style in progress 2/2017 – Deutsche Ausgabe

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144 SO LÄUFT’S NACHFOLGE NICHTFOLGE

Nach 27 Jahren Modehandel ist für Klaudia Burger die Zeit reif, ein neues Abenteuer zu starten.

Slips „I need a change“ Seit 27 Jahren ist Klaudia Burger mit Slips ein fester Begriff in Münchens Einzelhandelslandschaft. Wenn sie im Juni die Pforten ihres Ladens am Gärtnerplatz für immer schließt, tut sie das am Höhepunkt ihres Erfolges. Aus gutem Grund. Text: Martina Müllner-Seybold. Foto: Klaudia Burger

217 style in progress

„Es ist verrückt, seit die Preise rot sind, geht es bei uns zu wie in einem Bienenstock.“ Im März hat Klaudia Burger den Räumungsverkauf eingeläutet, Mitte April war das Lager leergefegt, bis Juni will sie sich Zeit für den Abschied gönnen. „Freilich löst diese Entscheidung viel Emotion aus, aber ich freue mich auf die Veränderung.“ Im Angesicht des Lobes, das Klaudia Burger seit Bekanntgabe der Schließung erfährt, könnte man fast vergessen, was den Entschluss in ihr reifen lassen hat. „Ich will, dass meine Arbeit wieder wertgeschätzt wird. Gerade im Segment Fashion ist es heute wahnsinnig schwer geworden, ein Teil zum regulären Preis zu verkaufen. Fast Fashion und Online bieten quasi ständig Reduzierungen an. Pre-Sale, Midseason-Sale, Aftersale, Beetweensale und so weiter. Das hat die Kunden verändert. Der Geiz grassiert immer stärker, nicht, dass es sich die Leute nicht mehr leisten können. Trotzdem wird immer versucht, den Wert des Produktes nach unten zu handeln. Selbst bei 50 Prozent Rabatt versuchen viele Kunden – liebe Stammkunden mal ausgeschlossen – noch irgendetwas am Preis zu drehen. Ein Sortiment für einen Laden wie meinen zusammenzustellen, Wäsche, Damen, Herren, das ist unglaublich viel Arbeit und gewissermaßen eine Kunst, weil man wie eine

Kuratorin zusammensammelt. Die Wertschätzung für diesen enormen Aufwand vermisse ich. Genau wie die Wertschätzung meines Personals und der wirklich aufwändigen und liebevollen persönlichen Bedienung, die es weder online noch im Fast-Fashion-Bereich gibt. Diese Geringschätzung hat mit dieser Geiz-ist-geil-Bewegung begonnen und oft habe ich den Eindruck, in Deutschland ist es am schlimmsten. Man fährt im Luxus-SUV zu Lidl und freut sich tierisch, zu sparen. Über die Konditionen, zu denen diese Lebensmittel – oder die entsprechende Mode bei den Vertikalen – gemacht wird, denkt keiner nach.“ Zeit für den Lebenstraum

Gründe, warum Klaudia Burger vor gut zwei Jahren mit dem Gedanken ans Aufhören zu spielen begann, kann sie noch zahlreiche weitere nennen. „Die Konsumenten sind völlig übersättigt, alles ist immer und überall verfügbar – gibt’s ein Kleid online in fünf Farben, reichen die beiden, die man im Laden hat, plötzlich nicht aus. Alles wird zu früh geliefert. Mäntel im Juni, was soll das? Dadurch verliert selbst das schönste Produkt an Begehrlichkeit, entwertet sich so rasch. Früher wusste ich, dass ich alles, was ich einkaufe, auch regulär verkaufe – das ist heute ganz anders.“ Sie selbst habe klug reagiert, die Ordermengen

Veränderungen wie der sinkenden Frequenz angepasst und so ihren Gewinn immer gehalten. „Frau Burger, wie können Sie ein so profitables Unternehmen nur aufgeben?“, habe ihr Steuerberater gefragt. „Genau deshalb: Weil ich es jetzt kann.“ Paradox: Gerade weil Slips so gesund ist, scheiterte ein Verkauf. „Ich habe das Unternehmen bewerten lassen und wusste: Verschenken will ich es nicht, den Preis ist es wert.“ Die Interessenten teilten sich in zwei Felder: „Keine Bank glaubt an den Einzelhandel, also haben die, die den Job konnten und den Wert der Firma erkannten, den Preis nicht stemmen können. Denjenigen mit Kapital fehlte entweder die Kompetenz in der Mode oder sie wollten die Firma quasi geschenkt. Und für einen Neueinsteiger ist mein Geschäft mit 270 Quadratmetern einfach zu groß. Da muss schon alles sitzen.“ Also: „Ein klarer Schlussstrich – und dann lassen wir alles hinter uns.“ Gemeinsam mit ihrem Mann will Klaudia Burger auf Ibiza ein Private Guesthouse mit wenigen Zimmern betreiben. „Dort wird es unsere Arbeit nicht im Sale geben, sondern nur zu einem Preis, die sie eben Wert ist“, lacht Klaudia Burger. Spätestens 2019 soll es soweit sein, bis dahin berichten die Burgers auf Instagram von ihrem Ausstieg und Neuanfang: @burgeristhere.


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