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Seit 1996 ist Sabine Hüttgraber Inhaberin der letzten Kunststopferei der Steiermark.
UNSICHTBARES HANDWERK
BILD BIORAMA
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Über die fast vergessene Kunst des Stopfens und darüber, woran man reparierbare Kleidung erkennt.
or einer großen weißen Lupe sitzt Sabine Hüttgraber und untersucht penibel einen Pullover auf Löcher. Die 54-Jährige ist Kunststopferin. Und zwar die letzte in der Steiermark und eine der wenigen im deutschsprachigen Raum. Wie viele KunststopferInnen es tatsächlich noch gibt, lässt sich nicht genau ausmachen, da Kunststopfen auch von TeppichreparateurInnen, ÄnderungsschneiderInnen und TextilreinigerInnen angeboten wird, deren Leistungsumfang typischerweise aber ganz anderes ausmacht als das, was Sabine Hüttgraber anbietet. Nur die wenigsten beherrschen allerdings das, was Sabine Hüttgraber kann: nämlich per Hand löchrige oder gerissene Kleidung reparieren, ohne dabei Spuren zu hinterlassen. Die Kunst des Stopfens besteht darin, dem Ausgangsstoff an einer Stelle, wo es nicht so sehr fehlt, Material zu entnehmen und an der löchrigen Stelle händisch wieder einzuweben. Das Handwerk stammt aus den 1960ern – einer Zeit, in der grobe Wollstof-
fe mit Karo- und Pepita-Muster hochmodern waren, die man besonders gut und besonders unauffällig stopfen konnte. Mittlerweile sind die meisten Kleidungsstücke allerdings aus hochfeinen, teilweise synthetischen Stoffen, die das händische Stopfen erschweren. Trotzdem erlebt die Kunststopferei Illy in Graz ein Revival.
TEXT Florian Jauk
EIN REIN HÄNDISCHES HANDWERK Das kleine Geschäft in der Grazer Steyrergasse wurde 1964 eröffnet, 1996 hat es Hüttgraber übernommen. Zu diesem Zeitpunkt gab es nur noch drei KunststopferInnen – heute ist Hüttgraber in der Stadt die letzte ihrer Art. Dass es überhaupt so weit kam, war Zufall: Ihre Vorgängerin war eine Bekannte, die gelernte Schneiderin Hüttgraber überlegte kurz und lernte das Handwerk von ihr. Denn eine Ausbildung als Kunststopferin gab und gibt es nicht. Auch Schneidereien gibt es heutzutage nicht mehr viele. Der Unterschied einer
85 Kleidungsstücke – plus Unterwäsche und Socken – besitzt ein Mensch laut einer Greenpeace-Studie durchschnittlich in Österreich. In Deutschland sind es zehn mehr.