ESSEN & TRINKEN KUNSTHANDWERK
EL AVISO | 03/2022
Ton als Brücke
zwischen Natur und Kunst
In der Keramikschule „La Guilda" in Palma lernen die TeilnehmerInnen mit lehmigen Händen kreativ zu sein, nutzen die Demokratisierung alchimistischer Geheimnisse und arbeiten mit einem Jahrtausende alten Medium. Wäre Elisa vor 500 Jahren schon Keramikkünstlerin gewesen, hätte sie wohl kaum so freiwillig ihre Arbeitsprotokolle zur Einsicht auf den Tisch ihrer Werkstatt gelegt. Damals wurden die Rezepte für farbige Glasuren noch wie magische Geheimnisse gehütet. Im Zeitalter der Alchemie war das Wissen um bestimmte Farben und ihre Aufbringung viel Geld wert. Heute kann man fertige Glasuren als Pulver oder Paste im Laden
kaufen. „Ich mische mir die Farben aber lieber selbst“, erklärt Elisa Garcia Braem (30). Vor ihr liegt die Kladde mit den Farbrezepten, vollgeschrieben mit chemischen Formeln. Neben ihrer Farbbibel stehen mehrere Kisten, in denen glasierte Scherben und Fragmente, alle säuberlich nummeriert, als Farbproben versammelt sind. In Elisas Kunst verbindet sich Kreativität mit Handwerk und naturwissenschaftlichen Kenntnissen auf faszinierende Weise. Und eines ihrer größten Anliegen ist es, diese „Magie“ weiterzugeben. Vor fünf Jahren hat sie deshalb die Keramikschule „La Guilda“ in Palma gegründet. Alles beginnt mit lehmigen Händen „Ich finde, die Menschen gerade auf Mallorca sollten den Prozess der Keramikherstellung besser kennenlernen. Die Insel hat eine so reiche Tradition im Töpferhandwerk, dass sich ein tieferer Blick unbedingt lohnt“, sagt Elisa. Sie selbst stellt keine Tassen, Teller, Greixoneras (Schüsseln) oder Ollas (Töpfe) her. Die findet man in bester Qualität bei alteingesessenen Kunsthandwerkern in der Töpferregion Marratxi-Pòrtol. Elisa ist KeramikKünstlerin mit einem Studium an der Royal Academy Antwerpen. Ihre Plastiken sind in Ausstellungen zu finden und sie nimmt an internationalen Kunstresidenzen teil. Vergangenes Jahr verbrachte sie sechs Wochen in Guldagergaard, Dänemark, einem der weltweit nur acht Keramikzentren, die Künstler für Meisterkurse beherbergen. Aber genau wie bei den Kollegen, die statt Unikate eher Gebrauchsgegenstände in großen Mengen produzieren, beginnt der Prozess doch genau an der gleichen Stelle – beim Eintauchen der Hände in die lehmige Substanz, aus der später feste und schöne Gefäße werden. Im Ton die Erdgeschichte erspüren Das lernen auch die TeilnehmerInnen ihrer Kurse, von denen sich an diesem Nachmittag sieben bei La Guilda eingefunden haben. Nach der überschwänglichen Begrüßung durch den Atelierhund Reina und einem „Hola" in die Runde ist die erste Amtshandlung, sich eine Schürze umzubinden. Kunst hin oder her, hier wird es
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schmutzig. Dann inspizieren die Frauen ihre Arbeiten von letzter Woche. In dem einen Regal stehen die ungebrannten Stücke, die so fragil sind, dass sie bei der kleinsten ungeschickten Berührung zu Staub zerfallen können. Haben die kleinen Kunstwerke bereits den Brennvorgang hinter sich, können sie unbesorgt weiterverarbeitet, also verziert oder glasiert werden. Elisa geht zu den Arbeitsplätzen, schaut den Hobby-Keramikerinnen über die Schulter und hilft dabei, den Ton kunstvoll zu verarbeiten. „In den vergangenen fünf Jahren seit unserer Eröffnung hatten wir hier schon mehr als 1.000 TeilnehmerInnen“, sagt sie durchaus stolz. Manche kommen seit Jahren einmal die Woche, einige lassen sich einmalig bei einem Schnupperkurs in das Kunsthandwerk einführen. Allen aber bringt Elisa ihre ganz besondere Sicht auf das Medium nahe, mit dem hier gearbeitet wird. „Ton ist ein natürliches, ganz kostbares Material“, erklärt sie. „Es enthält Informationen, die viele Tausende Jahre alt sind.“ Ton entsteht bei der Verwitterung von Feldspat, und an den Steinen, die Elisa zur Demonstration auf den Tisch legt, sind noch Abdrücke von Pflanzenteilen oder Baumringen zu entdecken. Aus einem Stück Erdgeschichte also entstehen Keramiken und Töpferwaren. Nachhaltiger kann man seinen Haushalt kaum einrichten. Der typische mallorquinische Ton übrigens, so Elisa, ist vor allem bestens geeignet für Ziegel und andere Produkte, die im Bausektor benötigt werden. „Den Ton für die bekannten Kochgeschirre gibt es tatsächlich nur um Pòrtol herum.“ Das Material für ihre Keramik-Schule bezieht Elisa aus València, denn für die Werkstücke, die hier gestaltet werden, hat er die optimale Zusammensetzung. Alte Werkzeuge und neue KünstlerInnen Elisa Braem hat zehn Jahre Erfahrung in ihrem Metier gesammelt. Sie selbst stammt aus Palma und ist nach ihrer Ausbildung und Arbeitsstationen in London und Buenos Aires 2017 wieder in ihre Heimatstadt zurückgekehrt. Der Ort, wo sie zusammen mit ihrem Mann Julio Varela die Keramikschule „La