Kultur
Joseph Thomas Haller Ein großer Erforscher der ladinischen Sprache aus Ridnaun – Teil 2 von Paul Felizetti
Allein die steile berufliche Beamtenlaufbahn, die Joseph Thomas Haller von Ridnaun in die fürsterzbischöfliche Residenzstadt Salzburg führte, war für damalige Verhältnisse recht ungewöhnlich. Noch ungewöhnlicher sind Hallers wissenschaftliche Studien, die er vor allem während seines Wirkens als Landrichter in Enneberg (1814 – 1823) betrieben und später dann in seiner Salzburger Zeit (1831/32) veröffentlicht hat. Sie sollten ihn zu einem Pionier der Erforschung der ladinischen Sprache und Volkskultur machen. P. Willibald Hauthaler OSB (1843 1922), Abt des Benediktinerstiftes von St. Peter in Salzburg, wusste neben den wichtigsten beruflichen Etappen im Leben von Joseph Thomas Haller zu berichten: „Sehr strebsam: betrieb besonders geschichtliche, philosophische und religionswissenschaftliche Studien sein Leben lang.“ Diese von P. Willibald Hauthaler zitierten Studien aus unterschiedlichen Fachrichtungen beziehen sich wohl auf die bereits erwähnten, heute leider verschollenen Handschriften Hallers. Lediglich drei Arbeiten aus Hallers Zeit als Landrichter in Enneberg sind heute bekannt. Darin setzte er sich intensiv mit dem Gebiet, in dem er neun Jahre lang für Recht und Ordnung zu sorgen hatte, auseinander. Im Jahr 1831 erschien im 6. Band der von Mitgliedern des Ferdinandeums in Innsbruck herausgegebenen „Beiträge zur Geschichte, Statistik, Naturkunde und Kunst von Tirol und Vorarlberg“ der Aufsatz „Das k.k.
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Neun Jahre lang wirkte Joseph Thomas Haller als Landrichter in Enneberg. Landgericht Enneberg in Tirol. Ein historisch-statistisch-topographischer Abriß“, zu dem 1832 im 7. Band die Fortsetzung „Das k.k. Landgericht Enneberg. Anhang zu dem im sechsten Bande enthaltenen Aufsatze unter diesem Titel“ folgte, nachdem dieser Teil seiner Arbeit aus Versehen nicht abgedruckt worden war. In dem-
selben Band erschien noch ein weiterer rein sprachwissenschaftlicher Beitrag Hallers mit dem Titel „Versuch einer Parallele der ladinischen Mundarten in Enneberg und Gröden in Tirol, dann im Engadin und der romaunschischen in Graubünden“. Es kann mit Fug und Recht gesagt werden, dass Joseph Thomas
Haller aufgrund dieser Arbeiten zu den Pionieren der Erforschung von Enneberg und der ladinischen Sprache gezählt werden kann. Während er in seiner Ridnauner Heimat längst in Vergessenheit geraten ist, taucht sein Name auch heute noch in mehr oder weniger allen Arbeiten auf, die sich mit Enneberg oder mit der ladinischen Sprache im Allgemeinen beschäftigen. Leider wird er darin oft nicht mit seinem richtigen Namen, sondern mit Joseph Theodor Haller zitiert, in den meisten Fällen wird der zweite Vorname Thomas lediglich in abgekürzter Form als Th. angegeben. Auf die erste Falschmeldung seines Namens treffen wir bereits wenige Jahre nach seinem Tod in einer Arbeit von P. Justinian Ladurner aus dem Jahr 1866, der sich mit der Frage auseinandersetzt, ob es jemals Tempelritter oder Ansitze derselben in Tirol gegeben hat. Darin verwies Ladurner u. a. auf eine von „Hr. Jos. Theodor Haller, gewessner Landrichter in Enneberg“ publizierte Sage. Seitdem zieht sich dieser falsche Name bis auf den heutigen Tag wie ein roter Faden quer durch die ladinische Literatur. Bereits in seiner Beschreibung des Enneberger Landgerichts setzt sich Haller gleich auf der ersten Seite mit der Sprache seines Gerichtsbezirkes auseinander und stellt fest: „Die Sprache der Bewohner von Hochrhäzien [Graubünden] und Engadin hat schon lang die Aufmerksamkeit der Geschichtsforscher und Sprachkundigen auf sich gezogen; aber es scheint noch wenig bekannt zu sein, dass auch im nördlichen Tirol, in den abgeschlossenen Thälern an der Gader,