INTERVIEW
Wohnungsneubau beweist Krisenresistenz
finanzwelt: Hat Corona einen negativen oder gar positiven Impact auf PROJECT, die Projektentwicklungen oder die Fonds? Alexander Schlichting» Corona traf unerwartet ein und hat die gute Stimmung, die am Jahresanfang herrschte, gedämpft. Aufgrund des harten Lockdowns im Frühjahr standen wir vor allem organisatorischen Anforderungen gegenüber, konnten diese jedoch mit dem Einsatz aller Mitarbeiter sehr gut meistern. Beim Wohnungsabverkauf kam es wegen ausbleibender Besichtigungen und teilweise geschlossenen Notariaten erwartungsgemäß zu einem Rückgang. Inzwischen stehen wir wieder auf dem Niveau des Vorjahres. Bei den Ankäufen von Grundstücken und der Vergabe von Gewerken agieren wir insgesamt defensiver, warten die weitere Entwicklung ab und nutzen eventuelle Preiskorrekturen zugunsten unserer Fondsinvestoren. finanzwelt: Wenn Sie Stand heute Ihr Research-Team fragen würden: Wie sieht es aus in puncto Wohnimmobilien in Deutschland? Schlichting» Der Sektor Wohnungsneubau beweist enorme Krisenresistenz. Das zeigen aktuelle Studien wie das Herbstgutachten der Immobilienweisen¹ sowie auch die Ergebnisse unserer noch druckfrischen Wohnungsmarktanalyse für Neubauwohnungen in ausgewählten Metropolregionen für das dritte Quartal dieses Jahres. Die Robustheit des Wohnimmobilienmarkts zeigt sich an allen untersuchten Standorten. Nach Volumen- und Umsatzrückgängen in den ersten beiden Quartalen sehen wir wieder eine Erholung. Ob der Trend so bleibt, kommt entscheidend auf den Umfang und die Dauer weiterer Einschränkungen an. Künftige geringere Preisdynamiken oder sogar Preiskorrekturen kann man aber, nach aktueller Sachlage, nicht ausschließen. finanzwelt: Wie sieht es in Ihren Märkten aus, sprich in den 5 Big Ones? Schlichting» Berlin, wo wir aufgrund der Anzahl der Entwicklungen besonders präsent sind, verzeichnet inzwischen ein Preisniveau über 7.000 Euro pro Quadratmeter, 4,2 Prozentpunkte mehr als im Vorjahr. Im Vergleich zur letzten Auswertung stellt dies einen leicht reduzierten Wert dar. Mehr Preis34
dynamik herrscht dagegen im Umland. München rangiert nach wie vor an der Spitze, die von uns untersuchten Angebotspreise stiegen dort um durchschnittlich 10 % auf inzwischen 11.088 Euro. Auch hier sehen wir starke Preiszuwächse in den angrenzenden Landkreisen. In Hamburg haben geringe Objektzahlen zumeist im Luxussegment ein zweistelliges Wachstum auf ein Niveau von nun 7.000 Euro ausgelöst. Die Preise liegen hier nach München und Frankfurt inzwischen an dritter Position. Frankfurt belegt mit niedrigen Preiszuwächsen von zuletzt 1,5 % immer noch den zweiten Platz. Die meisten Vertriebsstarts liegen derzeit in den Randlagen der Stadt, die höhere Preissteigerungen aufweisen als die Kernstadt. Allein in Köln stagnieren die Preise bei 5.700 und 5.900 Euro pro Quadratmeter, was auch an der räumlichen Verteilung der Objekte – im Moment mehrheitlich in günstigeren Lagen rechts des Rheins – liegt. Gute Lagen werden zu deutlich höheren Preisen gehandelt. finanzwelt: Projektentwicklungen galten lange als risikoreicher im Vergleich zum Bestand. Wurde dieses Vorurteil mittlerweile widerlegt und wie? Schlichting» Durch die Niedrigzinsen und hohen Kaufpreise für Bestandsimmobilien sind die Renditen stark gefallen. Gute Bestandsobjekte ohne versteckte Risiken sind kaum noch zu erwerben. Hinzu kommt ein oft hoher Investitionsbedarf, auch aufgrund gestiegener Anforderungen bzw. staatlicher Regulierungen, beispielsweise aufgrund der Einführung von ESG-Kriterien, die sich im Neubau – Stichwort energieeffiziente Gebäude – viel einfacher umsetzen lassen. Sicherlich gibt es auch in der Neubauentwicklung Risiken. Durch eine möglichst hohe Diversifizierung der Investments an mehreren Standorten, die reine Eigenkapitalausrichtung unserer Publikumsfonds und detaillierte Due Diligence-Ankaufsprüfungen können wir diese gut handhaben. finanzwelt: Worauf müssen Anleger und Vermittler achten? Schlichting» In unsicheren Zeiten gilt es, auf die Fakten zu schauen und sich bietende Chancen zu nutzen. Die Fakten sprechen unisono zugunsten der als besonders krisenresistent bewährten Wohnimmobilien, unseren Kernmarkt. Die historisch niedrigen und zum Teil negativen Zinsen sowie die nach wie vor große Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum machen den Markt für Selbstnutzer wie Anleger attraktiv. Wenn die Preise auf dem Markt nachgeben sollten, könnte dies ein zusätzliches Investitionsargument sein. finanzwelt: Wie sehen Ihre eigenen Leistungsbilanzen aus? finanzwelt Special 06 | 2020
Foto: © PROJECT Beteiligungen AG
Wie stehen Projektentwicklungen in der Krise da? Und worauf müssen Anleger und Vermittler achten? Im finanzwelt Interview steht Alexander Schlichting, der neue Vorstandsvorsitzende der PROJECT Beteiligungen AG, Rede und Antwort.