.600 m keine wesentlichen Änderungen des mittleren systemischen arteriellen Blutdruckes beim Menschen (47), obwohl ein Höhenaufenthalt zumindest theoretisch eine bislang unbekannte arterielle Hypertonie demaskieren könnte. Allerdings findet sich in der medizinischen Literatur kein einziger kasuistischer Hinweis auf eine hypertensive Krise als Folge höhenatmosphärischer Exposition. Beim Hund steigt unter akut hypoxischen Bedin-
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gungen der mittlere arterielle Blutdruck (47). Auch bei Flachländern kommt es häufig während der ersten Wochen in großer Höhe zu einem Blutdruckanstieg. Von 32 Probanden, die bis in eine Höhe zwischen 3.500 und 4.000 m gelangten, reagierten 31 mit einem Anstieg ihres Ruheblutdruckes, der bei einigen drei Wochen lang persistierte, aber nach Abstieg auf Normalhöhe wieder auf das Niveau der Ruhe-Ausgangswerte zurückkehrte (48). In einer anderen Untersuchung mit dauerhaft auf Meereshöhe lebenden Studienteilnehmern stieg der arterielle Mitteldruck nach Ankunft auf 4.350 m Höhe von 100 auf 128 mmHg und persistierte über 10 Tage (49). Bei einer weiteren Untersuchung in 4.300 m Höhe wurde bei 11 Probanden ein Anstieg des systemischen Blutdruckes gemessen, wobei gezeigt werden konnte, dass Propranolol den Blutdruckanstieg in der Höhe deutlich abzuschwächen vermag. Damit kann die erhöhte sympathische Aktivität als Kausalfaktor für den Blutdruckanstieg als erwiesen angenommen werden (50). Darüber hinaus kann auch eine witterungsbedingte Hypothermie der Extremitäten unter die physiologische Körperkerntemperatur den systemischen Blutdruck für die Dauer der Kälteeinwirkung erhöhen. Der Akklimatisationsvorgang schwächt den kälteprovozierten Blutdruckanstieg ab, wobei es jedoch zu keiner völligen Aufhebung des Blutdruckanstieges kommt (51). Eine systemische Vasokonstriktion kann aber auch reflektorisch, ausgehend von pulmonalarteriellen Barorezeptoren, auf hohe pulmonalarterielle Drucksteigerungen (HAPH) auftreten (Abbildung 7) (5); letztere können sich auf Basis generalisierter alveolärer Hypoxie und hypoxisch-pulmonaler Vasokonstriktion unter höhenatmosphärischen Bedingungen generieren (HPVC), vor allem dann, wenn bereits grenzwertige Drucke auf Normalhöhe evident sind. Im Gegensatz zu systemischen Blutdruckanstiegen nach Erreichen großer Höhen zeigen Individuen, die jahrelang in großer Höhe lebten, offensichtlich eine Abnahme ihres systolischen und diastolischen Blutdruckes (52).
Abbildung 7: Erhöhung des systemischen Blutdruckes bei experimentell stufenweise erhöhten pulmonalarteriellen Druckwerten bei anästhesierten Hunden [modifiziert nach (5)].
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Einem kasuistischen Bericht zufolge bewirkt bereits ein einjähriger Aufenthalt in 4.500 m Höhe eine nachhaltige Abnahme des systemischen systolischen und diastolischen Blutdruckes (53). Es gibt auch Hinweise, dass sich der systemische Blutdruck von Hochdruckpatienten unter höhenatmosphärischen Bedingungen bessert. So fand Penaloza, dass sich bei einem Teil höhenexponierter Patienten die hypertensive Kreislaufregulation in einer Höhe von 3.750 m deutlich verbesserte (54). Diese Ergebnisse sind konsistent mit peruanischen Untersuchungen zur Prävalenz systemischer Hypertonie zwischen 4.100 und 4.360 m Höhe gegenüber zwei Vergleichskollektiven auf Meeresniveau. Auf Meereshöhe zeigte sich dabei eine 12-mal höhere Hypertonieprävalenz als in großer Höhe (55). Interessanterweise fiel der Unterschied bei weiblichen Studienteilnehmern deutlicher aus. Vogel fand bei nativen Höhenbewohnern (4.350 m) mittlere Blutdruckwerte der Arteria brachialis, die unter Belastung konstant höher waren als auf Meereshöhe (49). Im Gegensatz dazu ist der Anstieg des systolischen Mitteldruckes im Verlauf schwerster körperlicher Belastung bei akklimatisierten Flachländern gleich wie bei dauerhaft auf Meeresniveau lebenden Versuchspersonen. Mitunter können gelegentlich auch Synkopen bei Gesunden in großen Höhen auftreten, wobei echte Synkopen vor allem bei jüngeren Erwachsenen, häufig innerhalb der ersten 24 Stunden nach Erreichen der Tageshöhe und häufig in Verbindung mit Mahlzeiten und Alkohol beobachtet wurden (56). Als Ursache wird ebenfalls eine Imbalance zwischen sympathischem und parasympathischem System angenommen.
ACE-GEN: BEDEUTUNG FÜR LEISTUNGSFÄHIGKEIT IN DER HÖHE? Angiotensin Converting Enzyme (ACE) steigert den Tonus kleiner Gefäße. Zu den Faktoren, die zur Manifestation einer arteriellen Hypertonie in der Höhe führen können, zählen, neben prähypertonen Zuständen mit vorweg hohem Sympathikotonus und/oder Body Mass Index, Polymorphismen des ACE-Gens und Angiotensin-II-Rezeptor-1-Gens, die allerdings in keiner Beziehung zu akuten Höhenunverträglichkeitsreaktionen wie akuter Bergkrankheit (AMS) oder Höhenlungenödem (HAPE) stehen (57). Polymorphismen wie Deletionen oder Insertionen des I und D Allels sind in Bezug auf das Blutdruckverhalten von großer Relevanz. Eine Insertion des I Allels führt beispielsweise zur Hemmung der ACE-, während eine Deletion des D-Alleles zur Erhöhung der ACE-Aktivität und des Vasomotorentonus führt. Viele Studien weisen auf eine starke Beziehung zwischen aerober Ausdauerleistungsfähigkeit und Insertion des IAllels im ACE-Gen hin, was vor allem eine Hemmung der mikrovasokonstrik-
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torischen Antwort des Gewebes bedeutet. Einige Autoren brachten auch die Leistungsfähigkeit in großer Höhe mit der Insertion des I-Allels in Zusammenhang (58, 59). In dieser Konstellation besteht möglicherweise auch eine verstärkte hyperventilatorische Antwort unter Hypoxie und körperlicher Belastung (60). Die Bedeutung dieser Befunde ist noch unklar; allerdings erscheint ein besseres Verständnis des genetischen Signals und der damit verbundenen physiologischen Reaktionen zumindest in Sichtweite. Die antihypertensive Therapie während eines Höhenaufenthaltes sollte möglichen Flüssigkeitsverlusten und der damit verbundenen Aktivierung des Renin-Angiotension-AldosteronSystems Rechnung tragen (61). ACE-Inhibitoren vermindern beim Menschen die akut hypoxische pulmonale Vasokonstriktion (HPV), führen jedoch unter hypobarer Hypoxie kaum zu wesentlicher Änderung des systemischen Blutdruckes. Als sinnvolle Therapieoption zur zentralen Senkung des Sympathikotonus bzw. eines erhöhten Blutdruckes unter höhenatmosphärischen Bedingungen wäre beispielsweise Clonidin (Catapresan®) oder Moxonidin (Normoxin®) empfehlenswert; heute wird jedoch eher langwirksamen Kalziumantagonisten wie Amlodipin (Norvasc®) oder Nifedipin (Adalat®) der Vorzug gegeben, da sie am Berg nicht leistungseinschränkend wirken und wie ACE-Inhibitoren und Angiotensin-Rezeptor-Antagonisten stoffwechselneutral sind. Betablocker sind zumindest beim Bergsteigen nicht erste Wahl, da sie die maximale Herzfrequenz sowie die Ausdauerleistungsfähigkeit herabsetzen. Zwischenzeitliche Blutdruck- und Pulskontrollen unterwegs können für Hypertoniker in jedem Fall informativ sein und etwaige Dosisanpassungen nach sich ziehen (Abbildung 8).
Abbildung 8: Auskultatorische Blutdruckmessung (Riva-Rocci) nach Erreichen des Gipfelzieles
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H a n s P e t e r D i m a i , Wo l f g a n g D o m e j
Der Einfluss hypoxischer Umweltbedingungen auf den Knochenstoffwechsel The effect of hypoxic conditions on bone metabolism
S U M M A RY Bone is a living tissue which is subject to a permanent remodeling process. The effect of oxygen deprivation on bone metabolism has been investigated in vitro, as well as in animal studies. Depending on the study design applied, hypoxia may result in either a stimulation or inhibition of bone forming and bone resorbing cells. In animal studies, hypoxia has been found to be associated with higher bone-turnover, and a diminished loss of bone mineral density, respectively. In the human species the effects of hypoxia may be evaluated in patients suffering from chronic obstructive pulmonary disease (COPD). Compared to healthy controls, patients with COPD are at increased risk of developing osteoporosis and experiencing fractures. The complex pathophysiology of COPD, however, makes it difficult to infer any observed effects on bone metabolism solely to hypoxia Keywords: Hypoxia, osteoporosis, bone mineral density, fractures
Z U S A M M E N FA S S U N G Knochen ist ein lebendes Gewebe, welches einem permanenten Umbau unterliegt. Der Einfluss einer Hypoxie auf den Knochenstoffwechsel wurde sowohl in vitro, als auch tierexperimentell in vivo untersucht. Knochenanbauende sowie knochenabbauende Zellen werden unter hypoxischen Bedingungen abhängig von der jeweiligen Untersuchung stimuliert, oder aber auch gehemmt. Tierexperimentell bestehen Hinweise auf eine mögliche Beschleunigung des Knochenumbaues sowie einen verminderten Verlust an Knochenmineraldichte. In der humanen Spezies können die Effekte einer Hypoxie an Personen mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) evaluiert werden. Diese Perso-
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nen weisen im Vergleich zur gesunden Normalbevölkerung sowohl ein deutlich erhöhtes Osteoporoserisiko, als auch ein deutlich erhöhtes Frakturrisiko auf. Die komplexe Pathophysiologie der COPD gestattet es allerdings nicht, ossäre Veränderungen ausschließlich auf die Hypoxie zurück zu führen. Schlüsselwörter: Hypoxie, Osteoporose, Knochenmineraldichte, Frakturen
EINLEITUNG Die möglichen Effekte einer Hypoxie auf zellbiologische Vorgänge des Knochens rücken in den letzten Jahren zunehmend in den Mittelpunkt osteologischen Interesses. Die Untersuchungen beziehen sich hierbei vorwiegend auf Osteoblasten (knochenanbauende Zellen) sowie Osteoklasten (knochenabbauende Zellen). Osteoblasten stammen aus mesenschymalen Vorläuferzellen des Knochenmarks, und sind verantwortlich für die Produktion neuer Knochenmatrix. Neben Kollagen I finden sich jedoch auch andere Endprodukte von Osteoblasten, wie etwa Osteocalcin oder Osteopontin. Insbesondere die letztgenannten spielen vermutlich eine wesentliche Rolle in der Mineralisation der neu gebildeten Matrix. Das Schicksal der Osteoblasten ist dadurch gekennzeichnet, dass diese letztlich selbst in der neu gebildeten Matrix eingeschlossen werden. Auf diese Weise differenzieren die Osteoblasten zu sogenannten Osteozyten, deren Funktionen bislang nur lückenhaft geklärt sind. Die Osteozyten kommunizieren untereinander über Zellfortsätze, und es scheint weitgehend gesichert, dass Mikrofrakturen, welche physiologischerweise im Knochen des Erwachsenen auftreten können, zu einer Ruptur dieser Zellfortsätze führen. In weiterer Folge werden Osteozyten apoptotisch, und setzen solcherart Faktoren frei, welche zu einer Differenzierung von Osteoklastenvorstufen aus den hämatopoetischen Stammzellen des Knochenmarks führen (Monozyten-Makrophagen Linie). Die so eingeleitete Knochenresorptionsphase wird durch eine nachfolgende Phase des Knochenanbaues abgelöst. Auf diese Art und Weise wird das erwachsene menschliche Skelett etwa alle zehn Jahre einmal vollständig umgebaut. Aussagen über die Sauerstoffspannung im gesunden Knochen können experimentell auf unterschiedliche Art und Weise gewonnen werden. Eine mögliche Methode besteht in der Messung dieses Parameters im Knochenmarksaspirat. Darüber hinaus stehen auch Untersuchungen mit polarographischen Nadelelektroden zur Verfügung. Welche Methode auch immer angewandt wird, der pO2 des normalen Knochens dürfte zwischen ca. 55-71 mmHg (ca. 6.6. - 8.6Vol.% O2) liegen (1, 2). Pathologisch verändertes Knochengewebe scheint generell
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hypoxisch zu sein. So konnte im Tierversuchsmodell gezeigt werden, dass Knochenhämatome vier Tage nach einer Fraktur einen pO2 von nur 0.8% aufweisen, und selbst 2 Wochen nach erfolgter Fraktur der pO2 lediglich auf 3.8% ansteigt (3).
I N V I T R O E F F E K T E H Y P O X I S C H E R U M W E LT B E D I N G U N G E N Hypoxische Umweltbedingungen führen nach derzeitigem Wissensstand zur Expression zahlreicher Gene, welche durch die hypoxie-induzierbaren Faktioren HIF-1 und HIF-2 (hypoxia-inducible factor) reguliert werden. Die betroffenen Gene wiederum regulieren Stoffwechselpfade, welche für das Überleben und die Funktion von Zellen unter hypoxischen Bedingungen essentiell sind. Im Konkreten betroffen sind hiervon Elemente der Angiogenese, Apoptose, Glykolyse oder auch die pH Regulation selbst (4). Es gibt gute Evidenz, dass Osteoblasten-Zelllinien unter hypoxischen Bedingungen zu einer Hochregulation von HIF führen (5). Auch konnte kürzlich gezeigt werden, dass hypoxische Umweltbedingungen Wachstum, Differenzierung und Mineralisations-Kapazität von Ratten-Osteoblasten hemmen (6). Im Gegensatz dazu stehen aber die Ergebnisse einer ebenfalls kürzlich durchgeführten Untersuchung, in welcher gezeigt werden konnte, dass hypoxische Bedingungen zumindest initial zu einer gesteigerten Differenzierung von Osteoblasten-Vorstufen, und darüber hinaus zu einer gesteigerten Aktivität reifer Osteoblasten der Maus-Spezies führen (7). Ähnliche Ergebnisse konnten zuvor auch für humane Osteoblasten bzw. Osteoblastenvorstufen gezeigt werden (8). Die Bedeutung von HIF im Zusammenhang mit Osteoklasten wurde in jüngster Vergangenheit erstmals eingehender untersucht. Osteoklasten rekrutieren sich, wie bereits erwähnt, aus Vorläuferzellen der Monozyten-Makrophagen Linie im Knochenmark. Diese können hinsichtlich Formation und Aktivierung durch hypoxische Umweltbedingungen stimuliert werden, und HIF scheint essentiell zu sein für eine normale Makrophagenfunktion (9). Die Differenzierung von Vorläuferzellen zu reifen Osteoklasten scheint unter hypoxischen Bedingungen unter dem Einfluss von HIF stimuliert zu werden (10). Als möglicher Mediator konnte VEGF (vascular endothelial growth-factor) ermittelt werden, welcher in der Angiogenese eine relevante Rolle spielt.
I N V I V O E F F E K T E H Y P O X I S C H E R U M W E LT B E D I N G U N G E N Der Effekt hypoxischer Umweltbedingungen wurde u.a. experimentell an einem Ratten-Immobilisationsmodell untersucht. In dieser Untersuchung wurden
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jeweils einseitig die hinteren Extremitäten entlastet (11), und der Effekt hypoxischer Umweltbedingungen auf den Knochenstoffwechsel untersucht. Es zeigte sich, dass jene Ratten, welche unter hypoxischen Bedingungen gehalten wurden, an der immobilisierten Extremität weniger rasch Knochendichte verloren, als die Vergleichsgruppe. Auch die mechanischen Eigenschaften des immobilisierten Knochens blieben in den unter hypoxischen Bedingungen lebenden Ratten besser erhalten, als in der Gruppe unter normalen Umweltbedingungen. In weiteren kürzlich publizierten Arbeiten konnte die gleiche Arbeitsgruppe zeigen, dass die physiologische Knochenregeneration, gemessen an biochemischen Markern des Knochenumsatzes, unter hypoxischen Bedingungen stimuliert wird (12, 13) .
HYPOXIE UND KNOCHENSTOFFWECHSEL IN DER HUMANEN SPEZIES Bislang stehen keine Erkenntnisse aus aussagekräftigen Studien zur Verfügung, in welchen unter experimentellen Bedingungen Hypoxie-Effekte auf definierte Parameter des Knochenstoffwechsels untersucht worden wären. Eine Möglichkeit, in der humanen Spezies dennoch solche Effekte zu evaluieren, besteht in der Exploration von Personen, welche an respiratorischen Erkrankungen leiden, soferne letztere mit hypoxämischen Zuständen einhergehen. Ideale Voraussetzungen sind diesbezüglich unter dem Krankheitsbild der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) gegeben. Die COPD ist eine progrediente Lungenerkrankung, welche durch eine nicht vollständig reversible Atemflussbehinderung charakterisiert ist. Typischerweise findet sich initial eine chronische Bronchitis, sowie im weiteren Verlauf ein mehr oder weniger stark ausgeprägtes Emphysem. Bei milden Formen einer manifesten COPD können arterieller pO2 und pCO2 normal sein. Bei Fortschreiten der Erkrankung findet man häufig eine Hypoxämie als Ausdruck einer Diffusionsstörung. Die Hypoxämie tritt zunächst lediglich bei Belastung, in weiterer Folge auch im Schlaf und in Ruhe auf (respiratorische Partialinsuffizienz; paO2<60 mmHg). Einfluss der COPD auf die Knochendichte Die Knochenmineraldichte wird WHO-konform mittels Zwei-Spektren Röntgenabsorptiometrie (sog. DXA-Methode, Dual X-ray Absorptiometry) ermittelt. Weicht der an der Lendenwirbelsäule oder dem proximalen Femur gemessene Wert um mehr als -2.5 Standardabweichungen vom mittleren Normwert gesunder junger Erwachsener ab, so spricht man von einer Osteoporose. Eine
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Osteopenie liegt hingegen vor, wenn der ermittelte Wert zwischen -1.0 bis -2.5 Standardabweichungen liegt. Der Effekt einer COPD auf die Knochenmineraldichte wurde unter Berücksichtigung des Effektes einer begleitenden Glukokortikoidtherapie vor knapp zehn Jahren erstmals in einer aussagekräftigen Studie an männlichen Patienten untersucht. Hierbei zeigte sich, dass Patienten mit COPD auch ohne begleitende Glukokortikoidtherapie im Vergleich zur Normalpopulation ein fünffach höheres Osteoporoserisiko aufweisen (14, Abb. 1). In einer weiteren klinischen Untersuchung wurde der Effekt einer COPD mittels quantitativer Computertomographie auf die volumetrische Knochenmineraldichte bei Männern untersucht. Die genannte Population hatte keinerlei Vorbehandlung mit Glukokortikoiden. Es zeigte sich hier ebenfalls eine deutliche negative Korrelation zwischen dem Schweregrad der COPD und der Knochenmineraldichte (15, Abb. 2).
Abbildung 1: oGCs = orale Glukokortikoidtherapie iGCS = inhalative Glukokortikoidtherapie
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Einfluss der COPD auf das Frakturrisiko Die Frage, ob Personen mit COPD auch ein erhöhtes Frakturrisiko aufweisen, wurde mittlerweile in mehreren klinischen Untersuchungen evaluiert. In einer der diesbezüglich aussagekräftigsten klinischen Untersuchungen lag die Prävalenz für mindestens eine vertebrale Fraktur bei Männern ohne Glukokortikoidvorbehandlung bei 49%, und somit deutlich über der Prävalenz der männlichen Normalpopulation (16). Personen mit systemischer Glukokortikoidvorbehandlung wiesen in der gleichen Studie eine Prävalenz von 63% auf. Zusammenfassend besteht gute Evidenz, dass eine COPD-bedingte Hypoxie in der humanen Spezies den Knochenstoffwechsel im Sinne einer Abnahme der Knochenmineraldichte sowie eines erhöhten Frakturrisikos beeinflusst. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass mögliche, rein auf die Hypoxie zurückzuführende Effekte nicht von gleichzeitig im Rahmen dieser Erkrankung wirksamen anderen potentiell kausalen Faktoren getrennt werden können.
Abbildung 2: pQCT = periphere quantitative Computertomographie (ultradistaler Radius)
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Rainald Fischer
Höhenaufenthalt und Stoffwechselveränderungen Metabolic changes in hypoxia
S U M M A RY Loss of appetite and weight loss often occur after ascent to moderate or high altitude. However, the initial loss of weight is compensated after acclimatisation and appetite returns. Basal metabolic rate is increased by 10 – 20 % in altitudes above 4500 m. Together with the loss of appetite, the net energy balance is negative, even if the energy expenditure from exercise is reduced due to reduced oxygen pressure. This results in a slow loss of weight during prolonged stay at altitudes above 4500 m. Water retention is initially caused by hypoxia through increase of antidiuretic hormone. However, after a few hours ADH fells and water diuresis begins. If ADH remains elevated, the risk of acute mountain sickness increases. Acute hypoxia results in an increase activity of adrenal gland and thyroid activity, thereby increasing blood pressure, cardiac output and serum blood glucose levels. This acute response to hypoxia is attenuated after acclimatisation, and the values return to pre-exposure levels. Keywords: Hypoxia, metabolism, appetite, basal metabolic rate
Z U S A M M E N FA S S U N G Appetitverlust und Gewichtsverlust kommen in mittleren und großen Höhen häufig vor. Allerdings kann in Höhen unterhalb von 4.500 Metern der initiale Gewichtsverlust meist wieder kompensiert werden, auch der Appetit kehrt wieder zurück. In Höhen von 4.000 - 6.000 Metern nimmt der Grundumsatz zwischen 10 und 15 % zu, in größeren Höhen möglicherweise noch mehr. Trotz des verringerten Sauerstoffangebotes scheint der Energieverbrauch in größeren
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Höhen im Vergleich z.B. zu den Alpen nicht verringert zu sein. Dies führt zusammengenommen häufig doch zu einem langsamen Gewichtsverlust in Höhen oberhalb von 4.500 Metern. Ob es eine besondere Diät gibt, die diesen Gewichtsverlust besonders gut auffangen kann, ist bis heute ungeklärt. Vermutlich ist eine kohlenhydratreiche Nahrung besser, da in größeren Höhen der Körper mehr auf Kohlenhydratverbrauch umzuschalten scheint. Dies ist anders als z.B. in besonders kalten Umgebungen wie in der Arktis. Allerdings gibt es hierzu noch keine guten Studien. Akute Hypoxie führt normalerweise zu einem initialen Anstieg des antidiuretischen Hormons und damit initial zu einer Wasserretention. Dies wird jedoch häufig von einer kurz danach folgenden Wasserdiurese begleitet. Wenn jedoch der ADH-Spiegel erhöht bleibt, besteht eine Neigung zur Entwicklung der akuten Bergkrankheit. Unter akuter Hypoxie nimmt die Sympathikusaktivität zu und bewirkt ein Steigerung von Adrenalin, Noradrenalin, Steroidhormonen und Schilddrüsenhormonen. Entsprechend kommt es initial zu einem Blutdruck- sowie Blutzuckeranstieg, der sich später mit der Akklimatisation wieder normalisiert. Schlüsselwörter: Hypoxie, Grundumsatz, Appetit, Gewichtsverlust
Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust sind bekannte Effekte vom Aufenthalt in zunehmenden Höhen, wobei bis heute die genauen Mechanismen nicht ganz verstanden sind. Gerade in den ersten Tagen eines Höhenaufenthaltes kann die akute Bergkrankheit zu Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust beitragen. Es gibt Daten, dass die Hormone Leptin oder Cholezystokinin Mediatoren des mangelnden Appetits sind (1). Der Gewichtsverlust ist allerdings vermutlich nicht nur auf Appetitlosigkeit zurückzuführen, sondern auch auf Veränderungen der Energiebilanz (2).
ENERGIEVERBRAUCH Der Energieverbrauch eines Menschen kann in drei Komponenten unterteilt werden: - Grundumsatz (während des Schlafes oder beim ruhigen Sitzen) - Energieverbrauch während körperlicher Aktivität - Energieverbrauch durch Nahrungsverwertung
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Grundumsatz in der Höhe Es gibt verschiedene Studien, die versucht haben, den Grundumsatz in mittleren und großen Höhen zu messen. Allerdings ist der Grundumsatz in Höhen von > 6.000 m bisher noch nicht bestimmt worden. Alle Studien zeigen zu Beginn einer Höhenexposition einen Anstieg des Grundumsatzes zwischen 10 und 30 %, je nach Studienpopulation und rascher Höhenexposition (2, 3). Bei einigen Studien zeigt sich im Verlauf des Höhenaufenthaltes eine Reduktion des Grundumsatzes um 10-15 %, allerdings bleibt er in den meisten Studien erhöht. Lediglich eine Studie von Mawson et al. zeigt bei gesunden Frauen erst einen initialen Anstieg des Grundumsatzes und dann wieder eine Rückkehr zu den Vorwerten (4). In der Regel kann man allerdings davon ausgehen, dass der Grundumsatz beim Höhenaufenthalt letztlich zwischen 10 und 20 % erhöht ist. Dies kann auf eine erhöhte Sympathikusaktivität zurückzuführen sein, da dies durch die Gabe von Betablockern unterdrückt werden konnte (5). Denkbar ist auch, dass eine erhöhte thyreoidale Aktivität eine Rolle spielt. Eigene, bisher nicht publizierte Daten zeigten bei adipösen Patienten eine Erhöhung des Grundumsatzes in einer Höhe von 2.650 m, dies könnte auch eine Ursache für den bei diesen Probanden gemessenen Gewichtsverlust sein.
Energieverbrauch während körperlicher Aktivität in der Höhe Jede Arbeit verbraucht letztlich dieselbe Menge an Sauerstoff, egal ob sie in Seehöhe oder in 8.000-Meter-Höhe erbracht wird. Allerdings steht in großer Höhe weniger Sauerstoff zur Verfügung, daher ist die Leistungsfähigkeit in dieser Höhe reduziert. In verschiedenen Studien wurde untersucht, ob der Energieverbrauch während körperlicher Aktivität in der Höhe zunimmt. Es zeigte sich jedoch, dass aufgrund des verminderten Sauerstoffangebots die körperliche Leistungsfähigkeit bzw. der Energieverbrauch durch körperliche Aktivität in der Höhe eher gleich bleibt. Es ist auch dadurch bedingt, dass gerade in großen Höhen viel Zeit im Schlafsack verbracht wird, da dies der einzige warme Ort ist (6). In Studien mit doppelt markiertem Wasser zeigte sich im Verlauf von Trekkingtouren oder Expeditionen eine in der Summe negative Energiebilanz bei eindeutig erhöhtem Energieverbrauch und verringerter Energiezufuhr. Diese Daten konnten allerdings im Rahmen einer Hypoxiekammerstudie nicht nachvollzogen werden (7). Dies könnte darauf hinweisen, dass Hypoxie als solche den Grundumsatz nicht ausreichend erhöht, um den Effekt der reduzierten täg-
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lichen körperlichen Aktivität unter Hypoxiebedingungen zu kompensieren. Daher verbrauchen Menschen im Rahmen von Hypoxiekammerstudien in der Summe letztlich nicht mehr Energie als auf Seehöhe, da sie in ihrer körperlichen Aktivität in der Kammer eingeschränkt sind. Wenn diese Messungen unter Feldbedingungen erfolgen, entsteht durch die körperliche Aktivität während des Bergsteigens ein Energiedefizit. Energieaufnahme und -verbrauch In Höhen bis etwa 4.500 m zeigen akklimatisierte Personen in der Regel normalen Appetit und normale Nahrungsaufnahme. In Höhen über 6.000 m zeigen die meisten Bergsteiger doch Appetitverlust. Dies kann natürlich auf die eingeschränkte Verfügbarkeit von abwechslungsreicher Nahrung zurückzuführen sein. Allerdings konnte in verschiedenen Studien gezeigt werden, dass auch Bergsteiger mit einem guten Nahrungsangebot in größeren Höhen, d.h. oberhalb von 4.500 m Höhe, eine verringerte Nahrungsaufnahme zeigen (1, 4, 6). Wenn hierzu noch körperliche Aktivität hinzukommt, muss letztlich ein Energiedefizit entstehen. Dies konnte z.B. von Westerterp et al. gezeigt werden, als er 10 Probanden in einer Höhe von 6.542 m über 21 Tage übernachten ließ. Der mittlere Gewichtsverlust in dieser Gruppe betrug 4,9 kg, davon waren 74 % Fettverlust. Leptinspiegel in der Höhe Leptin ist ein Hormon, das Appetit unterdrückt. In einer Studie zeigte sich ein höhenbedingter Anstieg der Leptinspiegel, der besonders in der Gruppe mit Appetitlosigkeit ausgeprägt war (8). In anderen Studien konnte kein Anstieg, sondern sogar ein Abfall von Leptin bei Höhenaufenthalt nachgewiesen werden (9-11). In unseren eigenen Daten fand sich in einer Gruppe von stark übergewichtigen Probanden ein signifikanter Anstieg der Leptinspiegel bezogen auf das aktuelle Körpergewicht. Nach Rückkehr zur Vorhöhe normalisierten sich die Leptinspiegel wieder. Die Ghrelinwerte zeigten sich unverändert. Weitere gastrointestinale Peptide wie Cholezystochinin und Neuropeptid Y wurden untersucht, zeigten allerdings keine konsistenten Ergebnisse. Gewichtsverlust nach Akklimatisation Nach Akklimatisation in größeren Höhen wurde Gewichtsverlust bisher in der Regel nur in Höhen oberhalb von etwa 5.000 m beobachtet. Darunter scheint sich der Körper langfristig an die Hypoxie anpassen zu können und kein Gewicht
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zu verlieren. Ob der Gewichtsverlust in größeren Höhen wirklich auf z.B. verminderte Fettresorption oder Kohlenhydratresorption oder einfach Appetitlosigkeit zurückzuführen ist, bleibt im Moment noch ungeklärt. In Studien an Straßenarbeitern in Höhen bis zu 4.700 m konnte gezeigt werden, dass eine ausreichend hohe fetthaltige Diät sogar einen Gewichtszuwachs bringen konnte (12). Eine mögliche Ursache für diesen Unterschied könnte in der körperlichen Fitness der untersuchten Probanden liegen. In einer Übersicht über den Stoffwechsel in der Höhe betont Westerterp, dass untrainierte Menschen in der Regel ihre körperliche Aktivität nur auf etwa das 1,5-fache des Grundumsatzes steigern können, während trainierte Ausdauerathleten eine Steigerung der körperlichen Aktivität auf das 3- 4,5-fache erzielen können, ohne Gewicht zu verlieren. Dies ist im Wesentlichen durch eine deutlich erhöhte Energiezufuhr bedingt (6). Dies zeigt sich auch bei den nepalesischen Trägern, die zwar nur zwei Mahlzeiten am Tag aus logistischen Gründen einnehmen können, allerdings während dieser Mahlzeiten oft riesige Mengen an Reis und Tsampa zu sich nehmen.
Hypoxie und intestinale Absorption Nur wenige Studien wurden zur Kohlenhydrataufnahme in größeren Höhen durchgeführt. Dabei zeigte sich exemplarisch bei Denmore et al. eine 34-prozentige Abnahme der D-Xylose-Absoprtion in einer Höhe von 6.300 Metern. Diese Studie und eine weitere belegen die Vermutung, dass die Kohlenhydratabsorption in großen Höhen eingeschränkt ist (13). Inwieweit die Proteinabsorption und die Fettaufnahme unter Hypoxiebedingungen reduziert sind, bleibt unklar. Hierzu sind die Studienergebnisse widersprüchlich und nur wenige Studien überhaupt verfügbar. Dies ist auch auf die problematischen Untersuchungsbedingungen (z.B. 24-Stunden-Stuhlfettsammlung) zurückzuführen und darauf, dass erstaunlicherweise wenige Gastroenterologen Höhenforscher sind. Letztlich scheint es keinen Hinweis auf eine Malabsorption in Höhen bis zu 5.000 Metern zu geben, und darüber hinaus trägt eine mögliche intestinale Malabsorption nur zu einem geringen Teil zum Gewichtsverlust in der Höhe bei.
Wasserverlust in der Höhe Auf die Effekte der Veränderungen des intra- und extrazellulären Wassergehaltes wird weiter unten eingegangen. Hier soll nur kurz dargestellt werden, wie hoch das Ausmaß des Wasserverlustes über die Atmung in der Höhe ist.
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Früher wurde angenommen, dass der Wasserverlust in der Ausatmungsluft in großer Höhe sehr stark sein muss, da die Ventilation deutlich gesteigert wird und die Luft in der Höhe kalt und trocken ist. Zudem wurde angenommen, dass die Ausatemluft vollständig mit Wasser gesättigt sei und 37° betrage. Inzwischen konnte allerdings gezeigt werden, dass die Ausatmungsluft auf dem Weg nach außen in unterschiedliche Abschnitte unterteilt werden kann. Der Totraum ist in der Regel deutlich kühler als die Körpertemperatur und nicht vollständig mit Wasserdampf gesättigt. Die Ausatmungsluft von den Alveolen ist vollständig wasserdampfgesättigt und auch auf Körpertemperatur erwärmt, allerdings verliert dieser Atemluftanteil auf dem Weg nach draußen über die Benetzung der Schleimhäute im Mund und Nasenraum wieder Wasser und benetzt diese, so dass am Schluss der Wasserverlust über die Ventilation in der Höhe deutlich verringert ist. In einer Studie von Ferrus et al. 1984 wurden verschiedene Faktoren untersucht, die den Wasserverlust in der Ausatemluft betreffen (14). Dazu gehören die Temperatur der eingeatmeten Luft, der Wasserdampfdruck, die Atemfrequenz, das Vitalvolumen und die Dichte des eingeatmeten Gases. Wenn man die von Ferrus aufgestellte Gleichung auf einen Bergsteiger bezieht, der oberhalb von 8.000 m an sich einen Wasserverlust von mehr als 3 l haben müsste (bedingt durch die erhöhte Ventilation und die trockene Luft), zeigt sich nach Anwendung der Ferrus-Gleichung, dass der Bergsteiger letztlich vermutlich nur etwa 800 ml Wasser verliert. Daher dient das viele Trinken in der Höhe in der Regel nicht zur Kompensation des Wasserverlustes durch die Atmung, sondern des Wasserverlustes durch die anstrengende körperliche Arbeit sowie zur Verminderung der Höhenerkrankungen.
Z U S A M M E N FA S S U N G Appetitverlust und Gewichtsverlust kommen in mittleren und großen Höhen häufig vor. Allerdings kann in Höhen unterhalb von 4.500 Metern der initiale Gewichtsverlust meist wieder kompensiert werden, auch der Appetit kehrt wieder zurück. In Höhen von 4.000 - 6.000 Metern nimmt der Grundumsatz zwischen 10 und 15 % zu, in größeren Höhen möglicherweise noch mehr. Trotz des verringerten Sauerstoffangebotes scheint der Energieverbrauch in größeren Höhen im Vergleich z.B. zu den Alpen nicht verringert zu sein. Dies führt zusammengenommen häufig doch zu einem langsamen Gewichtsverlust in Höhen oberhalb von 4.500 Metern. Ob es eine besondere Diät gibt, die diesen Gewichtsverlust besonders gut auffangen kann, ist bis heute ungeklärt. Vermutlich ist eine kohlenhydratreiche
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Nahrung besser, da in größeren Höhen der Körper mehr auf Kohlenhydratverbrauch umzuschalten scheint. Dies ist anders als z.B. in besonders kalten Umgebungen wie in der Arktis. Allerdings gibt es hierzu noch keine guten Studien (15).
HYPOXIE UND HORMONELLE VERÄNDERUNGEN Ein vermindertes Sauerstoffangebot durch z.B. Anämie, Hypoxie oder Ischämie (Nierenarterienstenose) ist der Stimulus für Erythropoetinsynthese im peritubulären Interstitium. Hypoxie führt auf intrazellulärer Ebene zur Stabilisierung von HIF (Hypoxia Inducible Factor) und damit zur Akkumulation der HIF1-Alpha-Untereinheit. HIF ist Transkriptionsfaktor für viele Faktoren, darunter Erythropoetin, VEGF, Glukosetransport und andere. Erythropoetin stimuliert dann die Erythroblasten im Knochenmark, dies führt zur Polyglobulie. Die Erythropoetinspiegel sind eher Marker für eine akute Hypoxie als für eine chronische Hypoxie, da das Hormon pulsativ ausgeschüttet wird. Bereits wenige Stunden nach einem Hypoxiereiz ist ein erhöhter Spiegel nachweisbar. Unter Einnahme von ACE-Hemmern oder Theophyllin kommt es allerdings zu einer Reduktion des Erythropoetinspiegels. Auch kurzfristige Apnoen können zu einer Erhöhung des Erythropoetinspiegels führen, wie kürzlich De Brujn et al. gezeigt haben (16). Durch den Hypoxiereiz kann der Sauerstoffgehalt des Blutes bis in Höhen von etwa 5.300 m gleich gehalten werden. Durch die Zunahme des Hämoglobingehaltes von 14,5 g/dl auf 18,9 g/dl bleibt der Sauerstoffgehalt bei 18,9 ml/dl Blut trotz einer Verringerung der Sauerstoffsättigung von 96 auf 75 %.
Renin-Angiotensin-Aldosteronsystem und Hypoxie Eine mögliche Prävention der akuten Bergkrankheit besteht darin, viel zu trinken, dies konnte in epidemiologischen Studien gezeigt werden. Welche Rolle kann hierbei das Renin-Angiotensin-Aldosteronsystem spielen? Physiologischerweise führt eine Verminderung des Salz- und Wassergehaltes in der Niere zu einer Ausschüttung von Renin, was über Angiotensin 1 und 2 zu einer Stimulation von verschiedenen Systemen führt. Es kommt dabei zu einer Zunahme der sympathischen Aktivität, zu einer Zunahme der tubulären Natrium- und Chlorid-Reabsorption mit Wasserretention, zu einer arteriellen Vasokonstruktion mit Blutdruckanstieg sowie zu einer zunehmenden Sekretion des antidiuretischen Hormons (ADH). Alle diese Effekte führen zu einer Wasserund Salzretention mit einer negativen Rückkopplung auf die Reninexkretion.
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Während verschiedene Studien trotz Reninanstiegs unter zunehmender Hypoxie einen fehlenden Aldosteronanstieg gezeigt haben, zeigt sich trotzdem typischerweise unter Hypoxie eine Natriumretention, besonders unter Belastung. Dies hängt möglicherweise mit einer Konzentrationssteigerung des atrialen natriuretischen Peptids (ANP) zusammen. Dies führt im zeitlichen Verlauf unter Hypoxiebelastung initial zu einer Zunahme des interstitiellen Volumens sowie des Plasmavolumens mit einer parallelen Abnahme des intrazellulären Volumens, erst in etwa 14 Tagen normalisiert sich der Volumengehalt unter Akklimatisation im Körper wieder weitgehend.
Antidiuretisches Hormon Unter akuter Hypoxie kommt es zu einem initial kurzen Anstieg des ADH, danach normalisiert er sich im Vergleich zur Voruntersuchung, und es ergeben sich keine relevanten Veränderungen unter Belastung. Unter chronischer Hypoxie zeigt sich ebenfalls keine signifikante Änderung, es zeigt sich allerdings auch keine adäquate Reaktion auf Dehydratation, dies ist möglicherweise abhängig von der akuten Symptomatik wie z.B. Bergkrankheit. In einer Studie von Loeppky et al. konnte nachgewiesen werden, dass Probanden, die eine akute Bergkrankheit entwickelten, während der ersten Stunden unter Hypoxiebelastung eine verringerte Urinausscheidung, eine positive Wasserbilanz und eine Zunahme der ADH-Sekretion zeigten (17). Im Gegensatz dazu hatten Probanden, die keine akute Bergkrankheit entwickelten, immer niedrigere ADH-Spiegel sowie eine negative Flüssigkeitsbilanz. Daher ist vermutlich die initiale, auch forcierte Wasserdiurese für die Resistenz gegenüber der akuten Bergkrankheit entscheidend. Welchen Veränderungen das atriale natriuretische Peptid (ANP) unter Hypoxie unterliegt, ist bisher nicht ganz klar. Bekannt ist, dass ANP bei pulmonaler arterieller Hypertonie erhöht ist, was in der Höhe bei vielen, auch gesunden Probanden der Fall ist. Dies ist vermutlich Folge der atrialen Dehnung. Möglicherweise ist ein ANP-Anstieg unter Hypoxie eher günstig, da er die Wasserexkretion fördert .
Steroidhormone Hypoxie bewirkt einen ACTH-Anstieg, damit auch eine Erhöhung der Kortisolsekretion, welche sich im Verlauf wieder normalisiert und auch wieder auf die normale diurnale Variabilität zurückgeführt werden kann.
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Daher muss z.B. nach Hypophysenvorderlappenoperation bei Hypoxieexposition die Hydrokortisonsubstitutionsdosis gesteigert werden. Wir wissen inzwischen auch, dass unter chronischer Hypoxieexposition die Nebennierenrinde auf ACTH sensibilisiert ist und leichter Steroid ausschüttet (18). Analog zur Steroidsynthese, welche unter Hypoxie gesteigert ist, kommt es auch zu einer Stimulierung des sympathiko-adrenergen Systems. Es kommt zum Anstieg von Adrenalin und Noradrenalin, wobei sich der Adrenalinspiegel im längerfristigen Verlauf wieder normalisiert, Noradrenalin bleibt erhöht. Dies führt initial zu einer Zunahme von Herzfrequenz und Herzminutenvolumen, wobei das Herzminutenvolumen längerfristig wieder auf den Vorwert zurückgeht. Bei lang dauernder Hypoxie wird zum Teil eine Vergrößerung der Nebennieren berichtet sowie eine Downregulation der kardialen Beta-Rezeptoren. Dies führt letztlich auch zu einer Downregulation der maximal erreichbaren Herzfrequenz. Dies gilt allerdings nicht für nepalesische Sherpas, die offenbar genetisch auch unter lang dauernder Hypoxie einen erhöhten Pulsanstieg aufweisen. Wie andere auch, konnten wir entsprechend dem Sympathikusanstieg unter Hypoxie an einer Gruppe von übergewichtigen Probanden einen signifikanten Blutdruckanstieg an Tag 1 und Tag 7 in einer Höhe von 2.650 m nachweisen. Auch die diastolischen Werte waren erhöht. Nach Rückkehr auf 520 m normalisierten sich die Werte allerdings wieder rasch. Akute und chronische Hypoxie bewirken einen Anstieg des TSH sowie von T3 und T4, dies wird verstärkt unter Belastung. Damit kommt es unter Hypoxie wie bereits oben genannt zu einer Erhöhung des Ruheumsatzes. Entsprechend einer Stressreaktion kommt es initial auch zu einem Anstieg von Insulin und Nüchtern-Blutzucker, dies normalisiert sich allerdings im Verlauf. Diabetiker sollten beachten, dass die Insulinsensitivität initial reduziert ist und später nach Akklimatisation erhöht ist (19). Entsprechend müssen bei Höhenaufenthalt häufige Blutzuckermessungen erfolgen.
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N i k o l a u s C . N e t z e r, R o l a n d C h y t r a , T h o m a s K ü p p e r
Bei adipösen Personen führt n i e d r i g i n t e n s i v e s Tr a i n i n g i n n o r m o b a r e r Hypoxie zu signifikant mehr Gewichtsverlust als in normobarer Normoxie (Sham Hypoxie) Low intensity training in normobaric hypoxia leads to a significant greater weight loss as compared to normobaric normoxia
S U M M A RY Objectives: Training in mild to moderate hypoxia (14-17% O2 in breathing air) and extended resting in moderate hypoxia (9-13% O2) have been shown to have effects in animals and humans on lipid and glucose metabolism, appetite loss and in part on body weight. The causality for these effects is not yet known in detail and the available data in humans from high altitude and low pressure chamber studies are scarce. New technical developments by German companies in the production of artificial climates with normobaric hypoxic conditions in larger rooms at reasonable energy costs allow now to perform hypoxia weight loss studies in obese humans with stable experimental conditions and protocols with a sham hypoxia control. Methods: 32 obese people were recruited for a mild intense training study in normobaric hypoxia (15 Vol% O2) and normoxia/sham hypoxia (20.1 Vol% O2). 20 of these (mean age 47.6yrs, mean BMI 33.1, 16 m, 4 f) were willing to follow up on a 8 wk, three times/week, 90min low intense physical exercise in their individual fat burning mode, which has been determined by an exercise testing with spiro ergometry upfront. The subjects were evenly randomized into a hypoxia and sham hypoxia group. The difference of the 2 groups in weight loss and changes in HBa1C values were analyzed before and after the training period. No nutritional diet was applied.
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Results: Subjects in the hypoxia group in mean lost significantly more weight than in the sham hypoxia group (∆-1.14 kg vs. ∆-0.03kg; p 0.026). This resulted in a tendency to reduce the BMI more in the hypoxia group (p 0.326). In the mean there was no HbA1C exceeding normal values (mean 5.67% and 5.47%) and the HbA1C stayed basically unchanged after the 8 week training. Conclusion: Mild physical exercise 3/wk/90min in normobaric hypoxia for 8 wks led to significantly greater weight loss in obese persons than the exercise in sham hypoxia in this to our knowledge first sham hypoxia controlled study. Keywords: Normobaric Hypoxia, Weight Loss, Physical Exercise
Z U S A M M E N FA S S U N G Studiengegenstand: Training in geringfügiger bis moderater Hypoxie (14-17% O2 in der Atemluft) als auch ein prolongierter Ruheaufenthalt in moderater Hypoxie (9-13% O2) haben in vergangenen Studien Einfluss auf den Lipid- und Glucosestoffwechsel sowohl im Tierversuch als auch bei Beobachtungen an Menschen gezeigt und teilweise zu Appetit- und Gewichtsverlust geführt. Die Kausalitäten dafür sind noch nicht im Detail bekannt und die Datenlage von Humanstudien in Höhenlagen in simulierter Höhe ist dürftig. Eine neue Technik eines deutschen Herstellers ermöglicht die Simulation von Höhe mit normobarer Hypoxie durch Stickstoffzufuhr in größeren Räumen bei stabilen CO2Werten und reduzierten Energiekosten. Durch den Bau einer solchen Anlage in unserer Einrichtung wurde eine Stoffwechselstudie bei adipösen Personen mit einer Hypoxie- und Sham-Hypoxie-Kontrollgruppe möglich. Methodik: 32 adipöse Personen wurden für die Studie mit niedrig intensivem Training in normonarer Hypoxie (15Vol% O2) und Normoxie/Sham Hypoxie (20,1 Vol% O2) rekrutiert. 20 davon (Ø 47,6 j, Ø BMI 33,1, 16m, 4f) waren bereit 3x/Woche 90 min im individuellen Fettverbrennungsniveau, das vorher durch eine Ergospirometrie determiniert wurde, zu trainieren. Die Probanden wurden randomisiert auf die Hypoxie und Sham-Hypoxie Gruppe verteilt (Einfach Blind). Zielparameter waren die Unterschiede der Gruppen in Hinsicht auf Gewichtverlust und HBa1C sowie Lipidparameter. Die Probanden sollten ihre gewohnte Ernährung fortsetzen. Ergebnisse: Die Probanden in der Hypoxiegruppe verloren im Schnitt signifikant mehr Gewicht durch das Training als die in der Kontrollgruppe (䉭 - 1.14kg vs. 䉭 -0.03kg; p 0.026). Dies resultierte in einer leichten Tendenz zur BMI Reduktion in der Hypoxiegruppe (p 0.326). Die bereits im Vorfeld normalen HbA1C Werte (Ø 5.67% und Ø5.47%) stagnierten auf diesem Niveau auch nach dem Training.
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Schlussfolgerung: Niedrigintensives körperliches Training 3x/Woche/90min in normobarer Hypoxie für 8 Wochen führt bei deutlich Adipösen zu signifikant höherem Gewichtsverlust als das gleiche Training in Sham-Hypoxie. Schlüsselwörter: Normobare Hypoxie, Gewichtsverlust, Training
EINLEITUNG Höhenexposition und die durch sie verursachte Hypoxämie haben verschiedenste Effekte auf den menschlichen Körper. Diese Effekte sind seit dem 19.Jh bekannt und die Höhenmedizin hat zahlreiche physiologische und pathophysiologische Phänomene beschrieben (1). Gewichtsverlust in der Höhe unter Hypoxie ist eines dieser Phänomene, allerdings ist der genaue Kausalzusammenhang bis heute unklar und es ist nicht bekannt ob es sich um eine individuell sehr unterschiedliche Höhenreaktion handelt (2, 3, 4, 5). Die Entdeckung des Hypoxie Induzierten Faktors Alpha 1 (HIF – 1) und die Mediatorenkaskade, die er auslöst, haben Spekulationen befördert und Untersuchungen an verschiedensten Stoffwechselsignalen veranlasst. Eines der von HIF getriggerten Peptidhormone ist Leptin (6, 7, 8, 9). Dies könnte in die Richtung führen, dass der menschliche Lipidstoffwechsel durch Hypoxie beeinflusst wird, und dass Hypoxie Signale vermittelt, die zu reduzierter Nahrungsaufnahme, veränderter Fettmobilisation und reduzierter Fettaufnahme führen (10). Da die Gesellschaften in den Industriestaaten zunehmend Probleme durch Gesundheitsrisiken mit Adipositas, pathologisch erhöhten Fettwerten und einer stetig wachsenden Anzahl von Bürgern mit metabolischem Syndrom haben, wächst der Drang nach effektiven aber preiswerten Präventions- und Behandlungsstrategien gegen diese Problematiken. Dies hat auch die Idee aufkommen lassen, ob Training und Aufenthalt in moderaten Höhenlagen bzw. Hypoxie Gewichtsverlust fördern und den Fett- und Zuckerstoffwechsel verbessern könnte. Mehrere Feldstudien zu diesem Thema sind bereits erfolgt allerdings immer ohne Kontrollgruppen (11, 12, 13). Lediglich in der AMAS 2000 Studie haben Patienten mit metabolischem Syndrom in moderater Höhe auf 1700m für 3 Wochen gelebt und trainiert und wurden mit einer Kontrollgruppe von Patienten im Flachland verglichen (14). Das Konstruktionsdesign unserer Einrichtung mit normobarer Hypoxie erlaubt es hypoxische Bedingungen durch die Klimatisierung vorzutäuschen ohne die Räumlichkeiten tatsächlich unter hypoxischen Bedingungen laufen zu lassen (Sham Hypoxie). Dies erlaubt Einfachblindstudien zum Gewichtsverlust in
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simulierter Höhe. Unser Studienziel war eine Studie mit Training in moderater Hypoxie (15 Vol % O2) zum Effekt auf Gewichtsverlust und Fettstoffwechsel durchzuführen und die Ergebnisse mit einer Kontrollgruppe in Sham Hypoxie zu vergleichen.
METHODIK Einrichtung: Unsere Hypoxie-Einrichtung im renovierten Kurmittelhaus der Moderne in Bad Reichenhall hat drei Räume (90m2, 37m2 and 25m2), in denen mit normobarer Hypoxie Höhen bis zu 6000m (ca. 7 Vol% O2) simuliert werden können (siehe Abbildung 1).
Abbildung 1: Der 90 m2 Hypoxie Trainingsraum mit Trainingsgeräten. Bei den Räumlichkeiten handelt es sich um zwei gut ausgestattete Trainingsräume und einen Schlaf und Aufenthaltsraum mit eigener großer Nasszelle. Um Höhe zu simulieren werden die Räume mit Stickstoff geflutet und die Restluft abgesaugt, dadurch wird die Sauerstoffvolumenkonzentration auf das gewünschte Niveau gesenkt. Die Atemgase Sauerstoff und Kohlendioxid in der Atemluft werden ständig gemessen. Diese Messdaten werden an einen PC übermittelt, welcher mit der spezialisierten Software den Gaszustrom von Stickstoff und Frischluft über die Klimaanlage kontinuierlich anpasst (Software von Low Oxygen Systems, Berlin; Hardware von Atlas Copco, Walter Bau, Siemens und Fujitsu Siemens). Der Stickstoff wird via Hochdruckfiltration vom Sauerstoff getrennt. Durch den kontinuierlichen Luftfluss aus der Klimaanlage ergibt sich in den Räumen ein leises Strömungsgeräusch. Normalerweise wird die simulierte Höhe in den Räu-
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men angezeigt, aber für die Einfachblindstudie wurden die Höhenanzeigen abgedeckt. Probanden: 32 adipöse, ansonsten gesunde Probanden (22m, 10w) mit einem Mindest-BMI von 27 und einem Minimalalter von 16 Jahren wurden gefragt an der Studie mit einem Trainingsumfang von 3x90min/Woche mit niedrigintensiver körperlicher Belastung teilzunehmen. Die Zahl von 32 entsprach der statistisch kalkulierten Mindestzahl für eine BMI Differenz von 1 Punkt. Die Probandenaquise erfolgte über Bekanntmachung im Lokalradio und im lokalen Werbeblatt. Die Teilnahme wurde nicht vergütet. Alle Probanden wurden gebeten ihren bisherigen Nahrungsmittel und Getränkekonsum in der trainingsfreien nach Wunsch Zeit fortzusetzen, um einen diätetischen Einfluss auf die Studienergebnisse zu vermeiden. 20 Probanden waren schließlich bereit an der Studie für 8 Wochen teilzunehmen und die schriftliche Einverständniserklärung abzugeben. Darunter befand sich kein minderjähriger Proband mehr. Die Teilnehmer wurden randomisiert im Einfachblinddesign den Studiengruppen zugeordnet. Die antropometrischen Daten der Teilnehmer der zwei Studiengruppen finden sich in Abbildung 2 und 3. Beide Gruppen waren vergleichbar hinsichtlich Alter, Gewicht und Geschlecht. Bei allen 20 Teilnehmern wurde eine Spiroergometrie durchgeführt um die V02max (ml/kg/min) zu determinieren und das Trainingsniveau wurde auf das Herzfrequenzniveau festgelegt, das die Probanden in Normoxie bei 60% VO2max hatten. Damit sollte ausgeschlossen werden, dass die Hypoxie allein durch HF-Erhöhung bei gleicher Watt-/Geschwindigkeitsleistung Einfluss auf den Stoffwechsel nimmt. Zum Ausschluss einer Herzinsuffizienz (NYHA 2-4) wurde bei allen Probanden eine Echokardiographie durchgeführt.
Abbildung 2: Mittleres Alter (SD), Körpergewicht und Body Mass Index der Probanden, die die Studie in der Hypoxie Gruppe abschlossen.
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Studienparameter: Primärer Studienparameter war Körpergewicht (kg) vor und nach der Trainingsperiode. Sekundäre Studienparameter waren: BMI und die Laborparameter (bestimmt aus Serum und EDTA-Blut) HbAC1, Gesamtcholesterin, HDL und LDL und Triglizeride. Die Blutabnahmen fanden vor und nach der Trainingsperiode statt, das Körpergewicht wurde regulär mittels geeichter medizinischer Personenwaage (Seca) bestimmt. Trainingsperiode: Die Probanden trainierten mit der vorbestimmten Herzfrequenz entweder in Normoxie (20,1 Vol% O2, equivalent 470m Höhe) oder in Hypoxie (15Vol% O2, equivalent 2500m Höhe) auf Steppern, Laufband und Fahradergometer. Die arterielle Sauerstoffsättigung wurde aus Sicherheitsgründen kontinuierlich mittels Pulsoxymeter (Konica Minolta, Japan) kontrolliert und alle Probanden wurden mittels Lake Louise Fragebogen hinsichtlich des Auftretens von akuter Höhenkrankheit abgefragt. Die Pulsoxymetriedaten wurden für die Probanden nicht sichtbar gemacht. Das Training fand unter kontinuierlicher medizinischer Aufsicht statt. Statistik: Die Unterschiede zwischen den Gruppen wurden mittels Student-t Test bestimmt, die statistische Signifikanz wurde mit p< 0.05 determiniert (Statistiksoftware: Excel, Microsoft, Redwood, WA, USA). Die Daten werden als deskriptive Daten angegeben und als Mittelwerte mit Standardabweichung. Ethik und Einverständniserklärung: Das Studienprotokoll wurde vom Ethik Komitee der Paris Lodron Universität Salzburg genehmigt. Alle Probanden gaben ihr schriftliches Einverständnis für die Teilnahme. Minderjährige nahmen nicht teil.
Abbildung 3: Mittleres Alter (SD), Körpergewicht und Body Mass Index der Probanden die die Studie in der Sham-Hypoxie Gruppe abschlossen.
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ERGEBNISSE Alle 20 Probanden beendeten die Studie ohne das Auftreten unerwünschter Wirkungen. Bei keinem Probanden, der in der Hypoxiegruppe trainierte, kam es zu akuter Bergkrankheit. Die durchschnittliche Herzfrequenz bei allen Probanden lag bei 118/min. Die Probanden hielten die vorbestimmte Herzfrequenz bei 60% O2 max in Normoxie während des Trainings in Normoxie oder Hypoxie konstant (+/- 3/min). Die Hypoxiegruppe hat daher bei einer leicht niedrigeren Wattzahl trainiert. Wegen des neutralen Geruchs der klimatisierten Luft konnten die Probanden nicht sagen, ob sie in Hypoxie oder Normoxie trainierten. Mehr als 50% der Probanden verschätzten sich bei der Angabe, ob sie in Hypoxie oder Normoxie trainierten. Gewichtsabnahme: Die Hypoxiegruppe nahm im Mittel 1,14kg an Gewicht ab, die Sham-Hypoxie Gruppe änderte ihr Körpergewicht im Mittel nicht (p= 0.02, siehe Abbildung 4 und 5). Dies führte zwar zu einer leichten Tendenz in der Hypoxiegruppe mehr an BMI abzubauen (p= 0.33), aber für eine statistische Signifikanz waren hier wie zu erwarten die Gruppen zu klein. Lipide und HbA1C: Keine der Differenzen zwischen den Gruppen bei den Lipidwerten erreichte statistische Signifikanz, aber die Hypoxiegruppe zeigte bei Studienende eine leichte Tendenz zu niedrigeren Cholesterinwerten (10.7mg/ml vs. 6.0mg/ml; p = 0.68), Triglyzeriden und LDL sowie leicht höheren HDL Werten (Abbildung 6 und 7). Die gesunden Probanden beider Gruppen waren Nicht-Diabetiker. Sie hatten wohl in Folge der Adipositas HbA1C Werte an der Schwelle, aber noch im Normalbereich (5.67% und 5.47%). Diese Werte veränderten sich nicht nach der Trainingsperiode.
Abbildung 4: Mittlerer Gewichtsverlust (SD) nach 8 Wochen in der Hypoxie vs. Sham-Hypoxie Gruppe.
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Abbildung 5: Gewichtsreduktion oder –zunahme bei den einzelnen Probanden (matched pairs bezüglich Alter) der Hypoxie vs. Sham Hypoxie Gruppe (Y-Achse = kg; X-Achse = Probandennummer). Gewichtsverlust trat bei 6 Personen der Hypoxie Gruppe und 4 der Sham – Hypoxie Gruppe auf, Gewichtszunahme bei 2 der Hypoxie und 4 der Sham-Hypoxie Gruppe. Bei 2 Personen der Hypoxie-Gruppe (Nr. 4 und Nr. 8) und bei 2 der Sham-Hypoxie Gruppe (Nr. 8 und Nr. 9) blieb das Gewicht unverändert.
Abbildung 6: Mittlere (SD) Reduktion und Anstieg von Triglyzeriden in der Hypoxie- vs. Sham-Hypoxie Gruppe.
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Abbildung 7: Mittlere (SD) Reduktion bei den High Density Lipoproteinen (HDL) in der Hypoxie- vs. Sham- Hypoxie Gruppe.
DISKUSSION Die hier präsentierte Studie ist unseres Wissens die erste Untersuchung zum Fettstoffwechsel und zu Gewichtsverlust in moderater Hypoxie/simulierter Höhe mit einer Sham-Hypoxie Kontrollgruppe. Wir konnten zeigen, dass adipöse Personen signifikant mehr an Gewicht verloren, wenn sie während einer Trainingsperiode mit niedrigintensiver körperlicher Belastung 3x90min/Woche in 15Vol% Sauerstoff in der Atemluft trainierten als Vergelichspersonen in normaler Luft auf 450m Höhe (20.1Vol% O2). Wir konnten zwischen den Gruppen allerdings keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der Veränderung von Lipidwerten und HbA1C finden. Hinsichtlich der Art der Studie als Untersuchung zum Gewichtsverlust bei Adipösen und darüber hinaus hat unsere Untersuchung einige Limitationen, die diskutiert werden müssen. Die Zahl der Probanden ist mit 20 zu niedrig, um eine Reduktion des BMI zu ermitteln und die Stichprobenanalyse hätte eine Mindestanzahl von 32 Probanden erfordert. Wir haben versucht die korrekte Anzahl an Probanden zu gewinnen, aber es ist eine grundsätzliche Problema-
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tik bei Gewichtsverluststudien, dass adipöse Personen oft nicht genügend Bereitschaft zeigen eine komplette Studie über eine entsprechende Dauer mitzumachen. Die Gewichtsabnahme von im Schnitt 1.14 kg bei der Hypoxiegruppe erscheint nicht gerade sehr viel. Allerdings muss gesagt werden, dass einige Probanden aus der Hypoxiegruppe deutlich mehr an Gewicht abgenommen haben und dass dieser Gewichtsverlust über die 8 Wochenperiode nicht im Bereich natürlicher Gewichtsschwankungen liegt. Und dies geschah, obwohl die Personen in der Hypoxiegruppe mit etwas niedrigerer Leistung trainiert haben auf Grund der in der Hypoxie bereits basal leicht erhöhten Herzfrequenz. Wir können nicht ausschliessen, dass die Normoxiegruppe wegen des dadurch etwas geringfügig intensiveren Trainings Fett abgebaut und Muskelmasse aufgebaut hat, aber es erscheint bei der insgesamt niedrigen Trainingsintensität eher unwahrscheinlich. Da unsere Probanden nicht diätetisch kontrolliert wurden ist es möglich, dass sie ihre Ernährung verändert haben. Uns erschien allerdings zum einen dies der einzige Weg, dass der Hypoxie- und Trainingseinfluss nicht durch eine Diät beeinflusst werden würde und zum anderen wäre eine reduzierte Nahrungsaufnahme oder reduzierter Fettkonsum durchaus Teil des Studienziels gewesen. Dies gilt ganz besonders dann, wenn tatsächlich erhöhte Leptinsekretion in der Hypoxie zu geringerem Hunger speziell geringerem Hunger auf Fett führen sollten. Um eine akkuratere Kontrolle der Nahrungsaufnahme zu haben müsste eine strenge Analyse der aufgenommenen Nahrung erfolgen oder eine gleichgeschaltete Diät auf der Basis des individuellen Grundumsatzes. Dazu müssten die Probanden unter ständiger Supervision sein. Dies ist aber in der Regel, so auch bei uns, logistisch bei ambulanten über einen längeren Zeitraum gehenden Untersuchungsstudien nicht zu bewerkstelligen. Unsere Ergebnisse sind konsistent mit den Ergebnissen früherer Studien zum Thema Gewichtsverlust unter moderater Hypoxie/Höhe (11,12,13,14). Das Einfachblinddesign mit der Sham-Hypoxiegruppe, die keine Gewichtsabnahme bei denselben Trainingsbedingungen hatte, stützt die Hypothese, dass körperliche Belastung in Hypoxie zu gesteigertem Gewichtsverlust führt. Der genaue Grund, warum es dazu kommt ist nach wie vor nicht sicher bekannt. Einige Untersuchungen konnten zeigen, dass der Körper Fett als Energiesubstrat reduziert wegen des erhöhten Sauerstoffbedarfs bei der Fettverbrennung (2,13), aber dies wird immer noch kontrovers diskutiert (14). Gründe für diese Kontroverse könnten darin liegen, dass Probanden noch nicht über längere Zeiträume hinweg untersucht werden konnten (14). Bei den meisten Studien handelte es sich um körperliche Belastungen über Stunden oder wenige Tage, nicht über Wochen wie in unserer Untersuchung.
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In unserer Studie haben die Probanden, die in Hypoxie trainierten, im Gegensatz zu den Probanden der Sham-Hypoxie Kontrollgruppe ihre Triglyzeride und ihr LDL deutlicher abgesenkt und ihr HDL stabiler gehalten. Allerdings hat keiner dieser Effekte Signifikanzniveau erreicht. Auf der Basis der aktuellen Literatur kann dies verschiedene Gründe haben: Entweder ist die Fettmobilisation auf Grund der Hypoxie reduziert und so werden niedrigere Spiegel gemessen, oder der Anstieg von Katecholaminen in Hypoxie führt zu reduzierter Lipolyse aus dem intrazellulären Fettdepot (17,18). Am wahrscheinlichsten erscheint es, dass die angestiegenen Leptinspiegel zu einer reduzierten Fettaufnahme führen und dies der Grund für die niedrigeren Serumtriglyzeridspiegel ist (6,10). Die endgültige Antwort steht noch aus und weitere Untersuchungen sind zur Klärung notwendig. Andere Mediatoren neben den Katecholaminen, wie IGF (Insulin Like Growth Factor) könnten beides in Hypoxie beinflussen, den Fett- und den Zuckerstoffwechsel (16). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es mehr und mehr Evidenz dafür gibt, dass sogar moderate Hypoxie in simulierter Höhe unter komfortablen, standardisierten Bedingungen zusammen mit körperlicher Bewegung verstärkte Gewichtsabnahme induziert. Gewichtsabnahmestrategien mit körperlicher Bewegung und Diät oder nur körperlicher Aktivität könnten in der Zukunft mit Hypoxie kombiniert werden. Weitere Studien sollten darüber hinaus klären, ob der Aufenthalt in Hypoxie alleine auch ohne Training ebenfalls zu Gewichtsverlust führt und ob dies eine sichere Methode bei einigen Adipositaspatienten wäre.
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Regina Roller-Wirnsberger
B e r gspor t i m A l t e r Mountain sports in elder age
S U M M A RY The number of people who intend to actively do sports and remain fit also at high age increases with an increase of life expectancy. According to demographical changes it is especially the Alpine sports that enjoy great popularity. From the point of view of the physicians that treat older people who intend to enjoy their experience in the mountains, the need for new and specific knowledge regarding pathophysiological changes in the process of aging – that in return influence each individual fitness – is obvious. Additional existence of illnesses can lead to further individual risks for injuries as well as death risks during mountaineering. The following article tries to summarize an analytic overview of currently available literature regarding the specifics and characteristics of pathophysiology of older people and their adaptation at higher altitudes as well as elucidate the impact of individual illnesses on the performance of those mountaineers. Keywords: mountain sports, age, pathophysiological changes, age related disease, risk management
Z U S A M M E N FA S S U N G Mit der zunehmenden Lebenserwartung gibt es immer mehr Menschen, welche bis in hohe Lebensalter sportlich aktiv bleiben. Vor allem der Alpinsport erfreut sich entsprechend der demografischen Entwicklung zunehmender Beliebtheit. Aus der Sicht der behandelnden Ärzte ergibt sich aus dem Umgang mit älteren Menschen, welche das Bergerlebnis genießen wollen, ein neuer und besonderer Bedarf an Wissenszuwachs betreffend pathophysiologische Veränderungen des Alternsprozess, welche einen spezifischen Einfluss auf die individuelle Fitness haben. Zusätzlich bestehende Erkrankungen können das individuelle Risiko für
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Verletzungen aber auch das Todesfallrisiko bei Ausübung des Bergsports bedeuten. Der vorliegende Artikel versucht in einer Übersichtsanalyse der vorliegenden aktuellen Literatur die Besonderheiten der Pathophysiologie der Höhenanpassung bei älteren Menschen sowie den Impact einzelner Erkrankungen auf die Belastbarkeit älterer Bergwanderer zu beleuchten. Schlüsselwörter: Bergsport, Alter, Pathophysiologische Veränderungen, Erkrankungen des Alters, Risikomanagement
EINLEITUNG - PHYSIOLOGISCHE VERÄNDERUNGEN DER L E I S T U N G S F Ä H I G K E I T M I T D E M A LT E R Mit der zunehmenden Lebenserwartung gibt es immer mehr Menschen, welche bis in hohe Lebensalter sportlich aktiv bleiben. Vor allem das Bergwandern hat seit jeher einen hohen Stellenwert als Breitensport in den Ländern der Alpenregion. Namhafte Alpinisten waren und sind bis in das hohe Lebensalter sportlich aktiv. Basis für alpine Höchstleistungen im fortgeschrittenen Alter ist das über das gesamte Leben bestehende regelmäßige Training. Wichtig zu betonen ist aber, dass auch das bereits fortgeschrittene Lebensalter keine Entschuldigung dafür darstellt, nicht mit einem Sport zu beginnen. Insbesondere das Bergwandern bietet sich hier auch für Menschen in der fortgeschrittenen Lebensdekade besonders an. Der Bergsport stellt aber im Besonderen hohe Ansprüche an die individuelle Fitness. Werden mit zunehmendem Alter die Gesundheit beeinträchtigt, bedeutet das für den Einzelnen nicht nur ein global, sondern auch individuell erhöhtes Risiko für Verletzungen aber auch des Todesfallrisikos bei Ausübung des Bergsports. Das erfüllende Bergerlebnis setzt prinzipiell eine kontinuierliche aerobe Belastbarkeit voraus. Basis dafür ist die ausgewogene Fähigkeit des kardiorespiratorischen Systems Sauerstoff und Nährstoffe an den metabolisch aktiven Muskel zu liefern (1). Die maximale Sauerstoffaufnahme (VO2max) gilt als verlässlichster Marker zur Bestimmung derselben im Rahmen von Ausdauerbelastungen. Diese sinkt nachweislich bereits ab einem Alter von 35 Jahren kontinuierlich ab. Die jährliche Abnahmerate beträgt 0,5 - 1,0 % (2). Bei einer fehlenden regelmäßigen körperlichen Belastung und einem fortschreitendem Lebensalter kann diese in einem noch stärkeren Maße abnehmen. Prinzipiell ist diese aber bei Frauen aller Alterskategorien im Vergleich zu Männern niedriger. Ursache dafür dürfte in erster Linie der niedrigere Hämoglobingehalt, das geringere kardiale Schlag-
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volumen und die geringere Gesamtmuskelmasse sein (1). In Zahlen angegeben bedeutet das eine Reduktion der maximalen Sauerstoffaufnahme im Alter um 40 - 45 %. Das Fassungsvermögen der Lungen und das maximale Herzminutenvolumen sind um denselben Prozentsatz vermindert. Die erzielbare maximale Herzfrequenz unter Belastung des Bergaufgehens minimiert sich mit fortschreitendem Alter. Überschlags mäßig lässt sich die maximale Herzfrequenz, welche bei der Belastung nicht überschritten werden sollte mit der Berechnung „220 minus Lebensalter“ quantifizieren. Um den mit der Höhe abnehmenden Sauerstoffpartialdruck zu überwinden muss die Ventilationsfrequenz deutlich gesteigert werden. Dies kann beim alternden Bergsteiger oder bei Begleiterkrankungen zum limitierenden Faktor werden. Altersbedingt kommt es zu einer abnehmenden Gesamtelastizität der Lungen mit einer konsekutiven Erhöhung der pulmonalen „Working Load“ (2). Zudem nimmt die Steifigkeit des Thorax und seiner Muskulatur zu; eine maximale Inspiration ist nicht mehr in dem Ausmaß wie bei jungen Athleten möglich. Damit sind sowohl In- wie auch Expiration beeinträchtigt und die Vitalkapazität nimmt nach dem 20. Lebensjahr kontinuierlich um ca. 25 ml pro Jahr ab. Das residuale Lungenvolumen nimmt zu, die forcierte expiratorische Kapazität ist reduziert. Hauptfaktor für diese Veränderung ist die fehlende Muskelkraft im Alter um den Thorax zu heben. Regelmäßiges Training kann diese Veränderungen aber verzögern. Eine insuffiziente Ventilation würde prinzipiell den Sauerstoffpartialdruck absenken und zu einer unumgänglichen Hypoxie vor allem in großen Höhen führen. Wenn allerdings Bewegung mit einer höhenbedingten Hypoxie zusammen kommt, ist die pulmonale Antwort in der Regel mehr als nur „additiv“. Durch eine verstärkte Hyperventilation steigt der arterielle Sauerstoffgehalt exponentiell an und gleicht den mit der Höhe fallenden O2 Partialdruck der Atemluft aus (3). Ein weiteres Organsystem, welches einen die Lebensqualität massiv beeinflussenden Stellenwert hat, ist der Bewegungsapparat. Ohne Training vermindert sich die Muskelmasse jährlich um etwa 0,5 bis 0,8 % und mehr. Durch eine vermehrte Einlagerung von Bindegewebe und Fett kommt es in der Folge zu einer Kraftreduktion, welche in Abhängigkeit vom Trainingszustand stark variiert. Zudem verändert sich der Energiehaushalt der Muskulatur mit zunehmendem Alter. Als Folge wird die Muskelkontraktion ineffizienter. Relativ gesehen wird der individuelle Energieverbrauch der Muskulatur im Alter größer. Diese Veränderungen treten allerdings in den einzelnen Muskelgruppen zu unterschiedlichen Lebensabschnitten auf. Die Rückenmuskulatur nimmt in ihrer Kraft schon ab dem 30. Lebensjahr ab, wobei die Oberschenkel- und Handmuskulatur, die
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im Alltag genauso wie beim Bergwandern stark beansprucht sind, erst ab dem 55. bis 60. Lebensjahr signifikant atrophiert (4). Die Veränderung der Struktur betrifft ebenso die Knochen, Knorpel, Sehnen und Gelenke. Durch eine veränderte Bindegewebszusammensetzung und einen Verlust an Flüssigkeit werden diese steif - bei Überlastung besteht eine erhöhte Verletzungsgefahr. Eine vermehrte mechanische Belastung von Knie- und Hüftgelenken, wie dies beim Bergabgehen der Fall ist, kann bei extremer sportlicher Betätigung zu vorzeitigen degenerativen Veränderungen der Gelenke führen. Der mögliche fördernde Einfluss mechanischer Belastungen auf die Entwicklung von Osteoarthrosen ist in der Literatur umstritten (5). Eine zusätzlich bestehende Adipositas kann diese Veränderungen noch beschleunigen. Prinzipiell bedeutet aber eine Adipositas keine Kontraindikation zum Bergsport. Sie vermindert aber die bereits diskutierten Attribute von grober Kraft und Ausdauer. Durch die Veränderungen der Muskulatur kommt es im Laufe der Zeit auch zu Veränderungen des Nervensystems. Die Anzahl der Nervenfasern und deren Überleitungspunkte reduzieren sich um circa 30 %. Folge davon ist eine Verschlechterung der Gedächtnisleistung, der Entscheidungsfähigkeit, und der geistigen Funktionen in Hinblick auf eine schnelle räumliche und zeitliche Orientierung. Mit zunehmendem Alter nimmt auch die Koordinationsfähigkeit ab. Die Bewegungen werden langsamer und weniger zielgenau. Das alpine Schilaufen, Schilanglaufen oder Mountainbiken im Gelände sind ausgezeichnete Sportarten zum Koordinations- und Gleichgewichtstraining (6). Mit zunehmendem Alter kommt der Körper mit deutlich weniger Kalorien pro Tag aus. Das liegt an der Reduktion der Stoffwechselaktivität vieler Organe, insbesondere aber an der Abnahme der Muskelmasse. Eine Faustregel besagt, dass der Energiebedarf zwischen dem 30. und dem 50. Lebensjahr um etwa 10 %, zwischen dem 51. und dem 70. Lebensjahr um etwa 12 - 15 %, und ab dem 71. Lebensjahr um weitere 7 – 10 % sinkt. Dabei macht es einen großen Unterschied, ob man körperlich aktiv ist oder nicht (siehe Tabelle 1). Die richtige Verteilung der Hauptnährstoffe Eiweiß, Kohlenhydrate und Fette sowie der Begleitnährstoffe wie Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente und diverser anderer Pflanzeninhaltsstoffe ist besonders im mittleren und höheren Alter wichtig. Die Gründe dafür sind vielzählig: Die Leistungsfähigkeit des Verdauungsapparats lässt nach. Nährstoffe und vor allem Vitamine werden nicht mehr so gut aufgenommen. Zudem können bei einem nicht ganz optimalen Gebiss, Probleme mit dem Kauen auftreten. Die Aufspaltung der Nährstoffe wird dadurch erschwert, bzw. man neigt dazu, Nahrungsmittel mit einem erwünscht hohen Eiweißanteil nicht mehr zu sich zu neh-
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men. Der Geschmackssinn lässt nach, sodass gewisse Nahrungsmittel im Alter eher fad oder bitter schmecken. Die Aufspaltung der Nahrungsstoffe im Körper wird durch eine veränderte Dynamik in der Bauchspeicheldrüse beeinträchtigt. Insbesondere die Regulation des Zuckerhaushalts, welche im Rahmen von Extrembelastungen von Bedeutung ist, verändert sich. Die kurzfristige Anpassung der Energiegewinnung ist so im fortgeschrittenen Alter nicht immer adäquat möglich. Der Durstgefühl lässt nach, in erster Linie auf Grund von Veränderungen der Hirnanhangsdrüse. Altersbedingt speichern die Organe weniger Wasser und „schrumpfen“. Insbesondere bei körperlichen Belastungen muss aus diesem Grunde auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr geachtet werden. Die Fortbewegung in der Ebene, sogar im „forcierten“ Gangtempo bedarf keines wesentlich vermehrten Energieverbrauchs. Sobald die Bewegung aber bergauf gerichtet ist, verändert sich der Energieumsatz wesentlich. Für die Ernährung des älteren Alpinsportlers bedeuten die aufgezählten Veränderungen, dass zwar der Eiweißbedarf mit zunehmendem Lebensalter gleich bleibt, aber der Gesamtenergiebedarf absinkt. Reziprok steigt der Prozentsatz an benötigtem Eiweiß von 10 bis 15 % der täglichen Kalorienaufnahme auf 20 % und mehr an. Wichtig ist dabei, möglichst hochwertiges Eiweiß mit reichlich essentiellen Fettsäuren zu essen. Nebenbei zu erwähnen ist, dass Eiweiß im Allgemeinen den besten Sättigungseffekt hat. Kohlenhydrate liefern den Energiebrennstoff schlechthin. Wie viel an Kohlenhydraten man zu sich nehmen sollte, hängt sehr stark vom Belastungsgrad ab. Grundsätzlich sollte der Tagesbedarf an Energie im Alter zumindest zur Hälfte mit Kohlenhydraten gedeckt werden. Je stärker die körperliche Beanspruchung, umso mehr steigt der kurzfristig verfügbare Energiebedarf. Wichtig ist anzumerken, dass kurzzeitig wirksame, raffinierte Kohlenhydrate im fortgeschrittenen Alter langsamer aufgenommen werden und auch wieder langsamer im Körper verstoffwechselt werden als beim jungen Sportler. Das bedeutet in der Praxis des Alpinsports, dass beim Wandern mit Älteren sehr frühzeitig auf eine mögliche „Unterzuckerung“ geachtete werden muss, da der zu erwartende Wirkungseintritt z.B. auf die Gabe von Traubenzucker später eintritt als beim Jungen. Umgekehrt sollten nicht überschießende Mengen von kurzzeitig verfügbarem Zucker verabreicht werden, da dieser durch eine zeitlich verzögerten Abbau den Stoffwechsel aus dem „Gleichgewicht bringen“ kann. Folgen davon sind verminderte Leistungsfähigkeit, Schwitzen aber auch Müdigkeit und ein vermehrtes Durstgefühl (7, 8). In fortgeschrittenem Alter kann es sinnvoll sein, belastungsbedingte Ermüdungsphasen mit Hilfe der Ernährung bzw. mit Hilfe von Zusatzpräparaten auszugleichen. Nahrungsergänzungsprodukte, die dem höheren Lebensalter angepasst sind, sollen neben Mikronährstoffen wie Vitaminen, Spurenelementen und Antioxidantien auch
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Aminosäuren enthalten, die anabole Stoffwechselprozesse fördern. Solche Präparate spielen in den letzten Jahren auch zunehmend im Alpinsport eine wesentliche Rolle. Der wissenschaftlich belegte Beweis einer positiven Wirkung auf Leistung und Ausdauer lässt aber bis dato auf sich warten.
E R K R A N K U N G E N , M U LT I M O R B I D I T Ä T U N D B E R G S P O RT I M A LT E R Insgesamt ist die Datenlage betreffend Erkrankungen im Alter und deren Auswirkungen bei einer Höhenexposition und gleichzeitiger kardiovaskulärer Belastung bei Hochaltrigen sehr spärlich. Verschiedene pathophysiologische Mechanismen prädisponieren alte Menschen mit bekannter Herzinsuffizienz zu einer Exazerbation der Herzschwäche in hoher Höhe. Dazu zählen chronisch erhöhte Katecholaminspiegel, eine erhöhte transkapilläre Permeabilität in den Lungen, ein herabgesetzter Muskelmetabolismus verbunden mit einer hohen Sauerstoffextraktion in der Peripherie und hohen peripheren Laktatspiegel und eine eingeschränkte pulmonale Kapazität. Kaum erhöht ist die Gefährdung für Blutdruckkranke beim Wandern, hingegen steigt die Gefährdung beim Skilauf auf das Zehnfache. Der Grund dafür sind die beim Skilauf kurzfristig hohen Belastungen, während das Wandern gemütlicher, aber auf die Dauer anstrengender ist. Studien an Patienten mit Herzinsuffizienz (9) zeigten bei ergometrischer Belastung in großer Höhe einen verstärkten Abfall des maximalen Work Loads. Ausgehend von diesen Daten erstellten Agostoni und Mitarbeiter eine Tabelle, an welcher eine Voraussage über die zu erwartenden Leistungseinschränkungen in der Basisbelastung und mit zunehmender Seehöhe für Patienten mit einer Herzinsuffizienz ermöglicht wird. Interessant zu erwähnen ist, dass in der vorliegenden Arbeit kein einziger Patient eine Limitierung durch Arrhythmien, Angina pectoris Symptomatik oder mittels EKG nachweisbaren kardialen Ischämien aufwies. Diese Daten werden auch in einer Arbeit von Erdmann und Kollegen bestätigt, in welcher Patienten mit einer durchschnittlichen Ejection Fraction (EF) von kleiner als 39 % auf ihre Leistungsfähigkeit in Seehöhe und in hoher Höhe getestet wurden. Auch in dieser Studie wies keiner der Probanden kardiale Komplikationen während der Belastung auf (10). Betreffend mögliche Arrhythmien bei Höhenexposition bezieht sich ein Fallbericht speziell auf Veränderungen bei einem betagten Bergkollegen während dessen Besteigung des Mount Kilimanjaro (11). Die Häufigkeit ventrikulärer Extrasystolen stieg mit zunehmender Höhe. Interessanterweise war die Anzahl der Extrasystolen beim
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Anstieg pro Zeiteinheit größer als beim Abstieg, was einen Zusammenhang zwischen Training und Hypoxie aufzeigen könnte. In einer weiteren rezenten Studie wurden 10 ältere Bergsteiger, die bereits auf Seehöhe belastungsabhängige elektrokardiographische Zeichen einer kardialen Ischämie aufwiesen, auf 2500 Meter Seehöhe gebracht. Nach einer Akklimatisationszeit von 5 Tagen wurden diese Probanden mittels Ruhe EKG kontrolliert. Es zeigten sich keine Veränderungen der EKG Dynamik hinsichtlich Verstärkung einer Ischämie bzw. eines vermehrten Auftretens von Arrhythmien. Allerdings kam es in der akuten Phase des Höhenwechsels zu einem vermehrten Auftreten vorzeitiger, asynchroner Ventrikelkontraktionen, ein Phänomen, das nach Akklimatisation wiederum verschwand und klinisch für die Betroffenen im Wesentlichen asymptomatisch blieb (12). Aus dem Gesagten ergeben sich folgende Empfehlungen für ältere Patienten mit kardialen Erkrankungen: Die akute Höhenexposition alter Menschen kann speziell in Verbindung mit körperlicher Belastung zu einem vermehrten Auftreten von Arrhythmien führen, speziell im Fall von bestehende Rhythmusstörungen oder einer bekannten koronare Herzerkrankung. Bei Patienten mit einer chronischen Herzinsuffizienz, speziell bei ischämischer Genese, sollte den Patienten geraten werden, ihre Aktivität auf hoher Seehöhe geringer als die gewohnte Belastungsgrenze auf Seeniveau zu halten. Denn bei einer bereits vor bestehenden kardialen Ischämie steigt de facto das Risiko für die Betroffenen auf das über 100fache. Diese Empfehlung gilt im Besonderen für die ersten Tage der Akklimatisation. Weiters müssen Patienten darauf hingewiesen werden, bei Auftreten kardialer Komplikationen infolge der Höhenexposition diese umgehend medikamentös zu behandeln. Beim Anstieg auf den Berg wird die Atemfrequenz zum Ausgleich der Hypoxie deutlich erhöht. Dies ist bei jüngeren Wanderern kein Problem. Mit zunehmendem Alter kann aber gerade diese Anpassung zum limitierenden Faktor im Bergsport werden. Speziell bei einer bereits chronischen pulmonalen Erkrankung oder bei einer mangelnden physischen Aktivität ist diese Kapazität stark eingeschränkt. Die mangelnde Sauerstoffsättigung schränkt dabei die Belastungsfähigkeit in der Höhe stark ein und führt laut Studienlage auch zu einem vorzeitigen Auftreten der Höhenkrankheit (13). Wenige Daten existieren über hypoxische Zustände infolge Höhenexposition bei Patienten mit einer chronisch restriktiven Atemwegserkrankung. In einer Studie von Karrer und Kollegen wurden Patienten mit einer restriktiven Atemwegserkrankung auf mittlere Höhen von 500 und 1500 Meter Seehöhe gebracht. Es kam bei diesen zu keiner wesentlichen Verschlechterung der pulmonalen Beschwerdesymptomatik (14). Es kor-
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relierten dabei die Schwere der Erkrankung und die Änderung des Sauerstoffpartialdrucks im Blut positiv. In einer weiteren Studie mit Patienten mit fortgeschrittenen Stadien einer Atemwegserkrankung traten bedrohliche Hypoxämien bei einer simulierten Höhe von ca. 2438 Metern auf, wobei dieser Effekt durch eine leichte körperliche Belastung noch wesentlich verstärkt werden konnte (15). Als allgemeine Empfehlung für ältere Bergsportler kann man also konstatieren, dass geringgradig ausgeprägte Atemwegserkrankungen auch im höheren Lebensalter keine Limitierung für Aktivitäten in mittleren Höhen darstellen. Schwerwiegende gesundheitliche Probleme können allerdings bei Patienten mit fortgeschrittenen Lungenerkrankungen oder bei sehr ausgeprägten Belastungen auftreten. Bei Risikopatienten kann speziell die Finger- Pulsoszillometrie dazu eingesetzt werden, die adäquate Sauerstoffsättigung beim Aufstieg zu kontrollieren. Vermehrter Alkoholkonsum während des Aufstiegs kann eine adäquate respiratorische Anpassung ebenfalls verzögern. Prinzipiell sollte daher eine Alkoholkonsumation beim Aufstieg, besonders aber von Bergsportlern mit einer bereits bestehenden Atemwegserkrankungen zur Vorbeugung einer verfrüht auftretenden Höhenerkrankung vermieden werden (16). Die altersassoziierten Veränderungen des muskuloskelettalen Systems wurden bereits erwähnt. Insbesondere das regelmäßige und frühzeitige Training kann den altersassoziierten Veränderungen entgegenwirken. Eine der markantesten altersbedingten Veränderungen des Körpers ist aber der Abbau an Knochensubstanz mit dem damit verbundenen erhöhten Frakturrisiko. Wenn Knochen allerdings regelmäßig belastet und bewegt werden, nimmt die Demineralisierung ab, kann sogar teilweise aufgehoben werden (17). Ungeachtet dessen ist bei Patienten mit Osteoporose und begleitender Schwäche der Muskulatur insgesamt das Risiko eines Sturzes und einer konsekutiven Fraktur beim Bergsport erhöht (18). Es konnte aber gezeigt werden, dass ein Widerstandstraining 3 bis 4 mal die Woche über mindestens ein halbes Jahr die grobe Kraft wie auch das Durchhaltevermögen bei Belastungen der Muskulatur in allen Alterskategorien deutlich positiv beeinflussen kann. Diese Trainingsform sollt unbedingt ergänzt werden von Dehnungsübung und Übungen für die Balance (19). Diese Maßnahmen dienen der Vermeidung von Stürzen und sekundären Verletzungen bei alten Menschen auch unabhängig vom Bergsport. Auch muss man an die Veränderungen des Nervensystems mit verzögerter Reaktionsfähigkeit, der reduzierten Funktion der Propriozeption, aber auch an eine Störung der Sinneswahrnehmung denken. Insbesondere sollten neben regelmäßigen Trainingseinheiten bei alten Bergsportlern auch die Hör- und Sehfähigkeit engmaschig kontrolliert werden.
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A L L G E M E I N E E M P F E H L U N G E N F Ü R A LT E M E N S C H E N A M BERG AUS SICHT DER MEDIZINER Basierend auf die geringe Evidenz wissenschaftlicher Daten betreffend alte Menschen am Berg sollte man generell Patienten, welche einen Aufenthalt in großen Höhen planen auf Folgendes hinweisen: Wichtig sind eine adäquate Kontrolle des systemischen Blutdrucks, das Monitoring betreffend Arrhythmien und andere pathologische Veränderung des kardio-vaskulären Systems bereits vor dem Aufstieg im Rahmen eines Gesundheitschecks bei einem spezialisierten Facharzt. Notwendige Medikamente müssen verlässlich zu der dafür vorgesehenen Zeit eingenommen werden. Ein langsamer Anstieg gibt die Möglichkeit zur Akklimatisation. Als Faustregel kann man feststellen, dass man nicht mehr als 300 Höhenmeter pro Tag aufsteigen soll. Nach jedem 3. Tag des Anstiegs soll ein Ruhetag eingelegt werden. Während des Aufstiegs sollten regelmäßig in Selbstmessung die Vitalparameter geprüft werden, insbesondere auch mit dem Ziel, die bei älteren Patienten in hohem Ausmaß auftretende Höhenkrankheit zu verhindern. Wenn Probleme in der Höhenanpassung auftreten, so ist der schnellste und sicherste Abstieg ohne Verzögerung zu wählen. Es ist einzusehen, dass das Bergaufwandern bei Älteren speziell in größeren Höhen eine gute physische Fitness, eine entsprechende Vorbereitung und eine optimale Ausrüstung erfordern. Rechnet man pro 100.000 ausübenden Sportlern pro Jahr mit 0,8 Toten beim alpinen Skilauf, zwei Opfern bei den Skitourengehern, 3,8 Toten beim Wanderern und 7,8 beim Kletterern (im Vergleich Schwimmen, Joggen oder Ballspiel 0,1 bis ein Todesopfer) sollte daraus aber keinesfalls der Schluss gezogen werden, dass Berg- und Alpinsport insbesondere für ältere Wanderer ungesund ist. Gemäß der Tiroler Deklaration zur Best Practice im Bergsport gilt in diesem Zusammenhang: „Um auf Notsituationen, schwere Unfälle und Todesfälle vorbereitet zu sein, sollte jeder, der den Bergsport ausübt, sich über die damit verbundenen Risiken und Gefahren im klaren sein“ (20). Dies implementiert im Umgang mit betagten Patienten die Vermittlung des aktuellen Wissens über physiologische Veränderungen und den Einfluss verschiedener Erkrankungen auf die individuelle Leitungsfähigkeit am Berg. Der ältere Patient muss in der Vorbereitung auf das Bergerlebnis als gleichwertiger Partner individuell zu seinen Bedürfnissen vorbereitet und begleitet werden. Dies erfordert vom behandelnden Arzt nicht nur ein spezielles medizinisches „Know- How“, sondern auch Kenntnisse über die Besonderheiten des Alpinsports per se.
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Aktivität
Alter
inaktiv
Mäßig aktiv
Hoch aktiv
Frauen (60-62 kg)
19-30
2.000
2.000-2.200
2.400
31-50
1.800
2.000
2.200
51-70
1.600
1.800
2.000-2.200
Über 70
1.450
1.600
1.800
Männer (78-80 kg)
19-30
2.400
2.600-2.800
3.000
31-50
2.200
2.400-2.600
2.800-3.000
51-70
2.000
2.200-2.400
2.600-2.800
1.800
2.000
2.200-2.400
Über 71 Jahre
Tabelle 1: Individueller, geschlechtsspezifischen Kalorienbedarf von Bergsportlern in Abhängigkeit vom Aktivitätsgrad und Alter
L I T E R AT U R (1)
Fleg, J.L., Pina, I.L., Balady, G.J., Chaitman, B.R., Fletcher, B., Lavie, C., Limacher, M.C., Stein, R.A., Williams, M., Bazzarre, T.: Assessment of functional capacity in clinical and research applications. Circulation 102, 1591- 1597 (2000)
(2)
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Thomas Küpper
Höhenwirksamkeit von Medikamenten Drugs at High Altitude
S U M M A RY The environmental conditions for patient and drugs (e.g. temperature, hypoxia, dehydration) are significant different to those conditions, where drugs are investigated for efficacy and safety. For only a few ones there are data available about their use at high altitude. Beside of appropriate use there is an increasing doping problem in mountaineering. The paper reviews the actual knowledge about these topics with special regard to those drugs, which are important for emergency and rescue medicine. Keywords: drugs, altitude, freezing, hot climate, doping
Z U S A M M E N FA S S U N G Die äußeren Bedingungen, denen Patient und Medikamente in der Höhe ausgesetzt sind (z.B. Temperatur, Hypoxie, Dehydratation) weichen signifikant von den Bedingungen ab, für die Medikamente hinsichtlich ihrer Wirksamkeit und Stabilität untersucht werden. Nur für wenige liegen Daten über die Anwendung in der Höhe vor. Neben sinngemäßem Gebrauch spielt auch zunehmend der Medikamentenmissbrauch beim Alpinismus eine Rolle. Die Übersicht stellt den aktuellen Wissensstand zusammen, wobei ein besonderer Schwerpunkt bei den notfallmedizinisch besonders relevanten Substanzen gesetzt wird. Schlüsselwörter: Medikamente, Höhe, Kälte, Hitze, Doping
1 EINLEITUNG Medikamente sind für die „Zivilisation“ gemacht, d.h. sie müssen gemäß der gängigen Bestimmungen von einigen wenigen, besonders zu kennzeichnenden Ausnahmen abgesehen, im Temperaturbereich zwischen 8° und 25°C gelagert
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und verwendet werden und müssen am Ende der angegebenen Haltbarkeit einen Wirkstoffverlust von weniger als 5% aufweisen (1), (2), (3). Damit sind zunächst einmal – bis zum individuellen Beweis des Gegenteils – alle verfügbaren Medikamente als für Reisen generell, insbesondere aber für das Bergsteigen, als untauglich anzusehen: Regelmäßig gefriert bei westalpinen Einsätzen der Ampulleninhalt im Arztrucksack [4]. Andere Autoren haben in medizinischer Ausrüstung Temperaturen zwischen -20°C und +80,2°C gemessen (5), (6), (7), (8), (9), (10), (11). Nur von ganz wenigen Medikamenten ist bislang bekannt, dass sie derartig temperaturresistent sind. So sind beispielsweise Atropin, Lidokain und Naloxon über einen Bereich von -20° bis +70°C stabil (12), während andere hochgradig temperatursensibel sind. Wenn Medikamente über längere Zeit bei derartigen Umweltbedingungen transportiert werden müssen, so ist es nur eine Frage der Zeit, bis ein Temperaturausgleich mit eben dieser Umwelt stattgefunden hat, unabhängig davon, wie der Transport stattfindet. Bei entsprechend kalten Umgebungstemperaturen bleibt schließlich für einige Substanzen (z.B. Insulin) nur die Möglichkeit, die Ampullen in einem schlagfesten Döschen unter der Jacke am Körper zu tragen. Isoliertaschen mögen in einigen Einsatzbereichen im bodengebundenen Rettungsdienst durchaus ihre Daseinsberechtigung haben, in der Bergmedizin spielen sie wegen des unvermeidlich eintretenden Temperaturausgleichs dagegen keine Rolle (8). Noch weniger ist über die Wirksamkeit von Medikamenten unter Hypoxiebedingungen bekannt. Hier ist zumindest für alle zentral wirkenden Substanzen zu erwarten, daß sie auch unerwünschte Effekte haben, die direkt oder indirekt hypoxiebedingt sind. Höhere UV-Lichtbelastung beeinflußt Medikamente wie Patienten (Haut) mehr als im Tal, Kreislaufwirkungen können verstärkt ausfallen u.v.a. Im übrigen können auch beim Alpinisport verschiedene Substanzen mißbraucht werden – legendär war und zum Schmunzeln angeregt hatte der Befund, daß bei den ersten olympischen Winterspielen mehr oder weniger alle Snowboardfahrer Tetrahydrokannabiol (THC) positiv waren, also „bekifft“ waren. Neben dem Lifestyle spielt hier sicher auch die anxiolytische Wirkung des THC eine Rolle. Um etwas Ordnung in diese zahlreichen Aspekte zu bringen, wird in der folgenden Übersicht neben allgemeinen Aspekten des Umgangs mit Medikamenten in der Höhe vor allem auf die Temperaturresistenz insbesondere der Notfallmedikamente und – sofern überhaupt bekannt (13), (14) – mögliche alternative Applikationswege eingegangen. Daneben wird kurz auf die Punkte eingegangen, die hinsichtlich Höhenexposition bekannt sind und kurz das Thema
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Mißbrauch angesprochen. Aus Platzgründen wird an dieser Stelle auf die Übersetzungstabellen der Generic Names für die verschiedenen alpinistisch relevanten Länder verzichtet und auf (15) verwiesen.
2 GRUNDSÄTZLICHE ÜBERLEGUNGEN ZU MEDIKAMENTEN IN DEN BERGEN Falls eine Ampulle gefroren war, ist eine visuelle Kontrolle ein „muß“, denn Haarrisse können Ursache von Kontamination oder Oxidation des Wirkstoffes sein (10), (16), (17), (18). Leider sind diese Haarrisse mit bloßem Auge oft nicht sichtbar. Daher sollten Ampullen möglichst bald ersetzt werden, wenn sie einmal gefroren waren (17). Falls man für den Notfallgebrauch eine gefrorene Ampulle auftauen muß, so sollte dies moderat geschehen (nicht mit dem Feuerzeug!) und ohne Eigengefährdung (nicht im Mund!). In jedem Falle sollte der Ampulleninhalt vor Benutzung klar sein. Proteinhaltige Substanzen oder Emulsionen werden durch Einfrieren generell zerstört und die lipophile Phase der Emulsion kann dann bei Gebrauch schwere Lungenembolien verursachen (19), (20). Dagegen können lyophilisierte Substanzen – sofern sie noch nicht gelöst waren – grundsätzlich als außerordentlich temperaturstabil angesehen werden.
3 T E M P E R AT U R A B H Ä N G I G K E I T V O N M E D I K A M E N T E N Die folgende Zusammenstellung basiert neben den wenigen Publikationen, die zu dem Thema bei einer äußerst umfangreichen MedLine- und DIMDI-Recherche mit zahlreichen Suchkriterien gefunden werden konnten auch auf zuvor nie publizierten Informationen, die in enger Kommunikation mit den Herstellern in Erfahrung gebracht werden konnten. Als „Hitzeexposition“ definierten wir eine Temperatur von +60°C für mehrere Stunden. „Kälte“ bedeutete, dass der Ampulleninhalt eingefroren war, unabhängig vom individuellen Gefrierpunkt. Kapseln und Zäpfchen sind hinsichtlich der Umgebungstemperaturen hochgradig kritisch: Nifedipin- und Nitroglycerinkapseln sind in gefrorenem Zustand äußerst zerbrechlich (R. Blanke, pers. Mittlg, 2002) und Zäpfchen haben in der Kälte die Konsistenz von Glas (und schneiden nach Durchbrechen auch so!). Bereits bei +25°C verformen Suppositorien sich und nehmen nach Wiedererhärten nicht nur wundersame und die Applikation verhindernde Formen an, sondern es kommt auch in vielen Fällen zu Wirkungslosigkeit, weil die Phasen sich getrennt haben. Metallorganische Substanzen – früher beispielsweise quecksilberhalitige Desinfektionsmittel – können sich beim Einfrieren zersetzen. Unproblematisch
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sind dagegen alle alkoholischen Desinfektionsmittel wie Äthanol-IsopropanolGemische mit >70% Alkoholanteil: Solange nach dem Auftauen noch Flüssigkeit vorhanden ist, wird sie wie gewohnt wirken.
3.1 HERZ-KREISLAUFWIRKSAME MEDIKAMENTE Die Temperaturstabilität sowie alternative Applikationswege der üblichen Notfallmedikamente sowie einiger weiterer Substanzen sind nach (15) in Tabelle 1 dargestellt. Ergänzende Kommentare in den folgenden Kapiteln werden in alphabetischer Reihenfolge der Medikamente gegeben. Die Niederschläge, die sich bei Adenosinampullen in der Kälte finden, lösen sich beim Wiedererwärmen auf und die Ampulle kann weiter verwendet werden (21). Auch gegenüber +40°C über 1 Jahr ist der Wirkstoff im Wesentlichen stabil (21). Allerdings weichen die Bedingungen dieser Untersuchung von denen ab, die oben für die hier betrachteten Alpinisten angenommen wurden. Daher sollte diese nicht völlig „unkritische“ Substanz unabhängig vom Verfallsdatum nach starker Temperaturbelastung oder einmal pro Jahr ersetzt werden. Adrenalin ist nicht absolut temperaturresistent, jedoch sind die eintretenden Verluste klinisch nicht relevant (22), (8), (12). Sollte der Ampulleninhalt leicht trübe sein, so zeigt dies Zersetzung an (8). Ähnliches gilt für die hell-gelbe Färbung beim Ajmalin (8). Ajmalin ist nur mäßig hitzestabil und sollte einmal pro Sommersaison ersetzt werden (8). Alteplase ist sowohl kälte- als auch hitzelabil, kann aber nach Exposition von +40°C über einige Stunden noch verwendet werden, wenn auch mit geringerer Wirksamkeit (8). Atropin sollte kältestabil sein, wenn man bedenkt, daß Tollkirschen auch nach Frost noch nichts von ihrer Giftigkeit eingebüßt haben – aber es gibt keinerlei pharmakologische Daten darüber. Der Wirkungseintritt nach endotrachealer Gabe ist genauso schnell wie nach i.v.-Applikation (23), (24), (25), (26). Über Cafedrin liegen für die Fragestellung dieser Arbeit keine Literaturdaten vor, auch war über die Hersteller keine Information zu erhalten. Farbveränderungen signalisieren Zersetzung (8). Clonidin wurde zwar nicht hinsichtlich der Kältetauglichkeit gezielt untersucht, wird im Rahmen des Herstellungsprozesses jedoch tiefgefroren transportiert (U. Meyer, H. Bohrer, pers. Mittlg. 2002). Gut belegt ist die sublinguale Resorption (27), (28), nicht dagegen die endotracheale Gabe. Allerdings kann hier wegen der Resorptionsinetik eine ähnliche Wirkung erwartet werden (U. Meyer, H. Bohrer, pers. Mittlg. 2002). Dopamin ist zwar kurzzeitig ausreichend hitzestabil, sollte jedoch nach Wärmeexposition (>45°C) ersetzt werden (8). Noch empfindlicher ist Nifedipin: hier kann davon ausgegangen werden, daß sich die Substanz nur bedingt zu Reisen in heiße Länder
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eignet, denn die Zersetzung beginnt schon ab +30°C (R. Blanke, pers. Mittlg., 2002). Es sei an dieser Stelle betont, daß Nifedipin im Gegensatz zu einer weit verbreiteten Meinung bei rein sublingualer Gabe nicht wirkt (29). Der Patient muß noch schlucken können. Theoretisch sollte Nifedipin auch bei endotrachealer Gabe wirken, jedoch scheitert dies an seiner extremen Lichtempfindlichkeit, geringen Löslichkeit in Wasser oder NaCl 0,9% und seiner hohen Affinität zum Tubusmaterial Polyvinylchlorid (T. Blanke, pers. Mittlg, 2002). Wenig bekannt ist auch, dass Nitroglycerinkapseln bei Wärmeexposition bereits innerhalb weniger Stunden ihren Wirkstoff komplett ausdampfen. Nitrospray zeigt bei Kälte manchmal kleine Tröpfchen in der Flüssigkeit, die sich bei Wiedererwärmen auflösen. Das Medikament kann dann normal verwendet werden (8). Das gilt nicht für die kleinen Tröpfchen, die sich nach Hitzeexposition bilden, das Fläschchen sollte dann ersetzt werden (8). Bei Verapamil ist unklar, ob es bei sublingualer Gabe therapeutische Serumspiegel erreicht (vgl. Bemerkung zu Nifedipin).
3.2 SCHMERZMITTEL, NARKOTIKA UND PSYCHOTROPE S U B S TA N Z E N Eine Übersicht gibt Tabelle 2, daher sollen hier nur einige ergänzende Bemerkungen gemacht werden. Alcuronium ist nicht hitzestabil, kann bei kurzfristiger Hitzeexposition jedoch notfalls noch verwendet werden. Die Dosierung muß dann nach klinischem Effekt gesteuert werden (8). Buprenorphin könnte – auch wenn keine Daten in der Literatur vorliegen – für den Bergsport eine besonders interessante Substanz sein, denn bei oraler Gabe von 0,4 mg stellt sich ein analgetischer Effekt ein, der dem von 10 mg Morphium vergleichbar ist, allerdings ohne dass der in der Höhe so wichtige hypoxic ventilatory drive, also die Atemantwort, beeinträchtigt wird (30), (31). Der Ampulleninhalt von Diazepam wird sicherlich gut sublingual (und rektal) resorbiert (es liegen keine Daten vor), es kann auch via Tubus gegeben werden (13). Allerdings sollte hier die Indikation sehr streng gestellt werden, weil die Äthanol-Glykol-Galenik erhebliche histologische Veränderungen an der Trachealschleimhaut induzieren kann (13). Für Etomidate ist die Situation unklar: Eigene Pilotuntersuchungen haben gezeigt, daß entweder die Substanz selbst, das Lösungsmittel oder Stabilisatoren nicht kältestabil sind (15). Castner berichtet ähnliches (8). Vorläufig muß also zu großer Vorsicht beim Umgang mit dieser Substanz in heißem und kaltem Klima aufgefordert werden. Ketamin ist außerordentlich temperaturstabil und eignet sich daher und aufgrund seiner vielfältigen Applikationsmöglichkeiten hervorragend für das Hochgebirge und das Reisen im Allgemeinen. Vor-
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teilhafterweise fällt es in keinem Land unter Betäubungsmittelgesetze. Nach mündlicher Mitteilung unterliegt Ketamin in Italien doch dem Betäubungsmittelgesetzt; aktuelle Recherchen sind noch nicht abgeschlossen. Bei oraler Gabe ist trotz der geringen Bioverfügbarkeit von 16% trotzdem ein der i.v.-Gabe vergleichbarer analgetischer Effekt zu beobachten, weil der hohe First-pass-Effekt die Substanz praktisch vollständig in den wirksamen Metaboliten Norketamin umwandelt (32). Die orale Dosis ist also gleich wie die der i.v.-Gabe. Allerdings schmeckt der Ampulleninhalt schlicht fürchterlich, so daß er zusammen mit einem intensiv schmeckendem Getränk (z.B. Fruchtsaft) gegeben werden sollte. Midazolam kann nicht nur effektiv rektal gegeben werden, es kann im Falle, dass kein i.v.-Zugang gelegt werden kann und im kalten Hochgebirgsklima der rektale Zugang eher nachteilig sein dürfte, oder falls Kinder behandelt werden, auch nasal gegeben werden. Die Bioverfügbarkeit ist mit etwa 50% zwar nur mäßig gut, mit 0,2 mg/kg Körpergewicht kann jedoch eine gute Sedierung bei 95% der Kinder innerhalb von 5 – 10 Minuten erreicht werden (33), (34). Einige Patienten klagen über Brennen in der Nase (35). Die Autoren empfehlen eine Dosis von 0,2 – 0,4 mg/kg für Kinder und 0,1 – 0,2 mg/kg für Erwachsene. Über Morphium ist trotz der jahrzehntelangen und verbreiteten Anwendung für die hier diskutierten Fragen erstaunlich wenig Information vorhanden. Wie eine Eigenmedikation in einer Survivalsituation gezeigt hat, ist es offensichtlich möglich, den Ampulleninhalt zu trinken. Die Wirkung tritt nach 5-7 Minuten ein und verstärkt sich weiter über die folgenden 10 Minuten. Naloxon, extrem temperaturstabil (12), (8), sollte bei oraler Gabe in gleicher Dosis wie die i.v.Gabe verabreicht werden (23), (26). Bei Gabe via Tubus tritt die Wirkung genauso schnell ein, als wenn man i.v. gespritzt hätte. Im Gegensatz zu Adrenalin, Atropin und Lidocain tritt kein „Depot-Effekt“ nach endotrachealer Gabe ein (13). Tramadol ist – ausgenommen Ketamin – das stärkste Schmerzmittel, das weltweit nicht unter Betäubungsmittelgesetze fällt. Seine äußerste Robustheit und vielfältigsten Applikationsmöglichkeiten machen es wohl zu einem fast perfekten Reise- und Bergsteigermedikament. Die häufig eintretende Übelkeit kann man leicht durch kombinierte Gabe mit einem Antiemetikum verhindern. Wegen des schlimmen Geschmacks sollte der Ampulleninhalt möglichst zusammen mit stark schmeckenden Getränken getrunken werden. Bei oraler Gabe ist die Dosis offensichtlich gleich groß wie bei i.v.-Gabe, auch wenn nur wenige Fälle publiziert wurden (A. Anderson-Hillemacher, B. Schwencke, pers. Mittlg. 1999).
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3.3 SONSTIGE MEDIKAMENTE Auch hier sei zunächst auf die Übersicht in Tabelle 3 verwiesen. ASS zersetzt sich zwar bei heißem Klima langsam und die Tabletten riechen dann markant (ähnliches dürfte in Ampullen geschehen), jedoch wurde nie ein Problem dadurch berichtet, wenn mangels Ersatz doch eine Anwendung erfolgte (bis +30°C ist ASS stabil). Im Unterschied zu den meisten anderen in Ampullenform vorliegenden Substanzen verbietet sich bei ASS strikt die intratracheale Anwendung, da es sich um eine starke Säure handelt (U.Gessner, pers. Mittlg., 2002). Die Resorptionsrate von Butylscopolamin ist stark vom Applikationsweg abhängig: bei sublingualer Gabe des Ampulleninhalts ist die Resorptionsrate und damit der krampflösende schmerzstillende Effekt begrenzt, was diese Applikation nur für mäßig schwere Fälle in Betracht kommen läßt bzw. es müssen recht hohe Dosierungen (keine Literaturdaten vorhanden) angewendet werden. Der Wirkungseintritt ist deutlich verzögert. Beides gilt nicht für die intratracheale Gabe (D. Telscher, pers. Mittlg., 2002), für die allerdings nur selten die Indikation bestehen dürfte. Für Fenoterol, welches sehr gut intratracheal wirkt, ist ein spezieller Konnektor nötig (z.B. Tube Inhaler, Fa. VBM Medizintechnik, Sils a.N., Deutschland). Die Dosis für Erwachsene wird bei Gabe via Tubus mit dem Dreifachen der Normaldosis für Erwachsene (23), (24), (26) und bis zum 10-fachen für Kinder angegeben (36), weil sich beträchtliche Wirkstoffmengen an der Tubuswand niederschlagen. Furosemid folgt bei intratrachealer Gabe der langsameren oralen Kinetik (W. Lippke, pers. Mitttlg., 2002). Wenn die Ampulle stark abkühlt, bilden sich nadelförmige Kristalle in der Lösung, die sich auch bei Erwärmen nicht mehr auflösen. Damit ist die Anwendung von Furosemid-Ampullen auf nicht allzu kaltes Klima begrenzt. Heparin und niedrig-molekulare Heparine sind wesentlich wärmetoleranter als meist vermutet wird: bei Lagerung bei +40°C über 6 Monate tritt keine Einschränkung der Wirksamkeit ein (8). Damit ist die Prävention der Reisethrombose bei Risikokollektiven für die meisten Reiseziele problemlos möglich, auch für den Rückflug, für den die Ampulle während der Urlaubszeit gelagert werden muß. In kaltem Klima besteht jedoch das Problem, daß alle Heparine nicht einfrieren dürfen. Gleiches gilt für Insulin, daß auch noch nach kurzzeitiger Exposition gegenüber +60°C verwendet werden kann. Das sollte allerdings wegen eines geringen, leider schwer einzuschätzenden Wirkungsverlustes unter nachfolgenden Blutzuckerkontrollen erfolgen, auch sollte es nach einer derartigen Wärmeexposition sobald wie möglich ersetzt werden. Bei der Anwendung im Hochgebirge sollte die UV-Empfindlichkeit von Insulin beachtet werden, auch wenn diese zum Glück nur mäßig ist (37). Einfrieren darf Insulin keinesfalls. Am besten werden die Ampullen im kalten Klima in einer unzerbrechli-
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chen Box in der Innentasche der Jacke transportiert. Ein weiteres Problem ergibt sich in der Kälte bei der Blutzuckermessung: unterhalb von +14°C sind die Messergebnisse falsch-niedrig, unterhalb von 0°C ist eine Messung unmöglich (37). Metoclopramid ist sehr UV-empfindlich und sollte nur für den unmittelbaren Gebrauch dem Licht im Hochgebirge ausgesetzt werden. Prednisolon kann sublingual appliziert werden, die Dosis muß jedoch bei Erwachsenen verdreifacht (23), (24), (26) und bei Kindern verzehnfacht werden (36). Über die sublinguale Gabe von Theophyllinampullen ist nichts bekannt, jedoch kann man 1-2 Ampullen trinken (D. Bauer, T. Klees, pers. Mittlg., 2002). Das kann im Einzelfall von Vorteil sein, wenn man Theophylllin in großer Höhe z.B. zur Prävention der Acute Mountain Sickness einsetzen möchte (38), (39). Wegen des üblen Geschmacks sollte der Ampulleninhalt nach Möglichkeit zusammen mit einem intensiv schmeckenden Getränk eingenommen werden. Urapidil ist nicht völlig hitzestabil und sollte nach starker Wärmebelastung ausgetauscht werden. Gleiches gilt, wenn der Ampulleninhalt gelblich ist. Bei sublingualer Gabe wird die Substanz schnell resorbiert, allerdings läßt sich der Blutdrucksenkende Effekt schlecht steuern (R. Schneider, T. Wolffgram, pers. Mittlg., 2002).
4 H Y P O X I E , U V- L I C H T U N D A N D E R E U M W E LT FA K T O R E N Zahlreiche Substanzen sind mehr oder weniger UV-sensibel. So ist von Nifedipin, aber auch Theophyllin, Nitroglycerin, Chloralhydrat, Metoclopramid und Insulin bekannt, daß sie sich unter UV-Einstrahlung relativ schnell zersetzen (16), (37). Daher sollte auch in der Hektik eines Notfalles das Ampullarium nicht offen herum liegen. Sprays und Pulverinhalatoren sind hinsichtlich der applizierten Dosis vom höhenbedingt verminderten Aussendruck unabhängig (Übersicht in [40]). Sprays sind zudem äußerst temperaturresistent, aber sie sollten nie wärmer als +50°C werden, denn dann können sie explodieren (K. Issberger, persönl. Mittlg, 2003). Seitdem Fluor-Chlor-Kohlenwasserstoffe durch andere Treibmittel wie Hydrofluoralkane ersetzt wurden, ist die korrekte Dosis auch bei niedrigen Umgebungstemperaturen gewährleistet (41). Pulverinhalatoren müssen sorgfältig trocken gelagert und angewendet werden, um die korrekte Medikation zu gewährleisten und Klumpung der Substanz zu vermeiden. Dies kann in sehr feuchtem Klima oder bei Regenwetter für den Bergsteiger ein Problem darstellen. Nur wenige Medikamente wurden gezielt unter den Bedingungen der hypobaren Hypoxie untersucht, und wenn, dann fast ausschließlich mit dem Ziel, medikamentöse Präventions- oder Behandlungsmöglichkeiten gegen akute Höhen-
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krankheit, Höhenlungen- oder Höhenhirnödem zu finden. Diese Substanzen (Azetazolamid, Dexamethason, Nifedipin, auch Theophyllin) sind recht gut untersucht, an dieser Stelle sei auf die gängige Literatur verwiesen (Übersicht in (42)). Es ist naheliegend, daß der atemdepressive und zentral dämpfende Effekt aller sedierenden Substanzen in der Höhe verstärkt ist. Allerdings lassen sich zahlreiche Beobachtungen eher durch eine Kombinationswirkung aus Hypoxie, Dehydratation, Kälte und möglicherweise anderen Effekten erklären. Ein Beispiel für eine derartige Kombinationswirkung wäre der manchmal extrem blutdrucksenkende Effekt von Nitroglycerin selbst bei geringen Dosen. So ist ein Kollaps nach einem einzigen Hub Nitroglycerin mit nicht mehr meßbarem Blutdruck nach Ausgangsdruck von 120/80 mmHG in Höhen über 4.000m offensichtlich nicht selten (Küpper, unpublizierte Beobachtung). Derartige Phänomene sind völlig unzureichend untersucht und lassen sich auch nur durch entsprechende Studien im Gelände klären, weil die Bedingungen des Hochgebirges in Einrichtungen mit artifizieller Hypoxie nicht oder nicht ausreichend simuliert werden können. Auch gibt es kaum verläßliche Daten zur Medikamentenanwendung bei unterkühlten Patienten. Eine erhöhte Proteinbindung und eine verminderte Resorptionsrate werden in jedem Falle zu stark veränderten Wirkprofilen führen. Aus unsystematischen Beobachtungen kann derzeit folgendes zur Thematik gesagt werden: Vasodilatatoren erhöhen in kaltem Klima das Risiko der Hypothermie. Für einige ist ebenso wie für Alpha-1- und Betablocker (z.B. Carvediol) belegt, daß sie die höhenbedingte Hyperventilation signifikant beeinträchtigen und dadurch zu deutlich geringerer Belastbarkeit der Betroffenen führen. Nicht retardiertes Nifedipin führt in der Höhe in einer beträchtlichen Zahl der Fälle zum Kollaps. Die Zahl der Fälle und die Empfehlungen in manchen Publikationen erklären sich wohl nur dadurch, daß die Erstpublikation nicht sorgfältig gelesen wurde: Öltz hat die nicht-retardierte Form unter intensivmedizinischen Überwachungsbedingungen ausschließlich deshalb angewandt, um den Effekt gut zeigen zu können (43). Alle offiziellen Empfehlungen zur Therapie, beispielsweise die der UIAA MedCom (42), raten dringend zur Retardform. Zahlreiche Antihypertensiva erhöhen in der Höhe offensichtlich die Gefahr orthostatischer Probleme. Dies ist kein prinzipiell gefährliches Problem, die Patienten sollten hierüber jedoch aufgeklärt sein und sich ggf. rechtzeitig in Hockstellung bringen. Die heute seltener verwendeten Mutterkornalkaloide erhöhen die Gefahr der peripheren Erfrierung. ASS ist in der Höhe offensichtlich eine besonders kritische Substanz. Hinsichtlich der Sauerstoffversorgung ist die Mukosa des Margen-Darm-Traktes
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„letzte Wiese“ und auch ohne irgendeine Medikation offensichtlich einem massiven Hypoxiestress ausgesetzt. (44), (45). Gieseler berichtet von einem Patienten, der ein massives Magenulcus nach nur einer Tablette ASS 500 mg in 6000m Höhe entwickelt hat (mündl. Mittlg.). Aufgrund dieser und zahlreicher anderer Beobachtungen sollte ASS in der Höhe außerordentlich kritisch gesehen und nach Möglichkeit vermieden werden. Antidepressiva, aber auch Kortikoide vermindern die Streßtoleranz, vermindern die Kritik- und Konzentrationsfähigkeit, führen zu Euphorie und erhöhen die Gefahr der Selbstüberschätzung. Dies führt indirekt in der Höhe zu einem potentiell erhöhten Unfallrisiko. Umgekehrt ist durch Tranquilizer das Unfallrisiko durch verringerte Reaktionsgeschwindigkeit potentiell erhöht. Einige Substanzen (z.B. Tetracycline) sollten unter dem Aspekt der Phototoxizität beobachtet werden, auch wenn darüber beim Alpinismus keinerlei Daten vorliegen.
5 BERGE IN DEN TROPEN Beim Bergsteigen in den Tropen sollte neben der Hitzeempfindlichkeit mancher Medikamente (s.o.) beachtet werden, daß es erhebliche Interaktionen zwischen der medikamentösen Malariaprophylaxe und verschiedenen Medikamenten, insbesondere Kardiaka, geben kann. So sollte wegen der QT-Verlängerung Chloroquin/Mefloquin nicht gleichzeitig mit Amiodaron, BetaBlockern oder Ca-Antagonisten gegeben werden. Mefloquin sollte wegen der erheblichen Bradykardiegefahr (bzw. Bradyarrhythmie) nicht mit Antiarrhythmika wie Ajmalin, Propafenon oder Amiodaron kombiniert werden. Arthemerter/Lumefantrin nie mit Propranolol kombinieren (massive Bradykardiegefahr!), übrigens auch nicht mit Grapefruitsaft. Bei bestehender antiarrhythmischer Therapie und bestehender Indikation zur medikamentösen Malariaprophylaxe empfiehlt sich in jedem Falle eine Testmedikation unter Langzeit-EKGKontrolle. Ähnliches gilt für die Kombination aus Chloroquin und Digitalis, dessen Spiegel steigt und mit ihm die Bradykardieneigung.
6 MISSBRAUCH VON MEDIKAMENTEN IM ALPINISMUS Zahlreiche Einzelbeobachtungen, historische Berichte und kleinere Studien zeigen, daß der Bergsport nicht so „rein“ ist, wie die Tradition es glauben machen möchte, sondern daß der Medikamentenmißbrauch verbreitet ist und eine lange Tradition hat. Man kann davon ausgehen, daß nahezu alle Erstbesteigungen hoher Himalayaberge in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts unter
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Verwendung von Amphetaminen durchgeführt wurden. Besonders „berüchtigt“ sind hier Captagon und Pervitin. Röggla legte Daten vor, nach denen in den Ostalpen oberhalb von 3.300m 7,1% und unterhalb 2,7%, zusammen also 9,8% der untersuchten Alpinisten, die nach eigener Angabe ausschließlich ihrem Freizeitsport nachgegangen sind, positiv auf Amphetamin getestet wurden (46). Auch wenn diese Studie hinsichtlich der Methodik kritisiert wurde zeigt sie eines jedoch eindeutig: Es besteht ein Mißbrauchproblem beim Bergsport, und zwar nicht nur beim Spitzen- sondern gerade auch beim Breitensport. Und dabei spiegeln Röggla’s Zahlen nur die Situation bei den Amphetaminen, während Testosteron und andere potentiell im Bergsport leistungssteigernd einsetzbare Substanzen nie untersucht wurden. Vergleicht man die Daten mit einer Studie an Freizeit-Fitnessportlern 1998 in Deutschland, nach der 24% der Männer und 8% der Frauen Anabolikamißbrauch betreiben und 86% dieser Medikamente vom Schwarzmarkt kommen (47), so spiegelt sich im Bergsport eine Zeiterscheinung. Damit steht der Alpinismus vor einer politischen (philosophischen?) Frage, nämlich der Akzeptanz, daß es ein Doping-Problem gibt und damit vor der Entscheidung, daraus die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Die WADA Anti Doping Convention (http://www.wada-ama.org/en/dynamic.ch2?pageCategory.id=373) verfolgt zusammengefaßt formuliert das Ziel, artifizielle Leistungssteigerung als unfair zu bannen und mit Mißbrauch verbundene Gesundheitsgefahren vom Sportler abzuwenden. Das mit Blick auf den Bergsport häufig angewendete Argument, daß es sich nicht um einen Wettkampfsport handelt, ist im doppelten Sinne falsch: 1. beschränkt sich die WADA ausdrücklich nicht auf (kommerziellen) Wettkampfsport, auch wenn sie dort besonders aktiv ist, und 2. haben wir auch im Bergsport längst eine wenn auch inoffizielle Wettkampfsituation mit Speedbegehungen – angefangen vom Biertisch, an dem erzählt wird, wie man die im Führer angegebene Zeit auf irgendeiner leichten Wanderung unterboten hat bis hin zu im Fernsehen dokumentierten „Rennen“ in der Eiger Nordwand oder im Himalaya – und vielen anderen merkwürdigen Erscheinungen. Im Sportklettern gibt es seit Jahren sogar offizielle Wettkämpfe und Ranglisten. Prüft man die WADA-Liste der verbotenen Substanzen, so stellt man folgendes fest: 1. können zahlreiche dort aufgeführte Substanzen und Verfahren auch im Bergsport zur artifiziellen Leistungssteigerung eingesetzt werden, 2. sind einige Substanzen zwar aufgeführt, nur wegen ihres maskierendem Effektes (z.B. Acetazolamid) verboten. Mit Steigerung des Atemantriebs müßte diese Substanz aus alpinmedizinischer Sicht auch unter dem Aspekt der Leistungssteigerung beleuchtet werden, was zwar im Tal keine Rolle spielt, aber in der Höhe
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in einigen Studien belegt ist (48), (49), auch wenn es – vielleicht methodisch bedingt – widerspüchliche Ergebnisse gibt (50), (51). Ähnliches gilt für Sildenafil und verwandte Substanzen: Sie sind derzeit nicht von der WADA gelistet, weil bei Normoxie bei gesunden Personen kein leistungssteigernder Effekt gezeigt werden konnte (52), (53). In der Höhe ist dies jedoch ganz anders: hier führen Sie vermutlich durch Normalisierung der inhomogenen pulmonalen Durchblutung zu einer Verbesserung der Oxygenierung und einer Steigerung der maximalen Sauerstoffaufnahme (53), (54). Für Theophyllin ist eine leistungssteigernde Wirkung bereits im Tal bekannt (55). Obwohl seit 1993 diskutiert, ist diese Substanz leider nach wie vor nicht von der WADA gelistet. Bedenkt man, daß zahlreiche Substanzen von der WADA gelistet werden, die dafür sorgen, daß ein Sportler sich subjektiv besser fühlt und damit leistungsbereiter ist oder bei präventivem Einsatz den Belastungen durch die Sportausübung besser gewachsen ist (z.B. Schmerzmittel in Kampfsportarten oder Betablocker im Schießsport), so wird schnell klar, daß die medikamentöse Prophylaxe der Höhenkrankheiten aus diesem Blickwinkel ein „heißes Eisen“ ist. Während Dexamethason sowieso längst von der WADA gebannt ist, muß über andere im Bergsport verbreitet eingesetzte Substanzen dringend unter diesem Blickwinkel diskutiert werden. Ganz besonders „heiß“ ist die Diskussion über die Verwendung von Sauerstoff beim Höhenbergsteigen. Auch wenn Sauerstoff mangels Relevanz für die von ihr bislang betrachteten Sportarten nicht von der WADA gelistet ist, so steht außer Zweifel, daß die Verwendung in großer Höhe zu massiver Leistungssteigerung führt, was aus den Grafiken und Tabellen der gängigen Literatur leicht ablesbar ist. Salopp formuliert, macht Sauerstoff physiologisch aus einem 8000er einen 6000er, ohne dass man sich auf den Meter genau festzulegen kann. Die Verwendung von Sauerstoff fällt also eindeutig unter die WADA-Definition der artifiziellen Leistungssteigerung. Die Meinungsbildner und die Verbände, insbesondere die Medizinische Kommission der Union Internationale des Associations d’Alpinisme (UIAA) als Weltdachverband sehe ich in der Pflicht, die Fragestellung des Dopings im Bergsport aufzuarbeiten und klare Richtlinien vorzugeben, was als fairer und medizinisch vertretbarer Bergsport zu betrachten ist. Das kann natürlich nicht ausschließen, daß Personen zugunsten eines Gipfelerfolges um jeden Preis Medikamentenmißbrauch betreiben, aber das Credo sollte sein: „Faires Bergsteigen ist Bergsteigen ohne Medikamente!“ – womit alle anderen artifiziellen Verfahren eingeschlossen sein sollen.
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7 SCHLUSSFOLGERUNGEN Die äußeren Bedingungen des Hochgebirges stellen besondere Anforderungen an die medizinische Ausrüstung. Die Auswirkung dieser Faktoren auf die Wirkung und Anwendbarkeit von Medikamenten ist nur unzureichend bekannt. Die meisten Medikamente sind den Klimabedingungen gewachsen. Temperaturempfindliche Substanzen sollten regelmäßig ausgetauscht werden, auch wenn das Verfallsdatum noch nicht erreicht ist. Für die Zukunft wäre es vor dem Hintergrund, dass immer mehr immer ältere Menschen immer reisefreudiger sind, immer exotischere Ziele ansteuern und dabei ihr persönliches gesundheitliches Risikoprofil dorthin „exportieren“, wünschenswert, wenn die vorgeschriebenen Stabilitätsuntersuchungen (56), (57) durch die Hersteller auf die reisemedizinisch relevanten Temperaturbereiche erweitert werden. Erneut sei darauf hingewiesen, daß jede Medikation auch im Gelände zunächst einmal gemäß üblichen Vorgehens angewendet werden sollte. Die hier angegebenen alternativen Applikationswege sind besonderen Situationen vorbehalten. Bei alternativer Applikation sollte der Patient in jedem Fall überwacht werden, weil sich der Effekt zumeist schlechter steuern läßt. Insbesondere für die Medikamentenanwendung bei hypobarer Hypoxie sind dringend weitere Untersuchungen erforderlich, weil bei einigen Substanzen in unsystematischen Einzelfallbeobachtungen schwere unerwartete Nebenwirkungen berichtet wurden. Den Medikamentenmißbrauch („Doping“) im Bergsport vorzubeugen und nach Möglichkeit Einhalt zu bieten, ist aktuelle Aufgabe und zukünftige Herausforderung für alle Aktiven und die Meinungsbildner.
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Tabelle 1: Temperaturstabilität und alternative Applikationswege kreislaufwirksamer Medikamente (--: keine Information oder Daten vorhanden) 1 2 3
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„Depot-Effekt“! Die Wirkung halt bis zu 4x länger an (13) 3-5-fache Dosierung nötig (13) „Depot Effekt“! Die Wirkung wird bis zu 4x länger anhalten (13). Keine Dosisempfehlung in der Literatur, Standarddosierung benutzen und Patient überwachen. Erwachsene benötigen die 3-fache Dosis (23), (24), (26), Kinder bis zur 10-fachen (36). Der “Depot-Effekt” verdoppelt die Wirkdauer (13) Extrem resistent gegen Hitze und Kälte! (8) Zunehmende Zersetzung oberhalb von +30°C. Nach Hitzebelastung, mindestens 1x/Sommer, ersetzen. Nach jeder Hitzeexposition ersetzen! Vollständiger Wirkungsverlust!. Gefriert unterhalb von +4°C. Warm halten, insbesondere den venösen Zugang! Dosis: 40-80 (-120) mg; Blutdruckabfall möglich, Patient überwachen! (58), (59), (60), (61), (62), (63)
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Tabelle 2: Temperaturstabilität und alternative Applikationswege Schmerzmitteln, Narkosemitteln und zentral wirksamer Substanzen (--: keine Information oder Daten vorhanden) 10
0.4 mg oral gegeben zeigen eine Wirkung, die der von to 10 mg Morphin vergleichbar ist, allerdings ohne das der hypoxic ventilatory drive beeinträchtigt wird! 11 Orale Gabe möglich (Dosis gleich wie bei i.v.-Gabe) 12 Achtung, nicht ungefährlich! Siehe Hinweis im Text! 13 Orale und rektale Gabe möglich, gleiche Dosis wie bei der i.v.-Gabe 14 Orale Gabe möglich, allerdings gibt es keine daten zur Dosierung. In den meisten Fällen wurde eine der i.v.-Gabe vergleichbare Dosierung angewendet. Patient überwachen, insbesondere hinsichtlich ausreichender Atmung bei Höhenaufenthalt! 15 (Relativ) Temperaturempfindlich. Alle 3 Monate oder nach Hitzebelastung ersetzen.
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Tabelle 3: Temperaturstabilität und alternative Applikationswege sonstiger Medikamente (--: keine Information oder Daten vorhanden) 16 17 18
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Orale Applikation (Trinken) der Ampulle ist möglich Niemals! Es kann eine lebensgefährliche Pneumonie entstehen! Wirkung vermindert, höhere Dosierung nötig. Keine Dosisangabe in der Literatur, nach klinischem Effekt dosieren und Patienten beobachten! Nicht vollständig hitzestabil. Einmal pro Saison ersetzen, falls das Ampullarium bei >30°C transportiert oder gelagert wurde. Konnektor nötig (z.B. Tube Inhaler), 3-fache Dosis für Erwachsene, bis 10-fache Dosis für Kinder nötig. Begrenzte Kältestabilität. Kann in kalter Umgebung benutzt werden, sollte aber nicht einfrieren. Wenn nach Auftauen Kristalle in der Lösung schweben Ampulle verwerfen! Haltbarkeitszeitraum wird massiv verkürzt. Nach Wärmeexposition immer in Kombination mit engmaschiger Blutzuckerkontrolle einsetzen und bald möglich ersetzen. Dunkel (im Schatten) halten, die Substanz ist sehr UV-empfindlich. Erwachsene: 3-fache Dosis; Kinder bis zu 10-facher Dosis Nicht mehr benutzen, falls der Ampulleninhalt gelblich oder pink aussieht.
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DANKSAGUNG Allen, die von Seiten der herstellenden Pharmafirmen die Recherche mit z.T. nie zuvor publizierten Informationen unterstützt haben, sei an dieser Stelle ausdrücklich gedankt. Ich habe auf breiter Front eine sehr bereitwillige und hilfsbereite Unterstützung erleben dürfen! Ein besonderer Dank gilt für ihre Unterstützung bei der Literaturrecherche auch Fr. cand. med. Parnian Parvanta, Inst. f. Flugmedizin der RWTH Aachen und Frau Claire Küpper, Apothekerin in Düsseldorf.
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R o b b Wa a n d e r s , W i l f r i e d S t u d e r, F r a n z P l e h , A l e x a n d e r K r i s t e n
S y s t e m D A R I X 4 0 0 0 i n d e r P r a x i s – Te i l 2 DARIX4000 applied – Part 2: Project Chulu West Peak
S U M M A RY In Memoriam Dr. Oliver Fugel († 24.08.2008). In the context of risk and health management a major question during exposure to high and extreme altitude concerns the acclimatization. A new procedure named Damgiri-Index or DARIX4000 allows for quick evaluation of this state at altitude ranging from fully acclimatized to severely deficient (3). 2008 System DARIX4000 in its 5th version was developed for application on Pocket PC or Smart Phone. It was tested during a period of twelve days in the Himalayas on Mt. Chulu West (6419M/21,061Ft, Damodar Himal). The results will be presented here. Parallel participants were seen by a doctor in mountain medicine. Daily evaluations by mobile System DARIX4000 show a 0.92 correlation with Lake-Louise-Sumscore (n=13) and prove to be a reliable and easy to apply aid for addressing the individual acclimatization state (7) at high altitude. Keywords: acute mountain sickness, acclimatization, risk management, mobile AMS-Scoring-System, Pocket PC, PDA, MDA
Z U S A M M E N FA S S U N G In Memoriam Dr. Oliver Fugel († 24.08.2008). In großer Höhe stellt sich im Sinne des Risiko- bzw. Sicherheitsmanagements zu jedem Zeitpunkt die Frage, wie gut eine Person akklimatisiert ist. Die Akklimatisation kann über Erfolg oder Misserfolg, über Leben und Tod entscheiden. Der Damgiri-Index (kurz DARIX) ermöglicht eine relativ einfache Evaluation der Situation in der Höhe, sowie eine zuverlässige Beurteilung der Höhenanpassung bzw. im Falle einer Störung der Höhenanpassung die Einteilung nach Schweregraden. Zu diesem Zweck wurde System DARIX4000 für Anwendungen am Pocket PC oder Smart Phone entwickelt. Diese neue Anwendung wur-
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de in der fünften Version am Chulu West Peak (6419M, Damodar Himal, Nepal) auf ihre Funktionalität hin während zwölf Tagen an 13 Teilnehmern geprüft. Zeitgleich wurde jeder Teilnehmer von einem in Höhenmedizin ausgebildeten Arzt untersucht. Die Resultate zeigen, dass System DARIX4000 eine zuverlässige Hilfestellung zur Beurteilung des individuellen Akklimatisationszustandes in großen Höhen darstellt. Der nächste Schritt besteht darin, einen geeigneten, international operierenden Partner in der Industrie zu suchen, um System DARIX4000 einem möglichst breiten Publikum zugänglich zu machen. Schlüsselwörter: Risiko- und Sicherheitsmanagement, Höhenanpassung, Prävention, mobiles System DARIX4000, Pocket PC, PDA, MDA
EINFÜHRUNG In großer Höhe stellt sich zu jedem Zeitpunkt die Frage, wie gut jemand akklimatisiert ist. Mit zunehmender Höhe wird die Atemluft bekanntlich „dünner“, was zu individuell unterschiedlichen körperlichen Reaktionen führt. Zusätzlich zur Höhenexposition und zur begleitenden Hypoxie gesellt sich das Ausmaß an subjektiv empfundener physischer Anstrengung, mit der die Tagesetappe oder die Höhentour einhergeht. Auch scheinen bestimmte psychologische Faktoren wie „Stressverarbeitungsstrategien“ und „emotionale Belastbarkeit“ eine wichtige Rolle bei der Höhenanpassung zu spielen (1, 2). Die Zusammenhänge dieser unterschiedlichen AMS-Faktoren sind noch weitgehend unklar. Eine Arbeit von Feddersen et al. aus dem Jahre 2007 deutet auf eine rechtshirnige Komponente hin (3). Der DAMGIRI-Index (DARIX) ermöglicht eine relativ einfache Beurteilung der Höhenanpassung und, im Falle einer Störung der Höhenanpassung, die Einstufung nach Schweregrad (4). System DARIX4000 wurde für die Anwendung auf Pocket PC (PDA) oder Smart Phone entwickelt. 2006 und 2007 fanden die ersten Testreihen an drei mäßig hohen Gipfeln statt (5): Gran Paradiso (4061M), Jbel Toubkal (4167M) und Großen Ararat (5165M). Die fünfte Version von DARIX4000 wurde 2008 in Nepal im Damodar Himal am Chulu West Peak (6419M) an n=14 Probanden erprobt. Im Herbst 2008 wäre das neue Evaluationssystem am Mera Peak (6461M, Hongu Himal, Nepal) bei einer Schibesteigung mit 12 Teilnehmern zum Einsatz gekommen. Oliver Fugel, der medizinische Leiter dieser Expedition wurde jedoch zu unserer großen Trauer nebst sieben anderen Bergsteigern bei einer Vorbereitungstour im Mont Blanc-Gebiet im August von einer Eislawine verschüttet und getötet (6).
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R E S U LTAT E Im Rahmen einer kommerziell geführten Expedition am Chulu West Peak durch die Hochgebirgsschule W. Studer (7) wurde die Höhenanpassung mittels System DARIX4000 bei 14 Teilnehmern protokolliert. Zur Erfassung des Akklimatisationsstatus standen drei mobile Geräte bereit: ein handelsüblicher Pocket PC (iPAQ von HP; 130 Gramm), ein MDA mit Telefonfunktion (htc vario; 170 Gramm) sowie ein Smart Phone (htc S710; 120 Gramm). Die beiden ersten Geräte sind mit einem Touch Screen ausgestattet und werden mittels Stift bedient, das Smart Phone ausschließlich über die feste Tastatur. Alle Geräte verfügen über ein Windows Mobile™ Betriebssystem (Voraussetzung für die Anwendung von DARIX4000). Die kontinuierliche Energieversorgung am Berg war teilweise mittels Solar Charger und Mobile Charger gewährleistet (8), im Basislager diente zusätzlich ein Generator diesem Zweck. Um einem potentiellen Datenverlust vorzubeugen, wurden die Daten und Auswertungen von System DARIX4000 laufend schriftlich in Verlaufstabellen erfasst (paper form backup). Nach Überschreiten der Schwellenhöhe fand die erste Bestimmung der Höhenanpassung kurz vor der Ortschaft Chame (in ca. 2600M) nach dem Abendessen statt. Anschließend wurde der Damgiri-Index DARIX pro Individuum zwei Mal täglich an weiteren 21 Messpunkten eruiert. Ein Proband musste aufgrund einer massiven Darminfektion abbrechen. Abbildung 1 zeigt die Verlaufsprofile der übrigen 13 Personen, die Schwellenwerte sind rot markiert. XX
Abbildung 1: Schwellenwerte rot markiert
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Während des siebentägigen Anmarsches ins Basislager des Chulu West Peak mit einem zusätzlichen Akklimatisationstag in Manang (3550M; Messpunkte 5-8) wurden die Schwellenwerte generell unterschritten. Ein einzelner Teilnehmer erzielte aufgrund Anpassungsschwierigkeiten an Messpunkt 6 einen DARIX von 6,05. Der Schwellenwert wurde hier leicht überschritten und von System DARIX4000 mit „VORSICHT, der aktuelle Schwellenwert wurde überschritten: geringe Höhenanpassungsstörung“ bewertet. Die nachfolgende Messung - nach der Nacht in einer Höhe von 3550M - zeigt annähernd eine Normalisierung der Höhenanpassung (DARIX = 2,42). Deutliche Überschreitungen der Schwellenwerte wurden bei diversen Probanden an den Messpunkten 11 und 12 (die ersten 24 Stunden im Base Camp in ca. 4800M) und vor allem 15 und 16 (Übernachtung im High Camp in ca. 5500M) registriert. System DARIX4000 gab in den meisten Fällen die Rückmeldung „VORSICHT, der aktuelle Schwellenwert wurde überschritten: geringe oder mäßige Höhenanpassungsstörung“. Nur einmal wurde eine schwere Höhenanpassungsstörung (Index von 26,55; Messpunkt 16) gemessen. Die betroffene Person hatte nach der Nacht in 5500M eine AMS-Score von 6, wollte jedoch trotzdem zum Gipfel aufsteigen! Abbildung 2 zeigt das DARIX-Profil für die 13 Teilnehmer. Die hier gezeigten Indexwerte sind Mittelwerte. Während des Gipfelganges konnten leider keine Bestimmungen durchgeführt werden. Aufgrund der schwierigen Bedingungen am Berg (Neuschnee, Tiefschnee, schlechte Sichtverhältnisse, Schneefall) wur-
Abbildung 2 (Bildquelle: D. Neumann)
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de die Besteigung ca. 200 Meter unter dem Gipfel abgebrochen und ins Basislager abgestiegen. Trotz der Anstrengungen des Tages kam es hier bei fast allen Teilnehmern zu einer Normalisierung der Indexwerte und die anschließende Überschreitung des 5416M hohen Thorong La stellte aus akklimatisationstechnischen Gründen – wie die DARIXwerte belegen - kein Problem dar. Allerdings machte sich bei vielen ein gewisses Maß an Müdigkeit bemerkbar. DARIX gilt primär als Index für „mild AMS“. Die Korrelation zwischen dem durchschnittlichen DARIXwert und der (im Rahmen der DARIXmessung ermittelten) AMS-Sumscore beträgt 0,92. Wie zu erwarten, steigt mit der AMSscore der Höhenanpassungsindex DARIX fast eins zu eins (Abbildung 3) an. Im Vergleich mit den vom Expeditionsarzt an den Messtagen 4. Mai (3500M in Manang), 7. Mai (4800M im Basislager) und 9. Mai (5400M im High Camp) erhobenen Protokollen zeigt sich ebenfalls eine recht hohe Korrelation zwischen den AMS-Sumscores, die mittels System DARIX4000 erhoben wurden und den parallel und unabhängig erhobenen expeditionsärztlichen AMS-Daten (R = 0,94). Die Bewertung der Höhenanpassung mit Hilfe des mobilen System DARIX4000 deckt sich im Wesentlichen mit der Beurteilung durch einen Arzt für Höhenmedizin. System DARIX4000 verfügt über eine hohe Reliabilität und Validität.
Abbildung 3
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DISKUSSION In großer Höhe stellt sich im Sinne eines erweiterten Risiko- bzw. Sicherheitsmanagements die Frage, wie gut jemand akklimatisiert ist. Diese Frage lässt sich meistens nur annähernd von Bergsteigern, Höhentouristen oder Begleitpersonen beantworten. DARIX4000 beruht auf der systematischen Bestimmung eines Höhenanpassungsindexes (DARIX) und ermöglicht eine rasche und unkomplizierte Evaluation der Situation in der Höhe. System DARIX4000 wurde für den Einsatz auf einem Pocket PC oder Smart Phone (mit Windows Mobile™ Betriebssystem) entwickelt und nun in der fünften Version auf seine Funktionstauglichkeit unter Feldbedingungen hin überprüft. Der Index für die Höhenanpassung DARIX ist in erster Instanz als praktikable Erweiterung des Lake-Louise-Acute-Mountain-Sickness-Scoring-System (LLAMS-Score; 9) zu sehen und soll Höhentouristen im Sinne eines erweiterten Risikomanagements zu einer besseren Einschätzung ihrer Sicherheitslage verhelfen. Die Praxis der letzten fünfzehn Jahre hat gezeigt, dass der LL-AMSScore bei individuellen Bergsteigern und Trekkingtouristen nur wenig Beachtung und Anwendung findet, d.h. primär im Rahmen von Höhenstudien verwendet wird. Auf dieser eher wissenschaftlich orientierten Grundlage kann der LL-AMS-Score kaum zu einer Verbesserung des Risikomanagements von Individuen beitragen. Dazu braucht es eine regelmäßige, standardisierte Evaluation der subjektiven und objektiven Gegebenheiten bzw. Parameter einer Höhen-
Abbildung 4: Teilnehmer PM; Schwellenwerte rot markiert (Bildquelle: A. Kristen)
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tour/Tagesetappe. Die tägliche Bestimmung des Index für die Höhenanpassung führt zu einer größeren Transparenz der Situation in der Höhe und hilft somit, (verborgene) Faktoren, die das Risikomanagement beeinflussen, leichter zu erkennen. Idealerweise wird der Akklimatisationsindex DARIX nach dem Überschreiten der Schwellenhöhe (2500M) täglich in der Früh und am frühen Abend bestimmt. Längerfristig können so auffallende Veränderungen im Höhenanpassungsprofil (siehe z. B. Abb. 4) registriert und protokolliert werden. Die bisherigen Ergebnisse haben gezeigt, dass System DARIX4000 eine praktikable Anwendung zur Bestimmung der Höhenanpassung darstellt und über ein hohes Maß an Reliabilität und Validität verfügt. Eine Evaluation mittels Pocket PC ist technisch einfach durchzuführen und nimmt gewöhnlich kaum zwei Minuten in Anspruch. Die Benutzeroberfläche ist laut Rückmeldung von unabhängigen Anwendern übersichtlich und informativ gestaltet und lässt sich mit dem Stift oder dem Daumen gut bedienen. Als Schwachstelle von System DARIX 4000 gilt jedoch die Energieversorgung, die – um keinen Datenverlust zur Folge zu haben – kontinuierlich gewährleistet sein muss. Dieses Problem lässt sich durch eine kombinierte Anwendung von mobilen Solar- und Batteriechargern (8) einigermaßen entschärfen. Auch empfiehlt sich die Verwendung eines Pocket-PCs oder Smart Phones mit ausreichender Akkuleistung. Zum anderen kann aufgrund der Lichtverhältnisse das Ablesen des Displays erschwert sein. Hier können wir nur auf die Verwendung in Situationen ohne direkte Sonneneinstrahlung hinweisen (im Schatten, im Zelt). Es empfiehlt sich, die Herstelleranweisungen zur Optimierung der Kontrastwerte am Display zu befolgen. Mit dem Ziel, System DARIX4000 einem möglichst breiten Publikum zugänglich zu machen, wird eine Kooperation mit einem geeigneten, international operierenden Partner in der Industrie angestrebt.
Abbildung 5
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DANKSAGUNG Wir möchten uns recht herzlich bei allen Teilnehmern für die Mitarbeit trotz nicht immer angenehmer Feldbedingungen sowie bei Sandra und Claudia Studer für ihren Einsatz bei der Datensammlung bedanken!
L I T E R AT U R (1)
Nicolas, M., Thullier-Lestienne, F., Bouquet, C., Gardette, B., Gortan, G., Joulia, F., Bonnon, M., Richalet, J.P., Therme, P., Abraini, J.H. : An anxiety, personality and altitude symptomatology study during a 31-day period of hypoxia in a hypobaric chamber (experiment ´Everest-Comex 1997´), J. Environ. Psychol. 19, 407-414 (1999)
(2)
Glück, M., Beck, K., Vogel-Heinrich, C., Kramer, C.: Stressbewältigungstraining als hilfreiches Instrument zum Risikomanagement beim Höhentrekking und Höhenbergsteigen. In: R. Waanders, H. Frisch, W. Schobersberger, F. Berghold (Hrsg.). Jahrbuch 2003 der Österr. Gesellschaft für Alpin- und Höhenmedizin, 53-65 (2003)
(3)
Feddersen, B., Ausserer, H., Neutane, P., Thanbichler, F., Depaulis, A., Waanders, R., Noachtar, S.: Right Temporal Cerebral Dysfunction Heralds Symptoms of Acute Mountain Sickness. J. Neurology, 359-363 (2007)
(4)
Waanders, R., Studer, W.: DARIX: Index für Höhenanpassung. In: W. Domej, W. Schobersberger, G. Sumann, F. Berghold (Hrsg.). Jahrbuch 2006 der Österr. Gesellschaft für Alpin- und Höhenmedizin, 167-176 (2006)
(5)
Waanders, R. , Pleh, F.: System <DARIX 4000> in der Praxis - Teil 1. In: W. Schobersberger, W. Domej, G. Sumann, F. Berghold (Hrsg.). Jahrbuch 2007 der Österr. Gesellschaft für Alpin- und Höhenmedizin, 77-86 (2007)
(6)
Fugel, O. Geschäftsführer und Arzt der Dreiländerklinik Ravensburg; am 24.8.08 im Mt. Blanc Massiv verschüttet. Quelle: Suedkurier.de – Nachrichten vom 27.08.2008.
(7)
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(8)
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(9)
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Ulrike Prettenhofer
Natürliche Strahlenexposition im Vergleich zu diagnostisch – therapeutischer Strahlenbelastung Natural radiation exposure in comparison to diagnostic/therapeutic radiation exposure
S U M M A RY Radiation is a natural part of our life. There are two main contributors to naturally occurring radioactivity: high energy ray particles from outer space (cosmic radiation) and radioactive nuclides in the earth’s crust (terrestrial radiation). The largest fraction of terrestrial radiation we receive comes from the radioactive gas Radon. About 30% of background radiation dose comes from man-made sources (X-rays and nuclear medicine). Both, natural and artificial radiation is identical in their physical nature and biological effects. The following review shows a comparison between natural and artificial radiation sources to define the relevance for human being. Keywords: cosmic radiation, terrestrial radiation, artificial radiation, radioactivity
Z U S A M M E N FA S S U N G Strahlung ist ein natürlicher Bestandteil des Lebens. Die in der Natur auftretende Strahlung besteht aus zwei Hauptkomponenten: hochenergetische Teilchen aus dem Weltraum (Kosmische Strahlung), und radioaktive Nuklide aus der Erdkruste (Terrestrische Strahlung). Der größte Anteil an terrestrischer Strahlung, die auf uns einwirkt, stammt vom Edelgas Radon. Etwa 30% der Umgebungsstrahlung kommt von durch Menschen erzeugter Strahlung (Röntgenstrahlen und Nuklearmedizin). Beide, sowohl natürliche als auch künstliche Strahlung, sind identisch in ihren physikalischen Eigenschaf-
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ten und biologischen Auswirkungen. Die folgende Arbeit soll einen Vergleich von natürlicher und künstlicher Radioaktivität bezüglich ihrer Relevanz für den Menschen ermöglichen. Schlüsselwörter: Kosmische Strahlung, Terrestrische Strahlung, Künstliche Strahlung, Radioaktivität
EINLEITUNG Die Erde ist seit ihrem Bestehen Strahlung ausgesetzt. Alles Leben auf diesem Planeten hat sich im Laufe der Jahrmillionen durch Evolution dieser Strahlenexposition angepasst. Allerdings sind wir Menschen erst seit etwas mehr als hundert Jahren in der Lage, diesen Einflussfaktor zu erkennen und zu bewerten. Ende des 19. Jahrhunderts konnte Wilhelm Conrad Röntgen in seinen Experimenten mit Kathodenstrahlröhren Strahlung künstlich erzeugen. Kurz danach gelang Becquerel der Nachweis natürlicher Strahlung bei Uran und Marie Curie erhielt ihren ersten Nobelpreis für die Messung und Erforschung der Radioaktivität. Acht Jahre später erfolgte diese Auszeichnung ein zweites Mal für ihre Entdeckung der Elemente Radium und Polonium. Der Umgang mit radioaktivem Material war in Unkenntnis seiner Gefährlichkeit anfangs geradezu fahrlässig. Eine Reihe von Todesfällen im Zusammenhang mit künstlicher Strahlung führte die Wissenschaft jedoch bald zu jenen Maßnahmen im Strahlenschutz, die auch heute zum Teil noch Gültigkeit haben. Rolf Sievert, einem schwedischen Mediziner, gelang die Berechnung der biologischen Wirksamkeit der Strahlung. Er schaffte somit die Möglichkeit, die verschiedenen Strahlenarten hinsichtlich ihrer Gesundheitsgefährdung zu beurteilen und zu vergleichen. Die nach ihm benannte Einheit der Äquivalentdosis -Sievert (Sv)- ist daher „der“ Maßstab im Strahlenschutz (1). Traurige Berühmtheit erhielt die Radioaktivität durch den Abwurf der ersten Atombomben und die sich bis in die heutige Zeit erstreckenden Atomversuche. Die sogenannte friedliche Nutzung der Kernenergie hat seit ihrer Anwendung Hunderttausenden das Leben gekostet und die Langzeitfolgen dieser „Unfälle“ werden noch Generationen von Erdenbürgern gesundheitlich beeinträchtigen (2). Im Gegensatz dazu haben die Weiterentwicklung der Röntgenröhre sowie Randprodukte der atomaren Waffenherstellung zu Hochpräzisionsgeräten wie z.B. Computertomographie-Geräten und Linearbeschleunigern geführt, die ein unverzichtbarer Bestandteil der modernen Medizin in Diagnostik und Therapie geworden sind.
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PHYSIKALISCH-BIOLOGISCHE GRUNDLAGEN Unter dem Begriff Strahlung wird die Ausbreitung von Teilchen oder Wellen verstanden. Diese werden nach Teilchenart bzw. Energie (ionisierend – nicht ionisierend) unterschieden (Tab.1). Für den Menschen entscheidend ist das jeweilige Strahlenrisiko der einzelnen Strahlenarten. Dieses Risiko entsteht durch Wechselwirkung mit Materie, wobei die Schädigung direkt durch Herausschlagen von Atomen aus Molekülverbindungen (Primärschaden) oder indirekt durch Bildung reaktionsfreudiger Radikale (Sekundärschaden), die wiederum im nm–Bereich ionisierend wirken, erfolgt (1). Komplexe Reparatursysteme im Organismus können diese entstandenen Schäden zwar rückgängig machen, in Abhängigkeit von Dauer und Stärke der Strahlenexposition kann es allerdings sowohl zu somatischen als auch genetischen Veränderungen kommen. Die relative biologische Wirksamkeit (Sievert, Sv) ist abhängig von der Strahlenart und beträgt bei Alpha-, Protonen- und Neutronenstrahlen ein Vielfaches von Gamma-, Röntgen- und Elektronenstrahlen (1). Elektromagnetische Strahlung Rundfunk Mikrowellen Infrarotstrahlung Sichtbares Licht UV - Strahlung Röntgenstrahlung Gammastrahlung Teilchen- Korpuskularstrahlung Alphastrahlung (2 Protonen + 2 Neutronen) Betastrahlung (Elektronen, Positronen) Neutronenstrahlung
Wellenlänge (m) 1 bi 103 10-2 10-5 10-7 10-8 10-10 10-12
Tabelle 1: Strahlenarten (Ionisierend und nicht ionisierend)(1)
N AT Ü R L I C H E S T R A H L U N G Schon vor knapp fünfhundert Jahren wurden die Auswirkungen von Radon – einem Edelgas und Uranspaltprodukt - bei Bergarbeitern in Schneeberg (Sachsen) von Paracelsus in seinen drei Büchern „Von der Bergsucht und anderen Bergkrankheiten“ beschrieben (3, 4, 5). Die von den Römern bereits angewandte Technik der Glasfärbung mit Uran wurde im 19.Jht. zur Hochblüte gebracht.
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Dafür wurden Uranerze in großen Mengen in Böhmen abgebaut. Die Arbeiter in diesen Uranminen hatten nur eine geringe Lebenserwartung. Heute findet der Uranabbau für Kernwaffen und Kernenergie großteils auf indigenem Gebiet statt (Kanada, Australien, Russland), wobei der Abraum, der ein Zig-Tausendfaches der gewonnenen Uranmenge beträgt und noch 80% der ursprünglichen Aktivität enthält, durch oberflächliche Lagerung zu einer erhöhten Krebsrate in diesen Regionen geführt hat (6, 7). Die von Radionukliden in den Böden abgegebene Strahlung wird als terrestrische Strahlung bezeichnet und tritt weltweit in unterschiedlicher Stärke auf. Generell ist kalkhältiger Boden weniger strahlungsaktiv als Granit (8). Der mit Abstand höchste Wert wurde im Iran (Ramsar, Radon) gemessen, weitere Gebiete mit hoher terrestrischer Strahlung wurden in Indien (Kerala, Monazitsand) und Brasilien (Guarapari, Monazitsand) untersucht (9, 10) (Tab.2). In Österreich erbrachte 1989 eine Erhebung des statistischen Zentralamts zum Todesursachenatlas eine fast 40% höhere Bronchialkarzinomsterblichkeit in der Region Imst in Tirol. Untersuchungen ergaben, dass neben einer erhöhten Porosität des Bodens für Radon, möglicherweise ein Bergsturz vor mehr als 8000 Jahren Massen an uranhältigen Granitgneisen als Sturzschutt im Ötztal bei Umhausen abgelagert hat und große Exhalationsraten des Zerfallsprodukts Radon aus diesem Bodenmaterial für die Krebshäufigkeit verantwortlich sind (11, 12). Forschungsergebnisse aus Langtang Himal in Nepal mit ähnlicher geologischer Konstellation scheinen diese These zu bestätigen (13, 14). Aufgrund baulicher Energiesparmaßnahmen nimmt die Radonkonzentration stetig zu. In Österreich beträgt die jährliche Radonbelastung in Innenräumen durch Inhalation im Mittel 2 mSv und stellt somit den größten Anteil der natürlichen Strahlenbelastung dar (8). Im Gegensatz dazu beträgt die Belastung der durch Ingestion (Wasser, Nahrung) aufgenommenen natürlichen Radionuklide (14C, 40K, 210Po 238U) nur ein Zehntel davon (1). Jedoch kann es bei Wasser regional unterschiedliche Schwankungen geben die einen 100000-fach höheren Wert erreichen vergleicht man Grund- und Quellwässer mit Mineralbrunnen oder Radonquellen (Gastein). Quellen mit derart hohen Aktivitätskonzentrationen sind daher als Trinkwässer nicht zugelassen. Derzeit wird untersucht, ob Rauchen wegen des hohen Poloniumgehalts und der damit verbundenen Alphastrahlung der Tabakpflanzen nicht nur aufgrund der chemischen Kanzerogene sondern auch der Radioaktivität zu Lungenkrebs führt (15, 16). Als Kosmische - oder Höhenstrahlung wird eine hochenergetische, atomare Teilchenstrahlung aus dem Weltall bezeichnet, die 1912 erstmals vom dem öster-
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reichischen Physiker Viktor Hess in 5000 m Höhen von einem Heißluftballon aus gemessen wurde. Durch die Wechselwirkung mit der Atmosphäre entstehen Sekundärteilchen, von denen aber nur ein geringer Anteil die Erdoberfläche erreicht. Die Höhenstrahlung hängt allerdings nicht nur von der Entfernung zur Erdoberfläche ab, sondern ist im Bereich der Pole fünf Mal so hoch wie über dem Äquator. Relevanz erhält die Kosmische Strahlung durch die Zunahme an Flugfrequenz und Flughöhe im Flugverkehr, wo eine strikte Einhaltung von Grenzwertbestimmungen gefordert ist. Mehrere Studien an Flugpersonal konnten aber bislang noch keine erhöhte Krebshäufigkeit in Zusammenhang mit der Höhenexposition feststellen. Allerdings scheint sich einerseits die Art der Freizeitgestaltung (Sonnenbäder in den Flugpausen) auf das Hautkrebsrisiko auszuwirken, andererseits wird ein Anstieg des Mammakarzinoms bei Flugbegleiterinnen auf die berufsbedingten Störungen des circadianen Rhythmus und Nulliparität zurückgeführt (17, 18, 19). Für den Menschen ist die wichtigste natürliche Strahlenquelle die Sonne, wobei nur ein kleiner Anteil der UV Strahlung ionisierend wirkt (Abbildung 1). Dieser als UV C bezeichnete Teil des elektromagnetischen Spektrums wird derzeit noch zum Großteil von der Ozonschicht absorbiert (20). Jedoch sind auch UV A und UV B Strahlen in der Lage, Schäden an der DNA von Hautzellen zu verursachen. Aufgrund des wachsenden Interesses an sportlich ausgerichteter Freizeitbeschäftigung stellt der Hautkrebs somit ein zunehmendes Public Health Problem dar (21). In mehreren Studien wurde eindeutig ein Zusammenhang zwischen UV Exposition und Risiko sowohl für Melanome als auch für Basaliome und Plattenepithelkarzinome bei Sportlern belegt (22). Besonderes Augenmerk wird inzwischen auf Berufsgruppen mit langer Aufenthaltdauer im Freien gerichtet. In einer deutschen Studie wurde die UV Belastung an neun Bergführern mittels Dosimeter, die am Stirnband befestigt waren, über ein ganzes Jahr gemessen. Dabei zeigte sich, bedingt durch die Höhe und die starke Reflexion von Strahlen auf Schnee und Eis, eine bis zu zwanzigfache Überschreitung des von der ACGIH (American Conference of Govermental Industrial Hygienists) vorgegebenen UV- Grenzwertes. Weitere Studien und unermüdliche Aufklärungsarbeit über Hautkrebsrisiko und entsprechenden Sonnenschutz sind dringend gefordert (23).
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Natürliche Strahlenquellen Kosmische Strahlung (Meeresniveau) 3000m 8000m 300km (Space Shuttle) Flug Wien – Rio Flugpersonal Terrestrische Strahlung Kerala (Indien) Guarapari (Brasilien) Ramsar (Iran) Ingestion Radoninhalation Radonkur Gastein 30 Zigaretten/d Radioaktiver Fallout
Effektivdosis (mSv/ Jahr) 0.3 1.5 20 200 0.05 /Flug 5-6 0.3 30 35 120 0.2 1-2 2-5 /Kur 80 (Lungendosis) 0.01
Tabelle 2: Natürliche Strahlenquellen (1)
Abbildung 1: Die Sonne: wichtigste natürliche Strahlenquelle für den Menschen (Foto: Archiv W. Domej) 202
KÜNSTLICHE STRAHLENQUELLEN Die Medizin trägt, neben Industrie und Forschung, den größten Teil zur zivilisatorischen Strahlenexposition bei (1, 2). Gesundheitlicher Nutzen und Risiko aller Arten von Strahlenanwendungen müssen abgewogen werden, um eine Untersuchung/Behandlung zu rechtfertigen. Dabei ist die Dosis des jeweiligen Eingriffs so niedrig wie möglich zu halten. In einer von Bundesamt für Strahlenschutz in Deutschland durchgeführten Trendanalyse im Zeitraum 1996- 2004 zeigte sich eine Zunahme an CT – Untersuchungen um 65% (auf ca. 7 Millionen Untersuchungen/Jahr), im Gegensatz zu einer Abnahme an konventionellen Röntgenuntersuchungen (135 Millionen Röntgengenuntersuchungen/Jahr) (24). Zusätzlich wurde ein Anstieg der kollektiven effektiven Dosis aufgrund häufiger und dosisintensiver Angiographie - Untersuchungen beobachtet. Dieser Trend wird nicht nur für Europa, sondern für sämtliche Länder mit hohem Gesundheitsstandard beschrieben (25). In einer Studie über Strahlenbelastung durch nuklearmedizinische Untersuchungen in Deutschland wurden alters- und geschlechtsspezifische Daten zwischen 1996 und 2000 ausgewertet. Der Altersgipfel an Untersuchungen war zwischen dem 40. und 65. Lebensjahr zu verzeichnen, wobei Männer aufgrund einer höheren Anzahl an kardiovaskulären Untersuchungen insgesamt pro Jahr durchschnittlich einer dreifach höheren Dosis als Frauen ausgesetzt waren (26). Untersuchung/Behandlung Effektivdosis Relation zu Relation zu (mSv) Umgebungsstrahlung Thorax-Rö Rö periph. Extremitäten 0,01 1.5 Tage 0.1 Rö Thorax 0,1 15 Tage 1 CT Abd/Becken 10 4.5 J 100 CT Schädel 2.3 1J 23 CT Thorax 8 3.6 J 80 Kontrast CT / PAE Protokoll 14 6J 140 Mammographie 0.5 3 Mo 5 Nierenangiographie 14 6J 140 Koronardilatation 20 9J 200 Bestrahlung Thorax 70 (70000 mSv 30 J 700 Lokaldosis!) Jährliche Dosis Medizin 1.3 7 Mo 13 (Österr./D) Tabelle 3: Künstliche Strahlenquellen (1)
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Strahlenschäden können schon bei geringer Dosis auftreten, jedoch nehmen die Schwere der Erkrankung und das Krebsrisiko mit der Höhe der Exposition zu (1). Die letale Dosis (LD50/30d, 50% Todesfälle nach 30 Tagen) ist für die verschiedenen Lebewesen unterschiedlich und beträgt beim Menschen 4 Sv bei einmaliger Exposition. Im Vergleich dazu beträgt die LD 50/30 Dosis bei der Schnecke 200 Sv, bei Insekten 1000 Sv, bei Bakterien und Viren bis 2000 Sv (18). Als Ursache für die Zunahme der Toleranzschwelle wird der unterschiedliche Gehalt an DNS im Zellkern vermutet (1). In Hiroshima gab es kein Überleben von Betroffenen mit mehr als 6 Sv Gesamtkörperdosis. Die derzeitige Belastung durch Atomversuche der letzten Jahrzehnte ist im Verhältnis dazu relativ gering und beträgt in Europa noch ca. 0.005 mSv (2) (Tab.4). Dosis/einmalige Exposition 500 mSv 1000 mSv 2000 mSv 3000 mSv 4000 mSv 6000 mSv 20 mSv
Strahlenschäden Blutbildveränderung Übelkeit, Erbrechen, Haarausfall 10% Todesfälle, Durchfall, Gewichtsverlust 20% Todesfälle, Blutungen, Entzündungen 50% Todesfälle innerhalb von 6 Wochen 90% Todesfälle Jahresgrenzwert für medizinisches Personal (Ö)
Tabelle 4: Strahlenschäden / Letale Dosis (1)
FA Z I T Die jährliche, für den Menschen relevante Gesamtbelastung durch radioaktive Strahlen beträgt in Europa 3-5 mSv. Der Anteil an natürlicher Radioaktivität ist mit durchschnittlich 2-3 mSv/Jahr etwas höher als der medizinische mit 1.3 mSv/Jahr. Radongas stellt, von regionalen Besonderheiten abgesehen, die größte natürliche Strahlenquelle dar (2, 8). Die kosmische Strahlung nimmt mit der Höhe zu, erreicht aber selbst in den höchsten von Menschen auf Dauer bewohnten Gebieten nie ein gesundheitsschädigendes Ausmaß (Gesamtjahresbelastung des Hüttenpersonals des Rifugio Regina Margherita in 4554 m beträgt 2.6 mSv). In der Medizin ist in den letzten Jahren ein deutlicher Anstieg an diagnostischer Strahlenexposition zu beobachten, trotz erfolgreicher Reduktion der Einzeluntersuchungsdosis durch fortschreitende Modernisierung der Geräte, Tendenz steigend. Verglichen mit der jährlichen Lungenbelastung durch Radon stellt ein Lungenröntgen nur ein Zehntel der Radonbelastung dar, ein CT – Thorax das Zehnfache, eine Lungenbestrahlung jedoch eine Zehntausendfache Dosis (Ver-
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gleich der jeweiligen Organdosiswerte). Die nach den Kernwaffentests und dem Reaktorunfall in Tschernobyl verbliebene Radioaktivität im Boden hat sich mittlerweile auf ca. 0.01 m Sv/Jahr reduziert. Abschließend sollte erwähnt werden, dass jeder Mensch nicht nur aufgrund seines Charakters, sondern auch seines Kaliumgehalts im Körper eine „Ausstrahlung“ besitzt, die allerdings mit durchschnittlich 5000 Becquerel bei 80 kg relativ gering ist (1 Becquerel = 1 Atomkernzerfall/Sekunde; Vergleich: EU-Grenzwert für Lebensmittel = 600 Bq pro kg) (1, 27).
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Martin Leitl
Belastungen bei zivilen und militärischen Auslandseinsätzen Stresses and strains in civil and military foreign deployments
S U M M A RY Complex emergencies in countries with civil wars and similar crises like Sudan, Afghanistan, Iraq and Somalia present an increasing challenge for the international community. This article should provide an insight into the challenges and problems of civil and military personal, which is deployed in these crisis regions. The author refers apart from results of scientific studies to own experiences as medical doctor with a non-governmental organization in Darfur and during two tours with the German Bundeswehr in Northern Afghanistan. Despite a different recruitment and pre-departure training, different tasks und different challenges civil aid workers and soldiers are facing similar health problems in such missions: tropical diseases in dry-hot climate conditions play a minor role compared with mental disturbances (depression, burnout-syndrome, post-traumatic stress disorder, PTSD), which affect approx. 20% of the personnel and are be caused by the special burdens in the field. To assure a better detection and treatment of mission related psychological disorders in the future an intensive education and destigmatization must go along with further studies about this topic. Additionally a broader offer of psychological care and supervision plus anonymous contact and advice centers should be established. Keywords: Stress, strain, civil foreign deployments, military foreign deployments
Z U S A M M E N FA S S U N G Komplexe Notlagen in Bürgerkriegs- und Krisenregionen wie Sudan, Afghanistan, Irak und Somalia stellen eine zunehmende Herausforderung für die internationale Gemeinschaft dar. Dieser Artikel soll einen Einblick in die Herausforderungen und Probleme für in solchen Regionen tätiges, ziviles und militärisches
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Einsatzpersonal geben. Der Autor stützt sich neben wissenschaftlichen Studienergebnissen auf eigene Erfahrungen als Arzt mit einer Nichtregierungsorganisation im Darfur und im Rahmen zweier Einsätze mit der deutschen Bundeswehr in Nordafghanistan. Trotz unterschiedlicher Rekrutierung, Einsatzvorbereitung, Aufgaben und Herausforderungen stehen ziviles Hilfspersonal und Soldaten in derartigen Einsätzen ähnlichen Gesundheitsproblemen gegenüber: tropenmedizinische Erkrankungen spielen hierbei in trocken-heißen Klimaverhältnissen eine deutlich geringere Rolle als psychische Beschwerden (Depressionen, Burnout-Syndrom, Posttraumatische Belastungsstörung, PTBS), welche rund 20% des Personales betreffen und auf die besondere Art der Einsatzbelastung zurückzuführen sind. Um in Zukunft eine bessere Erkennung und Behandlung zu gewährleisten, sind neben weitreichenderen Studien zur Problematik eine intensivere Aufklärung und Entstigmatisierung hinsichtlich einsatzbedingter psychischer Störungen erforderlich. Desweiteren sollte ein breiteres Angebot an psychologischen Betreuungsmöglichkeiten und anonymen Anlaufstellen geschaffen werden. Schlüsselwörter: Stress, ziviles Einsatzpersonal, militärisches Einsatzpersonal
E I N L E I T U N G : V E R Ä N D E RT E R A H M E N B E D I N G U N G E N B E I AUSLANDSEINSÄTZEN Die Hoffnung, dass nach Ende des Kalten Krieges und den Stellvertreterkriegen zwischen Ost und West die Welt friedlicher werden würde, hat sich längst in eine neue Realität verloren. Mit der schrittweisen Auflösung der bis dahin bestehenden Blockstrukturen veränderte sich der Charakter bewaffneter Konflikte. Schwerwiegende innerstaatliche Konflikte und Bürgerkriege (z.B. Afghanistan, Jugoslawien, Sudan, Somalia, Irak), in welchen sich die betroffene Bevölkerung oft in einer komplexen Notlage befindet, verlangen auch von der Weltgemeinschaft eine neue Art der politischen und militärischen Antwort: Zu dem seit den 50er Jahren existierenden Prinzip der rein passiven militärischen Beobachtermission durch entsprechende Friedenstruppen kam mehr und mehr ein multidimensionaler Auftrag (Polizeiarbeit, Verwaltungsaufbau, Mithilfe bei Wahlen, Rückführung von Flüchtlingen, DDR1, humanitäre Hilfe) bei UN-Missionen oder von der UN mandatierten Missionen hinzu. Nachdem Einsätze wie UNOSOM (Somalia) und UNAMIR (Ruanda) aufgrund einer nicht durchsetzungsfähigen militärischen Komponente scheiterten, wurden die Missionen zudem mit einem Mandat zum robusten Peacekeeping nach 1
Disarmament Demobilisation Reintegration
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Kapitel VII der UN-Charta ausgestattet und somit die Anwendung von militärischer Gewalt über die reine Selbstverteidigung hinaus legitimiert (z.B. UNAMID2 im Darfur/Sudan und die NATO-Mission ISAF in Afghanistan). Sowohl die Ausweitung der Aufgaben von Friedensmissionen und ihrer militärischen Anteile als auch das militärische Konzept der zivil-militärischen Zusammenarbeit (ZMZ, engl. CIMIC) gefährden seither mehr und mehr die Sonderrolle der humanitären Nichtregierungsorganisationen (NROs; engl. Non-Governmental Organizations, NGOs), welche bis dahin oft die ersten und einzigen Helfer in den von der Weltöffentlichkeit wenig beachteten Krisen und Konflikten waren bzw. noch immer sind. Die öffentliche Debatte um die Sinnhaftigkeit des Eindringens des Militärs in nicht-militärische Aufgaben wie Wiederaufbau (Schulgebäude, Straßen, Brunnen) und medizinische bzw. (breiter gefasst) „humanitäre“ Hilfe bestimmt seither auch in Deutschland einen wichtigen Aspekt der Diskussion um den Nutzen solcher Militäreinsätze an sich. Die Politik unterliegt dabei allzu oft dem Glauben, dass die Bevölkerung den Einsatz der Soldaten nur dann unterstützt, wenn er im Deckmantel von Wiederaufbauhilfe verhüllt ist. Humanitäre Akteure wie NGOs (z.B. Ärzte-ohne-Grenzen/MSF, MedAir, OXFAM) und UN-Agenturen (z.B. UNICEF, OCHA, WFP) stehen diesen Entwicklungen eher kritisch gegenüber, da für sie bereits der Begriff „humanitär“ an Prinzipien wie Unabhängigkeit, Neutralität und Unparteilichkeit geknüpft ist, welche der Realität militärischer Einsätze in Krisengebieten widersprechen. Für humanitäre Akteure stellt die Anerkennung durch die lokale Bevölkerung und die Konfliktparteien aufgrund der humanitären Prinzipien den wichtigsten Beitrag zu ihrer Sicherheit und Handlungsmöglichkeit dar, weshalb eine möglichst klare Distanzierung zu militärischen Akteuren und somit auch zu Friedenstruppen gesucht wird. Im Rahmen dieses komplexen Gefüges zwischen ausländischen Akteuren in Kriegs- und Krisengebieten wird zwar über militärische Einsätze wie z.B. den ISAF-Einsatz der deutschen Bundeswehr in Nordafghanistan bzw. über zivile, humanitäre Einsätze von Nichtregierungsorganisationen in den Medien berichtet, diese Berichte konzentrieren sich jedoch meist auf den entsprechenden Einsatz bzw. auf die notleidende Bevölkerung.
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United Nation-African Union Mission in Darfur International Security Assistance Force
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Abb. 1: Kinder – Hauptopfer von Armut und Krieg. Li.: Patienten an einer MSF-Klinik im Westdarfur. Re.: Wartende Kinder an einem dt. Feldlazarett in Afghanistan.
FRAGESTELLUNG Welche Menschen stehen aber hinter den zahllosen kleinen oder großen Hilfsorganisationen, die jeweils ihren Beitrag zur Hilfe für das Einsatzland und seine Bevölkerung leisten wollen? Welcher Mensch verbirgt sich hinter dem Begriff „Soldat im Auslandseinsatz“? Wie werden diese Menschen rekrutiert, ausgebildet, auf den Einsatz vorbereitet und welche Belastungen und Probleme ergeben sich vor, während und nach dem Einsatz? Welche Rolle spielen hierbei klimatische und kulturelle Verhältnisse in wüstenartigen Einsatzgebieten wie dem Darfur bzw. in den extremen Bedingungen Afghanistans (wüstenartige usbekische Ebene bzw. karge, trockene Bergwelt im deutschen Einsatzgebiet im Norden). Diese Fragen können aufgrund ihrer Komplexität und der Vielzahl der täglich in Auslandseinsätzen arbeitenden Menschen nur unzureichend beantwortet werden. Dennoch möchte ich versuchen, meine Erfahrungen im Rahmen von zwei Einsätzen als Sanitätsoffizier der Reserve der Bundeswehr (Beweglicher Arzttrupp, ISAF) und zwei Aufenthalten im Sudan (vier Monate als verantwortlicher Projektarzt mit Ärzte-ohne-Grenzen/MSF im Darfur, drei Monate in Khartum zur wissenschaftlichen Studie über humanitäre Koordination und zivil-militärische Beziehungen im Darfur) darzustellen. Zudem werden ausgewählte Studienergebnisse bzw. Erkenntnisse im Rahmen einer Literaturrecherche herangezogen, welche v.a. über psychische Belastungen von Einsatzpersonal näher Auskunft geben sollen.
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E N T S C H E I D E N D E FA K T O R E N B E I A U S L A N D S E I N S Ä T Z E N Welche Spuren die Belastungen bei Einsätzen ziviler und militärischer Art beim Einsatzpersonal hinterlassen, hängt neben der physischen und psychischen Konstitution des Einzelnen von mehreren Faktoren ab: 1. Wie wurde das Personal rekrutiert und welche Motivation bringt es mit? 2. Welche Ausbildung bzw. Einsatzvorbereitung hat es durchlaufen, wie gut wurde es über die Gegebenheiten im Einsatzland informiert? 3. Betreuung, Herausforderungen und Probleme im Einsatz selbst. 4. Welche Nachsorge erfährt der Einzelne nach dem Einsatz? 5. Belastungen aufgrund der besonderen klimatischen Verhältnisse im Einsatzland. Bezüglich Rekrutierung und Motivation des Einsatzpersonales zeigen sich bereits erhebliche Unterschiede zwischen zivilem Personal und Soldaten. Bei NGO-Personal kann im Allgemeinen davon ausgegangen werden, dass sich die jeweiligen Teilnehmer einer Mission freiwillig hierzu entschlossen haben und teils erhebliche Nachteile (geringe Bezahlung, Aufgabe eines sicheren Arbeitsverhältnisses etc.) in Kauf nehmen. Nach Prüfung einer entsprechenden Qualifikation (meist ca. 2 Jahre Berufserfahrung, Fremdsprachenkenntnisse und Reiseerfahrung in Entwicklungsländern), Vorstellungsgespräch und Einsatzvorbereitungskurs (siehe unten) erhält der Bewerber (50% des Einsatzpersonales rekrutiert sich aus „First Missioners“) dabei einen entsprechenden Projektvorschlag (Job-Profile), welchen er allerdings auch ablehnen kann. Neben Hilfspersonal, welches evtl. nur einmalig oder selten an einem entsprechenden NGO-Einsatz teilnimmt, findet sich auch immer wieder der Typus „Mission-Junkie“, der von Einsatz zu Einsatz eilt und wohl in der „normalen“ Arbeitswelt zuhause kaum mehr integrierbar wäre. Aufgrund dieser auf Freiwilligkeit und einer gewissen Wahlmöglichkeit basierenden Rekrutierung kann von einer mindestens anfänglich relativ hohen Motivation und Identifizierung mit dem Einsatz ausgegangen werden. Militärisches Personal (Ausnahme: freiwillige Teilnahme von Reservisten bzw. freiwillige Meldungen von Soldaten zu besonderen Auslandseinsätzen wie z.B. Militärbeobachterposten in UN-Einsätzen) wird in der Mehrheit aufgrund eines entsprechenden Einsatzbefehles in den Auslandseinsatz entsandt, auch wenn finanzielle Anreize durchaus eine gewisse positive Motivation für Soldaten darstellen (z.B. steuerfreier Auslandsverwendungszuschlag in Höhe von 92,03 Euro/Tag bei ISAF, der jedoch neben der – offiziell betonten – Kompensation einer erhöhten Gefährdung alle weiteren Zuschläge wie Überstundenzuschlag
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etc. beinhaltet). Die Mehrheit der Soldaten wird jedoch zum ersten Mal unfreiwillig einem Aufenthalt in einem entsprechend unterentwickelten Land entgegenblicken, weshalb der Einsatz mehr aus soldatischer Pflicht und Überzeugung angetreten wird als aus einsatzbezogener Motivation und freier Wahl. Selbst außergewöhnliche Einsätze wie die der deutschen Offiziere als Militärbeobachter im Südsudan (6 Monate in teils nur rudimentären Unterkünften in abgelegenen Gebieten) können nicht ausschließlich auf freiwillige Bewerber zurückgreifen sondern müssen durch mehr oder weniger zum Einsatz genötigtes Personal aufgefüllt werden. Eine gewisse Abenteuerlust werden dennoch etliche Soldaten in sich tragen. Für eine gewisse Vorbereitung auf die Einsätze wird sowohl von Militär als auch von den größeren NGOs eine Teilnahme an entsprechenden Lehrgängen verlangt. MSF bietet neben spezifischen Lehrgängen für Logistiker und Koordinatoren (Basic Management Course, Senior Management Training, Medical Management Course und Logistic Management Course) für alle Erstteilnehmer einen einwöchigen Pre Primary Departure Course (PPD) an. Hierbei stehen die Vorstellung allgemeiner Grundsätze der humanitären Hilfe, Schwerpunkt, Strukturen und Leitlinien der Organisation, die Diskussion über Herausforderungen des Einsatzes und auch praktische Übungen wie Orientierung (Karte & Kompass) und die kurze Simulation einer Geiselhaft auf dem Programm. Eine projektspezifische Vorbereitung geschieht über schriftliches Informationsmaterial zum Einsatzland/-Kontext (Zeitungsartikel, Länderberichte, interne Berichte) und über entsprechende mündliche Briefing-Gespräche vor Abflug ins Einsatzland. Medizinische Tauglichkeit und empfohlener Impfstatus werden obligatorisch geprüft. Die fachliche Qualifizierung des Teilnehmers für seinen zukünftigen Aufgabenbereich kann nur unter Berücksichtigung seiner Vorerfahrung und im gegenseitigen Gespräch festgestellt werden, da eine direkte Prüfung seiner fachlichen Qualitäten natürlich nicht möglich ist. Soldaten werden meist in geschlossenen Verbänden entsandt, wodurch der Ausbildungsstand eines jeden bekannt sein dürfte. Die strenge Normierung innerhalb der militärischen Ausbildung sorgt für eine gute Transparenz bzw. Eignungsfeststellung von Einsatzpersonal, welches außerhalb geschlossener Verbände einem entsprechenden Kontingent zugeordnet wird. Neben einer medizinischen Tauglichkeitsprüfung und ihrer militärfachlichen Ausbildung erhalten alle Soldaten vor dem Ersteinsatz eine spezielle dreiwöchige Einsatzausbildung (Einsatzvorbereitende Ausbildung für Konfliktverhütung und Krisenbewältigung EAKK und Zusatzausbildung ZA-EAKK). Im Rahmen dieser Kurse werden abermals essenzielle Fähigkeiten wie Umgang mit der Handwaffe, Schießübungen, Orientierungs- und Kommunikationsmittel (Funkgeräte, Kompass,
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GPS), Massenanfall von Verletzten und Mine Awareness geschult. Das Thema „interkulturelle Kommunikation“ und Vorträge über kulturelle und religiöse Besonderheiten im Einsatzland spielen gerade seit den Missionen im ehemaligen Jugoslawien und Afghanistan eine zunehmend wichtigere Rolle. Fraglich ist allerdings, inwieweit Einsatzpersonal, welches unfreiwillig in einen Einsatz entsandt wird, dazu ermuntert werden kann sich für das Einsatzland und seine Menschen zu interessieren.
HERAUSFORDERUNGEN UND PROBLEME IM HUMANITÄREN EINSATZ Der Einsatzalltag stellt sicherlich den größten Belastungsfaktor für ziviles und militärisches Personal dar. Besondere klimatische Bedingungen, wie sie auch in Afghanistan und im Sudan bzw. Darfur anzutreffen sind, zehren an den Kräften des Einsatzpersonales: extreme Trockenheit und Sonneneinstrahlung sowie ungewohnte Temperaturunterschiede (Tagestemperaturen bis über 45°C, nachts bis unter 10°C). Die Einsatzdauer variiert bei den unterschiedlichen NGOs teils erheblich (wenige Wochen bis ein Jahr). Bei MSF wird normalerweise ein sechsmonatiger Aufenthalt im Projekt erwartet. Nach jeweils 6-8 Wochen (abhängig von der Arbeitsintensität und Schwere des Einsatzes) steht dem Mitarbeiter ein ca. fünftägiger Rest-and-Recreation-Aufenthalt (R&R) zumeist in der Hauptstadt des Einsatzlandes zu, nach weiteren 6-8 Wochen ein einmaliger Urlaub von bis zu drei Wochen (bei sechsmonatigem Einsatz). Da auch im Einsatz das Prinzip der Freiwilligkeit weiterhin gilt, kann der Einsatz nach Rücksprache mit der Projektleitung jederzeit abgebrochen werden. Eine medizinische Betreuung im
Abb. 2: Li.: Mit Sandsäcken geschütztes Büro im Projekt. Funk und Satellitentelefon als Verbindung nach „draußen“. Re.: Mittlerweile im Darfur aufgrund der schlechten Sicherheitslage nicht mehr möglich: Transport von Mensch und Material mit MSF-Fahrzeugen.
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Projekt ist meist gegeben, eine professionelle psychologische Betreuung hingegen fehlt in der Regel (evtl. Feldbesuche durch einen Psychologen). Der Kontakt in die Heimat wird durch eine Kommunikation per Email und eine vom Mitarbeiter zu bezahlende Nutzung des Satellitentelefons gewährleistet. Ein Internetzugang besteht meist nicht. Die Herausforderungen in der täglichen Arbeit können unter folgende Stressoren eingeordnet werden: 1. Kultureller Stress: Die Projekte befinden sich meist an sehr entlegenen Orten; die Mitarbeiter leben in der Regel sehr eng mit der lokalen Bevölkerung zusammen. Zudem müssen sich ausländische Projektmitarbeiter (Expatriates, kurz Expats) im Projekt mit einheimischen Mitarbeitern (Inpats) arrangieren. 2. Team-Stress: Die Teamgröße reicht vom dreiköpfigen Kleinprojekt bis zu großen Projekten bzw. dem Einsatz im Hauptquartier der NGO mit zahlreichen Mitarbeitern. Die Mitarbeiter lernen sich normalerweise erst im Projekt kennen, wo die Privatsphäre äußerst eingeschränkt sein kann. Außerdem herrscht auch bei NGOs eine mehr oder weniger strikte Hierarchie und Aufgabenteilung, durch welche z.B. medizinische Mitarbeiter kaum Mitsprache in Sicherheitsfragen haben, auch wenn der damit beauftragte Logistiker oder Projektkoordinator darin vielleicht selbst nicht versiert ist. Die angespannte Lage in Kriegs- und Krisengebieten mit erhöhtem Gefährdungspotential und Limitierungen für das Einsatzpersonal (Ausgangssperren etc.) kann bestehende Spannungen innerhalb des Teams verschärfen. 3. Lebensbedingungen vor Ort: Ungewohnte, teils einseitige Ernährung, rudimentäre Unterkunft, schwierige Trinkwassergewinnung (meist durch Filterung bei Nutzung von Keramikfiltern), keine geregelte Versorgung mit Strom und Nutzwasser, fehlendes Sexualleben. 4. Arbeitsstress: Vermutlich unabhängig von der medizinischen Vorerfahrung und Ausbildung wird in entlegenen Projekten (v.a. in Kriegsgebieten) jeder medizinische Helfer seine Grenzen erfahren. Zwar wird seitens der Entsendeorganisation vor allem gegenüber Neulingen immer darauf hingewiesen, dass aufgrund der begrenzten Mittel (Medikamente, OP-Ausrüstung etc.) und dem fehlenden, umfassenden fachlichen Wissen niemals alle zu erwartenden (v.a. medizinischen) Herausforderungen bewältigen werden können. Dennoch wird vor allem medizinisches Personal immer in
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Gefahr sein durch die Kombination aus miterlebten Leid und begrenzter Hilfsmöglichkeit zu verzweifeln. Je nach Personalstärke im Projekt kann die Arbeitsbelastung erhebliche Ausmaße erreichen: tägliche Arbeit ohne Erholungsphasen, oft auch nächtliche Arbeit bei Notfällen bzw. schlechter Schlaf durch Umgebungsgeräusche (Nutztiere, Generatoren in der Nachbarschaft etc.). 5. Traumatische Ereignisse: Diese können sich im Rahmen der medizinischen Arbeit (Umgang mit schweren Krankheitsbildern und Verletzungen, mit Schusswunden, Todgeburten, Opfern von Vergewaltigungen oder anderer Gewalt) oder durch die Unsicherheit im Einsatzgebiet ergeben (bewaffnete Überfälle auf NGO-Gelände oder Fahrzeuge, Schusswechsel zwischen Kriegsparteien, etc.). Gerade im Darfur verschlechterte sich in den letzten Jahren die Sicherheitssituation für humanitäre Organisationen erheblich.
Claire Colliard (Direktorin des Centers für humanitäre Psychologie in Genf) spricht zudem von ethischem Stress, welcher in manchen Einsatzsituationen entstehen kann (1): „Anyway the humanitarian worker adopts a kind of religion, a vocation, as a humanitarian worker, whatever may be the good or less good reasons for doing so. And this vocation rests upon an ethical choice which, when brought into question by circumstances, may create a dilemma. When this happens not only is the stress physiological, emotional and mental, but also stress which is infrequently recognised – ethical or moral stress. It is this which produces tension between on the one hand the initial idealism and the undue expectations in regard to oneself and one's organisation, and on the other hand the realities in the field, the wear and tear of harassing work and the determined resistance to disillusionment which will inevitably come one day; all leading to a refusal to abandon some fascination with the misery of the world, refusal to see the shady part of humanitarian work or to relinquish the myth which motivates one's action. Whenever humanitarian workers are faced with such tragedy, they would do well to question their scale of values. For some people this will almost be a trial of initiation.“ An diesem „ethischen Stress“ kann ein Helfer zerbrechen, wenn ihm durch die komplexen Umstände im Einsatz das genommen wird, was ihn trotz aller Belastungen die Herausforderungen auf sich nehmen lässt: die Überzeugung damit Gutes zu tun.
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Abb. 3: MSF-Projekt im Westdarfur. Li.: Improvisierte Versorgung von Schussverletzungen im rudimentären OP-Saal. Re.: Noch sehr leere Tagesklinik am frühen Morgen; an einem Tag werden dort bis zu 150 Patienten versorgt.
WELCHE PROBLEME UND RISIKEN ERGEBEN SICH H I E R D U R C H F Ü R D A S E I N S AT Z P E R S O N A L ? Hinsichtlich tropenmedizinischer Aspekte ist ein Erkrankungsrisiko in Halbwüsten bzw. Steppen wie denen des Darfur saisonal beeinflusst. Das Malariarisiko steigt während der Regenzeit erheblich an, wohingegen in der Trockenzeit eine deutlich geringere Infektionsgefahr besteht. Die Verwendung von Moskitonetzten wird zwar von den meisten Helfern strikt eingehalten, erfahrungsgemäß wird jedoch auf eine entsprechende Chemoprophylaxe bzw. Repellents während der Trockenzeit gerne verzichtet. Dennoch erscheint das Einsatzpersonal genügend bzgl. der Malariaproblematik sensibilisiert, was im Falle einer Erkrankung eine umgehende medikamentöse Behandlung sehr wahrscheinlich macht. Eine viel größere Problematik stellen gastrointestinale Infekte v.a. aufgrund von Protozoen dar (z.B. Giardia Lamblia). Mangelnde Hygiene der für die Einsatzkräfte tätigen lokalen Köche (Abwasch mit ungefiltertem Wasser, unzureichende Reinigung von Salat und Gemüse etc.) und das Verhalten des Einsatzpersonales selbst (Essen in dörflichen Kochstuben) lassen immer wieder Magen-/Darminfekte aufkommen. Zusammen mit der unzureichenden Nahrungsaufnahme (wegen hoher Arbeitsbelastung) und einseitiger bzw. ungewohnter Ernährung bewirken diese Faktoren einen schleichenden Gewichtsverlust bzw. eine allmähliche physische Schwächung. Leider liegen derzeit keine Statistiken über tropenmedizinische Erkrankungen bei NGO-Mitarbeitern vor. Das Zusammenwirken der oben aufgeführten Stressoren kann zu depressive Verstimmungen bzw. Burnout-Symptomen führen. Eine NGO-interne Studie hat
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ergeben, dass 20% des Einsatzpersonals unter Burnout-Symptomen wie Verhaltensveränderungen, abnehmender Leistungsfähigkeit, Vertrauensverlust, Erschöpfung und negativer Weltsicht leidet und nahezu 5% der Rückkehrer im Rahmen eines psychologischen Debriefings unmittelbar an eine psychologische Betreuung verwiesen werden. Die tatsächliche Zahl dürfte allerdings viel höher liegen, da sich das Einsatzpersonal kurz nach der Rückkehr meist in einer euphorischen Phase befindet, welche zunächst negative Nachwirkungen verschleiert („Honeymoon Stage“) (2). Laut einer Studie des Deutschen Entwicklungsdienstes DED hatten 65% des Einsatzpersonales im Entwicklungsdienst ein traumatisches Erlebnis, für 22% bzw. 30% (je nach Diagnosekriterien) mündet dies in eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) (3). Interessanterweise zeigen sich weder in Studie (2) noch in Studie (3) Unterschiede zwischen Einsatzneulingen und erfahrenem Einsatzpersonal. Bei humanitären Nothilfeprojekten in Krisengebieten dürfte die Häufigkeit von PTBS ähnliche Werte erreichen. Eine pakistanische Studie zu den Folgen des Erdbebens 2005 stellte bei 12% des untersuchten Personales PTBS und bei weiteren 8% schwere Depressionen fest (4).
HERAUSFORDERUNGEN UND PROBLEME IM MILITÄRISCHEN E I N S AT Z Die Einsatzdauer für deutsche Soldaten beträgt derzeit in der Regel vier Monate, wobei bestimmtes Personal auch kürzer (z.B. Ärzte: 2 Monate) oder länger (Sicherheitsexperten, Kommandeure: 6 Monate) im Einsatz verbleiben. Bei einer Einsatzdauer von bis zu vier Monaten verbleibt der Soldat in der Regel durchgehend im Einsatzland. Ein Abbruch bzw. eine Unterbrechung des Einsatzes ist nur aus medizinischen oder psychologischen Gründen oder aufgrund persönlicher Härtefälle möglich. Für eine medizinische Betreuung ist im Rahmen des ISAF-Einsatzes durch ein Feldlazarett am Einsatzort gesorgt, eine psychologische Betreuung wird durch Militärpfarrer und durch ein Psychiater/Psychologen-Team sichergestellt. Gebührenpflichtige Telefonkarten und Internetverbindungen ermöglichen den Kontakt zum Heimatland. Im Vergleich zu den Herausforderungen im Rahmen eines NGO-Einsatzes, stellt sich die Einsatzrealität im Rahmen eines militärischen Einsatzes unterschiedlich dar: Neben einer grundsätzlich verschiedenen Art des Auftrages (humanitäre Arbeit durch NGOs versus militärische Aufgaben der Bundeswehr) bedeutet der Einsatz in Afghanistan für die Soldaten ein Leben in zwei Welten: Das Leben im Feldlager (die Mehrheit der Soldaten verlässt es während ihres Einsatzes kaum oder nie) mit zwar beengten aber dennoch vergleichsweise komfortablen Unter-
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künften wie Schlafcontainern oder gemauerten Unterkünften, fließend warmem und kaltem Leitungswasser in Trinkwasserqualität, heimischer Küche mit importierten Lebensmitteln, Betreuungseinrichtungen wie Sportzelt, Volleyballplatz, Bar (mit limitiertem Ausschank von alkoholischen Getränken) und Speisesaal. Während somit im Feldlager ein möglichst „heimatnahes“ Leben angestrebt wird, welches allerdings durch einsatzbezogene Besonderheiten (z.B. die vollständige nächtliche Abdunkelung des Lagers als Schutz vor Raketenangriffen) und einer teils aufreibenden Einsatzbürokratie bestimmt wird, werden die Soldaten beim Außeneinsatz, welcher bei Patrouillen im Hinterland mehrere Tage umfassen kann, umso mehr mit einer Parallelwelt konfrontiert: Hier wird in Notunterkünften (z.B. afghanischen Militärlagern, Polizeistationen oder „Save-Houses“) oder unter freiem Himmel übernachtet, wobei man sich entweder mit den typischen Standard-Verpflegungspaketen oder durch „Camping-Kochen“ versorgt. Ausreichend Trinkwasser wird in den Fahrzeugen mitgeführt, Körperhygiene ist nur sehr eingeschränkt möglich, da selbst das Waschen mit nacktem Oberkörper an Flüssen und Bächen von der afghanischen Bevölkerung kaum toleriert wird. Weitere wichtige Einflussfaktoren: Die afghanische Kultur, der Islam, patriarchalische Stammesstrukturen, die schwierigen Lebensumstände der Afghanen, die eingeschränkte Kommunikationsmöglichkeit mit ihnen, wechselhaft Sympathien der Dorfgemeinschaften gegenüber den ISAF-Soldaten, unerfüllbare Forderungen nach Hilfsprojekten (Brücken, Brunnen, Schulen), Drohgebärden, ein unklares Feindbild, eine nur schwer eruierbare Sicherheitslage mit einer beständigen, mehr oder weniger klar erkennbaren Bedrohung (versteckte Sprengladungen, Selbstmordattentate, Raketenangriffe).
Abb. 4: Leben in zwei Welten im ISAF-Einsatz. Li.: Deutsche Standards im Feldlager (hier Speisesaal). Re.: Nachtlager im Rahmen der Patrouillentätigkeit in den Bergen Afghanistan.
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Die Soldaten reagieren auf diese äußeren Einflüsse sehr unterschiedlich: teils mit Misstrauen, Distanz, ja sogar Verachtung der lokalen Bevölkerung gegenüber, teils mit der Motivation wirklich helfen zu wollen, was jedoch über die Erkenntnis des „helfen wollen aber kaum helfen können“ in Frustration münden kann. Ungleich mehr als der NGO-Helfer werden Soldaten durch die öffentliche Diskussion und Meinung zum Einsatz im Heimatland beeinflusst. Durch die Konfrontation mit der Einsatzrealität werden Wahrheit und Lüge von Äußerungen seitens der politischen und militärischen Führung zum Einsatz schnell erkannt, wodurch ebenfalls die eigene Motivation in Mitleidenschaft gezogen werden kann. Probleme und Risiken des militärischen Einsatzes weisen Ähnlichkeiten aber auch erhebliche Unterschiede zu zivilen Einsätzen auf. Auf die zunehmende Gefährdung durch Feindeinwirkung bzw. durch das unsichere Verkehrs- und Wegenetz in der afghanischen Bergwelt soll hier nicht eingegangen werden. Tropenmedizinische Erkrankungen wie kutane Leishmaniose, Malaria und Giardia-Infektionen stellen innerhalb der deutschen Truppen in Nordafghanistan bis auf sporadische Fälle laut Bundeswehrangaben kein Problem dar. Aufgrund des engen Zusammenlebens mehrerer hundert Soldaten im Feldlager treten allerdings gehäuft virale Durchfall- und Erkältungskrankheiten auf. Zudem sind Fußpilzerkrankungen, Akne vulgaris und Sonnenbrand ein Problem. Trotz Tropenkleidung und Wüstenstiefel trägt der Soldat meist verschwitzte Kleidung, das Tragen der ca. 16 kg schweren Schutzweste leistet hierzu ihren Beitrag. Häufig treten auch Beschwerden wie Muskelverspannungen und Lumbalgien auf, welche wohl ebenfalls auf die schwere Ausrüstung (Schutzweste, Waffen) und lange Fahrten in sehr unwegsamen Gelände zurückzuführen sind. Psychische Probleme wie PTBS und depressive Verstimmungen spielen seit dem zunehmenden Engagement der Bundeswehr eine nicht zu vernachlässigende Rolle. Die Häufigkeit von PTBS im Rahmen des ISAF-Einsatzes ist mit ca. 1,5% relativ niedrig (5), eine neuere Studie über 118 deutsche Soldaten, welche im Jahre 2005 in Afghanistan stationiert waren, zeigte einsatzbezogene PTBSRaten zwischen 0,8% und 2,5% (abhängig vom Fragebogenverfahren) (6) und somit lediglich Werte im Rahmen der Lebenszeitprävalenz der Allgemeinbevölkerung in Deutschland (7). Allerdings stieg die Anzahl der PTBS-Fälle unter den deutschen ISAF-Soldaten im Jahre 2007 im Vergleich zu den 55 Fällen im Vorjahr auf mehr als das Doppelte an (130 Fälle) - neben der Tatsache, dass die PTBS-Rate im Rahmen von ISAF (130 Fälle bei einer stationierten Truppenstärke zwischen 3200 und 3500 Mann) wesentlich höher war als z.B. im KFOREinsatz4 (2007: 12 Fälle bei einer Truppenstärke von ca. 2800 Mann) (Bundes4
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wehrinterne Angaben). Von 1996 bis 2006 wurden insgesamt 671 PTBS-Fälle innerhalb der Bundeswehr registriert (8). Die wachsende Bedrohung der deutschen ISAF-Truppen durch Anschläge feindlicher Kräfte lassen durch eine zunehmende Wahrnehmung der Gefährdung und dem Miterleben von Anschlägen bzw. Anschlagsversuchen die Fallzahlen für PTBS weiter steigen. Laut Studie (6) wiesen außerdem rund 19,5% der deutschen ISAF-Soldaten nach ihrer Rückkehr depressive oder dysthyme Symptome auf, bei 15% ergaben sich Hinweise auf ein Alkoholproblem. Auch in den US-Streitkräften stiegen die PTBS-Fallzahlen im Jahre 2007 im Vergleich zum Vorjahr um 50% an (14.000 Fälle 2007 bzw. 9.500 Fälle 2006); seit 2003 wurden ca. 40.000 PTBS-Fälle verzeichnet (9). Die Zunahme ergibt sich aber auch aus einer besseren Erfassung der PTBS-Fälle. Zudem zeigte sich, dass die PTBS-Prävalenz bei Mehrfacheinsätzen von ca. 12% (nach Ersteinsatz) über 18,5% (Zweiteinsatz) auf 30% (Dritt-/Vierteinsatz) ansteigt (10).
Abb. 5: Einsatzland Afghanistan. Li.: Die für den heißen Sommer taugliche Tropenkleidung eignet sich weniger für den afghanischen Winter. Re.: Für die meisten Soldaten stellt der Einsatz die erste Konfrontation mit einer völlig fremden Kultur dar. Eine Erkrankung vergleichbar mit der des Burnout-Syndroms bei humanitären Helfern (siehe oben) dürfte derzeit bei deutschen ISAF-Soldaten dennoch geringer ausgeprägt sein. Für ausreichende Ruhephasen bei Arbeiten im Feldlager oder vor bzw. nach Außeneinsätzen ist in der Regel gesorgt und das Leben zusammen mit vertrauten Kameraden bietet einen gewissen Schutz. Ein negativer Nebenaspekt des Vorteiles einer guten Infrastruktur im Lager (Telefon, Internet) ergibt sich aus der Tatsache, dass hierdurch manche Soldaten stärker mit Problemen von zuhause in Kontakt bleiben und diese sozusagen in den Einsatz mitnehmen, ohne sich ausreichend um sie kümmern zu können. Häufig ergeben sich im Ein-
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satz auch Beziehungsprobleme, auf welche der Soldat aus der Ferne ebenfalls kaum reagieren kann; Repatriierungen werden bei entsprechender psychischer Belastung jedoch durchgeführt. Leider kamen bereits Selbstmorde (auch deutscher Soldaten) im ISAF-Einsatz vor, wobei diese im Gegensatz zu Todesfällen durch Anschläge nicht an die Öffentlichkeit gelangen. Bei der US-Armee stellen Selbstmorde im Einsatz ein erhebliches Problem dar. Im Jahre 2007 wurden 115 Fälle verzeichnet, für 2008 wird eine noch größere Fallzahl erwartet (11). Eine Suizidproblematik im Rahmen von NGO-Einsätzen ist mir hingegen nicht bekannt.
DEBRIEFING/NACHSORGE Sowohl bei Bundeswehr als auch bei größeren NGOs ist nach definiertem Zeitabstand im Anschluss an einen Auslandseinsatz eine entsprechende Tropenrückkehreruntersuchung zu durchlaufen. Bei Ärzte-ohne-Grenzen muss außerdem noch ein allgemeines und psychologisches Debriefing an der entsendenden MSF-Zentrale stattfinden. Obwohl man auch einige Zeit nach dem Einsatz nochmals durch ein Mitglied eines Einsatzrückkehrer-Netz-werkes kontaktiert wird, besteht dennoch die Gefahr, dass NGO-Mitarbeiter nach ihrer Rückkehr die erlebten Probleme und Belastungen nur unzureichend ver-arbeiten können bzw. das meist neue (Arbeits-) Umfeld mögliche Persönlichkeitsveränderungen nicht wahrnimmt. Bei Soldaten besteht hingegen die Hoffnung, dass sie im Kreise der Kameraden, welche evtl. sogar im selben Einsatzkontingent dienten, aufgefangen und so chronische psychische Störungen leichter erkannt werden können. Fachabteilungen an Bundeswehrkrankenhäusern (Abteilung Psychiatrie und Psychotherapie des Bundeswehrkrankenhauses Hamburg) und Selbsthilfegruppen tragen sicherlich zu einer besseren Thematisierung der Problematik bei. Ein guter sozialer Rückhalt zuhause und im Einsatz sowie die Begleitung des Partners in den Einsatz (meist nicht möglich) stellt laut Studie (3) einen wichtigen protektiven Faktor gegen psychische Erkrankungen im Einsatz dar. Kritisch ist hierbei anzumerken, dass manche Hilfsorganisationen in den ersten ein bis zwei Einsätzen eines Mitarbeiters eine gemeinsame Projektteilnahme zusammen mit einem entsprechend fachlich einsetzbaren Lebensgefährten oft nicht dulden; im Rahmen von militärischen Einsätzen ist ein gemeinsamer Auslandseinsatz nur in Ausnahmefällen bei Soldatenpaaren möglich. Die Dunkelziffer einsatzbedingter psychischer Störungen dürfte bei zivilem und militärischem Personal deutlich höher liegen als die in Studien festgestellten Zahlen, da das Eingeständnis einer vermeintlich stigmatisierenden psychischen Störung deutlich schwerer fällt als das einer somatischen Erkrankung.
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SCHLUSSFOLGERUNGEN Klimatische Bedingungen spielen bei Einsätzen in wüstenartigem Klima wie denen im Darfur oder in Afghanistan eine eher untergeordnete Rolle, da sowohl zivile als auch militärische Einsatzkräfte meist über eine entsprechende Ausrüstung und Versorgung verfügen. Lediglich NGO-Mitarbeiter in entlegenen Gebieten haben mit einer schwierigen Lebensmittel- und Trinkwasserversorgung und entsprechend einseitiger Ernährung zu kämpfen. Tropisches Klima (hohe Temperatur und Luftfeuchtigkeit) mit einem höheren Risiko hinsichtlich tropenmedizinisch relevanter Erkrankungen durch höhere Vektorenlast (Mücken etc.) dürfte sich belastender auswirken als Wüstenklima. Psychische Erkrankungen wie Depressionen, Burnout und posttraumatische Belastungsstörungen sind in schwierigen Einsätzen neben einer direkten Gefährdung durch die Sicherheitslage von großer Bedeutung. Nach eigener Erfahrung sind die Belastungen in einem NGO-Einsatz (hohe Arbeitslast, schwierige Lebensbedingungen, ethischer Stress, traumatische Erlebnisse) und einem militärischen Einsatz (traumatische Erlebnisse, Gefährdung, fehlende Eigenmotivation, fragliche Sinnhaftigkeit des Einsatzes, öffentliche Debatten und teils falsche Darstellung der Einsatzrealität im Heimatland) zwar unterschiedlich dominiert, die daraus folgenden depressiven Symptome zeigen jedoch bei militärischen und zivilen Einsätzen ähnlich hohe Prävalenzen von ca. 20%. PTBS-Raten von NGO-Mitarbeitern ähneln denen von Soldaten in Kampfeinsätzen (z.B. US-Soldaten in Afghanistan und Irak), deutsche Soldaten in Afghanistan sind bei steigender Tendenz jedoch derzeit noch wenig betroffen. Im Rahmen von NGO-Einsätzen könnten zur Vermeidung eines Burnout-Syndroms besonders belastete Projektstandorte mit mehr Personal und zahlreicheren bzw. längeren Rest-and-Recreation-Phasen für die Mitarbeiter ausgestattet werden. Eine Einsatzdauer von vier Monaten (ohne Urlaub) der deutschen Soldaten bzw. sechs Monaten (mit Unterbrechung durch einen Urlaub) von NGOArbeitern oder deutschen UN-Militärbeobachtern erscheint vertretbar. Die extrem langen Einsätze der US-Soldaten (12-15 Monate) in noch gefährlicheren Gebieten entsprechen sicherlich nicht psychologischen Erkenntnissen und sind daher sehr fragwürdig. Es muss angestrebt werden, einsatzbedingte psychische Erkrankungen zu entstigmatisieren und eine bessere Beachtung und Aufklärung vor, während und nach dem Einsatz zu gewährleisten. Vor allem im zivilen Sektor sind kostenlose und anonyme Beratungsstellen und Telefon-Hotlines sinnvoll, da die Betroffenen sich diesen vermutlich eher anvertrauen als den Mitarbeitern der Entsende-organisation. Auch eine engere Zusammenarbeit zwischen zivilen und militärischen PTBS-Experten und Beratungsstellen wäre wünschenswert sowie
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weitere, breiter gefasste Studien über psychische Erkrankungen im Rahmen ziviler Auslandseinsätze. Allerdings lohnen sich diese Studien bzw. Befragungen von Einsatzrückkehrern nur, wenn die Entsendeorganisationen bzw. das Militär auch bereit sind, die entsprechenden Konsequenzen daraus zu ziehen.
Abb. 6: Der Hindukusch: Unterwegs über den Salang-Pass (3400m) Richtung Kabul.
L I T E R AT U R (1)
Colliard, C.: Ethical stress and humanitarian action: Burn-out for ethical reasons. Online verfügbar unter: http://www.humanitarian-psy.org/pages/articles_details.asp?id=12
(2)
Vertrauliche Studie einer NGO, dem Autor vorliegend (2006)
(3)
Bosse, B.J.: Traumatischer Ereignisse und deren Folgen für das Auslandspersonal des Deutschen Entwicklungsdienstes. DED interne Studie, dem Autor vorliegend (2002)
(4)
Paracha, N.R.: Psychological well-being and coping mechanisms of volunteers and aid workers in post-disaster situations. Online verfügbar unter: http://www.sungi.org/uploads/psychologicalwell-beingofaidworkers.pdf (2006)
225
(5)
Zimmermann, P., Biesold, K.H., Barre, K., Lanczik, M.: Long-Term Course of Post-Traumatic Stress Disorder (PTSD) in German Soldiers: Effects of Inpatient Eye Movement Desensitization and Reprocessing Therapy and Specific Trauma Characteristics in Patients with Non-Combat-Related PTSD. Military Medicine. 172, 456-460 (2007)
(6)
Hauffa, R., Brähler, E., Biesold, K.H., Tagay, S.: Psychische Belastungen nach Auslandseinsätzen. Erste Ergebnisse einer Befragung von Soldaten des Einsatzkontingentes ISAF VII. Psychother Psych Med, 57, 373-378 (2007)
(7)
Maercker, A., Forstmeier, S., Wagner, B., Glaesmer, H., Brähler, E.: Posttraumatische Belastungsstörungen in Deutschland. Ergebnisse einer gesamtdeutschen epidemiologischen Untersuchung. Nervenarzt 79, 577586 (2008)
(8)
Zahlen online verfügbar unter: http://www.bundeswehr.de * Einsatz *Vorbereitung * Psychologische Betreuung * FAQ
(9)
Jelinek, P.: 40,000 US Solders With PTSD. Online verfügbar unter: http://healthandsurvival.com/2008/05/27/40000-us-soldiers-with-ptsd/ (2008)
(10) U.S. Soldiers Experience Increased Rates Of Depression, PTSD On Third, Fourth Tours In Iraq, Study Finds. Online verfügbar unter: http://www.medicalnewstoday.com/articles/99981.php (2008) (11) Zoroya, G.: VA report: Male U.S. veteran suicides at highest in 2006. Online verfügbar unter: http://www.usatoday.com/news/military/2008-09-08-Vet-suicides_N.htm (2008)
WEITERFÜHRENDE INTERNETSEITEN: § www.angriff-auf-die-seele.de (Hilfe für Soldaten) § www.ncptsd.va.gov (US National Center for Posttraumatic Stress Disorder) § www.humanitarian-psy.org (Centre for Humanitarian Psychology/Genf)
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G e r n o t B r a u c h l e , C l a u d i a E i t z i n g e r, H a r a l d S t u m m e r
Zur gesellschaftlichen Auseinandersetzung m i t p s y c h i s c h e n Tr a u m a t i s i e r u n g e n i m historischen Kontext The social discourse with traumatic experience – a historical survey
S U M M A RY Over the past few years a new standard in psychological first aid in primary care has been established. However, these psychological intervention for people with traumatic experiences are not a new concept. Its historical roots with all its disruptions, alterations and shifts can be traced back in history to the last century. One can observe, that the definition of traumatic experience and its treatment is associated with specific political and social conditions. Medical and psychological knowledge of psychic trauma as well as psychiatric diagnosis have been and still are influenced by society and its needs. That raises the question how society influences knowledge and the ideas of treatment of traumatic experiences and which are the blinds spots today. Keywords: Posttraumatic stress disorder, PTSD, disaster helpers, traumatic neurosis, dissociation
Z U S A M M E N FA S S U N G In den letzten Jahren hat sich besonders im Bereich der Erstversorgung von Unfallopfern ein zusätzlicher neuer Standard im Bereich der psychischen Ersten Hilfe etabliert. Diese so genannten notfallpsychologischen Interventionen sind jedoch keine „Erfindung“ des 20. Jahrhunderts, sondern lassen sich ihrer Entwicklungsgeschichte mit Veränderungen, Brüchen und Blindstellen, besonders in den letzten 100 Jahren nachzeichnen. Wie sich dabei zeigt, ist die allgemeine Diagnose einer psychischen Traumatisierung und deren Behandlung direkt von gesellschaftlichen Rahmenbedingungen beeinflusst. Das bedeutet, dass medizinische und psychologische Modelle psychischer Traumatisierung und deren Behandlungsformen auch als gesellschaftlich verformtes Wissen betrachtet wer-
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den müssen und nicht als Stand wissenschaftlicher Erkenntnis zu sehen sind. Dies wirft die Frage auf, welche gesellschaftlichen Überformungen heute den Bereich der notfallpsychologischen Interventionen prägen und inwieweit Notfallpsychologie und Krisenintervention „blinde Flecken“ aufweisen. Schlüsselwörter: Posttraumatische Belastungsstörung, PTBS, Einsatzkräfte, traumatische Neurose, Dissoziation
EINLEITUNG In den letzten Jahren hat sich besonders im Bereich der Erstversorgung von Unfallopfern ein zusätzlicher neuer Standard im Bereich der psychischen Ersten Hilfe etabliert. Diese so genannten notfallpsychologischen Interventionen sind aber keine „Erfindung“ des 20. Jahrhunderts, sondern lassen sich in ihrer Entwicklungsgeschichte mit Veränderungen, Brüchen und Blindstellen, besonders in den letzten 100 Jahren nachzeichnen. Wie sich dabei zeigt, ist die allgemeine Diagnose einer psychischen Traumatisierung und deren Behandlung direkt von gesellschaftlichen Rahmenbedingungen beeinflusst. Das bedeutet, dass medizinische und psychologische Modelle psychischer Traumatisierung und deren Behandlungsformen auch als gesellschaftlich verformtes Wissen betrachtet werden müssen und nicht als Stand wissenschaftlicher Erkenntnis zu sehen sind. Dies wirft die Frage auf, welche gesellschaftlichen Überformungen heute den Bereich der notfallpsychologischen Interventionen prägen und inwieweit Notfallpsychologie und Krisenintervention „blinde Flecken“ aufweisen (1). Die Festlegung eines Zeitpunktes des Beginns der Geschichte psychischer Traumatisierung ist aus der Sicht historischer Wissenschaft problematisch. Es mutet fast willkürlich an, wenn das 19. JH in Europa als ihr Beginn festgesetzt wird, da bereits Beschreibungen über das Erleben und Bewältigen von Kriegstraumata in der Ilias bei Homer (2), über Reaktionen auf Katastrophen in der sumerischen und griechischen Kultur (3) und nach dem großen Feuer in London, anno 1666 (4) oder von Langzeitverschütteten in den Italienischen Alpen, 1755 (5) vorliegen. Dennoch scheint eine Formation und Transformation der Geschichte psychischer Traumatisierung mit dem 19. JH zutreffend, da sich in diesem Jahrhundert in Europa differenzierte und einflussreiche Diskurse über psychische Traumatisierungen entwickelten. Diese Diskurse lassen sich jedoch keiner einzelnen Sinn gebenden Subjektivität zuschreiben oder in eine historische Gesamtentwicklung eingliedern. Sie entwickelten sich in den unterschiedlichen westeuropäischen Räumen mit differenter Geschwindigkeit, auf Grund jeweils eigener Problemstellungen und hinsichtlich spezifischer Ziele. Dennoch sind auch Referenzen und Überschneidungen festzustellen. Im Sinne der geschichts-wis-
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senschaftlichen Konzeption, die Deformationen, Transformationen, Brüche und variable Ordnungen aufzeigen will (6), wird hier auf den üblichen „roten Faden“ der Geschichte bewusst verzichtet. Es werden die wesentlichen Teile der Geschichte der Thematisierung traumatischer Folgen in ihrem komplexen Netzwerk von Ähnlichkeiten, verkürzt dargestellt. Es soll auch deutlich werden, dass keine durchgehende Akkumulierung von Wissen im Zusammenhang mit traumatischen Ereignissen, ihren Auswirkungen und ihrer Behandlung in den letzten 150 Jahren erfolgte. Ähnlich wie Reaktionen auf traumatische Erlebnisse, entwickeln sich Wissen und Behandlungsmöglichkeiten, verändern sich diese durch externe Einflüsse, werden verdrängt und vergessen und tauchen an anderer Stelle in modifizierter Form wieder auf. Dieses komplexe „Entdecken“ und „Verleugnen“ im Europa des 19. JHs soll anhand von wenigen entscheidenden Diskursen dargestellt werden. So sind vor allem vier wesentliche Felder zu nennen, die die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema der psychischen Traumatisierung beeinflusst, vorangetrieben und verleugnet haben: die steigende Anzahl gerichtlicher Kompensationsklagen auf Grund nervöser Symptome nach Eisenbahnunglücken in England, die staatliche Verankerung der Unfallversicherung in Deutschland und die damit einhergehenden Probleme der psychiatrischen Beurteilung psychischer Folgeerkrankungen nach Industrieunfällen, die epidemische „Produktion“ von Kriegstraumatisierten durch den ersten Weltkrieg und die rigorose Verleugnung der Kriegsneurosen sowie die wegweisenden Erkenntnisse über dissoziative Phänomene durch Janet.
V O N N E RV Ö S E N S Y M P T O M E N Ü B E R D A S E I S E N B A H N R Ü C K G R A D - S Y N D R O M Z U R T R A U M AT I S C H E N N E U R O S E Im viktorianischen England des 19. JH galt die technische Progression, vorangetrieben durch die Dampfmaschine, als Maß für ökonomischen und sozialen Fortschritt. Symbol und äußerlich sichtbares Zeichen dieser technischen Revolution war die Eisenbahn, mit ihren weithin sichtbaren Rauchschwaden, die sich quer durch Städte und Länder zog, mit der Errichtung von bestaunten Viadukten und dem gesellschaftlichen Leben an Bahnhöfen. Sucht man hingegen ein Sinnbild für den Diskurs psychischer Traumata, findet man dieses in der schockierenden Gewalt und Grausamkeit von Eisenbahnunglücken. Obwohl im Vergleich zur Eisenbahn Schiffs- und Grubenunglücke wesentlich mehr Tote pro Jahr in England forderten, waren es vor allem Eisenbahnunglücke, die ins Bewusstsein der Bevölkerungen drangen. Dies hatte zwei wesentliche Gründe: 1) gefährliche Arbeitsplätze, die seit Generationen immer wieder Menschenleben forderten, wie in der Schifffahrt oder der Kohleindustrie,
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waren seit langem ein Teil der Kultur. Jeder der dort Arbeit fand, war sich auch der Gefahren bewusst, die sich mit diesen Berufen verbanden. 2) Unglücke in diesen Bereichen betrafen nur einen Teil der Bevölkerung bzw. räumlich begrenzte Gebiete. Nur Grubenarbeiter waren betroffen und nur Gemeinden, deren Bevölkerung hauptsächlich mit Bergbau zu tun hatte trauerten. Aber Zugsunglücke geschahen in öffentlichen Regionen. Sie fanden in Städten, Dörfern oder am Land statt und betrafen alle Schichten von Menschen, die die Eisenbahn benützten: Arbeiter, Angestellte, die Oberschicht. Sie betrafen Menschen auf ihrem Weg zur Arbeit oder auf ihrem Weg zu einer Vergnügung. Das Eisenbahnunglück als Ereignis war somit keine Ursache „individueller Erfahrung“ oder begrenzter Gebiete, sondern eine öffentliche, kollektive traumatische Erfahrung (7). Mit der Zunahme von Eisenbahnunglücken veränderte sich deshalb die gesellschaftliche Sichtweise auf diese: von einem anfänglichen „tragischen Unglück der neuen Technologie“ hin zu einem kollektiven traumatischen Ereignis im Alltag der modernen, mechanisierten Industriegesellschaft. Gleichzeitig zeichneten sich Eisenbahnunglücke, im Vergleich zu bekannten Gefahrenquellen, durch eine Willkür des Todes aus. Waren im Bergbau und der Schifffahrt alle oder ein großer Teil der Mannschaften durch den Tod betroffen, so schien es, als wählte der Tod bei einem Eisenbahnunglück nur Einzelne aus. Während Personen, die vor einem oder neben einem saßen, beim Unglück schwer verletzt oder getötet wurden, konnte man selbst unverletzt überleben. Die Grausamkeit des Überlebens, die ausschließlich mit dieser neuen Errungenschaft der Eisenbahn verknüpft zu sein schien, zeigte entsprechend ihre Wirkungen bei den Überlebenden und brachte „nervöse Symptome“ bei diesen mit sich (8). Ab Mitte des 19. JH war der medizinische Diskurs über Traumata bzw. traumatische Störungen entscheidend durch die steigende Anzahl von Eisenbahnunglücken geprägt. Die medizinische Wissenschaft, vor allem englische Chirurgen, die in die Behandlung von Überlebenden nach Eisenbahnunfällen eingebunden waren, sahen sich einem neuen erklärungsbedürftigen Phänomen gegenüber. Unverletzte und physisch gesunde Überlebende zeigten eine Reihe von physischen Beschwerden, die augenscheinlich mit dem Unglück in Verbindung standen. Englische Chirurgen sahen die Ursache in den erheblichen Erschütterungen des Aufpralls beim Unglück und damit verbundenen, nicht sichtbaren Verletzungen am Rückenmark. Die Läsionen des Rückenmarks waren ihrer Meinung nach Auslöser für die späteren physischen Symptome. Somit erhielt die „neue Erkrankung“ den Namen „Eisenbahn-Rückgrat-Syndrom“ (railway-spine; 9). Als einflussreichster Vordenker dieser These galt John Erichsen, der den Diskurs mit seinen Arbeiten zum Eisenbahn-Rückgrat-Syndrom über 30 Jahre in England beherrschte. Er selbst spekulierte zwar in seinen späteren Schrif-
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ten, ob nicht auch psychologische Faktoren, wie emotionaler Schock oder Schreck eine zeitweilige Beeinträchtigung der mentalen Fähigkeiten des Gehirns bewirken und damit einen Verlust der Kontrolle über das nervöse System mit bedingen (10) könnten. Dennoch waren für Erichsen die physiologischen Faktoren für die Symptombildung vorrangig. Nicht alle waren jedoch von einer reinen physiologischen Ursache als Auslöser für die Symptome überzeugt. Vor allem auf Grund der Beobachtung, dass ausreichend Schlaf nach dem traumatischen Ereignis eine Symptombildung verhindern bzw. abmildern konnte, stellte der Chirurg Herbert Page die dominierende Erklärung in Frage. 1883 veröffentlichte er eine eigene Theorie zum Eisenbahn-Rückgrat-Syndrom. In seiner Arbeit stellte er das Modell Erichsens auf den Kopf. Nicht mehr kleinste Läsionen des Rückgrates, im Zusammenwirken mit psychologischen Faktoren, waren Ursache der Erkrankung, sondern ausschließlich die psychologischen Effekte des traumatischen Ereignisses wurden als verantwortlich für spätere nervöse Symptome angesehen. Page sah in der erlebten Angst beim Unglück das primäre Element für eine physische - möglicherweise sogar chemische Veränderung des nervösen Systems - und der damit einhergehenden Störungen. Sein Modell, das gänzlich ohne organische Ursachen auskam und bereits Parallelen mit dem späteren Konzept der Hysterie Charcots aufwies, erhielt den Namen „general nervous shock“ (10). Obwohl beachtet und diskutiert, setzte sich dieses Modell im medizinischen Diskurs des 19. JH aber nicht durch. Zu dominant war die generelle Ausrichtung der Medizin und der wesentlichen wissenschaftlichen Akteure auf die Physis. Mit dem Ausbau des Eisenbahnwesens und der damit einhergehenden Zunahme der Unfälle stiegen die - zumeist erfolgreichen - Kompensationsklagen gegen die Eisenbahngesellschaften. Da die beklagten Verletzungen nervösen Charakter hatten, erst verspätet auftraten und augenscheinlich kein organischer Schaden vorlag, war ein Betrug durch die Kläger nicht auszuschließen. Um dem rapiden Anstieg und den immer höher werdenden Kompensationszahlungen entgegen zu wirken, wurden Ärzte erstmals umfangreich von den Eisenbahngesellschaften als Gutachter bei Gerichtsprozessen beigezogen. Sie sollten, in Verbindung mit Privatermittlern, über die tatsächlichen Störungen und die Rechtmäßigkeit der Rentenansprüche entscheiden. Der Umstand aber, dass Ärzte damit in den Ruf von Handlangern der Eisenbahngesellschaften gerieten und damit ein Schaden am Image des Arztstandes drohte, führte zu einigen eindringlichen Aufrufen in medizinisch einflussreichen Zeitschriften, mehr gesicherte Erkenntnisse in Bezug auf das Eisenbahn-Rückgrat-Syndrom bereit zu stellen (11). Der Anstieg an Fallbeschreibungen, theoretischen Diskussionsbeiträgen und Erklärungsversuchen blieb aber nicht nur auf die medizinische Wissenschaft
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beschränkt. Auch in den Bereichen der Rechtssprechung, der neuen sozialen Politik sowie im Versicherungswesen, fanden die Diskussionen ihren Niederschlag in den entsprechenden Fachzeitschriften. Dies deutet auch an, dass nicht nur die wissenschaftliche Suche nach der Ätiologie traumatischer Erlebnisse und deren medizinischer Behandlung einen bedeutenden Einfluss auf die Geschichte traumatischer Störungen hatte. Einflüsse resultieren auch aus den juristischen und ökonomischen Problemlagen von Behandlungskosten und Abfindungskosten, mit denen sich die modernen Staaten nach der Französischen Revolution konfrontiert sahen. In Deutschland – aber auch anderen europäischen Staaten - zeichneten sich nach der Französischen Revolution enorme soziale Veränderungen ab. Im Jahr 1884 wurde nach erbitterten Kämpfen der Arbeiterklasse, die Unfallversicherung eingeführt. Diese weitreichende Entscheidung transformierte den neuen modernen Staat Deutschland in eine Art „Versicherungsgesellschaft“ und veränderte damit auch die Konzeption des Unfalls für die Überlebenden und die Wissenschaft der Medizin. Für Unfallopfer bestand nun erstmals die Möglichkeit, neben der Wiederherstellung der körperlichen Gesundheit auch die Abgeltung psychische Leiden vor Gericht geltend zu machen. Dazu wurden von den Gerichten ärztliche Sachverständige bestellt, die die Aufgabe hatten festzustellen, inwieweit ein Unfall eine ausreichende Bedingung für psychische Symptome sein konnte, wie groß das Leiden der Opfer war und welche Zahlungen für dieses Leiden angemessen waren. Die wissenschaftliche Beurteilungsgrundlage für ärztliche Sachverständige wurde 1889 von Hermann Oppenheim, einem einflussreichen Neurologen, publiziert. Sein Konzept der traumatischen Neurose sah eine medizinisch begründete Rechtfertigung einer Kompensationsleistung für traumatische Neurosen vor und wurde in der psychiatrischen Wissenschaft weithin anerkannt (12). Die terminologische Änderung als „traumatische Neurose“, anstelle der Bezeichnung „Eisenbahn-Rückgrat-Syndrom“, kennzeichnete auch einen Wechsel in der ätiologischen Auffassung. Nicht mehr Läsionen im Zentralnervensystem wurden für die Symptome verantwortlich gemacht, sondern zerebrale funktionelle Störungen auf molekularer Ebene wurden als Ursache angesehen. Da Oppenheims Auffassung weithin anerkannt war und das Reichsversicherungsamt sich auf die Expertise von Medizinern stützte, waren vor allem in den ersten Jahren eine Reihe von erfolgreiche Klagen bei Gericht zu verzeichnen. Damit kann festgestellt werden, dass bereits am Ende des 19. JH, in England und Deutschland, traumatische Störungen als Folge von Unglücken schon einen breiten Raum im medizinisch-juristischen Diskurs einnahmen: vom Eisenbahn-Rückgrat-Syndrom bis hin zur traumatischen Neurose (13).
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VON DER RENTENNEUROSE ZUR RENTENKAMPFNEUROSE Auf Grund der medizinischen Diagnostik und der gerichtlichen Klagen waren traumatische Neurosen, in ihren mannigfachen Formen, weithin bekannte Störungen. Dieses Wissen, verknüpft mit den Erfahrungen von Eisenbahnunfällen und den Arbeiten Oppenheims, veranlasste Ärzte, die entstehenden nervösen Leiden auch auf Industrieunfälle (14) zu übertragen. Ihnen gemeinsam war die allgemeine Ätiologie: der wesentliche Grund der Beschwerden lag in einer Art physischem und emotionalen Schock. Infolgedessen erscheint es folgerichtig, dass nach der Einführung der Unfallversicherung 1884 in Deutschland eine zunehmende Anzahl von Kompensationsklagen, auf Grund von traumatischen Hysterien, Neurasthenien und Hypochondrien nach Unglücken aber auch nach Unfällen, die Versicherungen und Gerichte beschäftigten. Die Versicherungen aber betrachteten die vor Gericht vorgebrachten nervösen Störungen in ihrer mannigfachen Gestalt eher als Massensimulation. Die so genannte Rentenneurose, wie Kritiker diese Störungen ab ca. 1900 allgemein bezeichneten, war den Versicherungsgesellschaften zufolge ein bekannter Versuch der Arbeiterklasse, den Anspruch einer lebenslangen Rente zu erwerben und sich damit der Arbeit zu entziehen. Demzufolge versuchten Versicherungen rigoros, Kompensationszahlungen für arbeitsscheue Subjekte zu verhindern. Dennoch war es auf Grund von Präzedenzfällen bei Eisenbahnunfällen und der Anerkennung der traumatischen Neurose als Erkrankung durch das Reichsversicherungsamt nicht möglich, alle Kompensationsforderungen abzuweisen. In den folgenden Jahren wurden deshalb erbitterte gerichtliche Auseinandersetzungen über die Aufrichtigkeit nervöser Symptome bei Klägern geführt. Letztendlich wurden auch die langjährigen Klagen selbst zur traumatischen Erfahrung für Kläger und zum Gegenstand von Klagen für auftretende Störungen. Da die so genannten Rentenkampfneurosen durch das Reichsversicherungsamt aber nicht anerkannt wurden, verschwanden sie schließlich als Diagnose (15) aus dem medizinischen Diskurs und aus den Gerichtssälen.
KRIEGSNEUROSEN Die Kriegseuphorie vom August 1914 verlockte Hunderttausende dazu, sich kriegsfreiwillig zu melden. Mit dem angekündigten Krieg verbunden war die Aussicht ein Abenteuer und Gemeinschaft zu erleben sowie Weltgeschichte zu schreiben. Doch die Wirklichkeit des Krieges, mit den Schrecknissen der schweren Artillerie, des Stellungskampfes, den Granaten, Schrapnells und Maschinengewehren, der Gewalt von Explosionen, zerfetzter und verschütteter Menschen und der ständigen Möglichkeit der eigenen Verletzung und Tötung verüb-
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te eine zerstörerische Wirkung auf die Psyche der Kriegsfreiwilligen. Scheinbar ohne körperlichen Befund zeigten „Kriegszitterer“ Lähmungen, Aphasien, Sehoder Gehörstörungen oder hatten Anfälle von Schmerz und Raserei für die keine organische Ursache gefunden werden konnte. Die Vorschläge der Psychiater zur Ätiologie, deren kriegswichtiges Ziel die schnelle Bereitstellung von Kampfkraft war, waren vielfältig. Sie bewegten sich zwischen arglistiger Simulation, hysterischer Übertreibung, Willensschwäche, Zweckneurose und neurasthenischer Erschöpfung durch Extrembelastung oder minderwertige Anlagen (16). Therapiert wurden diese seelischen Ausfallserscheinungen durch hypnotische Suggestion, Misshandlung, offene Drohung und mithilfe der so genannten „Kaufmannschen Kur“. Dabei wurden unter Zufügung extremer Schmerzen mit einem elektrischen Pinsel jene Körperstellen bestrichen, die Ausfälle aufwiesen. Psychiater leiteten Strom auf erblindete Augen, taube Ohren und gelähmte Glieder, sie spreizten Kehlköpfe und ließen zwangsexerzieren. Die Logik dieser Kuren war einfach. Soldaten wurden „repariert“ indem dem Trauma mit einem traumatischen Gegenschlag begegnet wurde, um die versagte Willenskraft wieder herzustellen. Der Kriegsneurotiker mit seinem Willen zur Krankheit hatte, so die herrschende Meinung der Psychiatrie, ein willkürlich gewähltes Ereignis als traumatisch empfunden und zum Anlass für seine Symptombildung genommen. Damit überwiegen beim Kriegsneurotiker Willensversagung, Angst, die „Begehrensvorstellung“, möglichst schnell der Front zu entfliehen oder gar die Gier nach einer Veteranenrente. Die dabei verloren gegangene Willenskraft – „das Stählerne“ - sollte durch Schmerzen und Zwangsmaßnahmen in der Behandlung wiederhergestellt werden. Der Terror der „Therapie“ zwang den Soldaten in die Gesundheit zu entfliehen (17).
S I M U L AT I O N U N D A G G R AVAT I O N Während Gutachter und Gerichte im 19. JH selbst das Auftreten der unterschiedlichsten Nervenkrankheiten nach Bagatellunfällen noch für denkbar und entschädigungswürdig hielten, setzte nach dem I. Weltkrieg im Zusammenhang mit der Entschädigung der so genannten Kriegsneurotiker eine zunehmend restriktive Haltung von Gutachtern, Versicherungsgesellschaften und der Rechtsprechung ein. Staatliche Untersuchungen zeigten dabei auf, dass die überwiegende Mehrheit der vom Dienst entlassenen Kriegsneurotiker schnell wieder die Fähigkeit erlangte, einem Beruf nachzugehen und deshalb keine Rente benötigte. Bezug nehmend auf diese Untersuchungen weigerte sich die Deutsche Psychiatrische Gesellschaft Kriegsneurosen als eigenständige mentale Erkrankung anzuerkennen. Den Traumaopfern wurde hingegen häufig Aggravation und
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Simulation unterstellt sowie in bereits bestehenden seelischen Abnormitäten, „Entartungen“ und „Psychopathien“ die eigentliche Ursache erkannt (18). Zusätzlich wurde von politischer, juristischer und medizinischer Seite eine Vielzahl von wissenschaftlichen Arbeiten vorgelegt, die einhellig belegten, dass schon die Möglichkeit einer lebenslangen Rente neurotische Symptome hervorrufen könne. Der führende deutsche Psychiater Bonhoeffer (1926) und seine Kollegen (15) schlussfolgerten aus ihren Untersuchungen, dass die traumatische Neurose eine soziale Krankheit sei, die nur mit sozialen Mitteln geheilt werden könne. Diese sozialen Heilkuren bestanden jedoch nicht aus einer Verbesserung der sozialen Bedingungen. Seine Untersuchungen an traumatischen Neurosefällen fanden als Ursache vererbliche Prädispositionen und inhärente Schwächen der Patienten. Der wirkliche Grund der traumatischen Neurose liege in der Verfügbarkeit von Entschädigungsleistungen und nicht in der Verbesserung ihrer Notlagen. Die Ursache der Störung lag somit im sekundären Krankheitsgewinn. Damit war die Kriegsneurose keine Krankheit, sondern ein Artefakt des Sozialstaates – und der Versicherungsschutz selbst die Ursache der Neurose (15). Die Reichsversicherungsordnung von 1926 stützte sich auf diese Aussagen und führte zu einer Festschreibung der Position, dass traumatische Neurosen nicht entschädigungswürdig sind. Hintergrund dieser Politik war die Überzeugung, dass traumatische Neurosen so lange unheilbar seien, solange Patienten eine Rente oder eine Entschädigung erwarten könnten. Nur unmittelbare und kurzfristige Schockreaktionen waren entschädigungswürdig, lang anhaltende oder verspätet auftretende Reaktionen wurden als Zusammenspiele von minderwertigen Anlagen, Konstitution und einer Entschädigungssucht gesehen. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten verstummten auch die letzten kritischen Stimmen gegen die restriktive Handhabung der Entschädigungspraxis. Dennoch wird nach dem II. Weltkrieg mit der Frage der Entschädigung von KZ- und Vertreibungsopfern das Thema wieder aktuell. Die herrschende Lehrmeinung in Deutschland berief sich dabei auf eine Grundsatzentscheidung des Reichsversicherungsamtes von 1926, nach der eine Neurose als Unfallfolge nicht rentenpflichtig sei, da die Ausgleichsfähigkeit des Organismus nach psychischen Belastungen quasi unbegrenzt sei (13) und traumatische Neurosen unheilbar seinen, solange Patienten eine Rente oder andere Entschädigungen zugebilligt würde.
D I E E N T D E C K U N G D E R D I S S O Z I AT I O N Während in England und Deutschland die Diskussion über Ursachen, Folgen und Behandlung traumatischer Ereignisse im wesentlichen eine juristisch-medi-
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zinische Diskussion, vor dem Hintergrund ihrer ökonomischen Konsequenzen für die modernen Staaten und privaten Eisenbahngesellschaften war, entwickelte sich die Diskussion in Frankreich in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Störungsbild der Hysterie. In den Hypnoseexperimenten und den therapeutischen Ansätzen Charcots zeigte sich, dass psychopathologische Auffälligkeiten und Symptombildungen, unter denen die Patienten litten, mit verdrängten Erinnerungen an traumatische Erlebnisse zusammenhingen. Dennoch war es Pierre Janet, der den Begriff der Dissoziation prägte und systematisch Dissoziation als den entscheidenden psychologischen Prozess bei der Transformation traumatischer Erlebnisse in psychopathologische Symptome untersuchte. Nach Janet werden unter gewöhnlichen Umständen bewusst erlebte Gefühle, Gedanken, Handlungen oder Sensationen, im Zusammenhang mit Erfahrungen bewusst erlebter Gefühle, in ein Bewusstsein integriert und kontrolliert. Eine erfolgreiche Integration ins Gedächtnissystem setzt eine kognitive Bewertung voraus. Demgegenüber können Erfahrungen in Zusammenhang mit Angst oder Schrecken möglicherweise nicht in bereits bestehende kognitive Schematas eingepasst werden. Diese Erinnerungen werden von der bewussten Wahrnehmung und Kontrolle als Fragmente abgespalten (dissoziiert) und können sich später als pathologische Automatismen bemerkbar machen (19). Die späteren Bemühungen der Patienten, die unkontrollierbar auftauchenden, fragmentierten traumatischen Erinnerungen von der bewussten Wahrnehmung fern zu halten, erodiert deren psychische Energie. Dieser Umstand wiederum vermindert die Fähigkeit, sich konzentrierten und kreativen Handlungen zu widmen und aus diesen neuen Erfahrungen zu lernen. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Patienten eine langsame Verminderung personeller und funktioneller Fähigkeiten erleben (20). Die erste umfassende Beschreibung der Wirkung von Traumata auf die Psyche bestand demnach in der Auffassung, dass extreme emotionale Erregung eine Unfähigkeit zur Folge hat, die traumatischen Erinnerungen zu integrieren, da keine narrativen Erinnerungen vorliegen, jedoch beständig eine Konfrontation mit der schwierigen Situation stattfindet. Diese Erinnerungsspuren des Traumas bleiben als unbewusste „fixe Ideen“ bestehen, da sie nicht „verflüssigt“ (19) werden können, solange sie nicht in persönliche Erzählungen transformiert werden. Infolge dessen entfalten sie intrusive Aktivitäten in Form von Schreckensvorstellungen, zwanghaften Präokkupationen und Angstreaktionen als somatische Wiederholungserfahrungen (19). Janets klinische Beobachtungen wurden von vielen späteren berühmten Wissenschaftlern als korrekte Beschreibung der Effekte traumatischer Erlebnisse auf die Psyche akzeptiert. William James, Jean Piaget, Henry Murray, Carl Jung,
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Charles Myers, William MacDougal oder Ernest Hilgard ließen sich von Janets Arbeiten für ihre Untersuchungen über mentale Prozesse inspirieren (21). Übereinstimmend, dass in der Dissoziation der wesentliche pathogene Prozess für posttraumatische Reaktionen zu sehen ist, lehnten alle die psychoanalytische Auffassung, dass Katharsis das entsprechende Mittel zur Behandlung sei, ab. Stattdessen betonten sie ihrerseits die wesentlichen Funktionen von Synthese und Integration (22). Dennoch verschwanden die profunden und einflussreichen Arbeiten Janets im Laufe der Jahrzehnte langsam aus dem Feld der psychologischen Wissenschaften.
„ D I S S O Z I AT I O N “ A L S G E S E L L S C H A F T L I C H E R P R O Z E S S Ein ähnlicher Prozess des „Dissoziierens“ muss auch für die Wissenschaft der Medizin in Bezug auf Reaktionen nach traumatischen Erlebnissen festgestellt werden. Die Medizin, insbesondere die Psychiatrie, erlebte im letzten Jahrhundert Perioden des Fasziniert-Seins von psychischen Traumata aber auch Perioden des verbissenen Leugnens der Relevanz traumatischer Erlebnisse. Eine Änderung dieses „gesellschaftlichen Vermeidungsverhaltens“ zeigte sich erst nach dem Ende des Vietnamkrieges 1980, mit der Festschreibung der Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) als eigenständiges Störungsbild im Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-III; 23). Ausschlaggebend waren die psychischen Folgen von Vietnamveteranen und die von der Frauenbewegung in die Öffentlichkeit gebrachte Thematisierung interpersoneller Gewalt. Die im Diagnosemanual definierte Posttraumatische Belastungsstörung, die traumatische Stressoren als Auslöser der Symptome annimmt, löste damit eine erneute wissenschaftliche Auseinandersetzung mit psychischen Folgen von Gewalt, Unfällen, Naturkatastrophen, Kriegserlebnissen, Folter und Verfolgung aus. Gegenstand der Untersuchungen sind Prävalenz- und Inzidenzraten, komorbide Störungen, Prädiktoren, Copingmechanismen, etc. bei unterschiedlichsten Bevölkerungsgruppen. Dennoch muss festgestellt werden, dass eine Auseinandersetzung mit Belastungen und Bewältigungsstrategien von Einsatzkräften nach belastenden Einsätzen vor 1980 praktisch nicht existierte (24). Mitchell & Dyregrov (25) schreiben sogar, dass es den Anschein habe, als würden Forscher und Kliniker die potentiell schädliche Arbeit von Einsatzkräften gar nicht wahrnehmen. Erst ab ca. 1980 tauchen vermehrt Untersuchungen auf, die die Belastungen von Einsatzkräften thematisieren (26 - 31) und psychologische Unterstützung fordern (32). Die meisten Untersuchungen bleiben dabei noch auf Männer beschränkt. Weibliche ame-
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rikanische Einsatzkräfte, die in Vietnam im Bereich des SRAO (Supplemental recreational activities overseas) als Krankenschwestern („donut dollies“) ihren Dienst versahen, und spätestens nach der Tet-Offensive der Nordvietnamesischen Armee traumatischen Erlebnissen ausgesetzt waren (Lebensbedrohung, die Versorgung schwerstverletzter Soldaten), wird erst 1990 – auch auf Grund der Untersuchungsergebnisse über Belastungen bei Einsatzkräften - der Zugang zu den Veteranencenters gewährt.
B E L A S T U N G E N V O N E I N S AT Z K R Ä F T E N Mit der Festschreibung der PTBS im DSM-III wurden posttraumatische Reaktionen aus den Anpassungs- und Belastungsstörungen herausgenommen und den Angststörungen zugeordnet. Die Begründung für diese Neukonzeption lag in der grundlegenden Komponente der Angst, die Verhalten, Kognition und Physiologie nachhaltig negativ beeinflussen kann (33; 34). Nach Barlow entwickeln Menschen, die eine biologische und psychologische Vulnerabilität aufweisen, nach belastenden Lebensereignissen die Überzeugung, dass diese belastenden Ereignisse unvorhersehbar und unkontrollierbar seien. Sind keine funktionalen Bewältigungsmechanismen vorhanden, wird ein erneutes Eintreten dieser Belastung ängstlich erwartet und setzt damit einen Kreislauf ängstlicher Besorgnis und chronischer Übererregung in Gang (33). Deshalb wird der Aspekt der Angst in vielen Modellen als entscheidender Faktor für die Entwicklung und Chronifizierung einer Posttraumatischen Belastungsstörung (35; 36) angesehen. Die Lebenszeitprävalenz einer Posttraumatischen Belastungsstörung beträgt in der Allgemeinbevölkerung 0.4 – 7,8 %, wobei ca. 60 % als chronisch zu beurteilen sind (37 - 39). Bei Frauen ist die Prävalenz doppelt so hoch wie bei Männern (10% vs. 5 %; 40). Im Vergleich dazu ist die Lebenszeitprävalenz für PTBS bei Risikopopulationen, wie Einsatzkräften, deutlich höher und wird mit Werten bis zu 58 % (DSM-IV; 41) angegeben. Ein Grund dafür kann in den belastenden Arbeitsbedingungen bzw. extremen Situationen gesehen werden, die Einsatzkräfte zu bewältigen haben. Neben Großschadensereignissen und Katastropheneinsätzen sind Einsatzkräfte auch im Alltag spezifischen Belastungen und Beanspruchungen ausgesetzt, die sich durch eine Reihe von Besonderheiten von anderen Berufen in der Arbeitswelt bzw. von Gesundheitsberufen unterscheiden (42). Zu den spezifischen Belastungen und Beanspruchungen von Einsatzkräften zählen unter anderem lange Wartezeiten bis zum Einsatz, mangelhafte Information und unklare Einsatzmeldungen, unvorhersehbares Einsatzgeschehen, Handeln unter Zeit- und Ereignisdruck am Einsatzort (43; 44), Konfrontation mit Leid, Trauer, Entstellungen, schweren Verletzungen und Tod (45; 46), extre-
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men Sinneseindrücken und potentieller Eigengefährdung (47 - 50), Erleben von Hilflosigkeit und Misserfolg (47) oder 24-Stundenbereitschaften, Journaldienste und Nachtschichten (51; 52). Diese spezifischen Belastungen können zu gesundheitlichen Risikoverhaltensweisen, wie Substanzmissbrauch, psychischen und affektiven Störungen sowie Somatisierungsstörungen (37) führen. Resultieren Belastungen in den genannten psychischen Erkrankungen, so besteht eine hohe Komorbidität mit Depressionen und anderen Angststörungen, sowie generell ein erhöhtes Risiko für sekundäre Störungen (53; 54). Die Belastungen haben zudem Auswirkungen auf die Motivation, die Arbeitsleistung und die Arbeitszufriedenheit (25). Brauchle (44) und Marmar et al. (55) zeigen in ihren Untersuchungen über Einsatzkräfte der Polizei und Rettung, dass die Prävalenz für die Entwicklung einer Posttraumatischen Belastungsstörung bei 9 % liegt. Für Rettungskräfte werden Prävalenzraten von 15 – 22 % angegeben (43 - 57). Als Erklärung werden eine größere Nähe der Rettungskräfte mit den betreuten Opfern sowie eine schlechtere Einsatzvorbereitung angenommen. Prävalenzraten für Feuerwehrpersonal wurden von Teegen et al. (46) ermittelt. Auch sie entsprechen mit jeweils 9 % den Befunden von Marmar et al. (55). Hingegen finden Bryant & Harvey (50), Wagner et al. (57) sowie McFarlane (58) bei Einsatzkräften der Feuerwehr deutlich höhere Prävalenzraten (13%, 18% bzw. 32 %). Prävalenzraten für Einsatzkräfte wie Notfallpsychologen, Kriseninterventionsteams, Seelsorger oder Psychotherapeuten liegen bislang kaum vor (59). Da hier eine weitaus längere und intensivere Auseinandersetzung mit Opfern und Hinterbliebenen nach traumatischen Ereignissen im Vergleich mit Rettungssanitätern oder anderen Blaulichteinheiten vorzufinden ist, sind entsprechend hohe Werte zu erwarten.
ZUR WIRKUNG VON DEBRIEFING Besonders in den letzten Jahren werden deshalb im Bereich der Einsatzkräftenachsorge vermehrt „flächendeckende“ Präventionsmaßnahmen mit fragwürdigem Nutzen angewendet. Als die am weitesten verbreitete Maßnahme wird das so genannte Critical Incidence Stress Debriefing (CISD) eingesetzt. CISD ist ein strukturiertes, gruppenbezogenes Gespräch, das mit Hilfe von Peers – psychologisch geschulter Einsatzkräfte - und im Beisein einer psychologischen Fachkraft im Anschluss an einen belastenden Einsatz durchgeführt wird. Mitchell (60) geht davon aus, dass durch die Verringerung der Intensität akuter Belastungsreaktionen, auch eine Verringerung nachfolgender, psychiatrischer Störungen bewirkt wird. Everly und Mitchell (61) erklären dies, dass auf Grund der frühen psychosozialen Unterstützung nach dem traumatischen Einsatz (in
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der Regel 2 – 10 Tage nach Beendigung des Einsatzes), der Möglichkeit traumabezogene Gefühle und Gedanken zu artikulieren und der psychoedukativen Beratung über Stress, Coping und Stressmanagement, Belastungen verringert werden. Diesen Effekt konnten andere Studien nicht nachvollziehen. In ihrer kontrolliert randomisierten Studie (sic.) fanden Rose et al. (62) keinen Nachweis über die Wirkung des psychologischen Debriefings. Auch Conlon et al. (63) und Carlier et al. (64) finden keinen signifikanten Unterschied in der Häufigkeit posttraumatischer Belastungsstörungen zwischen Gruppen mit und ohne Debriefing. Darüber hinaus argumentiert Rachman (65), dass ein allzu frühes Erzählen traumatischer Erlebnisse – wie es im Rahmen eines CISD stattfindet - das Risiko erhöht, dass Personen erneut die Kontrolle verlieren und durch intrusive Erinnerungen "überschwemmt" werden. Eine erneute Überschwemmung mit traumabezogenen Intrusionen verstärkt Vermeidungsverhalten und erschwert in der Folge die Bewältigung traumatischer Erlebnisse.
B L I N D E F L E C K E N – K AT H A R S I S A L S I N T E RV E N T I O N S S T R AT E G I E V O N P T S D Schaut man sich allgemein psychotherapeutische Gruppenmaßnahmen der späten 70iger und 80iger Jahre in Amerika an, kann man feststellen dass vielfach kathartische Modelle den Behandlungsformen zu Grunde lagen. Das CISD übernahm diese kathartische Grundidee als zentralen Interventionsschritt: das Aussprechen des Unaussprechlichen und das Zulassen von Gefühlen innerhalb einer Gruppe. Dieser „blinde Fleck der Interventionsform“ erscheint aber aus der Sicht kognitiv verhaltenstherapeutischer Maßnahmen (66) – mit einer entscheidenden Stabilisierungsphase am Beginn der Therapie, einer zweiten Traumakonfrontationsphase und einer dritten, abschließenden Traumasynthese und Integrationsphase (67) - einer der Kernprobleme des Debriefings zu sein. Eine Änderung des klassischen Debriefings, beispielsweise als „kognitives Debriefing“ greift somit nicht als Korrektur, ebensowenig wie die vielfache Versicherung, dass CISD Teil eines Maßnahmenpaktes sei und über eine einmalige „Behandlung“ hinaus gehen würde. Denn allgemein wird in einem Debriefing die entscheidende Stabilisierungsphase, die die notwendigen Ressourcen für die Konfrontation und insbesonders die Integration des traumatischen Erlebens schafft, außer Acht gelassen. Deshalb erscheint es notwendig, die paradigmatische Grundidee des CISD – das kathartische Erzählen, das aus historischen Behandlungsmodellen entlehnt wurde – kritisch zu hinterfragen und eine gänzlich neue Interventionsform zu entwickeln.
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DANK DER HERAUSGEBER
CHEMOMEDIKA ÖSTERREICHISCHER ALPENVEREIN DAV SUMMIT CLUB SCHNELZER & PARTNER FRESENIUS KABI VERBAND DER ÖSTERREICHISCHEN BERG- UND SCHIFÜHRER
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