090 SO LÄUFT’S
NACHFOLGE
„Familie“… – ein mythischer Begriff. Im Laufe der Jahrhun derte oft überhöht, mißbraucht, neu und umgedeutet. Das geflü gelte Wort von der „kleinsten Zelle der Gesellschaft“ wurde, historisch und gesellschaftlich durchaus nicht uninteressant, 1965 im Familiengesetzbuch der Deutschen Demokratischen Re publik festgeschrieben. In Wahlkampfzeiten, wie wir sie in Deutschland und Österreich aktuell wieder mehr oder weni ger erfreut erleben dürfen, hat die Familie immer Hochkonjunk
Das Ruckgrat der Gesellschaft Warum die Bedeutung von Familien unternehmen gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Ein Kommentar von Stephan Huber.
217 style in progress
tur. Alle betonen ihre Bedeu tung, wollen sie „fördern“ und sich ihrer gleichzeitig bedie nen. Letzteres wird so natürlich nicht ausgesprochen. Lassen wir doch mal all dieses Gerede beiseite, ebenso diese andauernden Diskussionen da rüber, wie „Familie“ eigent lich definiert werden soll. Das können Menschen nämlich selbst, ohne Denkvorgaben. Viel inte ressanter ist doch die Frage, warum das, was wir individuell und in aller gegebenen Vielfalt unter Familie verstehen, offen sichtlich ungebrochen als beson derer Wert und als unersetz lich für die Funktionsfähigkeit unserer Gesellschaft anerkannt wird? Die Antwort darauf ist eigentlich sehr einfach: Weil wir, und das berechtigt, daran glauben, dass innerhalb von Fa milien Zusammenhalt und Verant wortungsbewusstsein nicht ein fach für den Moment Bedeutung haben, sondern langfristig und nachhaltig. Stimmt, das funkti oniert nicht immer. Wie das halt so ist, wenn Menschen beteiligt sind. Das ändert aber nichts an der Richtigkeit des Grundgedan kens und an der gesamtgesell schaftlichen Bedeutung. In Deutschland, Österreich und der Schweiz erarbeiten Famili enunternehmen über 50 Prozent der Wirtschaftsleistung und
sichern dabei über 60 Prozent der Arbeitsplätze. In Deutsch land haben sie seit 2006 knapp 20 Prozent neue Arbeitsplät ze geschaffen, während nicht familiengeführte DAX-Unterneh men nur ein Jobplus von knapp 2 Prozent erreichten. Sie sind also – wieder ein geflügeltes Wort, das wir in den kommenden Monaten des Wahlkampfes laufend hören und lesen werden – das „Rückgrat der Wirtschaft“. Und tatsächlich kann die Bedeutung von Familienunternehmen, nicht nur der großen, internatio nal agierenden, gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Eine Bedeutung, die über die genann ten Kennzahlen weit hinausgeht. Und fast gleichlautend begrün det werden kann, wie weiter oben die Sonderstellung der Familien. Auch Familienunternehmen den ken und handeln in anderen Zeiträumen. Für sie steht, bei aller notwendigen Wettbewerbs fähigkeit und bei allem ebenso notwendigen Streben nach Erfolg, Wachstum und Gewinn, nicht die Momentaufnahme, nicht der Quar talsbericht, nicht die Finanz marktlogik im Mittelpunkt ihrer Entscheidungen. Sie sind, wenn man so will, die Bewahrer jener (sozialen) Marktwirtschaft, die nicht nur Garant für den wirt schaftlichen Aufstieg war und ist, sondern auch für inner gesellschaftlichen Ausgleich und sozialen Frieden. Eines Erfolgsmodells, das aufgrund einer lange falsch verstandenen und daher politisch auch falsch organisierten Globalisierung, immer massiver unter Druck ge rät und tragende Säulen heute nötiger hat denn je. Das herauszustreichen, war ei ner der Gründe für das Schwer punktthema dieser Ausgabe von style in progress, ist doch die Modebranche ganz besonders von Familienunternehmen geprägt. Wir wollten wissen, was sie bewegt, mit welchen Herausforde rungen sie im modernen Wettbe werb konfrontiert sind und wie der oft schwierige Übergang von einer Generation zur nächsten gelingen kann.