TREND - Magazin für Soziale Marktwirtschaft - Ausgabe 2/2020

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SCHWERPUNKT EU-Ratspräsidentschaft

Auf dem Weg zu einer Wirtschafts- und Wäh Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Anleihekäufe der Europäischen Zentralbank offenbart das Ungleichgewicht zwischen Währungs- und Wirtschaftspolitik in der Europäischen Union. In den Finanzhilfen der Coronakrise könnte die Chance für eine Veränderung liegen.

S

elten hat eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts so die Gemüter bewegt. In Deutschland, aber auch innerhalb der Europäischen Union (EU) gehen die Meinungen über das Urteil zu dem Anleihekaufprogramm Public Sector Purchasing Programme (PSPP) der Europäischen Zentralbank (EZB) weit auseinander. Viele Menschen blicken in der Krise zur EU, doch zur Lösung der Probleme fehlen ihr oftmals die Zuständigkeiten. Daran hat das Bundesverfassungsgericht erinnert. Die vielfach zu vernehmende Urteilsschelte ist deshalb fehl am Platz. Mehr noch: Sie ist schädlich, weil sie den Blick auf die eigentlichen Fragen versperrt. Brauchen wir einen mutigen Schritt nach vorn? Brauchen wir einen substanziellen Integrationsschritt, wie ihn einst Schuman, Kohl und Mitterrand in die Wege geleitet haben?

Lucia Puttrich MdL Foto: Lucia Puttrich

Hessische Landesministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten

Zweifelsfrei stellt die Entscheidung einen Einschnitt in der Bewertung europäischen Handelns dar. Denn sie weist auf ein immer deutlicher zu Tage tretendes Manko der europäischen Verträge hin: das Ungleichgewicht zwischen Währungs- und Wirtschaftspolitik. Während die Mitgliedstaaten ganz wesentlich für die Wirtschaftspolitik zuständig sind, wurde die Währungspolitik mit der Einführung des Euro vollständig auf die europäische Ebene übertragen. Die Folge ist, dass wirtschaftliche Schieflagen bei einzelnen Euroländern immer auch alle anderen betreffen. Können oder wollen die Staaten die Missstände nicht beseitigen, fehlt es an einem Mechanismus der verpflichtenden Kurskorrektur? Das Motto, wenn wir unseren euro­ päischen Partnern helfen, helfen wir uns selbst, stimmt natürlich. Doch was ist, wenn die Partner sich nicht helfen lassen wollen? Wir sitzen in einem Boot, doch es fehlt der gemeinsame Kurs? Die Finanzkrise war ein deutliches Warnzeichen, dass dieses Ungleichgewicht ganz erhebliche Risiken, auch für den europäischen Zusam-

„Viele Menschen blicken in der Krise zur EU, doch zur Lösung der P ­ robleme fehlen ihr oftmals die Zuständigkeiten.“ 30

menhalt, mit sich bringt. Die Lösung über den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) gelang zwar, dem Kernproblem wurde aber nicht abgeholfen. Im Gegenteil. Das Vorgehen hat tiefe Narben hinterlassen und die Formel „Hilfe gegen Reformen“ derart unpopulär gemacht, dass der ESM trotz Coronakrise und selbst bei Verzicht auf reformerische Gegenleistungen kaum noch Zuspruch findet. Die Währungspolitik ist deshalb einer der wenigen korrektiven Ansätze europäischen Handels, ein unscharfes Instrument, welches nur begrenzt eingesetzt und nur indirekt wirken kann. Dass mit dem PSPP auch wirtschaftliche Effekte beabsichtigt waren, wird sich schwerlich verleugnen lassen. Im EZB-Beschluss zum Programm selbst wird unter anderem das

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