Kultur
Die Erzaufbereitungsanlage in Maiern Ein herausragendes technisches Denkmal der Industriegeschichte – Teil 3 von Armin Torggler
Nachdem die Bergbaugesellschaft S.A.I.M.T. 1940 die Geschäftstätigkeit beendet hatte, ging die Führung des Bergwerks am Schneeberg und der Aufbereitungsanlage in Maiern an die Azienda Minerali Metallici Italiani (A.M.M.I.) über. Diese war 1936 im Rahmen der Autarkiebestrebungen des faschistischen Italiens gegründet worden. Der Vorschlag zur Errichtung der Gesellschaft kam von Benito Mussolini selbst, doch stand Finanz- und Schatzminister Paolo Thaon di Revel (1888 – 1973) hinter dem Projekt und darf als eigentlicher Ideengeber gelten. Der Wirtschaftswissenschaftler di Revel unterstützte die Bestrebungen des Regimes nach größtmöglicher Unabhängigkeit von Importen, wobei die Beschaffung von Rohstoffen eine zentrale Rolle spielte. Die Kontrolle über die neu gegründete staatliche Gesellschaft sicherten sich die Ministerien für Körperschaften und Finanzen. Das politische Hauptgewicht fiel dem Ministerium für Körperschaften zu, das zum Gründungszeitpunkt der A.M.M.I. von Mussolini selbst geleitet wurde. Damit war die A.M.M.I. zum Werkzeug geworden, um die Erzversorgung der italienischen Wirtschaft nachhaltig kontrollieren zu können. Die Gesellschaft mit Sitz in Rom war als Körperschaft öffentlichen Rechts mit eigener juristischer Persönlichkeit und autonomem Management eingerichtet. Das Gesellschaftskapital betrug 20.000.000 Lire und wurde 1937 auf 50 Millionen Lire erhöht. Mindestens 60 Prozent des Gesellschaftskapitals hatten in Staatseigentum zu verbleiben, da der Staat die direkte Kontrolle der Gesellschaft auch längerfristig behalten
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Erker 02/21
Im neuen Arbeiterwohnhaus in Maiern wurden die Bergarbeiter in Zwei- und Dreibettzimmern untergebracht.
wollte. An der Spitze der A.M.M.I. standen ein Präsident und ein Generaldirektor. Erster Präsident war Vittorio Tredici (1892 – 1967), während Ernesto Cianci (1908 – 1992) durch zwanzig Jahre von 1936 bis 1956 Generaldirektor der A.M.M.I. war. Bei der Übernahme des Bergwerks am Schneebergs und der Aufbereitungsanlage in Maiern durch die A.M.M.I. 1940 war der Arbeitermangel das größte Problem, das die neue Betreibergesellschaft zu lösen hatte. Diese war durch die Option und der damit zusammenhängenden Abwanderung vieler deutschsprachigen Bergarbeiter ins Deutsche Reich hervorgerufen worden. Es ist allerdings belegbar, dass 1940 nicht alle Bergarbeiter aus dem Ridnauntal den Betrieb verlassen hatten. Zu diesem Zeitpunkt scheinen die Anlagen im Bergwerk und der Aufbereitungsanlage in keinem besonders guten Zustand gewesen zu sein. Dies kann auf die Jahre der Bergwerksschließung von 1931 bis 1937 ebenso zurückzuführen sein, wie auf den Arbeitermangel durch die Option. Insbesondere die Hoch-
spannungs-Stromleitung, die von Maiern aus den Schneeberg mit Energie versorgte, war in einem schlechten Zustand. Dies führte 1940 zu einem Unfall im Lazzachertal, bei dem der zwölfjährige Josef Nestl getötet wurde und sein jünger Bruder Hans schwere Verletzungen erlitt. Die Bergwerksverwaltung in Maiern versuchte, die Abwanderung der deutschsprachigen Bergarbeiter durch die Anwerbung italienischer Arbeiter aus anderen Provinzen Italiens zu kompensieren. Da sich qualifizierte Bergarbeiter aber kurzfristig nicht in genügender Anzahl finden ließen, musste auch unerfahrenes Personal eingestellt werden, was in den folgenden Monaten immer wieder zu schweren Unfällen führte. Gerade die Wartung der Seilbahn forderte immer wieder Verletzte und Tote. Ein größeres Unglück, dass den Bergwerksbetrieb über Monate hinweg stören sollte, ereignete sich am 5. April 1941. Anfang April lag noch sehr viel Schnee, als dann ergiebige Regenfälle einsetzten und zwei Nassschneelawinen auslösten, welche die Werksanlagen voll
trafen. Die erste Lawine löste sich an den Hängen des Lazzachertales und verschüttete die Materialseilbahn. Zwei der damals bereits eisernen Trägermasten wurden aus ihren Verankerungen gerissen, fünf weitere Trägermasten wurden umgeknickt. Beide Drahtseile rissen an mehreren Stellen und die Maschine in der Mittelstation beim Poschhaus wurde so stark beschädigt, dass sie nicht mehr zu gebrauchen war. Eine zweite Lawine löste sich in Maiern oberhalb der Erzaufbereitungsanlage und traf den Erzkasten, der das Material aus der Seilbahn aufzunehmen hatte. Die Wucht der nassen Schneemassen war so groß, dass eine Wand des Erzkastens völlig eingedrückt wurde und die Lawine den Behälter ausfüllte. Der Lawinenabgang ereignete sich zur Arbeitszeit; während einige der am Erzkasten tätigen Arbeiter sich noch rechtzeitig retten konnten, wurden drei andere Arbeiter verschüttet. Sie konnten jedoch nahezu unverletzt geborgen werden. Auf dem Werksgelände wurde ein Magazin vollständig, ein zweites zum Teil zerstört und unter den Schneemassen begraben.