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SOZIALES & GESUNDHEIT TITELTHEMA

TOURISMUS IN CORONA-ZEITEN 2019 UND 2020

Erstes Bilanzziehen mit Bauchweh

und eine vorsichtige Vorschau mit großen Fragezeichen Ach, was waren das doch noch für Zeiten… Offene Skigebiete, Wintervergnügen pur, fröhliche Faschingsferien, gemütliches Beisammensein im Familien- und Freundeskreis – gerne auch im überfüllten Lokal, zufriedene Gäste wohin das Auge reicht… Vor einem Jahr schien die Welt noch in Ordnung zu sein, spätestens seit Anfang März 2019 ist dem nicht mehr so. Die Corona-Pandemie hat alles verändert, nicht zuletzt dem Tourismus – für den Moment zumindest – das Genick gebrochen. Was bedeutet das für ein Tourismusland wie Südtirol?

Für eine Ferienregion wie das Pustertal, das sommers wie winters vom Tourismus lebt? Reicht eine starke Saison, um das Schlimmste abzufedern? Haben wir das vergangene Jahr ohne Totalschaden überstanden, und können wir trotz dem immer noch nicht absehbaren Ende der Krise mit ein wenig Zuversicht auf das aktuelle Jahr schauen? PZ-Redakteurin Judith Steinmair hat sich bei Pustertaler Touristikern umgehört…

THOMAS WALCH: HGV-Bezirksobmann Pustertal/Gadertal PZ: 2020 war aus touristischer Sicht ein katastrophales Jahr – oder schlussendlich bei uns im Pustertal doch nicht ganz so tragisch? Ein kurzes Resümee bitte! Thomas Walch: Grundsätzlich darf ich unterstreichen, dass ich keinen anderen Sektor kenne, der positiv arbeitet, wenn er nur zwei Monate hindurch ausgelastet ist. In unserem Sektor haben die touristischen Betriebe im Juli und August bis vielleicht Mitte September gut bis sehr gut gearbeitet. Von da an ging die touristische Nachfrage extrem zurück. Neue Buchungen fehlten komplett. Mein Resümee: Insgesamt und auch im Pustertal ein katastrophales Jahr mit noch katastrophaleren Aussichten. Die Wintersaison hat im März frühzeitig und abrupt geendet, die Sommersaison war dann sehr stark, die derzeitige Wintersaison hat noch nicht einmal angefangen und ist noch mit großen Fragezeichen versehen, die Hoffnungen liegen also erneut auf der kommenden Sommersaison, oder - Ihre Prognose? Die Wintersaison müssen wir wohl oder übel abschreiben. Alle nationalen und internationalen Entwicklungen sprechen momentan gegen eine halbwegs sichere Wintersaison. Deshalb bleibt unsere Hoffnung nun die warme Jahreszeit. Damit dort der Tourismus wieder an Fahrt gewinnt, muss aber viel in Südtirol und in den Herkunftsländern unserer Gäste geschehen. Ich denke an die Anzahl der täglichen Infektionen und nicht zuletzt an die noch schnellere Verabreichung der Impfstoffe gegen Covid-19. 4

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Noch hat uns Covid-19 fest im Würgegriff, der Unmut der Bevölkerung wächst angesichts der sich ständig verändernden, oftmals auch kurzfristigen und nicht für alle nachvollziehbaren Verordnungen. Gerade Ihre Mitglieder sind vielfach missmutig… So hat beispielsweise die Tatsache, dass Bars und Restaurants in der Weihnachtszeit schließen mussten, Hotels indes zum Teil geöffnet waren doch für einige Kritik auch in Ihren internen Reihen gesorgt – was sagen Sie dazu? Den Missmut hat es gegeben. Viele haben die Entscheidung der Regierung, die Beherbergungsbetriebe nicht grundsätzlich zu schließen, die Gastronomiebetriebe aber schon, nicht verstanden, weil dies von den Entscheidungsträgern auf römischer Ebene auch mangelhaft erklärt worden ist. Andererseits muss man auch erkennen, dass unsere Landesregierung in vielen Fällen gezwungen ist, die römischen Entscheidungen zu übernehmen. Insofern finde ich es sehr mutig und gratuliere auch dazu, dass die Landesregierung entschieden hat, in Südtirol, trotz roter Einstufung seitens des Staates, die Regelungen für die gelbe Zone anzuwenden. Das heißt in unserem Fall, dass die Gastronomiebetriebe offen sein können. Bei den Beherbergungsbetrieben ist es so, dass sie faktisch offen sein können, touristische Nächtigungen von außerhalb der Region Südtirol aber nahezu verunmöglicht wird. Was wiederum zur Folge hat, dass die meisten Betriebe wieder geschlossen sind. Das Gastgewerbe gehört zweifelsohne zu den Bereichen, die aufgrund der

Pandemie arg gebeutelt sind, gerade hört man beispielsweise immer wieder den Aufschrei der vielen Saisonmitarbeiter*innen, die sich in einer prekären finanziellen Lage befinden… Ein Appell aus HGV-Sicht an die Politik: Wo können wir in dieser schwierigen Situation zumindest halbwegs Feuer löschen? Die Politik auf nationaler und auch lokaler Ebene muss erkennen, dass der Tourismus praktisch vor dem Ruin steht. Die Nächtigungen sind zum Teil vollständig eingebrochen. Es herrscht ein dramatischer Rückgang an Umsätzen und an Liquidität in den Betrieben. Viele Mitarbeiter sind im Lohnausgleich oder gar ohne Einkommen. Deshalb sind zuerst rasche und wirksame Verlustbeiträge an die Betriebe und finanzielle Hilfen für die Mitarbeiter notwendig. Diese braucht es vom Staat – die momentan vorgesehenen für die Beherbergung reichen bei


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