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WIR 1/2021
Eine Versorgungslücke weniger Das medizinische Behandlungszentrum für erwachsene Menschen mit komplexer Behinderung in Berlin Lichterfelde ist gestartet
W
enn Jugendliche mit mehrfacher Behinderung volljährig sind, können sie im Krankheitsfall nicht mehr in einem sozialpädiatrischen Zentrum behandelt werden. 2015 hat der Gesetzgeber den Weg für Medizinische Behandlungszentren für Erwachsene mit geistiger Behinderung oder schweren Mehrfachbehinderungen (MZEB) endlich freigemacht. Fünf Jahre lang hat sich unter anderem auch Michael Ertel, Arzt bei der Cooperative Mensch eG, für diese Zentren eingesetzt. Wir berichteten darüber in der WIR 1/2019. Ende 2020 konnte nun das MZEB Berlin-Süd endlich seinen Betrieb aufnehmen. Als wir vor zwei Jahren die geplanten Räume des künftigen Medizinischen Behandlungszentrums für Erwachsene mit geistiger Behinderung oder schweren Mehrfachbehinderungen besucht hatten, war noch alles leer. Der Arzt Michael Ertel erzählte uns damals von seiner Hoffnung, dass hier einmal auch junge Erwachsene ärztlich betreut werden können. Nun kann das Zentrum unter der ärztlichen Leitung von Erik Boehlke endlich starten. Von einem Flur aus gehen die Türen zu einzelnen Zimmern ab: Anmeldung, Beratungsbüro, zwei Behandlungsräume, Konferenzzimmer für Fallbesprechungen und
Therapiesitzungen sowie ein Labor. Die Türrahmen in einer jeweils anderen Farbe geben Orientierung. Hier arbeiten die beiden Ärzte Erich Boehlke und Michael Ertel, die Psychologin Anja Schröder, die medizinische Fachangestellte Tanja Lindemann und Casemanager Sven Höfler, der je nach Bedarf eine Behandlung individuell unterstützt oder begleitet. Mehr Zeit und besondere Zuwendung
Wer sich aufgrund seiner Behinderung schwer darüber äußern kann, was ihm oder ihr fehlt, braucht mehr Zeit für eine Behandlung – Zeit, die in herkömmlichen Arztpraxen mit ihrem straffen Terminmanagement oft fehlt. „Was wir hier leisten können, ist eine ausführliche, multiprofessionelle Evaluation unter anderem auch bei unklaren Beschwerden. Da haben wir Erfahrungen“, erklärt Michael Ertel. Wie verzweifelt bisweilen Patientinnen und Patienten sowie ihre Angehörigen sind, bevor sie ihren Weg in das MZEB gefunden haben, zeigt das Beispiel einer 18-jährigen Patientin, die Michael Ertel zurzeit behandelt. Die junge Migrantin ist ohne Hilfsmittelversorgung nach Deutschland gekommen. Neben ihrer Spastik führten auch Sprachbarrieren zu einer Unterversorgung. Das änderte sich erst, als sie im MZEB
v.l.n.r.: Michael Ertel, Tanja Lindemann, Anja Schröder und Sven Höfler
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