Stefanie Hessler: Rising Tides
Stefanie Hessler
Rising Tides
Der Ozean ist immer draußen, außerhalb, bis er dein Haus flutet. In den westlichen Gesellschaften galt der Ozean lange Zeit als etwas fernes Anderes, als das Andere. Für die an Land lebenden Menschen war er der Inbegriff der grenzenlosen Natur – ein unergründlicher Leviathan. Als etwas von der Landmasse Getrenntes, Gegensätzliches, sollte das Meer Nahrung bereitstellen, als Ort des Handels und der Migration zur Verfügung stehen und sogar als Müllkippe dienen, in der alles Unerwünschte verschwinden konnte. Im pazifischen Denken hingegen ist der Ozean gegenüber dem Land nicht zweitrangig, sondern steht in dessen Zentrum. In seinem Text „Our Sea of Islands“ (1993) verweist der Anthropologe Epeli Hau’ofa auf die Dringlichkeit einer Neubetrachtung des Ozeans – der Ozean trennt nicht, sondern er verbindet – und bietet „eine ganzheitlichere Perspektive, mit der die Dinge in der Gesamtheit ihrer Beziehungen verstanden werden“.1 89
1 Epeli Hau’ofa: „Our Sea of Islands“, in: We Are the Ocean: Selected Works (Honolulu: University of Hawai’i Press, 2008), 31.