DEUTSCHLAND
DER MITTELSTAND. 5 | 2020
„Wir brauchen Entlastungen für den Mittelstand“ Die Wirtschaft muss weiterhin von der Politik unterstützt werden. Sie muss sich aber auch selbst auf mögliche weitere Krisen vorbereiten, sagen Mittelstandspräsident Mario Ohoven und TelekomGeschäftsführer Hagen Rickmann.
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ie Bundesregierung unterstützt die deutsche Wirtschaft mit zuvor unvorstellbaren Milliardensummen. Ist das grundsätzlich der richtige Weg? Mario Ohoven: Das Maßnahmenpaket ist der richtige Ansatz. Allerdings baut es zu sehr auf den privaten Konsum. Viele Verbraucher fürchten um ihren Arbeitsplatz, da kauft niemand teure Konsumgüter. Deshalb wird der Effekt der befristeten Mehrwertsteuersenkung weitgehend verpuffen. Für die Klein- und Mittelbetriebe bedeutet es zusätzlichen bürokratischen Aufwand und somit Kosten. Der Fokus sollte stattdessen auf der Liquiditätssicherung der Unternehmen liegen. Hier ist die Bundesregierung gefordert: Sie muss endlich die überfällige Reform der Unternehmensbesteuerung anpacken. Hagen Rickmann: Das Konjunkturpaket kann und wird der Wirtschaft sicher helfen. Zwei Dinge sind jetzt wichtig: Erstens, dass viel Geld in die Förderung von Digitalisierungsprojekten fließt, damit Unternehmen einen Anreiz zur Transformation haben. Viele Mittelständler müssten sich dringend um die Digitalisierung ihrer Prozesse und um eine entsprechende Qualifizierung ihrer Mitarbeitern kümmern, sie scheuen aber den finanziellen Aufwand. Zweitens, dass diese Förderungen auch leicht in Anspruch genommen werden können. Konkret heißt das: Abbau von Bürokratie. Hierbei sollte die Wirtschaft der Politik beratend zur Seite stehen – sie weiß eher, wie man regulatorische Systeme schlanker macht.
Mario Ohoven Präsident BVMW und Präsident European Enterpreneurs (CEA-PME) Mario Ohoven ist seit 1998 Präsident des BVMW und seit 2002 Präsident des europäischen Dachverbands nationaler Mittelstandsvereinigungen CEA-PME. Als Sohn einer traditionsreichen Unternehmerfamilie ist der gelernte Banker seit mehr als 30 Jahren im Bereich Vermögensanlagen tätig. Ohoven ist bekannt für seine Wirtschafts- und Kapitalmarktprognosen. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen, zuletzt wurde er 2019 für sein Lebenswerk mit dem „Mittelstandspreis der Medien“ geehrt. Sein Bestseller-Buch „Die Magie des Power-Selling“ wurde in zwölf Sprachen übersetzt.
Welche Erkenntnisse sollten die Unternehmen aus der Coronakrise mitnehmen? Und wie können sie sich gegen eine neue Krise wappnen? Ohoven: Die Unternehmen sollten jetzt verstärkt auf die Erschließung neuer Märkte im Ausland und auf eine Diversifizierung ihrer Lieferketten setzen, um ihre Abhängigkeit zu verringern. Das geht nicht ohne die Politik. Was wir jetzt brauchen, sind Entlastungen für den Mittelstand, vor allem bei Abgaben und Auflagen. Das belastet Klein- und Mittelbetriebe stärker als Großunternehmen. Steuern, Abgaben und Bürokratie gehören insgesamt auf den Prüfstand. Rickmann: Die Corona-Pandemie ist primär ein wirtschaftliches Desaster, keine Frage. Sie ist aber sekundär auch ein Weckruf. Viele Unternehmen haben technische Umstellungen vor sich hergeschoben, weil das Geschäft gut lief und eine Restrukturierung nicht nötig schien. Dann mussten plötzlich über Nacht die Abläufe digitalisiert werden. Die Krise hat gezeigt, wie wichtig Digitalisierung für Unternehmen jeder Größe ist.
Foto: © Frank Senftleben
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