VERSICHERUNGEN | INTERVIEW
Wir geben dem Vermittler Chancen und Ansätze Wo und wie lohnt sich das Kfz-Geschäft noch? Wo gewinnt der Makler neue Kunden? Aber auch: Warum Versicherer in Berlin die Filialen schließen müssten und wie moderne Tarife aussehen. Über diese und andere Themen sprach finanzwelt mit Harald Seliger, Abteilungsleiter Underwriting und Vertrieb bei der R+V. finanzwelt: Ich finde, Makler dürfen Kfz-Versicherungen nicht einfach aufgeben, nur weil es sich nicht lohnt. Es ist doch das Einsteigergeschäft schlechthin. Gerade in ländlichen Regionen. Also meine erste Versicherung war die Kfz-Versicherung, was war Ihre erste? Harald Seliger» Auch Kfz, wenn auch etwas später. Die Fahrzeuge waren vorher auf meinen Vater versichert. Dankenswerterweise gab es damals ja noch keine jüngsten Fahrer-Tarife, die Doppelkarte gab es damals noch. Rechenprogramme gab es zwar schon, aber nur eine Versicherung, nämlich den eigenen Arbeitgeber. finanzwelt: Über welche Vertriebskanäle werden bei Ihnen Kfz-Versicherungen vertrieben und in welchem Verhältnis? Seliger» Die R+V-Gruppe nutzt alle Vertriebswege. Wir haben einen Direktversicherer, bieten auch Produkte über Vergleiche an, wir haben zwei Ausschließlichkeiten, um sowohl Privat- als auch Firmenkundengeschäft anzubieten. Wir profitieren natürlich auch von unserem großen Maklermarkt, der im Moment auch stark wächst. finanzwelt: Wie sieht es mit autonomem Fahren aus? Wie wird dieses Risiko abgesichert? Seliger» Bis zum komplett autonomen Fahren werden noch 25 bis 30 Jahre vergehen. Bis die Generation ausgetauscht ist und bis die Technik so weit ist. Da wird auch die Frage nach 5G wichtig und das wird auf dem Land nicht so einfach werden. Außerdem müssen auch komplexe Rechnerkapazitäten herangeschafft werden, wo man sich die Frage stellen muss, wie viel Strom man dafür braucht. Und so weiter... 36
finanzwelt: Was werden künftige Entscheidungsfaktoren für Kfz-Versicherungen sein? Seliger» Kfz ist die Hälfte vom Kompositgeschäft in Deutschland. 2014/15 hat man wegen dem autonomen Fahren vom ‚Niedergang der Kfz-Versicherung‘ gesprochen. Aber nächstes Jahr werden wir die 30 Mrd. Euro beim Beitragsvolumen knacken, das ist eine ganz stolze Summe: Wir haben früher mal Minus gemacht, jetzt sind wir das fünfte Jahr in Folge im Plus. Also bei 30 Mrd. Euro, der Hälfte vom Gesamtgeschäft-Komposit, kann es sich die deutsche Versicherungswirtschaft nicht leisten, hier kein Geld zu verdienen. Zumal der Bereich Leben zurzeit auch nicht gerade der Burner ist. finanzwelt: Wie passen Sie sich den ‚modernen Zeiten‘ tariflich an? Was zeichnet Ihre Tarife aus? Seliger» In Sachen Mehrwert für den Kunden an Leistung in der Autoversicherung gibt es meines Erachtens nur einen Punkt: Die Fahrerschutzversicherung. Wir geben dem Vermittler Chancen und Ansätze, dass er den Kunden beraten kann, auch wenn der Kunde bereits eine gute Basis an Beratung und ganz klare Preisvorstellungen hat. Das machen wir im Moment mit einer Menge an Zusatzbausteinen, angefangen bei den klassischen Schutzbriefen bis hin zu inneren Betriebsschäden und jungen Zusatzfahrern mit vielen Sondereinstufungen, wo der Kunde ganz besondere preisliche Möglichkeiten hat. finanzwelt: Apropos Flottengeschäft: Es wurde vorhin kurz erwähnt, deswegen würde ich da gerne noch einmal nachhaken: Wieso sind Flottentarife so viel günstiger? Seliger» Das rentiert sich nicht, das ist ein reines Zuschussgeschäft. Der Carsharing-Anbieter DriveNow hat das Zehnfache der Schadenshäufigkeit eines normalen Privat PKW. Das rechnet sich nicht. Die müssten eigentlich um die 7.000, 8.000 Euro Versicherungsprämie bezahlen. Es gibt aber auch sehr gut gemanagte Fuhrparks, z. B. im Firmenkundenflottengeschäft, mit gutem Risk Management und finanzwelt 02 | 2021