UP #704: Entweder ... Oder (April 2021)

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POLITIK & GESELLSCHAFT

DIE HÄUSER DENEN, DIE SIE BRAUCHEN! Letzten November haben Menschen, die von Obdachlosigkeit und Wohnungsnot betroffen sind, ein Haus in der Habersaathstraße, Berlin Mitte besetzt, welches seit Jahren leer steht. Die Gruppe die sich zur „Leerstand hab ich Saath“ Initiative verbündet hat, entschied beziehungsweise wurde in die Lage gedrängt, aktiv zu werden und wollte Ihre Notlage selbstbestimmt beenden, einen selbstverwalteten Wohnraum und ein soziales Zentrum für Menschen in ähnlich prekären Lagen schaffen. Ein Text des Referat für Gesellschaftspolitik und Menschenrechte der ÖH Salzburg

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as Kredo „stay at home“ der Corona Pandemie lässt sich nur schwer einhalten ohne ein Zuhause. Probleme wie steigende Mieten, Luxussanierungen, Immobilienspekulation, Warteschlangen bei Besichtigungen, immer weniger verfügbarer Wohnraum sind jedoch nicht neu und stehen bereits vor der Pandemie den Wohnbedürfnissen vieler Menschen im Weg. Wer beim kapitalistischen Hauen und Stechen weniger gut davonkommt, der*die hat mit Verdrängung zu rechnen und ist scheinbar dazu angehalten, diese auch stillschweigend zu ertragen. Die eingeforderte Eigeninitiative die in neoliberalen Verhältnissen besonders prominent ist, wird im Fall der „Leerstand hab ich Saath“ Initiative noch am selben Abend mit einem Polizeieinsatz beantwortet, bei dem das Haus geräumt wurde und die Besetzer*innen zur Identitätsfeststellung abgeführt wurden.1

„Die selbstbestimmte Beendigung von Obdachlosigkeit wird bestraft, die jahrelange Zweckentfremdung von Wohnraum wird hingegen mit teuren Polizeieinsätzen gewährleistet“ – Sprecherin „Leerstand hab ich Saath“ In der sogenannten Corona Krise offenbart sich ein zentraler Widerspruch im Kapitalismus nur umso deutlicher, dass das Grundbedürfnis nach wohnen den Kapital- und Vermieter*inneninter-

essen untergeordnet wird. Wohnraum wird nach Marktprinzipien und den größten Profitversprechen gehandelt. Diese Verwertungslogik macht natürlich auch vor Salzburg nicht halt oder lässt sogar noch tiefer in die Tasche greifen. Laut einer Erhebung von 2015 besteht in der Stadt Salzburg ein Leerstand von ca. 4800 Wohnungen. Abzüglich von Wohnungen, die saniert oder in Vorbereitung zur Grunderneuerung sind, gibt es immer noch 3.500 mobilisierbare Wohnungen, die nicht genutzt werden.2 Gleichzeitig kann das klerikale Vorzeigestädtchen mit knapp 30 Delogierungsterminen in den nächsten Wochen punkten. Das heißt, Menschen, die ihre Miete nicht mehr zahlen können bzw. Mietstundungen nicht zurückzahlen können, müssen nun „freiwillig“ ihre Wohnung räumen oder die Räumung wird als Zwangsmaßnahme durchgesetzt. Durchgesetzt von Justiz und Exekutive werden nun diejenigen gestraft und vor die Tür gesetzt, die im Prozess wirtschaftlicher Dynamiken vorsätzlich in Armut gedrängt werden. Dieser Zynismus zeigt das strukturelle Verhältnis umso konkreter, dass wirtschaftlicher Profit über den Bedürfnissen von Menschen steht, jedes Mittel recht ist, diesen Zustand aufrecht zu erhalten und Wohnungslosigkeit billigend in Kauf genommen wird.

QUELLEN: 1) https://twitter.com/hab_ ich_saath 2) Erhebung des Salzburger Instituts für Raumordenung & wohnen: https:// www.salzburg.gv.at/bauenwohnen_ /Documents/ endbericht_wohnungsleerstand_final.pdf

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