UP #704: Entweder ... Oder (April 2021)

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ENTWEDER ...

HINGEHEN ODER DAHEIM BLEIBEN: DIE ÖHWAHLEN 2021 Die ÖH-Wahlen stehen in der urösterreichischen Tradition der sozialpartnerschaftlichen Konfliktvermeidung. Diese Art der Vertretung durch Zwangsmitgliedschaften sei nicht mehr zeitgemäß und unflexibel, sagen die Kritker*innen. Warum sie im Falle der ÖH jedoch mehr Segen als Fluch sein könnte, lest ihr hier: Von David Mehlhart

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sterreich ist ein Labyrinth, dessen Absolvierung am Ende mit einem herrlich, vor Rum nur so triefenden Punschkrapfen belohnt wird. So oder so ähnlich schrieb Rektor Hendrik Lehnert in seiner letzten Rector’s Column. Es ist davon auszugehen, dass er mit dieser Metapher wohl seine ersten eineinhalb Jahre in Österreich verarbeiten, zumindest aber zusammenfassen wollte. Denn: So unabhängig die Universitäten formal auch sein mögen, so sehr sind sie die Verdoppelung der aktuellen politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse der Republik. Die schmerzliche Erfahrung, dass der sozialpartnerschaftliche Konsens-Filz nicht am Bein des viel beschworenen Grünen Tisches zu wuchern aufhört, muss man als nicht-autochthoner erst einmal verdauen. Aber an dieser Stelle soll es aber explizit nicht um den etwaigen Kulturschock des Rektors gehen, sondern quasi um seinen Gegenpart – die Studierenden und die Wahl ihrer Vertreter*innen vom 18. bis zum 20. Mai.

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Dass die Studierenden an den österreichischen Universitäten mit der ÖH ebenfalls ihren fixen Platz in dieser institutionalisierten Konflikt-Umschiffung zugewiesen bekommen haben, scheint oftmals nicht ganz klar zu sein. Bei der ÖH handelt es sich nicht um einen bloßen Verein, einen freiwilligen und privaten Zusammenschluss von Menschen, die ein gleiches Ziel oder Projekt verfolgen z. B. – um an dieser Stelle im Studentenmilieu zu bleiben, – in dem sie sich zusammenschließen, um durch übermäßigen Bierkonsum ein Großdeutschland herbeizutrinken. Vielmehr ist die ÖH eine sogenannte Körperschaft öffentlichen Rechts. Damit steht sie in einer Reihe mit dem Gewerkschaftsbund, der Arbeiterkammer oder offiziell anerkannten Religionsgemeinschaften. Ob man es nun will oder nicht, Stichwort Zwangs-/Pflichtmitgliedschaft wird man als Studentin und Student per Gesetz durch die ÖH vertreten. Die Lethargie und Behäbigkeit, die diese Art der Organisation ausstrahlt mag mitunter auch der

Grund sein, warum die Wahlbeteiligung seit jeher rückläufig ist. Waren es zu Beginn der Wahlen im Jahr 1946 bundesweit noch 82 Prozent der Studierenden, die ein Votum abgaben, schleppten sich in Salzburg zuletzt lediglich 19 Prozent der Studis ins Wahllokal. Und hier scheint der Hund begraben zu liegen. Ist man auf der Suche nach guten Gründen zur Wahl vom 18. bis 20. Mai zu gehen, die jenseits von pflichtschuldigen pro forma Aufrufen a la „mehr Stimmen = mehr Demokratie“ verlaufen, muss man sich mit den Tiefenstrukturen von Pflichtmitgliedschaften und gesetzlichen Vertretungen auseinandersetzten. Denn wie so oft in Österreich liegen auch hier Fluch und Segen, Progressivität und Reaktion sehr nah beieinander. Laut Statistik.at handelt es sich um 376.050 Menschen (2019/20) die in Österreich als ordentliche Studierende gemeldet sind. Hätten all diese bei der letzten Nationalratswahl 2019 geschlossen für


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