MENSCHEN IM PORTRÄT
SIMONE WASSERER
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„Frauen sehen sich nicht immer so superwichtig wie Männer“ Wenn man Simone Wasserer mit einem Wort beschreiben müsste – Tausendsassa trifft es ziemlich gut. Die 45-Jährige hat einen Spendenskandal im Europäischen Parlament mit aufgedeckt, für die Rechte der Frauen gekämpft und sich politisch in der Gemeindepolitik engagiert. Heute führt sie zusammen mit ihrem Mann ein Hotel in Vierschach. Im PZ-Interview erzählt sie, warum sie ihre SVP-Mitgliedschaft ernsthaft überdenkt, was Frauen daran hindert, nach vorne zu gehen und warum klare Worte ihr Handicap sind.
Simone Wasserer, Jahrgang 1977, wächst in Sand in Taufers auf. Nach dem Besuch der Lehrerbildungsanstalt in Bruneck, studiert sie Rechtswissenschaften an der Universität Innsbruck. Im Anschluss arbeitet sie zwei Jahre im
PZ: Europäisches Parlament, Rechtsanwaltsanwärterin, Gleichstellungsrätin, Gemeindepolitik, Tourismus: Wenn man sich anschaut, was Sie bisher alles gemacht haben, dann kommt der Gedanke: Diese Frau hat sich wirklich ausprobiert! Simone Wasserer: Ja, das habe ich. Und es ist das Tollste, was ich von mir erzählen kann. Dass ich eben nicht in einem Bereich geblieben bin, sondern viele verschiedene kennengelernt habe. Neues zu sehen hat mich immer angetrieben.
Kinder aufgepasst habe, beschloss ich, Kindergärtnerin zu werden und entschied mich für die LBA. Mein Italienischlehrer Franco Nones hat dann alles verändert. Man soll Bücher lesen, sich informieren, die Zeitung studieren: Das war sein Ansatz. Und dass, wer Vorgänge verstehen will, viel wissen muss. Das Ringen um Gerechtigkeit und Gleichberechtigung wuchs in mir, vielleicht auch, weil ich selbst diese Erfahrung gemacht habe. Die Idee, Kindergärtnerin zu werden, war dann recht bald Geschichte. Ich beschloss, Jus zu studieren.
Hat dabei eine Aufgabe die andere ergeben? Es haben sich Türen geöffnet, und ich bin hindurchgegangen. Ich komme aus eher ärmlichen Verhältnissen und kannte nichts von der Welt. Meine Mama wollte, dass ich Frisörin werde, weil sie mir eine höhere Schule nicht wirklich zugetraut hat. Anders meiner größeren Schwester. Sie galt zuhause immer als die Schlaue. Das hat mich am Ende aber angespornt, eine Oberschule zu besuchen. Weil ich damals schon viel auf
Kommt daher Ihre Begeisterung für Europarecht? Mein Mann und ich haben uns in Innsbruck kennengelernt und beschlossen, nach dem Studium zusammen für ein Jahr ins Ausland zu gehen. Er sollte im Europäischen Parlament ein Praktikum machen, und ich hatte auch schon eine Zusage im Regionalbüro dort. Wegen eines Todesfalls in der Familie musste mein Mann aber alles absagen und er übernahm zuhause den Hotelbetrieb. Ich habe dann beschlossen, trotzdem nach Brüssel
PZ 8 | 21. A P R I L 2022
Europäischen Parlament als parlamentarische Assistentin von Politiker HansPeter Martin. Es folgt das Anwaltspraktikum in Bozen, wo sie sich in der Rechtsanwaltskammer für Chancengleichheit einsetzt. Von 2009 bis 2015 ist sie Gleichstellungsrätin der Autonomen Provinz Bozen. 2015 steigt sie für die SVP in die Gemeindepolitik in Innichen ein. Zunächst als von außen berufene Sozialrätin und von 2015 bis 2019 auch als Referentin für Tourismus und Sport. Zusammen mit Bürgermeisterin Rosmarie Burgmann (Bürgerliste) bildet Wasserer (SVP) damals das erste Frauen-Duo an einer italienischen Gemeinde überhaupt. Seit 2016 führt sie das Helmhotel zusammen mit ihrem Mann Martin. Wasserer ist Mutter von drei Kindern und lebt mit ihrer Familie in // Vierschach.
zu gehen und habe seine Stelle bei Europaparlamentarier Hans-Peter Martin übernommen. Meine Schwester arbeitete bereits für ihn und somit hatte ich in Brüssel auch ein Stück Familie dabei. Wie waren die zwei Jahre in Brüssel? Einschneidend, intensiv und unheimlich bereichernd. Martin hat einen großen Spesenskandal im Europäischen Parlament aufgedeckt, und meine Schwester und ich waren mittendrin. Irgendwann eskalierte die Situation zwischen uns aber, denn Martin arbeitete nur mehr für den Skandal und kümmerte sich nicht mehr um das eigentliche Ziel, nämlich die Abgeordneten nach ihrer Leistung zu bewerten, was aber seine und somit auch unsere Aufgabe gewesen wäre. Wir gingen im Streit auseinander, aber das ändert nichts daran, dass ich diese Zeit sehr schätze. Warum schafft es die EU nicht, ihren Bürgern näher zu kommen? Ich bin ein Fan der Europäischen Union. Ich habe mitbekommen, wie damals an einem