Brixner 377 - Juni 2021

Page 68

„Alle reden vom Wetter …“ Und das ist gut so. Denn das Wetter übt einen großen Einfluss auf uns Menschen aus, und wir auf das Wetter.

M

it großer Sicherheit haben Sie sich heute schon mit dem Wetter beschäftigt: Beim Frühstück der Wetterbericht im Radio, ein schneller Blick nach draußen vor dem Start in den Arbeitstag, aber natürlich auch als willkommenes Gesprächsthema mit Freunden angesichts des ungewöhnlich kühlen und regnerischen Frühjahrs und der spürbaren Folgen des Klimawandels ganz generell. Ja, wer über das Wetter spricht, hat immer etwas zu erzählen – leider nicht nur Positives.

Fotos: Oskar Zingerle

Wirtschaft & Umwelt

BRIXEN

Wenn das Wetter Kapriolen schlägt. „Der April und Mai war

auf Mitteleuropa bezogen tatsächlich kälter als in den letzten Jahren“, bestätigt der Brixner Klauspeter Dissinger, Vorsitzender des Dachverbandes für Natur und Umweltschutz in Südtirol. Und er fügt gleich hinzu: „Im weltweiten Maßstab waren diese Monate jedoch zu warm!“ In Brixen haben zuletzt die sogenannten Konvektionsniederschläge spürbar zugenommen, also der gewittrige Regen an schwülen Sommertagen. Dann ist – als Folge des sich wandelnden Klimas mit seinen höheren Temperaturen – schlicht mehr Energie in der Atmosphäre, die sich plötzlich entlädt und manchem Gartenfest ein jähes Ende bereitet. Doch heftige Wetterkapriolen, wenn auch nicht so häufig wie in den vergangenen Jahren, sind in Brixens Geschichte keinesfalls unbekannt. Besonders anschauliche Beispiele finden sich in den Aufzeichnungen des Färbermeisters Franz Schwaighofer, die Hans Heiss und Hermann Gummerer in Buchform herausgegeben haben. Für den Juni 1871, also genau vor 150 Jahren, notierte der Handwerker „ein so regnerisches kaltes Wetter, wie sich die ältesten Leute um diese Zeit nicht erinnern konnten, mehrere heitzten noch ihre Zimmer, auf den Bergen hat es stark geschneit“. Schon 68

Spürbarer Klimawandel: In Brixen kam es in den letzten Jahren vermehrt zu Gewittern an schwülen Sommertagen  kurze Zeit später setzte heftiger Niederschlag ein – die Folgen waren Überschwemmungen, die besonders die Häuser in Stufels sowie die Wiesen im Süden der Stadt betrafen. Erstere mussten – so berichtet Schwaighofer mit erstaunlichem Gleichmut – kurzerhand geräumt werden; letztere versandeten, sodass an eine Heuernte nicht mehr zu denken war und gerade die Landwirtschaft empfindliche Einbußen erlitten haben dürfte. Da man dem ungünstigen Wetter verständlicherweise wenig Handfestes entgegensetzen konnte, trat in diese Lücke die Volksfrömmigkeit. Im September 1871 sollte das „Umtragen der heiligen Leiber“ nach einer besonders langen Trockenzeit den herbeigesehnten Regen bringen, da es „nun anfing, den Feldfrüchten zu trocken zu werden“. Gemeint sind damit die Reliquienbüsten aus dem Dom, die in

einem Bittgang, begleitet vom Gebet der Gläubigen, zum Einsatz kamen. 1871 hatte dies jedenfalls Erfolg: Der Regen stellte sich ein.

Das Wetter und die Gäste. Dass

man es nie allen recht machen kann, schon gar nicht beim Wetter, davon kann auch der Tourismus in Brixen ein Lied singen. Interessant ist freilich, dass manchmal gutes, manchmal aber auch schlechtes Wetter zu mehr Gästen und Umsatz verhilft. Flexibilität ist aber immer wieder aufs Neue gefordert: „Ja, Wettervorhersagen beeinflussen die Buchungsentscheidung“, so Maria Mayr vom Goldenen Adler. „Eine Stornierung wegen schlechten Wetters, was selten vorkommt, ist für den Gast schon eine emotionale Angelegenheit; entsprechend sensibel gehen wir dabei vor. Wichtig ist uns auf jeden Fall, auf den regionalen Wetterbericht hinzuweisen, der meist viel genauer ist als

pauschale Angaben im Internet.“ Elisabeth Heiss vom Hotel Elephant erinnert sich mit einem Augenzwinkern an vergangene Zeiten, als man hartnäckigen Gästen bei Schlechtwetter ein Gläschen Sekt spendierte. Ob das den gewünschten Sonnenschein brachte, ist nicht überliefert – der Stimmung dürfte es aber durchaus zuträglich gewesen sein. „Früher war bei Regen in den Sommermonaten im Restaurant mehr los als sonst“ – ein Mittag- oder Abendessen als willkommene Schlechtwetter-Alternative sozusagen. „Heute haben die Gäste ganz viele Möglichkeiten, sich zu zerstreuen oder auch in der Brixner Altstadt zu shoppen, sodass das Wetter gar nicht mehr so wichtig ist.“ Die vielen coronabedingten Einschränkungen der letzten Monate haben diesen Trend noch verstärkt: „Man spürt bei den Gästen eine besondere Freude, wieder reisen zu dürfen


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.
Brixner 377 - Juni 2021 by Brixmedia GmbH - Issuu