PZ25_22.12.2021

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SOZIALES & GESUNDHEIT

DIE GLEICHSTELLUNG DER GESCHLECHTER

Eine Frage der Vernunft von Prof. Dr. Roland Benedikter

Die Gleichstellung der Geschlechter in Südtirol ist eine Frage der Vernunft, nicht der Ideologie. Gleichstellung von Bezahlung am Schnittpunkt zwischen Familie und Arbeit schafft größere Gerechtigkeit, fördert soziales Vertrauen und erhöht die Produktivität.

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as haben viele bei uns verstanden – auch wir Männer. Südtirol ist bereits seit Anfang der 2000er Jahre bestrebt, in der Frage der Geschlechtergleichstellung Fortschritte zu machen und dabei zumindest für Italien Standards zu setzen. Trotzdem weist unser Land ungeachtet vieler Fortschritte wie auch der Rest Italiens noch immer eine relativ hohe Ungleichbezahlung und wenig Frauen in Führungspositionen auf. Frauen verdienen im Schnitt 17,2 Prozent weniger als Männer und sind drei Mal seltener leitende Mitarbeiterinnen. Es ist schwerer für Frauen als für Männer, Beruf und Familie zu vereinen. Viele müssen in Teilzeit arbeiten, weil nicht ausreichend Kinderbetreuung (nicht nur für Kleinkinder) zur Verfügung steht und weil sie ansonsten Ausfälle im Alter haben. Auch ist es in Teilen unserer Gesellschaft immer noch ein Rollenbild, wonach eine Mutter, die Vollzeit arbeitet, wohl unteren Schichten zugehören muss, weil sie es sich nicht „leisten“ kann, zu Hause zu bleiben. Außerdem sind Frauen öfter befristet oder saisonal angestellt. Hier liegen Südtirol und Italien eher noch hinter anderen Regionen zurück.

DIE AKTUELLE SITUATION

In einer Antwort auf eine Anfrage im Südtiroler Landtag (Landtagsanfrage Nr. 393/2019) der Abgeordneten Uli Mair zu „Geschlechtern, Gerechtigkeit und Gender Mainstreaming“ vom September 2019 fasste der zuständige Landesrat Philipp Achammer (Landesrat für Deutsche Bildung und Kultur, Bildungsförderung, Handel und Dienstleistung, Handwerk, Industrie, Arbeit und für Integration) die derzeitige Situation in Südtirol kompakt und treffend zusammen. Dort schrieb er unter anderem: „Es gibt vermehrt Frauen in Sektoren und Berufen, in denen die Gehälter niedriger sind (z.B. Handel, Tourismus, Dienstleistungen). Auch Lebens- und Berufswahl beeinflussen den beruflichen Fortschritt und wirken sich oft negativ auf das Gehalt von Frauen aus. Einflussparameter auf den geschlechtsspezifischen Lohnunterschied sind 18

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1. Alter: Der geschlechtsspezifische Lohnunterschied nimmt mit zunehmendem Alter allmählich zu. Das Lohngefälle nimmt vor allem in den Altersgruppen zu, in denen Frauen Kinder bekommen und daher abwesend sind. 2. Wirtschaftssektor: Die Dienstleistungssektoren sind diejenigen, in denen die Unterschiede am größten sind. Hier finden wir Sektoren mit allgemein niedrigeren Löhnen für Frauen und großen Lohnunterschieden zwischen Männern und Frauen, zum Beispiel im Handel. 3. Arbeitsverträge: Betrachtet man die Vollzeitbeschäftigten in Südtirol nach Vertragsart, lässt sich erkennen, dass der Anteil der Frauen mit einem befristeten oder Saisonvertrag, die üblicherweise schlechter entlohnt werden, besonders hoch ist: 46,4% bei den Frauen gegenüber 27,8 % bei den Männern… 4. Berufliche Qualifikation: Die Frauen sind zudem im Vergleich zu den Männern in den höchsten Einkommensklassen… unterrepräsentiert: Nur 1,4 % der Frauen sind Führungskräfte oder leitende Mitarbeiter gegenüber 4,0 % der Männer. Diese Daten bestätigen auch für Südtirol die Existenz der sogenannten ‚Gläsernen Decke‘, nach der es Frauen nicht leicht gelingt, in Führungspositionen aufzusteigen. Mit anderen Worten: Je höher die Einkommensstufe, desto weniger Frauen sind vertreten.“

DIE SITUATION DER PFLEGE

Wir dürfen in diesem Gesamtbild, wie auch in anderen Regionen, zudem nicht die Pflege vergessen. Von Kindern bis zu Älteren: der überwiegende Großteil der Pflege wird in Südtirol von Frauen geleistet, wobei dies eine Arbeit ist, die zu wenig entlohnt wird und zu wenig Wertschätzung erhält. Das Paradox dabei ist: Wohlhabende und gebildete Frauen gehen arbeiten, damit dann andere Frauen ihre Arbeit im Bereich Pflege und Haushalt leisten – nicht Männer. Die US-Emanzipationsphilosophin Nancy Fraser hatte das bereits in den 1990er Jahren zum neoliberalen Pflegesystem vorausge-

Prof. Dr. Roland Benedikter von der EURAC.

sagt. Dieses mobilisiert Frauen in großer Zahl und in oft prekären Arbeitsverhältnissen, damit mehr Arbeitskraft zur Verfügung steht und die Löhne niedrig bleiben – wobei zum Beispiel in den USA seit langem diskutiert wird, dass diese Mobilisierung und die Erweiterung der Familieneinkommen von eins auf zwei dem Mittelstand in der realen Kaufkraft keine Fortschritte gebracht hat, wohl aber Eltern und Kinder voneinander fernhält. Das ist in Südtirol zwar so nur teilweise der Fall, aber das Grundproblem ist ebenfalls gegeben.

DIE FOLGEN DER UNGLEICHHEIT

Folgen dieser Ungleichheit sind niedrige Geburtenraten, weil Frauen im Beruf verbleiben wollen, um sich eine Rente zu sichern, sowie Bedrohung durch Altersarmut. Abhängigkeiten gehen auch nicht selten einher mit geschlechterbezogener Gewalt, was die EU pro Jahr 366 Milliarden Euro kostet. Als Antwort darauf ist der europäische Trend sowohl regional wie national klar erkennbar. Er geht in Richtung Gleichstellung. Das Instrument dazu ist es (in der Fachsprache ausgedrückt), „gender mainstreaming“ durch „gender budgeting“ zu erreichen – das heißt öffentliche Ausgaben in wichtigen Bereichen geschlechtssensibler zu machen, um beide Geschlechter nach


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