036 Beim „Female Gaze“ - zu deutsch etwa „weiblicher Blick“ - handelt es sich um ein vielschichtiges Konzept, bei dem es darum geht - in Abkehr von der traditionell männlich dominierten Perspektive - ein ausgewogeneres und realistischeres Bild von Frauen zu vermitteln, das die Vielfalt und Komplexität ihrer Erfahrungen widerspiegelt. Auch wenn wir das Thema in diesem Rahmen nicht vertiefen, bietet der Gedanke daran einen Anknüpfungspunkt zu fragen, wie es sich mit dem „weiblichen Blick“ auf Norderney verhält. Wir haben dazu - als Auftakt zu einer Serie unterschiedlicher weiblicher Inselperspektiven - mit Karin Rass gesprochen, die mehr als drei Jahrzehnte ehrenamtlich Mitglied im Rat der Stadt Norderney und zwischenzeitlich stellvertretende Bürgermeisterin war. Ein streitbarer Geist und eine Norderneyerin, sich bis heute als Stiftungsratsvorsitzende in der Bürgerstiftung (www.buergerstiftung-norderney.de) für das Gemeinwohl auf der Insel engagiert.
DER WEIBLICHE BLICK Ein Gespräch mit Karin Rass
Woran denkst Du, wenn vom „weiblichen Blick“ auf Norderney die Rede ist? Ich würde lieber von einem „menschlichen Blick“ sprechen. Dieser umfasst für mich das „große Ganze“ - auf einer Nordseeinsel könnten wir auch sagen „das kleine Ganze“. Ich blicke dabei auf das Zusammenspiel von drei Komponenten, die aus meiner Sicht den Rahmen für das Leben auf Norderney bilden: den Einkommenserwerb überwiegend durch den Tourismus - innerhalb des begrenzten Raumes einer Insel im Nationalpark Wattenmeer - inmitten einer möglichst gut funktionierenden Sozialgemeinde. Hierauf einen „menschlichen“ Blick zu werfen, bedeutet für mich, stets die Balance zwischen diesen zum
Teil gegensätzlichen Bestrebungen zu beachten. Wenn es überwiegend Frauen sein sollten, die diesen umfassenden „menschlichen Blick“ haben, freuen wir uns natürlich über alle Männer, die mit uns eine lebenswerte Zukunft gestalten möchten. In welchen konkreten Bereichen siehst Du Handlungsbedarf? Gestärkt werden können weiterhin die wichtigen sozialen Einrichtungen, wie zum Beispiel das Krankenhaus und die allgemeine medizinische Versorgung, die Kinderbetreuung in Kitas und Schulen sowie die Betreuung unserer älteren Mitbürgerinnen und Mitbürger. Die
Foto. Carsten Muecke