Setzen sich mit proaktivem Handeln für eine zukunftsfähige Stadt ein: Bertram Werle, Roland Jagersbacher, Eberhard Schrempf und Rainer Wührer (v. l.)
anderen Städten, wo das wunderbar funktioniert hat. Welche zum Beispiel? Schrempf: Ljubljana in Slowenien, mit einer ähnlichen Größe wie Graz, hat seine Innenstadt großflächig zur Fußgängerzone umstrukturiert. Die Folge: Der Leerstand hat sich dramatisch reduziert. Unterstützt wird das Ganze mit einer ganz simplen Idee. Elektrische Golfcarts werden zur Gratis-Beförderung für ältere Menschen oder für größere Einkäufe zur Verfügung gestellt. Es gibt vieles, was man von anderen Städten lernen kann. Das vermisse ich in Graz, bei uns wird oftmals vieles neu erfunden. Werle: Das stimmt. Das Beispiel Ljubljana zeigt gut, dass man sich nicht fürchten muss, etwas „zu Tode zu beruhigen“,
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sondern dass solche Maßnahmen den öffentlichen Raum attraktiver machen. Trotzdem möchte ich noch eine Lanze für Graz brechen. In anderen Städten sieht man oftmals nur das Positive und vergleicht es mit dem Negativen in der eigenen Stadt. Ich erlebe aber umgekehrt sehr oft Graz-Besucher, die von der Stadt und ihren erfolgreichen Entwicklungen begeistert sind. Das Thema „leistbares Wohnen“ rückt im Stadtbereich immer mehr in den Fokus. Viele ziehen aus der Stadt raus, um sich noch Eigentum leisten zu können. Wie sehen Sie diese Entwicklung? Jagersbacher: Diese Entwicklung ist sehr schade, weil die Stadt qualitativ sehr viel bietet. Graz ist seit einiger Zeit
Ausweichmarkt für Großinvestoren aus Wien, die Graz aufgrund der attraktiveren Preise als neuen Markt für sich entdeckt haben. Durch die erhöhte Nachfrage steigen die Grundstückspreise und in Kombination mit den sowieso steigenden Baupreisen wird Wohnen immer schwerer leistbar. Zusätzlich sind viele der Projekte anlegeroptimiert, was kleine Wohnungen und erhöhte Leerstände mit sich bringt. Meiner Meinung nach eine nicht sehr nachhaltige Entwicklung. Wie könnte man dem entgegenwirken? Wührer: Eine Möglichkeit wäre eine Förderung des Städtebaus, indem wir uns proaktiv Stadtteile – auch bestehende Stadtteile – anschauen und entwickeln. Damit könnten
Transformationen – wie in der Gegend Lendplatz gut geglückt – initiiert werden. Welche Aspekte gilt es hinsichtlich der Mobilität zu beachten? Werle: Das Mobilitätsbedürfnis in der Stadt selbst ist schon eine große Herausforderung – aber noch mehr in der Region. Hier versuchen wir, von jenen 80 Prozent, die mit dem Auto nach Graz pendeln, möglichst viele zum Umsteigen in die S-Bahn und aufs EBike oder Fahrrad zu bewegen. Das funktioniert natürlich nur, indem man ein attraktives Park-and-Ride-Angebot in der Region schafft. In der Stadt selbst haben wir schon ein sehr gutes öffentliches Verkehrssystem, das natürlich weiter verdichtet gehört. Es ist aber auch zu beobachten, dass der Rad-