Mai-Ausgabe der HGV-Zeitung

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10 HGV-Zeitung Mai 2022

FÜR DIE GASTWIRTIN

In Qualität und Innovation investieren

Tourismusgesinnung: Theresa Haid über Nachhaltigkeit, Wachstum und Personalpolitik Der Verein Vitalpin hat sich zum Ziel gesetzt, Unternehmen und Menschen zu verbinden, die von und mit dem Tourismus leben. Mit Vitalpin soll langfristig das Bewusstsein für den Stellenwert der kleinstrukturierten alpinen Tourismusbranche positiv geschärft werden.

Frau Haid, welche Ziele verfolgt Vitalpin? Theresa Haid: Vitalpin ist eine internationale Tourismusvereinigung und vertritt die Interessen von einer Million Menschen und Betrieben in den Alpen. Wir setzen uns länderübergreifend (DACH-Länder und Italien) dafür ein, dass in Politik und Gesellschaft Weichen für zukunftstaugliche Konzepte gestellt werden. Wichtig sind uns auch Maßnahmen für eine positive Tourismusgesinnung. Um das zu erreichen, geben wir dem alpinen Tourismus eine Stimme, die verbindet und die Vorur-

teile überwindet. Wir zeigen die Bedeutung des Tourismus für den Alpenraum auf, gleichzeitig machen wir aber auch bewusst, dass es Veränderungen und Weiterentwicklungen braucht. Sie fordern kein unbegrenztes Wachstum, aber auch keinen Stillstand. Wie schaut der optimale Mittelweg aus? Ganz klar: Wir müssen vor allem in Qualität und Innovation investieren. Wir brauchen Top-Angebote und gute Ideen, um wirtschaftlich erfolgreich zu bleiben. Das fünfte Hotel mit dem gleichen Wellness-Angebot an einem Ort kann nicht die Lösung sein. Die aktuellen Debatten zum Bettenstopp im Südtiroler LTEK zeigen aber deutlich, dass manche nach wie vor an eine Weiterentwicklung nur über Wachstum glauben. Welches Potenzial gibt es, um den Alpentourismus klimaneutraler zu machen? Das Potenzial ist riesengroß,

und wir haben die Chance, auch in diesem Bereich wieder eine Vorreiterrolle im weltweiten Tourismus einzunehmen. Warum? Weil es bei uns jetzt schon ein hohes Bewusstsein für den Wert der Natur und ihren Schutz gibt. Nehmen wir z. B. die Mobilität – ein Megathema! Bei einem klassischen Urlaub in den Alpen entfallen bis zu 95 Prozent des gesamten CO2-Abdrucks auf die Anreise. Hier brauchen wir attraktive Umstiegsmöglichkeiten auf Öffis und gute Mobilitätskonzepte vor Ort. Klimaneutraler zu werden heißt aber auch, darüber nachzudenken, ob wir wirklich im März und im April noch Talabfahrten beschneien und in den Hotels ganzjährig Erdbeeren und Co. am Frühstücksbuffet servieren müssen. Ein Thema, das viele Gastwirte beschäftigt, ist der Mitarbeitermangel. Wie kann man gegensteuern? Fachkräfte- und Arbeitskräftemangel herrscht ja in vie-

les selbst machen. Social Media z. B. können sehr gut ausgelagert werden. Wer junge Mitarbeiter will, muss die Bedürfnisse der Generation Y und Z kennen und erfüllen. Dann lässt sich auch eine starke und authentische Arbeitgebermarke aufbauen.

Vitalpin-Geschäftsführerin Theresa Haid Foto: Franz Oss len Branchen – das hängt auch damit zusammen, dass es generell zu wenig Nachwuchs gibt. Im Tourismus kommt dazu, dass er ein veraltetes und schlechtes Image als Arbeitgeber hat und die Arbeitszeiten nicht immer komfortabel sind. Was wir brauchen, sind ein Umdenken und ein Bündel an vielseitigen und kreativen Maßnahmen. Diese fangen bei Jobsharing-Verträgen an und gehen weiter zu mehr Kooperation zwischen Arbeitgebern derselben Region in puncto Kinderbetreuung. Nicht jeder Betrieb muss al-

Wie bringen Sie sich als Geschäftsführerin bei Vitalpin ein? Welche Ziele verfolgen Sie? Vitalpin gibt es seit 2018 und ich bin seit der Gründung als Geschäftsführerin dabei. So habe ich die Entwicklung unseres Vereins gemeinsam mit den Vorständen, Mitarbeitern und unseren engagierten Mitgliedern maßgeblich mitgestalten dürfen. Als Mutter und leidenschaftliche Touristikerin bin ich zutiefst davon überzeugt, dass wir die Branche weiterentwickeln und zukunftsfit aufstellen müssen. Unser Weg kann nur ein neues Miteinander von Tourismus, Natur und Gesellschaft hb sein.

„Die Jugend von heute setzt neue Prioritäten“

Generation Z: Psychologin Sabine Cagol informiert über die Werte und Ansichten der Jugendlichen

Sabine Cagol, Psychologin, systemische Psychotherapeutin, Supervisorin, Coach und Organisationsentwicklerin, Präsidentin der IARTS Sozialgenossenschaft und Präsidentin der Psychologenkammer Bozen, erklärt, wie die heutige Jugend tickt, und gibt Tipps für Führungskräfte zum besseren Verständnis. Das vereinbarte Bewerbungsgespräch wird kurzfristig abgesagt, der Yogakurs ist wichtiger. Das Anschreiben ist mit Rechtschreibfehlern übersät, der Firmennamen falsch geschrieben. Übernahme des Familienbetriebs? Gerne, mit Fünf-Tage-Woche. Psychologin Sabine Cagol kennt viele solcher Fälle. „Überlebensstrategien für Führungskräfte sind hier gefragt. Hilfreich erweist sich der systemische

Ansatz. Dieser fokussiert auf die Lebenswelten, in denen Menschen sich bewegen, sowie auf den Blickwinkel der Generationenperspektive. So wird das Verhalten der neuen Generationen verstehbar, und schnell wird klar: Ihre gute Ausbildung und der Arbeitsmarkt geben der jungen Generationen recht – sie können fordern“, weiß Sabine Cagol.

Andere Werte stehen im Vordergrund Die Jugend von heute setze neue Prioritäten. Alte Werte wie Fleiß und Gehorsam kämen in die Mottenkiste, Selbstverwirklichungsaspekte würden bei ihnen die zentrale Rolle spielen. „Sie definieren sich nicht nur über die Arbeit, sondern über Freizeit, Hobbys, Reisen, Netzwerk und

Psychologin Sabine Cagol

Foto: silbersalz

Klimaschutz“, erklärt die Psychologin. Die jüngst veröffentlichte ASTAT-Jugendstudie von 2021 bestätige, dass den Jugendlichen auch die Karriere wichtig ist. Alles unter einen Hut zu bekommen sei für sie das oberste Gütekriterium. Die Generation Z habe unglaublich viele Möglichkeiten und sei eine Welt gewohnt, die sich rasch ände-

re. Ansprechpartner, beste Freunde und Coaches für Entscheidungen in diesen Welten seien die eigenen Eltern. Generationsstudien zeigen, dass die Bedeutung von Sicherheit und Familie viel größer sei als früher. Was Soziologen Neo-Konventionalismus nennen, bedeute, dass sich Jugendliche heute nicht bewusst von ihren Eltern abgrenzen, sondern vielmehr an ihnen orientieren. Folglich dürfe man sich nicht wundern, wenn sie von ihren Eltern zum Vorstellungsgespräch begleitet würden. Bedürfnisse würden durch das Netz in Sekundenschnelle befriedigt werden. Die Jugendlichen seien ungeduldig, beispielsweise langes Warten auf die Antwort ihres Bewerbungsschreibens gehe gar nicht, unterstreicht die Expertin. Eine

Welt ohne Internet sei nicht denkbar, die Generation Z sei von Geburt an digital. In Sekundenschnelle können sie Inhalte finden, filtern und bewerten. Die aktuellen ASTAT-Daten würden in Bezug auf die psychische Befindlichkeit einen Anstieg bei der Angst, zu versagen, empfundene Traurigkeit, Einsamkeit und Sinnlosigkeit des Lebens zeigen.

Umdenken der Führungskräfte lohnt sich „Erfolgreiche Unternehmen mit Führungskräften der Generationen X und Y haben verstanden, dass es sich lohnt, in der Personalarbeit mit den neuen Generationen umzudenken“, weiß die Psychologin, Psychotherapeutin, Supervisorin, Coach und Organisationsentwicklerin Sabine Cagol.


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