ERSTE Stiftung Geschäftsbericht 2021

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Wien war 2001 der ideale Schauplatz für eine hintersinnige ZeitRaum-Aktion, bei der Autos als Anschauungsmaterial dienten. Heute gilt SK Parking als eines der präzisesten Kunstwerke zur psycho-topografischen Stimmungslage zwischen Ost und West. Zwölf Jahre nach der auch in der Kulturszene euphorisch begrüßten „Öffnung“ unternahm der slowakische Konzeptkünstler Roman Ondak einen bereits damals melancholisch anmutenden Nachbarschaftsbesuch im nahen und doch so fernen Wien. Melancholisch war die Intervention, weil 2001 bereits zu spüren war, dass der in Richtung Westen drängende Enthusiasmus der sogenannten „OstKünstler:innen“ im internationalen Kunstbetrieb nach einer Phase kurzatmiger Neugier als lediglich peripheres Phänomen schubladisiert wurde. Ondaks Projekte zeichnet aus, dass sie Situationen kreieren. Sie schaffen, um den Kurator und Theoretiker Igor Zabel zu zitieren, eine „Konstellation von Dingen, Menschen und Räumen, die im Kern von dem abweicht, was erwartet und als selbstverständlich vorausgesetzt wird“. Bevor er ein Projekt beginne, so der Künstler einmal, gebe es „eine Geschichte, die bereits da ist“. Diese gelte es mit formalen und nonverbalen Mitteln anschaulich zu machen. Wenn Ondak wie bei SK Parking Demarkationslinien und Übergänge austestet, geschieht dies nicht in einem abstrakten Niemandsland, sondern in behutsamer Auseinandersetzung mit realen und häufig paradoxen Raumbeziehungen. Bei SK Parking betrug die überbrückte Distanz kartografisch 80 ­Kilometer. „Nur“ 80 Kilometer, sollte man hinzufügen. Nachdem die Beziehung zwischen Bratislava und Wien im Kalten Krieg abgeriegelt war und die historischen Nachbarstädte einander fremd geworden waren, wurde nach der slowakischen Staatsgründung von 1994 mit Verblüffung registriert, dass nirgendwo sonst in Europa zwei Hauptstädte so nahe beisammenliegen. Doch es sollte lange dauern, bis sich einigermaßen pragmatische, wenn auch keine tiefgehenden Beziehungen entwickelten. Gemeinsam mit Freunden chauffierte Roman Ondak 2001 sieben Škodas älterer Bauart von Bratislava zur Wiener Secession. Wo sie losfuhren, repräsentierten sie ärmliche Normalität im Kontext kontinuierlich wachsender Konsumwünsche, im Straßenbild von Wien mussten sie mit mitleidigen Blicken rechnen. Abgestellt wurden die glanzlosen Autos auf dem Parkplatz hinter der Secession. Dort blieben sie als kaum wahrnehmbare Merkwürdigkeit für die Ausstellungsdauer von zwei Monaten wie eingefroren stehen. „Einerseits bin ich neugierig darauf“, so Ondak zur Aktion SK Parking, „welche Formen und Situationen wir alle noch als Kunst empfinden können. Gleichzeitig versuche ich, diesen Raum auch für Menschen zu öffnen, die mit Kunst nicht vertraut sind, und von ihnen zu lernen.“

Roman Ondak, SK Parking, 2001, Installationsansicht Erste Campus Wien 2021, Foto: Oliver Ottenschläger, © Kontakt Sammlung, Wien

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