PRaktivum Ausgabe 8: Die (Inter-)Dependenz zwischen Journalismus und PR

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ausgabe 8 | februar 2021

ein fachmagazin des studiengangs digital marketing & kommunikation der fh st. pölten

(INTER-)DEPENDENZ ZWISCHEN

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JOURNALISMUS UND PR

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© Claudia Mann

Editorial Liebe Leserin, lieber Leser!

FH-Prof. Mag. Roland Steiner, Bakk. (l) FH-Dozent Department Medien & Digitale Technologien

FH-Prof. Ing. Dr. Harald Wimmer (r) Studiengangsleiter Digital Marketing & Kommunikation (MA) Studiengangsleiter Digital Media Management (MA) Stellvertretender Studiengangsleiter Marketing & Kommunikation (BA)

Inhalt >> Editorial

01 Die Schieflage der 4. Gewalt 03 Advertorials als (problematische) Schnittstelle zwischen PR & Journalismus 05 Braucht es PR für Innovationsinformation? 07 Nimmt die PR-Branche dem Journalismus den Nachwuchs weg? 09 PR vs. Journalismus 2030 11 Der Umgang des investigativen Journalismus mit der PR 13 Ethik in Medien- und Kommunikationsbranchenmagazinen 15 Pressefotografie versus PR-Fotos 17 PR oder Journalismus – Wem schenken RezipientInnen mehr Glauben? 19 Online-PR vs. Online-Journalismus 21 Was brauchen Lifestyle-JournalistInnen von der PR? 23 PR und Journalismus im NPO-Sektor 25 Wenn Marken Medien machen 27 Das Zusammenspiel der Interessen in Brüssel 29 Der Weg aus PR in den Journalismus 31 Herausforderung Corona-Epidemie für Journalismus & PR 33 Wie viel Freundschaft verträgt Journalismus auf Reisen mit der Politik? 35 Zeitmangel und Qualitätsjournalismus: Determination der Nachrichtenselektion durch PR?

In der stetigen wie rasanten Abfolge an Neuigkeiten hinsichtlich der Virus-Krise wissen wir – um ehrlich zu sein – doch kaum, wer uns unabhängig-objektive Kommunikation liefert. Jedoch galt dies bereits zuvor und wird sich möglicherweise verstärken: PR und redaktionell-journalistische Inhalte vermengen sich, die Massenkommunikation verschränkt sich vor allem via soziale Netzwerke bzw. Medien. Zu wessen Nutzen? Aufseiten der Unternehmen und ihrer PR-Agenturen lässt sich die Frage vorerst (vorsichtig) bejahen, aufseiten des von ökonomischen und – obzwar nicht zwingend – daher personellen Kapazitätsproblemen bedrängten journalistischen Systems mit einem „Jein“ beantworten. Ausgedünnte Redaktionen stehen auch dank unseres Studiengangs stärker professionalisierten PR-Fachkräften gegenüber. Sei es in der Politik-, Wirtschafts- oder Kommunikation anderer Gesellschaftsbereiche. Bewirkt dies einen Rollenwandel der Berufsfelder, bedingt dies eine auch berufliche Durchlässigkeit? Wie gestalten sich die Abhängigkeiten beider Branchen? Diesen und ähnlichen Fragen gingen Studierende des Master Studiengangs Digital Marketing & Kommunikation des Departments Digital Business & Innovation nach über Interviews mit JournalistInnen von justament Medien- und Kommunikationsbranchenzeitschriften, aber auch von General- bzw. Special Interest-Medien, die immer häufiger mit PR-Maßnahmen konfrontiert sind. Profis aus Branchenmagazinen nehmen also ebenso Stellung zu diesen Fragen wie auch WissenschaftlerInnen und Medienschaffende aus den Bereichen Politik, Wirtschaft oder Lifestyle. Etwa im Detail zu solchen: Wie steht es um Ethik und Freundschaften zwischen den Berufsfeldern, was bedeuten Pressereisen und -empfänge, wie wichtig sind Pressemappen und Produkt-Samples, was unterscheidet PR-Zoom-Meetings von solchen F2F, wie „himmlisch vs. teuflisch“ sind Advertorials oder Corporate Publishing, wie wechselt man von PR in den Journalismus – und ist das (ethisch/finanziell) gut? Wir freuen uns, diese in der Lehrveranstaltung „Medientraining“ – verantwortet von Daniela Zeller, Gesellschafterin und Geschäftsführerin der Agentur „Freiraum“ und zuvor Ö3-Journalistin – entstandenen Interviews Ihnen zu Gemüte zu führen. Die Produktion dieser Ausgabe verdanken wir erneut Teresa Sposato mit Studierenden ihrer Lehrveranstaltung „Gestalten für Printmedien“ der Masterklasse Grafikdesign des Master Studiengangs Digital Design aus dem Department Medien & Digitale Technologien. Alle Beteiligte – ob studentische InterviewerInnen oder ProduzentInnen, Interviewte und Lehrbeauftrage – haben gerade in jener Phase Großartiges geleistet, daher ein: GRAZIE MILLE! Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre und freue mich auf Ihr Feedback, Ihr

37 Der Einfluss von PR auf die redaktionellen Inhalte in Special-Interest-Zeitschriften 39 Im selben Strom, aber auf unterschiedlichen Seiten des Flusses fischend 41 Unabhängigkeit von PR in der Quellenbeschaffung

Roland Steiner, Chefredakteur roland.steiner@fhstp.ac.at

Harald Wimmer, Studiengangsleiter harald.wimmer@fhstp.ac.at


Die Schieflage der 4. Gewalt

Anna Putz

Die Macht des Journalismus bröckelt. Andy Kaltenbrunner, Geschäftsführer des Medienhaus Wien und Researcher an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, über den Status Quo und die Folgen der (Un-)Abhängigkeit des Journalismus von der PR. © Fabian Farthofer

Anna Putz: Die Zahl der in Österreich tätigen JournalistInnen ist von 2006 auf 2018 um mehr als 1.700 Personen zurückgegangen. Die Zahl der Menschen in Kommunikationsberufen steigt hingegen. Bröckelt die 4. Gewalt?

Berufe“. Reicht das oder braucht es mehr?nnnnnn

Putz: Was unterscheidet JournalistInnen von KommunikatorInnen?

Putz: Aus dem „European Communication Monitor“ geht hervor, dass KommunikatorInnen in Österreich vor allem auf Owned Media setzen – Paid Media hat am wenigsten Relevanz. Was bedeutet das für den österreichischen Journalismus?

Andy Kaltenbrunner: Sie hat zumindest Probleme – es gibt Erosionsprozesse und gefährliche Bruchstellen. Es ist erfreulich, dass die Zahl der in der PR Beschäftigten steigt. Die Frage ist aber, ob im Kommunikationsprozess selbst der unabhängige Journalismus noch ausreichend Stellenwert und Man- beziehungsweise Womanpower hat, um seiner aufklärerischen Aufgabe nachzukommen.

Kaltenbrunner: Es gibt sehr, sehr viele JournalismusDefinitionen, über die endlos und durchaus spannend diskutiert werden kann, aber einen zentralen Punkt: Autonomie. Unabhängiger Journalismus garantiert die Autonomie des beziehungsweise der/des einzelnen Journalistin/en – bei der Auswahl, Bewertung und Umsetzung von Themen. Sobald das unmittelbar interessensgeleitet ist, handelt es sich um andere Kommunikationsberufe. Putz: Oft wird über schlechte Arbeitsbedingungen, enormen Druck und hohes Arbeitspensum im Journalismus geklagt. Bringt die PR besseres Arbeitsklima und Bezahlung für JournalistInnen?

Kaltenbrunner: Wir sehen immer öfter, dass JournalistInnen einen Teil ihres Einkommens aus PR-Tätigkeiten beziehen. Das hat zum Teil existenzielle Gründe, da JournalistInnen vermehrt mit prekärem Einkommen auskommen müssen. Insbesondere freie JournalistInnen suchen sich oft ein zweites Standbein und finden es in Kommunikationsabteilungen und Corporate Publishing. Deshalb ja: Der Journalismus als Arbeitsfeld wird immer prekärer und hat weniger Budget zur Verfügung, während das in der PR nicht der Fall ist. Putz: APA-Geschäftsführer Clemens Pig plädiert für „gezieltes Employer-Branding für journalistische 01

Kaltenbrunner: Die wichtigste Maßnahme derzeit wäre, dass staatliche Förderungen für journalistische Medienunternehmen darauf abzielen, ob journalistische Arbeitsplätze gesichert oder besser ausgebaut und qualifiziert weiterentwickelt werden. Unsere Medienpolitik versagt seit Jahren in diesem Punkt – Journalismus als unabhängige, gesellschaftliche Aufgabe ist nicht im Zentrum. Die Förderung von Non-Profit-Journalismus, journalistischen Start-ups oder innovativen Journalismus-Projekten sind die zentralen Zukunftspunkte, auf die es ankommen wird, wenn einem Journalismus ein Anliegen ist.

Kaltenbrunner: Speziell durch die verschiedenen Möglichkeiten über digitale Kanäle sein Publikum zu erreichen und dafür nicht mehr den/die Schleusenwärter/in traditioneller Medien zu benötigen, verlieren Medien zusätzlich an Erlösquellen und der Journalismus damit an Finanzierung. Diesen Prozess gibt es aber schon seit 20 Jahren, er beschleunigt sich nur. Immer mehr größere Unternehmen nehmen Owned Media vor allem in Online-Formaten als Chance wahr. Die Frage ist, welche Qualität Journalismus anbieten kann, damit er als Werbeumfeld benötigt wird. Wenn er weiterhin ökonomisch schwächer wird; weniger Möglichkeiten hat, sein Publikum zu überzeugen und binden, dann ist das eine Spirale, die nach unten führt. Putz: Österreich ist in den vergangenen zwei Jahren im Pressefreiheitsranking massiv abgerutscht. Gründe waren unter anderem vermehrte Interventionen in Redaktionen oder der Ausschluss einzelner Medien von Pressekonferenzen. Wieviel darf sich politische PR in Österreich erlauben?

Kaltenbrunner: Was die politische PR darf, ist schwer zu sagen. Sie erlaubt sich jedenfalls sehr viel in den letz-


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Andy Kaltenbrunner ist Politikwissenschaftler, Geschäftsführer des Medienhaus Wien, Researcher an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und Gründer mehrerer journalistischer Bildungsprogramme. Zudem ist er Berater von EU-Medienhäusern und Innovationsprojekten und war bis 2000 einer der führenden Politikjournalisten des Landes.

ten Jahren – ich würde sagen mehr, als in den vorherigen Jahren. Historisch gesehen war es schon immer so, dass sich Politik ganz wesentlich in die österreichische Medienlandschaft eingemischt hat. Bis Mitte der 50er-Jahre waren Parteizeitungen reichweitenstärker als unabhängige. Es wurde auch immer diskutiert, welche Einflussnahme Parteien beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk haben sollten. Es wäre also blauäugig zu glauben, es gab je unabhängigen Journalismus, bei dem nicht versucht wurde zu intervenieren. Die Schieflage, die sich aus der Stärkung der PR ergibt, hat zur Folge, dass es noch mehr Interventionen durch Regierungspolitik in Ländern und Bund gibt. Einer der größten Werber in Österreich ist die öffentliche Hand – mehr als 200 Millionen Euro werden jährlich ausgegeben. Das ist natürlich, wenn man das mit einer politischen Agenda betreibt, eine vehemente Einflussnahme. Putz: Was ist der Status Quo der (Un-)Abhängigkeit des österreichischen Journalismus von der PR?

Kaltenbrunner: Es ist nicht so, dass es eine Abhängigkeit von der PR besteht, aber es gibt ausfransende Ränder des Journalismus, wo unklar ist, worum es sich bei der betriebenen Kommunikation handelt. Das ist nicht unbedingt Abhängigkeit, aber grundsätzlich schlecht, da nicht klar ist, wo PR beginnt und Journalismus endet. Die Abhängigkeit von PR als Informationsgrundlage ist nicht gewachsen, die ökonomische hingegen allemal. Traditionellen Medienhäusern stehen aus bereits genannten Gründen weniger finanzielle Mittel zur Verfügung und im Vergleich werden heute ein Viertel weniger JournalistInnen beschäftigt als noch vor 15 Jahren. Das ist schon ein enormer Aderlass. Putz: Was sind die Folgen aus der Schieflage zwischen Journalismus und PR?

Kaltenbrunner: Im schlechteren Fall ist die Gesellschaft weniger aufgeklärt. Das klingt pathetisch, aber es ist das Wesen von aufgeklärten Gesellschaften, einen unabhängigen Journalismus als 4. Gewalt zu haben. Dieser sollte in möglichst großer Vielfalt und möglichst guter Quali-

tät Informationsgrundlagen für demokratische Entscheidungen liefern. Das ist nicht nur eine systemtheoretische Sonntagsidee, sondern ein Faktum. Die Gefahr ist überspitzt ausgedrückt, dass wir immer blöder werden und weniger faktenbasiert entscheiden können. Putz: Welche medienpolitischen Änderungen bräuchte Österreich, um weiterhin von Journalismus als 4. Gewalt sprechen zu können?

Kaltenbrunner: Es bräuchte eine qualifizierte Qualitätsdebatte, die in Österreich nicht geführt wird. Gerade die Politik drückt sich oft davor, weil sie sagt, Qualität ließe sich nicht einheitlich definieren und die Investition in eine solche Debatte wäre demnach nicht sinnvoll beziehungsweise gar nicht möglich. Ich bin der Ansicht, dass das ein schlechtes Argument ist, da wir auch eine Demokratiedebatte führen, obwohl wir unterschiedliche Verständnisse davon haben. In dieser Grundlagendebatte hat Österreich versagt. Natürlich gibt es auch weitere Punkte. Ein Teil ist die Finanzierung, die transparent und auf Basis einer evidenz- und datenbasierten Debatte über Qualitätsförderung abgewickelt werden sollte. Es gibt überdies weitere Anregungen, Ideen und Möglichkeiten, die diskutiert werden können. Die Grundlage ist aber, dass wir Transparenz über Daten, Geldflüsse und letztlich über Interessen und Zielvorstellungen brauchen. Medienpolitik muss klar sagen, was sie will. Nicht phrasenhaft oder mit parteipolitischen Scheuklappen. Putz: An wem liegt es schlussendlich, die Barriere zwischen Journalismus und PR hoch zu halten? Medien, Politik oder doch RezipientInnen mit der Wahl des Mediums?

Kaltenbrunner: An allen dreien. Politik hat die Aufgabe Journalismus und PR zu definieren und unterscheiden, Journalismus muss seine Rolle klar verstehen, abgrenzen und Schnittpunkte aufzeigen. Und wir als RezipientInnen müssen aufgeklärt entscheiden, was wir warum nutzen und wie wir es verstehen.

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Advertorials als (problematische) Schnittstelle zwischen PR und Journalismus

Heike Schürr

Advertorials sind eine gängige und doch umstrittene Art der PR. Harald Fidler, Ressortleiter von „derStandard/Etat“, sprach mit „PRaktivium“ über Problematiken und Auswirkungen von Advertorials.

© Dina Grojer

Heike Schürr: Advertorials oder auch bezahlte redaktionelle Beiträge werden in der Medienlandschaft immer gängiger. Woran liegt das und ist das für den Journalismus bedenklich?

Harald Fidler: Bezahlte redaktionelle Beiträge sollte es eigentlich nicht geben, weil man die Rezipient­ Innen nicht darüber täuschen sollte, was ihnen vorgesetzt wird. Entweder ist es ein redaktioneller Beitrag, der hoffentlich nach journalistischen Kriterien gestaltet ist, und nicht nur danach aussieht oder gar nur erscheint, weil er bezahlt ist. Vielleicht klingt das blauäugig oder allzu streng nach reiner Lehre, aber LeserInnen sollten Advertorials erkennen können. Auch das Mediengesetz sagt, was bezahlt ist, muss man als „Anzeige“, „Werbung“ oder „Bezahlt“ ausweisen und nicht als „powered by“, „promoted by“ oder ähnliches. Man muss klare Kennzeichnungen verwenden. Schürr: Laut dem österreichischen Mediengesetz gilt es, redaktionellen Inhalt von Werbung zu unterscheiden. Wie gehen österreichische Medien mit der Kennzeichnung von Advertorials um?

Fidler: Das Mediengesetz schreibt vor, dass man Adver­ torials kennzeichnen muss, sonst verstößt man gegen gel­tendes Recht. Die Praxis sieht leider oft anders aus, dies sieht man auch in Entscheidungen des Presserats. Es gibt immer wieder Fälle, in denen der Presserat nicht klar gekennzeichnete Werbung unter dem Mäntelchen von redaktionellen Beiträgen als Verstoß gegen den Ehrenkodex erkennt. Von juristischer Verfolgung nach dem Mediengesetz hört man weniger. Ich vermute, dass das, wenn überhaupt, im Konkurrenzkampf gegen den Mitbewerber eingesetzt wird. Das machen aber wahrscheinlich viele nicht, weil sie selbst die eine oder andere nicht ausreichend gekennzeichnete Werbung haben. Beim „STANDARD“ versuchen wir das, nehmen uns das vor, leben wir das, aber ich kann jetzt nicht sagen, ob es in den letzten 30 Jahren nicht auch einmal einen verwechs­ lungsfähigen Beitrag gab. Viele Medien nehmen das weniger ernst. Die Situation ist nicht perfekt. 03

Schürr: Finden Sie, ist die Ermahnung durch den Presserat eine effektive Lösung oder wäre ein anderes Vor­gehen angebrachter?

Fidler: Man muss bescheiden anfangen. Es gibt ja relativ große österreichische Medien, die sich nicht dem Presse­rat unterwerfen. Der Presserat ist sehr wesentlich und ­wichtig. Ich halte Branchenselbstkontrolle für sehr vernünftig, wenn sie von den Mitgliedern der Branche erst genommen wird. Es gibt aber auch Mitglieder des Presserats, die dessen Entscheidungen nicht, wie vorgesehen, veröffentlichen, wenn sie verurteilt werden. Das reduziert die Wirkung dieser Institution deutlich. Denn die Veröffentlichung ist ja die wichtigste Sanktionsmöglichkeit gegen ein Medium, das gegen den Ehrenkodex verstößt. Schürr: Wie entwickelten sich Advertorials historisch gesehen?

Fidler: Nach meinem Eindruck sind Advertorials schon immer dagewesen. Es ist kein neues Phänomen, das erst in den letzten zehn Jahren aufgetaucht ist. Ein neueres P ­ hänomen ist Native Advertising. Schürr: In welchen Ressorts sind Adver­torials be­son­ ders gängig und kann man das überhaupt so pauschal sagen?

Fidler: Anfällig, glaube ich, sind Branchenmedien. Eher für Journalisten-Einladungen bekannt sind Ressorts wie Reise und Motor. Solche Ressorts orientieren sich nicht überall ausschließlich an journalistischen Kriterien. Auch Beilagen scheinen mir tendenziell anfälliger dafür zu sein. Außenpolitik und Innenpolitik sind nach meiner Wahrnehmung weniger empfänglich. Unabhängig vom Ressort haben einige Tageszeitungen das auch sehr kultiviert in den letzten Jahren. Bei einer österreichischen Tageszeitung fallen mir beispielsweise fast jeden Tag Special Advertising Sections auf. Die sind aber auch, jedenfalls für mich, erkennbar, sehen anders aus und sind gekennzeichnet.


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Harald Fidler ist seit fast drei Jahrzehnten Medienjournalist und leitet seit 1999 den Onlinedienst „Etat“ der Tageszeitung „DER STANDARD“. Er publizierte bereits mehrere Bücher über Österreichs Medien. Ergänzend dazu führt er unter „dieMedien.at“ ein Medienlexikon und eine digitale Bibliothek der österreichischen Medienlandschaft.

Schürr: Wie ist es zu bewerten, wenn JournalistInnen Advertorials gestalten?

Fidler: Das halte ich schon für problematisch – also bei JournalistInnen, die reguläre Berichterstattungen machen. Es gibt auch JournalistInnen, die bei einem Corporate Verlag, wie bei uns im Haus, angestellt sind und nur für diesen Bereich arbeiten. Wenn diese Kolleginnen und Kollegen Advertorials für die Zeitung schreiben, finde ich das relativ unproblematisch, weil das auch zu ihrer Job Description gehört. Es gibt mir aber ein unangenehmes Gefühl, wenn es derselbe Bereich ist: Wenn jemand beispiels­weise über Medien berichtet und gleichzeitig ein Advertorial für ein Medienhaus schreibt. Gleichzeitig gibt es die Problematik, dass viele JournalistInnen freiberuflich arbeiten und nicht genug Aufträge haben, um sich den Lebensunterhalt verdienen zu können. Deshalb a­ rbeiten sie parallel in der PR. Ich traue natürlich allen zu, dass sie das trennen können, aber auch das ist ein schwieriges Verhältnis. Es ist ein potentieller Interessenskonflikt. Schürr: Ist das mit dem Berufsbild des bzw. der u ­ nabhängigen Journalisten/in vereinbar?

Fidler: Im Mediengesetz steht klar drinnen, dass man es als „Werbung“, „Anzeige“ oder „Bezahlt“ kennzeichnen muss.­ Je klarer, desto besser und erkennbarer. Manche Hinweise muss man mit der Lupe suchen, weil sie in 4-Punkt-Schriftgröße geschrieben sind. Wenn schon, dann ­ordentlich und klar erkennbar machen, nicht irgendwo verschämt verstecken. Schürr: Beim Erkennen und Verarbeiten von ­Ad­vertorials ist die Medienkompetenz entscheidend. Wie steht es um die Medienkompetenz der ÖsterreicherInnen?

Fidler: Ich glaube, man kann gar nicht kompetent ­genug sein im Umgang mit Medien. Ich will niemanden ­etwas vorwerfen, ich möchte die Verantwortung auch nicht auf die Schule abwälzen: Jeder und jede, der/die nur ­irgendwie kann, möge sich Medienkompetenz bitte selbst anlesen oder es seinen Kindern, SchülerInnen oder ­Kindergartenkindern näherbringen. Es ist eine Schlüssel­ qualifikation zu wissen, wie Medien entstehen, wie man sie liest, wie man sie konsumiert und worauf man achten muss. Man muss sich immer fragen: Ist das ein journalistisches Produkt im Bemühen, ich zitiere jetzt den ­Watergate-Aufdecker Bern„Es ist eigentlich immer stein, um „the best optainable version schlecht gestellt um die of the truth“ – oder ist das eine bezahlte Werbung, die ausschaut wie Redaktion? ­Medienkompetenz der

Fidler: In der wirtschaftlichen Lage, in der sich klassische journalistische Medien derzeit befinden ist es schwer, ­Menschen, denn sie könn­ten sich mit Journalismus seinen LebensSchürr: Was braucht es, um Medienimmer noch mehr wissen, ­ kompetenz zu fördern unterhalt zu finanzieren. Zugleich gibt es offenbar ein sehr starkes Bedürfnis mehr fragen und mehr nach- Fidler: Man muss den Menschen vervon Unternehmen, Institutionen etc., denken bei dem, was sie lesen, mitteln, dass sie hinterfragen müssen, nicht klassische Werbung zu machen, was sie in einem Post, in einer Timeglauben und vertreten.“ sondern irgendwie so zu tun, als wären line, einem klassischen Medium oder es redaktionelle Beiträge. wo auch immer sehen. Und nicht nur daran glauben, weil es ein/e Freund/in gepostet hat, ein/e Schürr: Neben der Bezeichnung „Advertorial“ werden Journalist/in geschrieben oder ein Medium veröffentlicht auch Begriffe wie „Redaktionelle Anzeige“, „PR-Anzeihat. Medienkompetenz ist immer ein Defizit. Es ist eige“, „PR-Inserat“ oder „bezahlte PR“ verwendet. Wie gentlich immer schlecht gestellt um die Medienkompewichtig wäre eine trennscharfe Abgrenzung der getenz der Menschen, denn sie könnten immer noch mehr nannten Begriffe? wissen, mehr fragen und mehr nachdenken bei dem, was sie lesen, glauben und vertreten. 04


Braucht es PR für Innovationsinformation?

Teresa Häring

„PRaktivium“ diskutierte mit Sara Grasel, Chefredakteurin des Innovationsmagazins im Bereich Nachhaltigkeit „Tech & Nature“. Sie gibt Einblicke, wie bei „Tech & Nature“ mit Unternehmen gearbeitet wird und woher Sie ihre Informationen über neueste Trends und Innovationen bezieht.

© Sara Adelbauer

Teresa Häring: Als Chefredakteurin von „Tech & Nature“ wollen Sie unterschiedliche Innovationen, Startups und Trends vorstellen. Sie sind eigentlich immer auf der Suche nach Neuheiten. Woher beziehen Sie Ihre Informationen, wie entdecken Sie Innovationen und Trends?

auf uns zu und wollen Interviews geben und natürlich ihre Themen platzieren. Das passiert beides. Häring: Lehnen Sie dann auch Anfragen ab? Wenn ja, auf welcher Grundlage?

Grasel: Ja, das tun wir sehr oft und das passiert, wie man Sara Grasel: Wir machen das schon relativ lange mit sich vorstellen kann, hauptsächlich bei Großunternehmen, dem Innovationsmagazin „trendingtopics.at“. Insofern die sehr viele Themen platzieren wollen. Und wenn wir das haben wir ein großes Netzwerk. Und am allerliebsten Gefühl haben, dass das für unsere LeserInnen nicht interstoßen wir, denke ich, auf Storys im persönlichen Geessant ist oder nicht interessant genug bzw. zu werblich ist, spräch. Einfach weil im persönlichen Gespräch, sei es bei dann lehnen wir sehr häufig ab. einem Afterwork-Drink oder im Café, niemand auf die Idee kommen würde, einem langweilige Geschichten zu Häring: Können Sie da vielleicht ein konkretes Beispiel nennen, wen Sie da schon einmal abgelehnt haben? erzählen, die man sehr oft in Presseaussendungen findet. Also niemand würde sagen: „Hallo Sara, hast du schon Grasel: Ohne jemanden damit wehzutun (lacht)… das ist gehört? Der Baumarkt nebenan hat jetzt auf Wintersaison keine leichte Frage. Um das Beispiel von vorher aufzugreiumgestellt und das sind meine drei Produkt-Highlights.“ fen: Also ein Baumarkt, der jetzt auf ein neues Sortiment Das würde nicht passieren. Insofern ist das die beste umstellt und seine Herbst-Highlights präsentiert, hätte Quelle für Storys auf „Trending wahrscheinlich keine Chance. Topics“ und auch auf „Tech & Es hängt immer sehr stark vom „Und am allerliebsten stoßen wir, Nature“. Innovationsgrad und der Geschichte ab. Man kann das gar denke ich, auf Storys im persönlichen Häring: Werden Sie auch di- Gespräch. Einfach weil im persönlichen nicht generell sagen. Bei „Tech rekt von Unternehmen kon& Nature“ als NachhaltigkeitsGespräch, sei es bei einem Afterworktaktiert, die sagen: „Treffen magazin gibt es sehr oft ein beDrink oder im Café, niemand auf die wir uns einmal, ich will über stimmtes Problem, denn hier mein Unternehmen erzählen“, Idee kommen würde, einem langweilige müssen wir sehr auf die Probdamit Sie eben über dieses Geschichten zu erzählen, die man sehr lematik mit Greenwashing achUnternehmen berichten? ten und da lehnen wir oft Unoft in Presseaussendungen findet.“ Grasel: Ja, das passiert natürternehmen oder Storys ab. Was lich sehr häufig. Ein guter Teil bedeutet das: Zum Beispiel will von unserem Content besteht auch tatsächlich aus Unterein großer Ölkonzern jetzt etwas für den Naturschutz tun nehmensportraits. Wobei wir uns auf Unternehmen konund lässt sich auf ein Firmengebäude einen Blumenwiese zentrieren, die noch nicht diese Publicity haben, also auf für Bienen pflanzen. Wie muss man das dann einordnen? ganz junge Start-ups, um einmal vorzustellen, was die für Will man diesem Unternehmen die Bühne bieten, das ja eiinnovative Ideen haben. Vor allem auch, wie sie die ungentlich noch im Kerngeschäft sehr umweltschädigend ist? ternehmerisch umsetzen. Da kommen wir auch sehr viel Mit solchen Themen setzen wir uns da auseinander und so über unser Netzwerk darauf. Ganz einfach, weil die in der etwas würden wir natürlich klar ablehnen. Regel ja noch gar keine eigenen PR-Abteilungen haben. Aber es kommen natürlich auch größere Unternehmen 05


© Trending Topics / David Visnjic © Adobe Stock: rh2010

Die studierte Kunsthistorikerin und Informationswissenschaftlerin Sara Grasel startete ihre Journalismus-Karriere bei der Tageszeitung „Die Presse“. Seit 2018 gehört sie zum Team von „Trending Topics“ und ist nun Chefredakteurin des Online-Magazins „Tech & Nature“, das sich Innovationen für eine nachhaltige Zukunft widmet.

Häring: Weil Sie das Beurteilen gerade ansprechen. Ist es schwierig, auch Innovationen zu beurteilen? Denn von Vornherein wird man ja nicht wissen, ob das Startup etwas macht, das „die Welt braucht“.

Grasel: Ja, das ist tatsächlich eine Frage, wenn wir auf die eine Antwort hätten, dann wären wir wahrscheinlich Venture Capital-InvestorInnen und nicht JournalistInnen. Aber da hilft auch einfach die Erfahrung sehr viel und mit dem Unternehmen und mit KollegInnen darüber zu sprechen. Man spricht mit anderen Leuten aus dem Netzwerk, zum Beispiel bereits erfahrenen GründerInnen, die vielleicht in einer ähnlichen Branche arbeiten und fragt, was sie davon halten, wie sie das einschätzen. Oder vielleicht eben gerade mit InvestorInnen, die sich mit dem jeweiligen Thema auskennen und versucht so, herauszufinden, wie viel wirklich dahinter steckt. Häring: Ist es für Sie als Innovationsmagazin eigentlich notwendig, von Unternehmen kontaktiert zu werden, um auch tatsächlich am neuesten Stand zu bleiben?

Grasel: Auch das ist eine schwierige Frage. Also PRAbteilungen und -Agenturen liefern uns garantiert mehr Informationen, als notwendig wären. Ich bekomme, um es beim Namen zu nennen, hunderte E-Mails. Es ist sehr schwierig, da interessante Informationen herauszufiltern. Aber natürlich machen Unternehmen nicht nur langweilige Sachen, die unsere LeserInnen nicht interessieren und der direkte Weg, wie wir auf bestimmte Themen kommen, ist, wenn sich die Unternehmen bei uns melden und uns verraten, was sie tun. Häring: Würden Sie also sagen, dass Sie rein durch journalistische Arbeit nicht in der Lage wären, über so viele Trends bzw. Neuheiten zu berichten?

Grasel: Nein, das würde ich so nicht sehen. Das würden wir natürlich schaffen, aber möglicherweise würde uns einiges durch die Finger gehen, was wir vielleicht jetzt aufgreifen, weil wir darauf aufmerksam gemacht werden von Unternehmen.

Häring: Das ist wahrscheinlich auch eine Frage der Zeit.

Grasel: Ja, definitiv. Die Berufserfahrung und vor allem das Netzwerk, das man aufbaut, macht einen immer unabhängiger von solchen Unternehmensinformationen. Das würde ich definitiv unterschreiben. . Häring: Übernehmen Sie auch manchmal Presseaussendungen eins zu eins?

Grasel: Nein, das machen wir nicht. Also wenn ein Unternehmen ein nicht kritisch hinterfragtes Thema oder ein Produkt oder eine Dienstleistung bei uns platzieren will, dann ist das kostenpflichtig und ist klar als Werbung gekennzeichnet. Häring: Also kein Unternehmen kommt bei Ihnen um kritische, journalistische Nachfrage herum?

Grasel: Ja, definitiv.

Häring: Was macht für Sie Ihr Magazin aus?

Grasel: „Tech & Nature“ ist unser neues Magazin und besetzt eine sehr spannende Zukunftsnische, die bis jetzt von einem Medium noch nicht besetzt wird. Es geht darum, wie wir tatsächlich realistische Lösungen für globale Herausforderungen, wie die Klimakrise oder sei es Hunger oder andere soziale Herausforderungen, liefern können. Wir wollen nicht nur das Problem beschreiben, was viele andere Magazine tun oder nur mit sehr kleinen Bausteinen, wie Ernährung, arbeiten. Häring: Was macht für Sie Journalismus aus? Warum haben Sie sich entschieden, Journalistin zu werden?

Grasel: Eine philosophische Frage. Ich bin schon lange Journalistin und war lange im Tageszeitungs-Journalismus und muss sagen, dass mich, glaube ich, der eigene Medienkonsum auch ein bisschen da hineingebracht hat. Ich konsumiere einfach gerne Medien, deswegen bin ich froh, Teil der Produktion sein zu dürfen.

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Nimmt die PR-Branche dem Journalismus den Nachwuchs weg?

Paula Chromy

Nur jede/r zehnte Journalist/in in Österreich ist unter 30. Während die Redaktionen personell ausgedünnt werden, wächst die PR-Branche. „PRaktivium“ fragte Jürgen Hofer, Chefredakteur von „HORIZONT“ Österreich, welche Perspektive er für den Journalismus-Nachwuchs sieht und wie die Kommunikationsbranche diesen beeinflusst. © FH St. Pölten

Paula Chromy: Die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie wichtig die Rolle des Journalismus für unsere Gesellschaft ist. Gleichzeitig steigen die Anforderungen an Redaktionen, dennoch gibt es immer weniger JournalistInnen und vor allem der Anteil der jungen geht zurück. Stirbt der Journalismus in Österreich aus, weil es keinen Nachwuchs gibt?

Jürgen Hofer: Ich orte drei Aspekte: Der erste ist das Ausdünnen der Redaktionen in personeller Hinsicht. Wenn man sich Redaktionen vor 15 Jahren und heute ansieht, sitzen im Normalfall weniger JournalistInnen in den Redaktionen. Das ist ein Umstand, der vor allem finanziell bedingt ist. Der zweite Aspekt betrifft die unter 30-Jährigen. Das mag mehrere Gründe haben, hängt aber wahrscheinlich mit dem ersten Problem zusammen, dass wenige JournalistInnen fix angestellt werden und vor allem Junge als Freie arbeiten. Ein weiteres Problem ist, dass Journalismus grundsätzlich ein Diversitätsproblem hat, auch in der Altersstruktur. Und drittens, nein, wir haben kein Nachwuchsproblem. Es gibt sehr vielen und guten Nachwuchs, vielleicht sogar zu viel. Die Gründe, warum wenig Junge oder grundsätzlich zu wenige JournalistInnen in Redaktionen sitzen, sind wirtschaftliche. Chromy: Redaktionen werden ausgedünnt, gleichzeitig sprießen die Jobs in der Öffentlichkeitsarbeit. Eine Statistik der Publizistik- und Kommunikationswissenschafts-AbsolventInnen hat gezeigt, dass 10% in die Beratung gehen, insbesondere in die PR-Beratung, und nur 6% in den Informationsdienstleistungssektor. Nimmt die PR dem Journalismus den Nachwuchs weg?

Hofer: Ich würde das nicht so zuspitzen. Es ist legitim, dass man gute Menschen sucht und anstellt. Es ist, subjektiv gesagt, in der PR leichter eine Anstellung zu bekommen als im Journalismus, im Normalfall sind dort auch die Löhne beim Einstieg besser. Dazu kommt der Umstand, dass es in der PR einfach mehr Jobs gibt und deshalb mehr Menschen in diesen Bereich gehen. Ich glaube, der Atem um es in den Journalismus zu schaffen muss ein längerer sein. Das sagt nichts über die Qualität 07

der Menschen aus, aber strukturell bedingt ist es im Journalismus schwieriger. Ja, Kommunikationsabteilungen und PR-Agenturen haben in den letzten Jahren viel Aufwind erfahren und zu Recht an Bedeutung gewonnen, dort herrscht großer Personalbedarf. Chromy: Was macht die PR-Branche für junge Menschen attraktiver – abgesehen vom Gehalt?

Hofer: Ich glaube, dass der Journalismus nach wie vor attraktiv sein kann, nur nicht für jede/n. Die aufgekommene Perspektive in der PR oder Kommunikation ist insofern spannend, da es immer mehr Betätigungsfelder gibt. Mittlerweise ist Kommunikation in jedem vernünftigen Unternehmen auf oberster Entscheiderebene angesiedelt. Das ist auch gut so. Damit ist Kommunikation ein unverzichtbarer Bestandteil einer jeden Unternehmensstrategie. Kommunikation ist längst nicht mehr nur Presseaussendungen verfassen, sondern ein Journalismus-ähnlicher Job. Es ist und wird nie Journalismus sein, aber es ist ähnlich. Ich verstehe, wenn das ein reizvolles Umfeld für jemanden ist. Chromy: Kann man den Beruf „JournalistIn“ und das Arbeitsfeld „PR“ noch trennen? Kann man beides gleichzeitig sein?

Hofer: Beides gleichzeitig geht auf keinen Fall, weil sich eben Journalismus und PR in ihren Grundzügen wesentlich unterscheiden. Auf eine philosophische Ebene gehoben, kommuniziert PR für einen Menschen, ein Produkt oder Unternehmen. Journalismus wirkt für die Gesellschaft. Journalismus ist unabhängig, neutral, ausgewogen. Unternehmenskommunikation ist das per se nicht, weil der Zweck ein anderer ist. Deswegen funktioniert das unter einem Hut nicht.

Chromy: Wie wirkt sich die Entwicklung, dass es immer weniger JournalistInnen und dafür mehr PR-Fachleute gibt, auf die Qualität des Journalismus aus?

Hofer: Grundsätzlich gibt es in den österreichischen Medien nach wie vor sehr guten Journalismus, aber gefühlt ist er weniger geworden. Die großen Aufdecker-Magazine, wie


© Sabine Klimpt / Manstein Verlag © Adobe Stock: motortion

Jürgen Hofer ist Chefredakteur von „HORIZONT“ Österreich und verantwortet damit die Wochenzeitung „HORIZONT“, das Magazin „bestseller“, die dazugehörigen digitalen Angebote sowie die inhaltliche Konzeption der Österreichischen Medientage. Hofer ist Absolvent des Studiengangs Journalismus & Unternehmenskommunikation der FH Joanneum Graz.

beispielsweise früher das Magazin „NEWS“, gibt es weniger. Immer weniger JournalistInnen sehen sich mit immer mehr PR-Menschen konfrontiert, müssen mehr machen und haben weniger Zeit für ordentliche Recherche. Natürlich versteht es eine professionelle Unternehmenskommunikation, Dinge mediengerecht zur Verfügung zu stellen. Chromy: Und dann wird nur noch die APA-Pressemeldung kopiert?

Hofer: Hier tut man der APA oft unrecht. In der APA sitzen rund 140 JournalistInnen, die diese journalistischen Nachrichten verfassen. Davon zu unterscheiden sind die via OTS verbreiteten Pressemeldungen. Das wird oft in der Debatte vermischt. Die grundsätzliche Herausforderung lautet: Kommunikationsabteilungen oder PR-Agenturen bereiten Dinge, weil das ja ihr Job ist, bewusst so gut auf, dass diese von Medien möglichst 1:1 übernommen werden können. In Redaktionen, wo Ressourcen knapp sind ist die Versuchung groß, diese Dinge zu verwenden. Da sind wir bei der Frage, wie sehr die PR den Journalismus beeinflusst, dominiert oder vor sich hertreibt. Chromy: Sie haben das Problem der Altersdiversität angesprochen. Was können Anreize für BerufseinsteigerInnen sein, wieder in den Journalismus zu gehen?

Hofer: Uns fehlen in den Redaktionen sowohl die Jungen, als auch Frauen und die, die man als Menschen mit Migrationshintergrund subsumiert. Es liegt aber nicht an jungen Journalismus-Begeisterten diese Strukturen zu ändern, sondern die müssen von oben geändert werden. Ich bin kein Freund der „Quote“, aber ich glaube, dass es sie in gewissen Bereichen brauchen würde. Chromy: Was können Redaktionen tun, um qualifizierten Nachwuchs zu holen?

Hofer: Ich glaube, jede/r Medienmanager/in in diesem Land müsste junge Menschen für junge Menschen schreiben lassen, um diese Lebenswelten bei LeserInnen auch bedienen zu können. Es fehlt vielen noch die Fantasie, wie wir eine Generation, die nicht mit Medien (Anm:

traditionellen Medien) sozialisiert wurde, erreichen. Sich solchen Menschen zu öffnen, ist in den meisten Unternehmen ein tiefgreifender und schwieriger Kulturwandel. Chromy: Sollte es nicht auch im Interesse der Politik sein, durch Anreize Junge in die Redaktion zu bringen, damit jüngere Leute ihre Nachrichten nicht nur aus sozialen Medien beziehen, sondern aus journalistisch aufbereiteten Quellen?

Hofer: Eine Politik, die sich pluralistischen Journalismus wünscht und fördert wäre der Idealzustand. Überspitzt gesagt: Die österreichische Medienpolitik ist wahrscheinlich kein Paradebeispiel dafür, eine breite Medienszene zu fördern. Sie tut das mit sehr viel Geld, aber die Themen „Diversität“ und „Innovation“ sind immer noch stark unterrepräsentiert. Es gibt sehr gute Initiativen, aber das Ausmaß davon ist zu gering. Chromy: Wie schätzen Sie die künftige Entwicklung vom Nachwuchs im Journalismus, besonders im Hinblick auf die Verflechtungen zwischen Journalismus und PR, ein?

Hofer: Die erste Frage ist, was die optimale Ausbildung für JournalistInnen ist. Ein möglichst breites Spektrum in der Ausbildung ist durchaus gut, da man für die jeweiligen Bedürfnisse das Richtige herausziehen kann. Andererseits braucht es auch thematisch hochspezialisierte KollegInnen. Es braucht wissbegierige, aufgeschlossene Menschen. Zur Vermischung von Journalismus und PR: Ich sehe es durchaus als Vorteil, wenn man beide Welten kennt und einschätzen kann. Ich glaube nur, dass man irgendwann die Entscheidung treffen sollte, was man machen möchte und dabei auch bleibt. Man kann vom Journalismus in die PR gehen, aber in meinem Verständnis schwer wieder zurück.

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PR vs. Journalismus 2030 Markus Hofstätter

Folker Hanusch, Journalismus-Professor an der Universität Wien, diskutiert mit „PRaktivium“, wie sich das Verhältnis von Journalismus und PR in den nächsten Jahren verändern wird und welche Auswirkungen daraus resultieren.

© Claudia Mann

Markus Hofstätter: Zu Beginn würde ich Sie um eine kurze Analyse des Status Quo bitten. Wie sehen Sie aktuell das Verhältnis zwischen PR und Journalismus?

Folker Hanusch: Ich denke, dass wir in den vergangenen Jahren eine Verschiebung der Kräfte zwischen PR und Journalismus beobachten können. Momentan durchgeht der Journalismus eine wahnsinnige Transformation. Altgediente Geschäftsmodelle werden in Frage gestellt. LeserInnen gehen zu anderen Anbietern oder ins Internet. Es verändern sich der Medienkonsum und dadurch natürlich auch die ökonomischen Modelle für den Journalismus. Das hat zur Folge, dass es in den meisten Ländern weniger JournalistInnen gibt, die gleichzeitig auch weniger Zeit haben, um zu recherchieren. Dadurch entsteht eine größere Möglichkeit für die PR, mehr Einfluss auszuüben, indem sie schon vorgefertigte Produkte anbieten, die JournalistInnen ihre Arbeit erleichtern. Wir können da eine Kräfteverschiebung beobachten.

Hofstätter: Welchen Herausforderungen müssen sich PR-PraktikerInnen stellen?

Hanusch: Eine Herausforderung für die PR ist, Informationen aufzubereiten, die Journalistinnen auch interessieren, da sie von PR-Meldungen oftmals überrollt werden. Viele JournalistInnen sprechen immer wieder davon, wie viel PR-Mitteilungen sie pro Tag bekommen und dass sie ständig angerufen werden, obwohl sie die E-Mail gerade erst vor zwei Minuten bekommen haben. Ich denke, es ist eine Herausforderung für die PR, damit auch sorgsam umzugehen. Sie muss ihre Informationen richtig vermitteln können. Hofstätter: Sie haben zu Beginn schon angesprochen, dass sich die Machtverhältnisse in den letzten Jahren ein wenig verschoben haben, aber denken Sie, dass ein Bereich wirklich abhängiger vom anderen ist?

Hanusch: Natürlich sind beide abhängig voneinander. Der Journalismus ist von der PR abhängig, weil Informationen Hofstätter: Mit welchen Herausforderungen haben der PR einfacher für JournalistInnen verarbeitet werden JournalistInnen heute zu kämpfen? können. Es ist wichtig zu sagen, dass wir wegkommen müsHanusch: Zwar ist das nicht in allen Gesellschaften unbesen von einem Bild, dass alles, was die PR macht böse ist dingt gleich, und das kann ich für Österreich auch nicht und alles, was die JournalistInnen machen gut ist. PR hat, so genau sagen, aber ich glaube dennoch, dass wir eine gerade in der Gesellschaft, sehr wichtige Aufgabenbereiche Verjüngung des Journalismus seund kann eine sehr wichtige Rolle hen. Also, dass JournalistInnen „Studien zeigen uns auch, dass vor 20 spielen, um essentielle Informatiovielleicht auch etwas weniger ernen für die Gesellschaft zu vermitoder 30 Jahren die Antipathie zwischen fahren sind und dadurch eher beteln. Insofern ist Journalismus von einflussbar sind. Studien zeigen JournalistInnen und PR, zumindest von der PR abhängig und die PR auch uns auch, dass vor 20 oder 30 Journalismus-Seite her, noch um ei- vom Journalismus, weil eben jourJahren die Antipathie zwischen niges größer war, als sie jetzt ist, und nalistische Medien doch immer JournalistInnen und PR, zuminnoch eine sehr hohe Reichweite das ist eine der Herausforderungen.“ dest von Journalismus-Seite her, haben. Natürlich gibt es für die noch um einiges größer war, als PR die Möglichkeit direkt über sie jetzt ist, und das ist eine der Herausforderungen. WeiSocial oder Owned Media ihre Informationen nach drauters haben JournalistInnen zunehmend Probleme, die ßen zu bringen, aber Journalismus als eine informationsverMächtigen im Land zu hinterfragen, da viele Entscheidemittelnde Institution spielt in der Gesellschaft doch noch rInnen sehr stark von PR-Teams umgeben sind. eine sehr wichtige Rolle und insofern sind beide natürlich voneinander abhängig. 09


© privat © Adobe Stock: doris_bredow

Folker Hanusch ist Professor für Journalismus an der Universität Wien. Im Zuge seiner Forschung beschäftigt er sich vor allem mit vergleichenden Journalismus-Studien, Transformationen des Journalismus, JournalismusKultur, Lifestyle-Journalismus, und indigenem Journalismus.

Hofstätter: Wie denken Sie, wird sich das Verhältnis zwischen PR und Journalismus in den nächsten zehn Jahren entwickeln?

Hanusch: In die Kristallkugel schauen ist immer schwierig. Spannend zu sehen ist, inwiefern sich die Grenzen des Journalismus verschieben. Das beginnt schon mit unserem Verständnis von Journalismus. Hier verschieben sie sich doch sehr stark. Zudem nimmt auch das Publikum ganz andere Angebote als Journalismus wahr, die man vielleicht nicht aus traditioneller Sicht als Journalismus verstanden hätte. Das können selbst Influencer in sozialen Medien sein. Das kann die PR eben auch durch eigene Produkte sein, welche journalistische Aufgaben erfüllen. Ich sehe da eine Aufweichung des Journalismus und was wir als Journalismus in der Gesellschaft letztlich verstehen. Es werden neue Bereiche kommen, die traditionellen Journalismus noch supplementieren und die hier auch eine wirklich viel breitere Vielfalt an journalistischen oder dem Journalismus ähnlichen Produkten ergeben wird. Hofstätter: Wird dementsprechend PR oder Journalismus dominanter werden?

Hanusch: Es ist sehr schwer zu sagen, ob jetzt ein Bereich wichtiger wird. Dadurch, dass sich die PR zunehmend auch in journalistischer Form artikuliert, dringen wahrscheinlich stärker diese Inhalte in die Öffentlichkeit und stehen dann im Wettbewerb zum Journalismus. Die Frage ist, inwiefern das Publikum diese Inhalte als Journalismus sieht. Ein Beispiel ist das „Red Bulletin Magazin“, das oberflächlich gesehen als typisches Lifestyle-Magazin daherkommt. Es sind interessante Artikel drinnen, sie sind gut geschrieben und auch nicht wirklich offen werbend. Jedoch ist es ein Magazin des Red Bull Media House, welches versucht die Ziele des Unternehmens Red Bull voranzutreiben. Man kann das als Owned Media erkennen, es wird aber vom Publikum vielleicht als ganz normaler Journalismus aufgefasst. Das heißt, die Frage die wir uns stellen müssen ist: „Was ist der Journalismus?“ Der traditionelle Journalismus, wie wir ihn kennen über Massenmedien, Zeitungen, Fernsehen etc.,

wird wahrscheinlich kleiner werden und die klassische PR als Journalismus verkleidet quasi stärken. Hofstätter: Denken Sie, es benötigt auch in Zukunft weiterhin wissenschaftliche Arbeiten im Bereich „PR vs. Journalismus“, um das Verhältnis genauer zu definieren?

Hanusch: Ja, auf jeden Fall. Wir brauchen mehr Forschung eben gerade zu diesen neuen Entwicklungen, die die grundlegenden Definitionen von Journalismus in der Gesellschaft auch in Frage stellen oder verändern und wie sich die Grenzen des Journalismus verschieben. Insofern ist das auch ein wichtiger Forschungsbereich sowohl für den Journalismus als auch für die PR-Forschung. Hofstätter: Und wie denken Sie, könnte dieser Diskurs auch in Zukunft PraktikerInnen auf beiden Seiten helfen?

Hanusch: Ich denke, dass die PraktikerInnen dadurch besser verstehen lernen können, wie die jeweils andere Seite agiert, wie sie welche Strategien fährt und wie mit deren Produkten umgegangen werden muss. Dies ist auch im normativen Sinne gemeint, da es journalistische Formate der PR gibt, wie zum Beispiel Owned Media. Dann wäre es doch gut, dass die PR ein solides Wissen über journalistische Ethik hat. Hofstätter: Abschließend möchte ich sie noch kurz um Ihre Meinung bitten, was JournalistInnen in Zukunft benötigen, um diesen Herausforderungen gewachsen zu sein?

Hanusch: JournalistInnen brauchen die Fähigkeiten, die sie schon immer gebraucht haben: Das ist kritisches Denken, Hinterfragen, Recherchieren, die Ambition Informationen auf den Grund zu gehen, mit welcher Motivation diese Information geliefert wurde und darüber hinaus natürlich auch digitale Fertigkeiten. Wenn wir vom Verhältnis von PR und Journalismus sprechen, ist das aber vor allem das kritische Denken, das Einordnungsvermögen, warum etwas auf eine gewisse Weise portraitiert wird.

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Pauline Löschner

Der Kontakt zwischen PR und dem investigativen Journalismus ist laut Georg Eckelsberger, dem stellvertretenen Chefredakteur von „DOSSIER“, von einem professionellen Misstrauen geprägt. Dennoch sei es wichtig, dass beide Seiten einander zuhören.

© Thomas Kubin

Pauline Löschner: Was liegt dir persönlich beim investigativen Journalismus ganz besonders am Herzen?

Georg Eckelsberger: Was mir besonders am Herzen liegt, ist, dass man durch die Recherche Fakten schafft, auf die man dann in der gesellschaftlichen Diskussion Bezug nehmen kann. Man schafft durch die Recherche die Faktenbasis, auf der wir als Gesellschaft und als einzelne BürgerInnen Entscheidungen treffen.

daktion trennt, ist aus unserer Sicht keine starke Barriere. Deswegen glauben wir, dass die Werbefreiheit ganz essentiell für unsere Arbeitsweise ist, damit wir keine blinden Flecken haben. Löschner: Was sind die Stärken von investigativem Journalismus? Wo stößt er an seine Grenzen?

Eckelsberger: Die Stärke ist, dass man mit relativ einfachen Mitteln neue Fakten ans Tageslicht bringen kann. Löschner: Ab wann weißt du, dass eine Recherche abDiese werden dann verbreitet und bringen die Diskussion geschlossen ist? weiter. Wahrscheinlich ist es auch eine Stärke, dass sich Eckelsberger: Letztlich arbeiten wir bei „DOSSIER“ so, Informationen gerade in unserer Gesellschaft, wenn sie dass wir das Glück haben, dass wir Recherchen tatsächlich brisant und interessant sind, wie ein Lauffeuer verbreiten erst veröffentlichen, wenn wir der und man dann auch als kleines Es gibt spezielle PR, die auf investigaMeinung sind, dass die RecherMedium oder einzelne/r Jourche weitestgehend abgeschlos- tiven Journalismus ausgerichtet ist: nalist/in Großes bewegen kann. sen ist. Sprich, wir sind allen die sogenannte Litigation-PR, bei der Grenzen gibt es mehrere. Zum Spuren nachgegangen. Wirklich man juristische Mittel einsetzt, um eine einen geht es in die Richtung der Finanzierbarkeit. Investigativer abgeschlossen ist sie natürlich Veröffentlichung zu verhindern oder Journalismus ist ganz sicher die nie, man kann immer weiter recherchieren und eine Geschich- eine/n Journalistin/en einzuschüchtern. teuerste Art des Journalismus. te kann sich auch immer wei- Da braucht man einiges an Erfahrung Wenn mehr Geld da wäre, würterdrehen. Es kann immer eine und auch Rückhalt aus dem eigenen de sicherlich mehr investigatiNachfolgerecherche geben. Auch ver Journalismus in Österreich Medium, damit man standhaft bleibt. mit der Veröffentlichung ist eine stattfinden. Und das Zweite ist Recherche nicht abgeschlossen, weil sich dann oft neue der Zugang zu Informationen, gerade was die öffentliche HinweisgeberInnen melden oder neue Informationen zu Hand, den Staat, die Gemeinden angeht. Da läuft man Tage treten. Ein weiterer Indikator ist, wenn ich mit aloft immer noch gegen eine Mauer und bekommt keine len Personen gesprochen habe, die von dieser Geschichte Informationen. Bei Unternehmen ist dies natürlich noch extremer. betroffen sind. Dieser Faktor muss gegeben sein, davor ist die Recherche nicht beendet. Löschner: Wie wichtig ist es „DOSSIER“, dass es seit 2019 Österreichs erstes werbefreies Printmagazin ist?

Eckelsberger: Seit 2012 erscheinen wir online und seit 2019 gedruckt. Das gehört zu unserer journalistischen DNA, weil wir überzeugt sind, dass mit dem Modell der Werbefinanzierung ganz automatisch blinde Flecken und Interessenskonflikte verbunden sind. Dies nur dadurch zu lösen, dass man die Anzeigenabteilung von der Re11

Löschner: Wie sehr wird der investigative Journalismus aktuell von der PR beeinflusst?

Eckelsberger: Der investigative Journalismus ist grundsätzlich sehr wachsam. Man ist schon bei der Recherche auf der Hut. Es geht nicht nur um die PR-Abteilungen, sondern auch um InformantInnen oder HinweisgeberInnen. Man überlegt sich immer vorher, welches Interesse eine Person hat und wie die Information einzuordnen ist. Wenn eine PR-Abteilung etwas sagt, dann weiß ich,

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Der Umgang des investigativen Journalismus mit der PR


© Klara Haas

Georg Eckelsberger schloss 2009 sein Studium als Journalist in Wien ab. Seine Karriere führte ihn über das Monatsmagazin „DATUM“, die Wochenzeitung „Falter“ und die Magazine „Business Punk“ und „Red Bulletin“ bis hin zu „DOSSIER“. Er ist nicht nur Mitgründer des investigativen Magazins, sondern aktuell auch stellvertretender Chefredakteur.

es wird einseitig sein, weil das Interesse besteht, dass der Auftraggeber gut dasteht. Das heißt aber nicht, dass die Informationen falsch sein müssen. Insofern ist die PR in dem Bereich eine von vielen Quellen, welche so wie alle anderen kritisch eingeordnet werden muss. Dann gibt es noch einen anderen Bereich. Es gibt spezielle PR, die auf investigativen Journalismus ausgerichtet ist: die sogenannte Litigation-PR, bei der man juristische Mittel einsetzt, um eine Veröffentlichung zu verhindern oder eine/n Journalistin/en einzuschüchtern. Da braucht man einiges an Erfahrung und auch Rückhalt aus dem eigenen Medium, damit man standhaft bleibt. Es ist natürlich im ersten Moment bedrohlich, wenn man eine E-Mail oder einen Brief von einer Anwaltskanzlei bekommt, indem mit einer Klage gedroht wird. Löschner: Wie sieht die Zusammenarbeit des investigativen Journalismus und der PR aus?

Eckelsberger: Eine kritische Distanz muss es immer geben, mit meinem Journalismus-Verständnis. Natürlich ist das Ganze gewissermaßen eine Zusammenarbeit, jedoch ist auch klar, dass man auf unterschiedlichen Seiten steht. Das Medium und der investigative Journalismus handelt im Interesse seiner LeserInnen und will Informationen ans Licht bringen. Die PR-Abteilung handelt letztlich im Interesse der Geschäftsführung oder des Politikers bzw. der Politikerin. Das sind oft genau entgegengesetzte Interessen. Das Ganze kann trotzdem zu einem konstruktiven Austausch führen, aber eine professionelle Distanz und ein professionelles Misstrauen von beiden Seiten wird immer eine Rolle spielen. Löschner: Ab wann schadet die PR dem investigativen Journalismus?

Eckelsberger: Es schadet, wenn man eine Mauer des Schweigens aufbaut und einfach keine Informationen herausrückt. Dann gibt es natürlich noch die Möglichkeit, dass man mit falschen Informationen „gefüttert“ wird. Das nehme ich noch niemanden übel, weil es ist nicht die Aufgabe der PR ist mir zu helfen, denn sie hat eigene

Interessen. Die Überprüfung ist meine Aufgabe.Theoretisch wäre es auch möglich, einzelne JournalistInnen zu attackieren. Man könnte bei der Geschäftsführung anrufen und sich beschweren. Bei „DOSSIER“ ist es nicht möglich, weil wir keine Werbeabteilung haben, aber man könnte damit drohen, die Werbeanzeigen zu stornieren, wenn weiter kritisch nachgefragt wird. Solche Dinge passieren definitiv in Österreich. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob das die PR-Abteilung macht oder, ob das nicht eher auf Geschäftsführerebene passiert. Aber nein, ich sehe grundsätzlich keine Gefahr, die von der PR für den investigativen Journalismus ausgeht. Ich hatte auch bisher bei den meisten PR- MitarbeiterInnen, mit denen ich zu tun hatte nie das Gefühl, dass es zu einer feindseligen Stimmung gekommen ist. Es war meist professionelles Misstrauen. Teilweise hat man genau gegensätzliche Interessen und dann kommt es zu einem Konflikt. Da muss man einfach professionell bleiben und das schaffen die meisten. Löschner: Denkst du, es gibt etwas, was die Disziplinen voneinander lernen können?

Eckelsberger: Ich glaube grundsätzlich, dass es immer gut ist, sich gegenseitig zuzuhören. Selbst wenn man als Journalist/in in einem gewissen Punkt Kritik an dem Unternehmen hat, muss man die andere Seite anhören und miteinbeziehen, um ausgewogen zu berichten. Aus Sicht der PR könnte man Kritik auch annehmen und einen Missstand erkennen. Dadurch, dass man diesen erkennt, zugibt und sich bemüht, ihn zu verbessern, kann man letztlich im öffentlichen Image sogar gewinnen. Es gibt viele Beispiele von erfolgreicher Krisen-PR, wo man aus der Not eine Tugend macht und letztlich in der öffentlichen Wahrnehmung deutlich besser dasteht, wenn man Fehler zugibt und sie einfach behebt. Im Gegensatz zur fundamentalen Opposition, bei der entweder gar nichts gesagt wird, oder immer wieder das Gegenteil behauptet wird.

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Ethik in Medien- und Kommunikationsbranchenmagazinen

Anja Mühlegger

Wie berichtet man über die eigene Branche und welche Rolle kommt hierbei der Ethik zu? Diese und weitere Fragen beantwortet Sabine Bretschneider, Chefredakteurin von „medianet“, im Interview mit „PRaktivium“.

© Privat

Anja Mühlegger: Wie wichtig sind für Sie bei „medianet“ Pressemitteilungen im „Daily Business“?

Sabine Bretschneider: Pressemitteilungen sind für uns sehr wichtig. Das hängt damit zusammen, dass wir ein großes Volumen an Nachrichten für unsere LeserInnen benötigen. Wir haben 40.000 Newsletter-AbonnentInnen, ca. 15.000 Print-Abos und wir verschicken täglich Newsletter. Das heißt, wir verschicken fünfmal die Woche die Bereiche Marketing und Medien, den Bereich Handel und am Freitag jeweils unsere anderen Ressorts, mit denen wir in der Printausgabe erscheinen. Deshalb brauchen wir allein für Online geschätzt 150 Stories in der Woche und wir machen noch eine fast 100-seitige Printausgabe. Das heißt: Ja, wir sind sehr angewiesenauf Presseaussendungen, weil wir ansonsten diesen Output nicht schaffen würden. Man kann insbesondere als Fachmedium nicht jede Meldung von Grund auf selbst recherchieren. Mühlegger: Das heißt, Sie werden bei „medianet“ bei der Auswahl der Themenschwerpunkte sehr stark von der PR beeinflusst?

Bretschneider: Ich würde nicht sagen „beeinflusst“, das klingt in dem Sinne negativ. Wir sind darauf angewiesen, dass wir Nachrichten, die aktuell sind, zur, aus und über die Branche bekommen. Wir sind kein Publikumsmedium, wir sind eine Wirtschaftsfachzeitung. Wir sind keine klassische Tageszeitung, die etwa im politischen Bereich mit objektiver Information zur Willens- und Weiterbildung beitragen soll. Bereiche wie Außenpolitik und Chronik haben wir nicht. Wir berichten über wirtschaftlich Relevantes, alles, was für unsere LeserInnen spannend ist. Das heißt, wir sollten immer auf dem letzten Stand sein. Das könnten wir nur von uns aus nicht anbieten und wir sind darauf angewiesen, dass Informationen von außen kommen, von den Unternehmen selbst. Wir haben viele Termine, treffen viele und große Unternehmen – und diese beschäftigen ja genau für diese Öffentlichkeitsarbeit Agen13

turen, damit diese ihre Neuigkeiten an die Medien weitergeben. Das heißt, ich würde sagen, wir sind auf diese Dienstleistung angewiesen – und unsere Aufgabe ist es dann natürlich zu bewerten, wie sinnvoll, wie wertvoll ist das für unsere Zielgruppen und eben auch zu hinterfragen, ob wir das mit gutem Gewissen kommunizieren können. Mühlegger: Was sind Ihrer Meinung nach die größten Hindernisse und Herausforderungen in Hinblick auf die Einhaltung der Ethik in der Berichterstattung?

Bretschneider: Der Personalmangel in den Redaktionen heutzutage. Journalismus ist eine Arbeit, die wirklich viel Zeit braucht. Dadurch, dass in den letzten Jahren die Zahlen überall ein bisschen eingebrochen sind, wird es natürlich personalmäßig schwierig. Unsere Branche ist personalintensiv, das heißt, sie ist sehr teuer. Man kann JournalistInnen – Daten- und Roboterjournalismus hin oder her – nicht durch günstigere Maschinen ersetzen. Man kann auch nicht „am Fließband arbeiten“. Unser Budget ist begrenzt, wir haben hohe Personalkosten und je mehr qualifiziertes Personal eine Zeitung hat, desto besser kann sie arbeiten. Was Medien daran hindern kann, so zu arbeiten, wie es eigentlich deren Anspruch wäre, ist im Normalfall der Personalmangel – und die Geschwindigkeit, insbesondere durch die Digitalisierung. Dadurch, dass wir jetzt auch alle für Online- und Videokanäle arbeiten, sind wir gezwungen, schneller zu werden. Mühlegger: Wie schafft man es als Journalist/in, aus einer subjektiven Pressemitteilung eine objektive Berichterstattung zu machen?

Bretschneider: Es ist bei uns so, dass unsere RessortLeiterInnen viele Jahre Erfahrung aus gewissen Branchen mitbringen und von sich aus in den meisten Fällen bewerten können, ob etwas spannend, relevant oder neu ist. Abgesehen davon, dass man natürlich immer Zusatzrecherchen betreibt, Nachrichtenagenturen hat


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Seit 30 Jahren ist Sabine Bretschneider in der Kommunikationsbranche tätig. Erfahrung hat sie nicht nur in Werbe- sowie PR-Agenturen gesammelt, sondern auch durch ihre Arbeit bei verschiedenen Medien wie „DER STANDARD“ und dem ORF. Bereits seit 2001 ist die gebürtige Linzerin bei „medianet“ beschäftigt, mittlerweile als Chefredakteurin.

und dass man ja auch durch den Mitbewerb informiert wird, kann man das durch persönliche Expertise und durch permanente persönliche Bildung in diesem Fach bewerten. Und ansonsten kennen wir natürlich auch Branchen-ExpertInnen, seit langer Zeit, die wir befragen können, ob etwas jetzt wirklich so aufregend ist, wie das für uns klingt – oder eben nicht. Außerdem kommt ein großer Teil unserer Inhalte, insbesondere für die Printausgabe, auf Basis persönlicher Gespräche zustande. Wir sind sehr interviewlastig und dadurch schaffen wir diesen exklusiven Content, ohne den Umweg über eine PR-Schiene machen zu müssen. Mühlegger: Presse-Agenturen wie die APA setzen sich ja bereits teilweise kritisch mit den Pressemitteilungen von Unternehmen auseinander, inwiefern werden diese dann noch von Ihnen überprüft?

fakten hinterfragen wir nicht. Was wir hinterfragen, sind Aussagen wie: „Wir sind die ersten, die größten, die einzigen, die besten“ – all diese Superlative, zu denen PR-Agenturen neigen und die Unternehmen auch für sich selbst, für eigene Produkte und Dienstleistungen, gern in Anspruch nehmen. Wir geben nicht weiter, dass irgendein Produkt „einzigartig“ am Markt sei, wenn wir nicht vorher recherchiert haben, ob das denn auch so ist. Andere werbliche Aussagen und Hinweise, die eben als typische PR-Schreibe gelten – was aber das gute Recht der Unternehmen ist – die hinterfragen wir natürlich. Indem wir Aussendungen um „Was wir hinterfragen, sind Aussagen all das bereinigen, was wir nicht bestätigen können, und jedenwie: ‚Wir sind die ersten, die größten, falls versuchen Tatsachen und die einzigen, die besten‘ – all diese Su- Fakten zu transportieren. Aber perlative, zu denen PR-Agenturen nei- dennoch, jede Story hundertgen und die Unternehmen auch für sich prozentig zu kontrollieren und zu recherchieren, immer Zweitselbst, für eigene Produkte und Dienstund Drittquellen anzubieten, leistungen, gern in Anspruch nehmen.“ das schaffen wir nicht.

Bretschneider: Es ist bei APAMeldungen so, dass die KollegInnen dermaßen seriös arbeiten, dass man sich da drauf verlassen kann, dass das Hand und Fuß hat. Das sind Berichte, die wir nicht zu hinterfragen oder zu überprüfen brauchen, die wir dann entsprechend mit dem APA-Kürzel kennzeichnen – und wo wir, sollte es Fragen geben, diese ohnehin an die KollegInnen der APA weitergeben würden. So wie Nachrichtenagenturen wie die APA arbeiten – diese Menge an Stories, die sie anbieten und wie sie diese aufbereiten, das können wir ja als einzelnes Fachmedium nie leisten. Mühlegger: Inwiefern findet eine journalistische Eigenbewertung der Pressemitteilungen statt, die Sie von Unternehmen selbst erhalten?

Bretschneider: Wir sind in diesen Branchen an sich sehr up to date, was unser eigenes Wissen betrifft. Den Wahrheitsgehalt von Aussagen zu Unternehmens-

Mühlegger: Wie schätzen Sie die zukünftige Abhängigkeit zwischen PR und Journalismus ein?

Bretschneider: Gerade in Fachzeitschriften ist die gegenseitige Abhängigkeit groß und das wird sich auch nicht großartig verändern. Ich kann mir vorstellen, dass diese Abhängigkeit wahrscheinlich eher noch ein bisschen an Stärke zunehmen wird, weil allein durch die zusätzliche Online-Arbeit, Arbeit auf Sozialen Medien etc. ja auch rein quantitativ der Content steigt, der von Fachmedien produziert wird. Das heißt, umso mehr sind wir angewiesen auf die Arbeit von PR-Agenturen. Ich glaube, dass diese Kooperation zunehmen wird. Auch die Ansprüche, so glaube ich, steigen auf beiden Seiten. Beide werden immer besser werden müssen, profitieren natürlich aber auch voneinander. 14


Pressefotografie versus PR-Fotos

Christine Schmid

Clemens Fabry, seit fast 20 Jahren als Fotograf für „Die Presse“ unterwegs, diskutiert mit „PRaktivium“ über Fotografie im Spannungsfeld von PR und Journalismus sowie die Besonderheiten von Pressefotos.

© FH St. Pölten

Christine Schmid: Wie hat sich die Situation in Ihrem Beruf in den vergangenen zehn Jahren verändert? Sind Ihrer Wahrnehmung nach mittlerweile mehr von Unternehmen bereitgestellte Fotos in Zeitungen als früher?

Schmid: Wird von Seiten der PR-Agenturen von großen Unternehmen oder auch der Politik interveniert, damit nur „gefällige“ Bilder und bereitgestelltes Material verwendet werden?

Fabry: Es wird immer wieder versucht. Vor allem Clemens Fabry: Ich habe schon den Eindruck. PR-Agenturen haben bestimmte Vorstellungen und Zeitungen sind sehr am Sparen, sowohl bei Fotomöchten beispielsweise, dass das jeweilige Logo am grafInnen als auch bei anderen MitarbeiterInnen. Bilder Bild zu erkennen ist. Ich erlebe auch manchmal, werden oft von Unternehmen kostenlos zur Verfügung dass gefragt wird, ob man sich die Bilder nachher ansegestellt und es gibt große hen darf oder ob mitentschie„Vor allem PR-Agenturen haben beAgenturen, die Zeitungen den werden kann, welches beliefern. Aus diesem Grund ist stimmte Vorstellungen und möchten Foto veröffentlicht wird. Das es möglich, schneller und un- beispielsweise, dass das jeweilige Logo geht natürlich nicht. Man kann komplizierter auf solche Bilsich ja auch nicht den Text der zurückzugreifen, als Foto- am Bild zu erkennen ist. Ich erlebe auch aussuchen. Wenn PR-Agenturen grafInnen zu einem Termin manchmal, dass gefragt wird, ob man das wollen, dann müssen sie zu schicken. Seit der Ent- sich die Bilder nachher ansehen darf eine Werbung schalten, denn stehung des Internets und der oder ob mitentschieden werden kann, dann kann man den Text selbst Gratiszeitungen hat der Einsatz verfassen. Über Hand genomsolcher Bilder stark zugenom- welches Foto veröffentlicht wird. Das men hat der Einfluss aber geht natürlich nicht. Man kann sich ja nicht – manchmal ist es mehr, men. manchmal weniger. auch nicht den Text aussuchen. “ Schmid: Kann man „Qualitätsmedien“ eventuell daran erkennen, dass sie ihre eigenen FotografInnen haben und ihre eigenen Bilder verwenden?

Fabry: Ja, definitiv. Ich würde sogar sagen, dass es eines der wesentlichen Erkennungsmerkmale eines Qualitätsmediums ist, nicht auf den riesigen Datenpool von Agenturen zurückzugreifen und nicht mit dem Strom mitzuschwimmen. Ein Qualitätsmedium muss sich nicht nur durch einen besonderen Text auszeichnen, sondern auch durch eine eigene Bildsprache, die im Idealfall durch eigene gute FotografInnen entsteht. Die LeserInnen erwarten sich ja auch andere Fotos als beispielsweise in kleinen Regionalzeitungen. Um also auf die Frage zurückzukommen: Eine eigene Bildsprache und eigene FotografInnen sind wichtig, sodass man nicht mit der Masse mitschwimmt. 15

Schmid: Geben die PR-Verantwortlichen großer Medien oder der Politik Feedback zu den verwendeten Bildern?

Fabry: Nur dann, wenn das Bild wirklich schlecht gemacht ist, oder es aus ihrer Sicht schlecht ist. Es ist aber auch schon vorgekommen, dass ich positives Feedback erhalten habe. Ich habe zum Beispiel Josef Pröll, den ehemaligen Vizekanzler, in einer Hütte auf einem Weinberg im Weinviertel fotografiert. Dieses Foto hat ihm sehr gut gefallen und dies habe ich auch über Umwege zu hören bekommen. Manchmal kommt also auch positives Feedback, meist aber, wenn es negativ ist. Schmid: Wie gehen Sie mit dieser Kritik um?

Fabry: Wenn das Bild schlecht gemacht ist, dann ist es etwas anderes. Aber aus einer Laune heraus zu sagen, dass


© Carolina Frank © Adobe Stock: Sergei Tim

Clemens Fabry ist eigentlich gelernter Geiger. Da die Begeisterung zur Fotografie jedoch nicht nachließ, absolvierte er schließlich die Kunstschule in Wien. Noch vor seiner letzten Prüfung fing er 2001 an für „Die Presse“ zu arbeiten und ist seitdem als Pressefotograf unterwegs. 2007 und 2010 wurde er als „Pressefotograf des Jahres“ ausgezeichnet.

das Bild mir einfach nicht gefällt, dann berührt mich das nicht. Soll sein, jede/r hat seine bzw. ihre Meinung. Schmid: Redaktionen stehen zunehmend unter Druck. Lohnt es sich noch, Pressefotos zu machen oder sind von Unternehmen bereitgestellte Fotos die einfachere und bequemere Möglichkeit, das Medium mit Bildern zu füllen?

Fabry: Natürlich ist es bequemer, billiger und schneller, nur unterscheidet man sich dann eben nicht. Bei einem Qualitätsmedium erwartet man sich nicht dieselben Fotos wie beispielsweise in Gratiszeitungen. Außerdem kann man dann keine oder nur sehr schwer „Eigengeschichten“ machen, denn dafür gibt es keine Agenturbilder. Da braucht man zumindest freie FotografInnen, die man zu Terminen senden kann, wenn es schon keine angestellten gibt. Schmid: Von Unternehmen bereitgestellte Fotos haben oft das Ziel, ein gewisses Image zu vermitteln. Was können Pressefotos, was diese Fotos nicht können?

Fabry: Pressefotos können eine Stimmung vermitteln, indem ich beispielsweise nicht nur ein Porträtfoto des Bundeskanzlers mache, sondern ein bisschen Umgebung hinein bringe. Außerdem sind Pressefotos einfach ehrlicher. PR-Fotos sind geschönt, denn da wird das Maximum an Perfektion mit herausgeholt – sei es mit Photoshop oder durch Veränderung des Settings. Ein Pressefoto hingegen ist die Darstellung der ungeschönten Wirklichkeit. Ist ein Schmutz auf dem Foto zu sehen, dann wird dieser natürlich schon herausgefiltert. Jedoch wird bei PR-Fotos die Haut „schöner“ gemacht oder der Hintergrund bearbeitet. Da arbeiten Personen lange daran, dass das Foto perfekt aussieht. Ein Pressefoto hingegen zeigt den Menschen so, wie er ist. Schmid: Wie sehr kann man es als FotografIn steuern, ob jemand „gut“ ankommt oder nicht?

Fabry: Ja, das kann man tatsächlich schon gut steuern – vor allem, wenn jemand gerade spricht. Es gibt viele attraktive Personen des öffentlichen Lebens, die aber irgendetwas Unvorteilhaftes an sich haben. Es gibt FotografInnen, denen das egal ist und die diese Bilder unvorteilhaft an die Zeitung weitergeben. Einige Medien veröffentlichen dann tatsächlich solche Fotos. Es gibt aber auch FotografInnen, zu denen zähle ich mich, die ein schönes Foto machen wollen, welches für die Person vorteilhaft ist. Ist dies nicht der Fall, so gebe ich diese Fotos gar nicht weiter. Der Bundeskanzler hat sich beispielsweise irrsinnig unter Kontrolle. Da ist es nahezu unmöglich, ein unvorteilhaftes Bild zu machen. Bei anderen Personen wäre das schon leichter, sollte man das wollen. Aber steuern kann man das natürlich gut. Ein gutes Beispiel wäre auch das Wahlplakat der ÖVP vor 18 Jahren, als Wolfgang Schüssel kandidierte. Der Wahlslogan damals lautete: „Wer, wenn nicht er?“ Natürlich haben die FotografInnen reihenweise Fotos gemacht, wo man als Bildausschnitt den Kopf sieht und nur einen Teil des Slogans, wie zum Beispiel „nicht er“ oder „Wer“. Das sind aber nur Spielereien, ob es dann die Zeitung verwendet oder nicht ist dann eine andere Sache. Schmid: Abschließend noch, was macht ein gutes Pressefoto aus?

Fabry: Aus meiner Sicht lädt ein gutes Pressefoto ein bisschen zum Verweilen ein. Es muss ein Bild sein, das man nicht sofort vergessen hat, sobald man die Seite umblättert. Man kann sich eine Linie vorstellen, wo links „Information“ steht und rechts „Kunst“ – und auf dieser Linie bewege ich mich als Fotograf. Im Idealfall liegt ein gutes Foto in der Mitte. Es erreicht nicht nur die Augen, sondern auch zumindest ein bisschen das Gehirn, und wenn es ein besonders gutes Foto ist, dann berührt es auch das Herz.

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PR oder Journalismus – Wem schenken RezipientInnen mehr Glauben?

Daniela Pulz

Sabine Einwiller, Professorin für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft an der Universität Wien und Vorsitzende des PR-Ethik-Rates, hat „PRaktivium“ die Frage beantwortet, inwiefern RezipientInnen der Öffentlichkeitsarbeit und dem Journalismus noch vertrauen. © Rebecca Dimèny

Daniela Pulz: Befinden sich die PR und der Journalismus in einer Vertrauenskrise?

Sabine Einwiller: „Krise“ ist ein starkes Wort. Jedoch ist ein Vertrauensverlust in einigen Bereichen zu sehen. In einer Langzeitstudie der JGU Mainz zu Medienvertrauen zeigt sich, dass das Vertrauen in den Journalismus recht stabil ist. Dabei gibt es jedoch Entwicklungen, die besorgniserregend sind. So schwindet im Hinblick auf das Vertrauen die „Mitte“. Es gibt mehr Menschen, die misstrauen und circa gleich viele, die vertrauen. Das bedeutet, dass die Polarisierung stärker wird. Pulz: Wem glauben Sie, vertrauen die RezipientInnen mehr – den JournalistInnen oder den Unternehmen?

Einwiller: Hoffentlich den Medien. Wenn Menschen der PR mehr vertrauen, dann haben wir ein Problem. Das zeigt auch die „Trust in Communicators“-Studie von EUPRERA und der Uni Leipzig, dass JournalistInnen mehr vertraut wird als PR-Leuten. Die Herausforderung ist, die Unabhängigkeit des Journalismus zu wahren, zumal eine Vermischung zwischen PR, Werbung und Journalismus beobachtet werden kann. Da klassische Werbung nicht mehr so gut wirkt, sind Medien dazu übergegangen, auch Native Ads zu schalten, also werbliche Inhalte, die im redaktionellen Teil erscheinen und auch wie redaktionelle Inhalte aussehen. Dadurch entsteht eine Vermischung zwischen diesen und journalistischen Inhalten. Die Gefahr ist, dass die RezipientInnen nicht mehr unterscheiden können, denn die gesetzlich vorgeschriebene Kennzeichnung wird oft auch überlesen. Da droht die Gefahr, dass das Vertrauen in den Journalismus sinkt. Das nützt auch der PR nicht, denn die PR braucht glaubwürdigen Journalismus. Pulz: Wo sehen Sie weitere Auslöser dafür, dass das Vertrauen in den Journalismus sinkt?

Einwiller: Ehrlich gesagt finde ich, das wird auch ein bisschen gehypt. Das überzogene Medien-Bashing hat dazu geführt, dass die AbonnentInnen-Zahlen der „New York Times“ stark gestiegen sind. Daran und auch an den Ergebnissen der 17

Mainzer Studie zeigt sich die Skepsis der Menschen gegenüber Journalismus-Bashing. Aber es gibt eine Polarisierung. Denn es gibt Menschen, die dem Journalismus-Bashing, den FakeNews und den „Lügenpresse“-Vorwürfen anheimfallen. Jedoch sind Fake News vor allem auf Social Media eine große Gefahr. Das große Problem ist, dass die Algorithmen jenen Leuten problematische Inhalte zuspielen, die anfällig dafür sind. Pulz: Begünstigen Personal- und Zeitmangel und der immer höhere Druck auf Seiten des Journalismus, alles in Echtzeit liefern zu müssen, das schwindende Vertrauen weiter?

Einwiller: Durch die sinkenden Werbeeinnahmen befinden sich die klassischen Medien in einer Zwickmühle. Deshalb wird vermehrt auf Werbeformen wie Native Advertising gesetzt. Hier besteht die Gefahr, dass der klassische Journalismus an Glaubwürdigkeit verliert. Hinzu kommen prekäre Situationen wie Personalmangel und Druck. Es gibt viele gut ausgebildete JournalistInnen, die zusätzlich im Corporate Publishing-Bereich arbeiten. Hier sind Interessenskonflikte möglich. Pulz: Werden das Vertrauen und die Auslöser für sinkendes Vertrauen genug erforscht?

Einwiller: Im Content Marketing-Bereich wird geforscht, aber die Marketingforschung konzentriert sich vor allem auf die Vorzüge des Content Marketings. Was wir brauchen, ist mehr PR- und Journalismusforschung in diesem Bereich. Insgesamt bin ich der Meinung, dass besonders die ethische Problematik und die des Vertrauens noch stärker untersucht werden müssen. Zudem sollte man die Thematik kritisch betrachten und sich nicht nur auf die Vorteile fokussieren. Pulz: Was sind Auslöser, warum die Menschen weniger in PR vertrauen? Ist unternehmerisches Fehlverhalten schon so üblich, dass das Vertrauen in Unternehmen darunter leidet?

Einwiller: Unternehmen müssen integer handeln. Andererseits ist auch eine verstärkte Skandalisierung zu beobachten. Allerdings ist das kein neues Phänomen. Die letzten 20 Jahre


© Agnes Prammer © Adobe Stock: Maksym Povozniuk

Sabine Einwiller promovierte und habilitierte an der Universität St. Gallen. Dort leitete sie einige Jahre das Zentrum für Unternehmenskommunikation. Bevor sie 2014 Professorin am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien wurde, war sie Professorin an der Universität Mainz, wo sie den Masterstudiengang Unternehmenskommunikation aufbaute. Zudem ist Sabine Einwiller seit 1. Jänner 2018 Vorsitzende des österreichischen PR-Ethik-Rates.

sind voll von Krisen und Unternehmensverfehlungen, die ans Tageslicht gekommen sind. Sicherlich führt diese mediale Präsenz zu sinkendem Vertrauen. Vielleicht wird auch generalisiert, auf andere Unternehmen. Trotz allem sind die meisten Unternehmen nicht korrupt, die negativen Fälle vergiften aber das Vertrauen in die Wirtschaft. Darum muss die Wirtschaft daran arbeiten, dass es nicht zu Verfehlungen kommt. Es gibt ja Corporate Governance-Initiativen und CSR. Aber es muss natürlich auch entsprechend gehandelt werden. Bei Greenwashing geht der Schuss nach hinten los.

Pulz: Müssen RezipientInnen überhaupt vertrauen? Ist eine gewisse Skepsis nicht sinnvoll?

Pulz: Was sind sinnvolle Maßnahmen seitens der PRBranche, um dem Vertrauensverlust entgegenzuwirken?

Einwiller: Ich habe das Gefühl, dass RezipientInnen weniger kritisch werden und die gesunde Skepsis abnimmt. Auch die Polarisierung wird zunehmen, da die Menschen weniger offen sind, sich mit anderen Meinungen auseinanderzusetzen. Warum auch? Man findet in den Echokammern viele Gleichgesinnte, die einen bestärken. Das ist eine sehr komplexe Herausforderung, hervorgerufen durch Soziale Medien. Es ist also weniger das Problem des Journalismus, aber es wird zum Problem des Journalismus.

Einwiller: Es braucht Ehrlichkeit, auch in der Kommunikation. In der PR gibt es den Ansatz der „PR als gutes Gewissen des Unternehmens“. PR-Leute haben danach auch die Aufgabe, die Unternehmen und ihr Management zu ethischem Verhalten anzuleiten. Deswegen ist es auch wichtig, dass PR-Fachleute – egal ob intern oder extern – starke Positionen im Unternehmen innehaben. Sie müssen aufzeigen, dass unmoralische Verhaltensweisen nicht nur dazu führen, dass die eigene Reputation leidet, sondern – dank des Spill-Over-Effekts – auch die Reputation der ganzen Branche und der Wirtschaft. Pulz: Was kann im Journalismus gegen das sinkende Vertrauen getan werden?

Einwiller: Stärker auf die Trennung zwischen redaktionellen Inhalten und Werbung achten. Klar kennzeichnen, was ist eine Unternehmensbotschaft und was ein journalistischer Beitrag. Außerdem auch gute Recherche, faktenbasierte Kommunikation – das journalistische Handwerk ordentlich ausführen. Vor allem aber glaubwürdig bleiben und Transparenz schaffen. Pulz: Denken Sie, dass man das Vertrauen in die beiden Disziplinen überhaupt vergleichen kann?

Einwiller: Man kann es nebeneinanderstellen, aber nicht gegeneinander. Es sind zwei Kommunikatoren, denen mehr oder weniger vertraut wird.

Einwiller: Absolut. Vertrauen bedeutet ja, nicht allem und jedem blind zu vertrauen. Die Definition von Vertrauen besagt, dass es immer ein Risiko gibt, dass man getäuscht wird. Sich diesem Risiko bewusst zu sein und nicht blind zu vertrauen bedeutet, eine gesunde Skepsis zu haben. Pulz: Wie denken Sie, wird sich die Vertrauensbeziehung zwischen den RezipientInnen und der PR bzw. dem Journalismus in Zukunft entwickeln?

Pulz: Können Journalismus und PR positiv dazu beitragen, um zwischen den Fronten zu vermitteln

Einwiller: Vielleicht indem sie auf das Phänomen aufmerksam machen und RezipientInnen dabei unterstützen, skeptisch zu sein. Das ist nicht unbedingt die Aufgabe von Journalismus und PR, sondern eigentlich der Politik. Pulz: Also Sie sehen hier auch den Einzelnen, sprich uns selbst, in der Verantwortung?

Einwiller: Absolut. RezipientInnen müssen skeptisch und kritisch sein. Auch gerade im Hinblick auf junge Menschen ist es wichtig, deren Medienkompetenz zu fördern. Es ist wichtig, sie darauf aufmerksam zu machen, dass es seriöse und unseriöse Quellen, Algorithmen und das Phänomen der Echokammern gibt, ihnen zu erklären was Fake News, Journalismus, PR und Werbung sind, damit sie differenziert rezipieren können. 18


Online-PR vs. Online-Journalismus

Tina Monitbeller

Sebastian Rauch, Chefredakteur „NEUE Vorarlberger Tageszeitung“, spricht über Veränderungen im Online-Journalismus, neue Kommunikationskanäle und künftige Hoffnungsträger.

© Fabian Orner

Tina Montibeller: Online-PR macht es möglich, dass Unternehmen und Marken RezipientInnen direkt erreichen können – braucht es den Journalismus in Zukunft überhaupt noch?

Sebastian Rauch: Diese zwei Bereiche sind strikt zu trennen, denn JournalistInnen sind in keiner Weise „Mittelsmänner oder Mittelsfrauen“ der PR. Zwar gibt es wichtige Überschneidungen der beiden Disziplinen, dennoch verfolgen sie unterschiedliche Ziele: PR agiert verkäuferisch, während Journalismus objektive Informationen weitergeben möchte. Wir greifen gelegentlich auf die PR zurück, um uns Inputs zu holen und AnsprechpartnerInnen für bestimmte Themenbereiche zu finden, aber es führt kein Weg daran vorbei, alle Informationen zu überprüfen und von verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten, bevor sie auf unseren Plattformen veröffentlicht werden. Montibeller: Durch die Neuerungen im Bereich der digitalen Kommunikationsplattformen ergeben sich für Online-PR vielfältige Maßnahmen – kann der OnlineJournalismus bei dieser Vielfalt mithalten?

Rauch: Es gibt immer wieder Anpassungen, die man vornehmen muss, um am Puls der Zeit zu bleiben. Trotzdem hängt es immer davon ab, was ein Medium transportieren möchte und wie es seine Zielgruppe definiert. Einerseits ist es wichtig, eine klare Linie zu verfolgen, damit die NutzerInnen wissen, was sie von einem Portal erwarten können und andererseits ist es notwendig zu überlegen, wie welche Generation Nachrichten konsumiert. Da hat der Journalismus im Gegensatz zur Öffentlichkeitsarbeit insoweit einen Nachhohlbedarf, dass an dieser Anpassungsfähigkeit gearbeitet werden muss. Gerade im Bereich der klassischen Tageszeitung ist dies etwas schwieriger als für die reine Online-Kommunikation. Montibeller: Einer 2018 in Deutschland durchgeführten Umfrage von „news aktuell“ zufolge nutzen immerhin 58 % Soziale Medien und 57 % Unternehmenswebsites zur Recherche. Wie wird sich dieser Teil der Medienwertschöpfungskette künftig entwickeln? 19

Rauch: Die Quellen der Informationsbeschaffung haben sich vor allem durch die Weiterentwicklung der Technologie verändert – früher mit dem Festnetz, heute unter anderem per WhatsApp oder digitalen Pressrooms. Auch Suchmaschinen und Soziale Medien dienen der Recherche. Informationen auf digitalem Wege einzuholen gehört zum Geschäft, dennoch führt für qualitativ hochwertigen Journalismus kein Weg daran vorbei diese Informationen zu überprüfen und bei handelnden Personen vorstellig zu werden. Die Aufgabe der JournalistInnen ist es nicht, sich von der Öffentlichkeitsarbeit Worte in den Mund legen zu lassen, sondern vielmehr nachzufragen und die eigens gesammelten Informationen zu überprüfen und wiederzugeben. Insbesondere im Bereich des Regionaljournalismus‘ habe ich die Erfahrung gemacht, dass ein persönliches Treffen immer mehr Inputs liefert als beispielsweise der Informationsaustausch via digitaler Chatportale. Die Art der Informationssuche hat sich verändert und wird sich auch künftig noch ändern. Das Nachfragen und damit die Eigenrecherche aber bleibt. Montibeller: Wie trifft man als JournalistIn im Zeitalter des digitalen Information Overload die Entscheidung, von welchen Online-Presseportalen man Informationen bezieht?

Rauch: Es ist eine riesige Flut an Informationen und Informationsquellen, die zu bearbeiten sind und jeden Tag kommt etwas Neues hinzu. Deshalb spielen Erfahrungswerte eine große Rolle. Die jeweiligen Ressorts bauen sich ein Netzwerk auf und wissen, welche Quellen vertrauenswürdig sind und welche Informationen verstärkt zu hinterfragen sind. Aber selbst wenn eine Quelle vertrauenswürdig ist, müssen JournalistInnen diese überprüfen. Auch neue Kommunikationsplattformen, wie zum Beispiel „TikTok“, müssen hinsichtlich ihrer Tauglichkeit als Newsquelle überprüft werden. Montibeller: Wie geht man mit Interaktionen, User Generated Content aber auch Kritik als Nachrichtenportal auf Social Media um?


© Klaus Hartinger/NEUE Vorarlberger Tageszeitung © Adobe Stock: New Africa

Sebastian Rauch war nach seinem Studium für Geschichtswissenschaften in Wien bei „LAOLA1.at“ und als Korrespondent für die „Vorarlberger Nachrichten“ tätig. 2014 übernahm er die Leitung des Sportressorts bei der „NEUE Vorarlberger Tageszeitung“. Seit Dezember 2018 ist Rauch deren Chefredakteur und launchte 2020 mit seinem Team das Newsportal „neue.at“.

Rauch: Derzeit benötigen wir noch keine zusätzliche Arbeitskraft, die den Dialog auf Social Media moderiert, da unsere Community noch relativ klein ist. Mit steigendem Wachstum wird eine solche Position allerdings zukünftig benötigt. Denn wie man bei anderen Newsportalen beobachten kann, gibt es unter manchen veröffentlichten Nachrichten immer wieder Kommentare, für die die Zeitung beziehungsweise das Unternehmen keinesfalls stehen möchte. Kritik ist willkommen, solange sie konstruktiv und nicht beleidigend ist. Rückfragen von NutzerInnen werden von uns soweit dies möglich ist beantwortet. Sollten die Fragen nichts mit unserer journalistischen Arbeit zu tun haben, verweisen wir an die zuständigen Stellen wie zum Beispiel die PR-Abteilung eines Unternehmens. Montibeller: Ist der Journalismus offen für neue Technologien?

Rauch: JournalistInnen müssen ständig offen für Neuheiten sein. Es ist die Grundlage des journalistischen Berufs, dass man sämtliche Einflüsse erkennt und entscheidet welche von Relevanz sind. So ist das auch mit neuen Technologien: Je nachdem, für welche Art von Medium gearbeitet wird und welche Leserschaft bedient werden soll, müssen Technologien hinsichtlich ihrer Relevanz und Nützlichkeit bewertet werden. Wer da früher dran ist, gewinnt. Montibeller: Auf Sozialen Medien ist die „NEUE Vorarlberger Tageszeitung“ schon seit einigen Jahren vertreten. Inwiefern haben Sie es als Notwendigkeit gesehen, 2020 einen zusätzlichen Onlineauftritt ins Leben zu rufen?

Rauch: Um die Sozialen Medien bedienen und unseren LeserInnen einen Mehrwert bieten zu können, war ein Onlineauftritt für uns dringend notwendig. Bislang gab es für uns nur die Möglichkeit von Beiträgen auf Social Media auf unsere digitale Version, für die ein E-Abonnement benötigt wird, zu verlinken. Durch „neue.at“ können wir nun auf unser Newsportal verlinken und kostenlose Artikel sowie Artikel aus unserem Pay-Con-

tent-Konzept anbieten. Lesen NutzerInnen einige kostenlose Artikel via „Facebook“, die ihnen gefallen, sind sie auch eher gewillt in weiterer Folge für einen kostenpflichtigen Artikel zu bezahlen oder ein Abo zu kaufen. Social Media hilft enorm, um an Reichweite zu gewinnen. Montibeller: Bestehen für den Online-Journalismus im Vergleich zur Online-PR spezielle Herausforderungen etwa hinsichtlich der Finanzierung?

Rauch: Wir sind eine sehr klassisch Abo-gesteuerte Zeitung und finanzieren uns derzeit noch zu einem großen Teil aus den Print-Abos. In unserem Fall haben wir uns aber für die Zukunft aufgegleist und ich glaube, dass die Akzeptanz, auch für digitale Inhalte etwas zu bezahlen steigt. Die Erfolgsformel dafür ist Qualität. Dass das funktioniert, zeigen beispielsweise viele skandinavische Verlage vor, die es geschafft haben, die PrintAbos in Digital-Abos zu verwandeln. Das ist ein Prozess, der nicht von heute auf morgen stattfindet und den viele Tageszeitungen in Österreich gerade gehen. Dennoch bin ich zuversichtlich, dass der Switch in den Köpfen der LeserInnen gelingt. Das hat nicht zuletzt auch da Ibiza-Video gezeigt. Große Teile der Bevölkerung waren bereit, für die exklusiven und relevanten Inhalte verschiedener Online-Portale zu bezahlen. Je mehr Qualität und relevante Informationen geliefert werden, desto mehr Abos können verkauft werden. Montibeller: Welcher Disziplin gehört Ihrer Meinung nach die Zukunft – oder braucht es sowohl Online-PR als auch Online-Journalismus gleichermaßen?

Rauch: Es braucht beide Bereiche. Den Journalismus braucht es als 4. Gewalt im Staat. Gerade in Zeiten wie diesen ist es wichtig, Dinge zu hinterfragen und nicht einfach als gegeben hinzunehmen. Die Öffentlichkeitsarbeit braucht es wiederum für die Unternehmen, die ihre Produkte und Dienstleistungen verkaufen möchten. Ich sehe beide Disziplinen für die Zukunft gerüstet und meine, dass für beide Platz in der öffentlichen Kommunikation sein soll. 20


Was brauchen Lifestyle-JournalistInnen von der PR? Sophie Katschthaler

Das Verhältnis zwischen PR und Journalismus ist seit jeher spannungsreich. In welchen Bereichen es Verbesserungspotenzial gibt, wo die Kommunikation gut läuft und was sie sich von der PR wünscht, schildert Sinah Edhofer, Lifestyleredakteurin bei „NEWS“ im Gespräch mit „PRaktivum“.

© Melina Weger

Sophie Katschthaler: Wie definierst du für dich Journalismus und wie PR?

Personen in den Agenturen kenne, oder wenn ich persönlich angeschrieben werde. Das lese ich dann zugegebenermaßen eher als eine automatisierte Mail, die an 100 andere JournalistInnen geht. Aber natürlich entscheiden letztendlich Betreff und Inhalt, ob eine Mail für meine Arbeit relevant ist.

Katschthaler: Kannst du kurz beschreiben, wie du vorgehst, wenn du einen Artikel schreibst? In wie weit bist du beim Schreiben von PR „abhängig“?

Katschthaler: Du bist ja schon einige Jahre im Business, hast für Lifestyle-Magazine wie „WOMAN“, „Miss“ und aktuell „NEWS“ gearbeitet. Wie würdest du die Entwicklung der PR in den letzten Jahren beschreiben?

Sinah Edhofer: Ich sehe Journalismus als Versuch einer objektiven Erfassung von Tatsachen. PR auf der anderen Seite hat die Aufgabe, einen Anreiz für die Berichterstattung zu geben.

Edhofer: Die Verflechtung von Lifestyle-Journalismus und PR wird spürbar stärker. Die PR-Agenturen schicken immer öfter Themenvorschläge und bereiten konkrete Themen für JournalistInnen auf. Ich hole mir meine Ideen auch über Pressemitteilungen. Aber was im LifestyleJournalismus auch vorherrscht, sind saisonale Themen. Im Herbst haben zum Beispiel wieder mehr Leute Schuppenflechte, im Winter leiden viele auch an Depression. Das heißt, das sind für mich dann zu der Zeit relevante Themen, wo ich mir Input hole. Pressemitteilungen sind für mich im Lifestyle-Journalismus definitiv auch – aber nicht nur! – inputgebend. Als wichtiges Beispiel kann man hier saisonale Themen nennen: Jetzt in den Wintermonaten ist Depression wieder verstärkt ein Thema, wenn ich hier also eine Pressemitteilung über eine Studie bekomme, inklusive ExpertInnenstimmen, kann ich mir durchaus vorstellen, diese Studie im Heft zu erwähnen, wenn es in den Themenplan passt. Aber grundsätzlich versuche ich, so unabhängig wie möglich von der Einflussnahme der PR zu arbeiten. Katschthaler: Wie viele Presseaussendungen bekommst du von Agenturen an einem Tag? Wie viele bearbeitest du in Relation dazu täglich?

Edhofer: Das ist schwierig zu beantworten und variiert saisonal. Im Sommer bekomme ich meistens weniger Aussendungen als im Frühjahr oder im Herbst. Dieses Jahr ist es natürlich ein bisschen anders. Pro Tag können aber schon mal 200 Pressemitteilungen eintrudeln. In der Regel bearbeite ich Aussendungen dann eher, wenn ich die 21

Edhofer: Presseaussendungen sind mittlerweile viel umfangreicher geworden. Früher waren die PIs sehr bildlastig, heutzutage bekomme ich gefühlt längere, anspruchsvollere Texte zugeschickt. Ich persönlich habe PR-Agenturen immer schon als wichtig empfunden und versucht, einen guten Draht zu ihnen zu haben. Es ist wichtig, die richtigen Ansprechpartner zu haben. Grundsätzlich habe ich das Gefühl, dass die meisten PR-Agenturen die Unabhängigkeit von Lifestyle-JournalistInnen auch wahren. Ich würde Texte nie zur Voransicht außer Haus geben, das respektieren die Agenturen auch. Die Zusammenarbeit funktioniert also prinzipiell gut und die meisten Agenturen arbeiten sehr verlässlich und schnell. Das hilft mir bei der Arbeit für ein Wochenmagazin enorm, da die Einhaltung von Deadlines für mich wahnsinnig wichtig ist. Katschthaler: Wie stehst du zu PR-Samples und Eventeinladungen? Sind sie eine Beeinflussung der Kommunikation?

Edhofer: Natürlich ist eine Beeinflussung gegeben. Auf der anderen Seite ist das Testen und Bewerten eben auch ein wesentlicher Aspekt meines Berufes. Wenn ich ein Produkt bewerten soll, dann muss ich ja auch darüber Bescheid wissen. Aber für mich steht ganz klar fest: Wenn ich von etwas nicht überzeugt bin, kommt es in meinen Berichten nicht vor. Events sehe ich weniger als Beeinflussung, ich denke, sie dienen Agenturen mittlerweile mehr zur Kontaktpflege und sind eine gute Gelegenheit,


© Couchgeflüster Leonie Rachel Sovel © Adobe Stock: Zerbor

Sinah Edhofer ist Journalistin und Podcasterin bei „Couchgeflüster“ und seit mehr als sechs Jahren im Journalismus tätig. Sie hat für Lifestyle Magazine wie „WOMAN“ und „Miss“ gearbeitet und ist seit 2017 Redakteurin in der Leben, Style und Beauty-Redaktion von „NEWS“.

um Produkte und Unternehmen vorzustellen und den Bekanntheitsgrad unter Medien zu erhöhen. Katschthaler: Denkst du, es gibt Kommunikationsunterschiede zwischen PR und Lifestyle-JournalistInnen sowie PR und Wirtschafts-JournalistInnen?

Edhofer: Ja, denn Politik- und Wirtschaftsjournalismus arbeitet im Idealfall investigativ und objektiv. Beim Lifestylejournalismus ist es logischerweise schwieriger, eine Objektivitätsgrenze zu ziehen, beziehungsweise ist die Berichterstattung ab einem bestimmten Punkt einfach subjektiv geprägt, das beginnt schon bei der Themenwahl. Aber grundsätzlich sollte Journalismus ein Thema so neutral wie möglich beleuchten. Mein Anspruch ist deshalb immer, verschiedene Perspektiven so gut wie möglich zu beleuchten und verschiedene ExpertInnen zu Wort kommen zu lassen. Katschthaler: Was sind für dich Do’s in der Kommunikation mit PR-Fachleuten?

Edhofer: Ich finde es gut, wenn Agenturen auf die unterschiedlichen Erscheinungsweisen der Medien eingehen und wissen, wann ein Printprodukt erscheint und Druckschluss hat. Falls Themenpläne bekannt sind, finde ich es hilfreich, rechtzeitig Infos zu bekommen – zum Beispiel zum Thema Weihnachtsgeschenkideen. Ein Monatsmagazin arbeitet oft ganz anders als ein Wochenmagazin und es ist ein absolutes Muss als Agentur, diese Unterschiede zu kennen. Der regelmäßige Austausch und die Kontaktpflege zwischen JournalistInnen und PR ist außerdem wichtig, aber man sollte es mit dem „Nachtelefonieren“ als Agentur nicht übertreiben. Absolut wichtig ist natürlich auch, dass Agenturen rasch und fehlerfrei Infos senden und Kontakte, zum Beispiel zu potenziellen InterviewpartnerInnen, herstellen können.

stattung kritisieren oder eine „adaptierte“ Version online wünschen. Diese Art von Message-Control ist ein absolutes No-Go. Wenn man jetzt von einem Produkt ausgeht und man einen offenkundigen Fehler, zum Beispiel beim Preis, gemacht hat, wäre das legitim. JournalistInnen arbeiten aber nicht für die PR-Agentur, sondern für das Magazin und für die LeserInnen. Telefonisches Nachfassen ist wie gesagt auch etwas, das nicht immer unbedingt sinnvoll ist. Vor allem in der aktuellen Situation, in der viele KollegInnen im Home Office arbeiten und ihr privates Telefon für Arbeitszwecke zur Verfügung stellen, kann Nachtelefonieren schon sehr störend sein. Katschthaler: Was wünscht du dir von der PR in Zukunft?

Edhofer: Von der PR wünsche ich mir in Zukunft, dass man JournalistInnen auch die Zeit gibt, die es braucht, um Inhalte sickern zu lassen bzw. zum richtigen Zeitpunkt zu bringen, wenn der nötige Platz und die Relevanz gegeben sind. Ich verstehe absolut, dass die Agenturen unter Druck stehen, aber generell schadet es nicht, ein gesteigertes Bewusstsein für Themenpläne und für die Arbeitsweise von Journalistinnen zu entwickeln. Auf der technischen Seite gibt es definitiv noch Luft nach oben: Mails mit 20 MB Datenvolumen sind ein No-Go, ebenso Download-Links, die nach einer Woche ablaufen. Ich würde mir außerdem wünschen, dass sich Agenturen mehr mit dem jeweiligen Medium auseinandersetzen und auch wissen, welches Thema beispielsweise ein „NEWS“Thema wäre und welches nicht. Außerdem wünsche ich mir, dass in Zukunft öfter Frauen als Expertinnen in Pressemitteilungen zu Wort kommen und natürlich mehr Diversität. Aber die sollte sich die gesamte Medienbranche ganz groß auf die Fahnen schreiben.

Katschthaler: Was sind No-Go‘s und wo gibt es Verbesserungspotenzial?

Edhofer: Was für mich nicht geht, ist, wenn Agenturen nach Erscheinen eines Artikels anrufen und die Berichter22


PR und Journalismus im NPO-Sektor

Simone Kräuter

Aus der Perspektive beider Berufsgruppen erzählt Rico Stehfest von seiner Erfahrung im Nonprofit-Sektor und vom „Fundraiser Magazin“, für das er als freier Journalist tätig ist.

© Thomas Steinlechner

Simone Kräuter: Gemeinnützige Organisationen sind unter dem Gedanken der Wohlfahrt entstanden. Heute ist Wirtschaftlichkeit auch hier ein wesentlicher Faktor. Die Branche gewinnt gesellschaftlich, politisch und wirtschaftlich immer mehr an Bedeutung. Welche Rolle spielen PR und Journalismus in dieser Entwicklung?

Rico Stehfest: Das ist wirklich schwierig, weil grundsätzlich, was das deutsche Presserecht anbelangt, PR und Journalismus komplett voneinander getrennt sein müssen. Darüber hinaus begegnet mir immer wieder der Eindruck, dass der Dritte Sektor dahingehend überhaupt nicht verstanden wird, dass es sehr viele Menschen gibt, die negativ über jegliche Form von NGOs sprechen. Grundsätzlich hat Journalismus eine gesellschaftliche Aufgabe. Und natürlich hat der Journalismus eben auch, wenn er über den dritten Sektor, über NGOs, berichten will, die Aufgabe, ein realistisches Bild zu vermitteln – wünschenswert wäre ein positiveres Bild, als in der Gesellschaft existiert. Wenn man in Nicht-Fachmedien schaut, wird äußerst oberflächlich über den dritten Sektor berichtet. Was kein Vorwurf sein soll, die Gründe sind dafür meist vielschichtig. Sehr häufig wird ausschließlich dann berichtet, wenn es zu Spendenbetrug kommt. Sowas findet man in den Medien, aber keine tatsächliche Analyse, die dazu führt, dass der dritte Sektor ein besseres Bild in der Gesellschaft hätte. Kräuter: Wie ist es zur Gründung des „Fundraiser Magazins“ gekommen?

Stehfest: Die Gründung kam 2006 durch meinen Kollegen Matthias Daberstiel zustande. Er ist mit seiner eigenen beratenden Agentur im Spendenbereich schon viel länger tätig und hat durch seine Vernetzungen immer mehr Eindrücke, vor allem erstmal bundesweit, bekommen, wie die Branche aufgestellt ist. Dann kam ihm die Idee, dieses Branchenmagazin zu machen. Es ging von Anfang an primär um die Vernetzung der Branche. Aufgrund des gemeinnützigen Kerns findet auch sehr viel pro bono statt, also dass die Leute einfach willens sind, 23

Wissen und Erfahrungen zu teilen, ohne für jede Weitergabe von Information unbedingt Geld zu verlangen. Dieser Vernetzungsbedarf war schon immer sehr hoch und da ist das „Fundraiser Magazin“ sozusagen hineingestoßen. Kräuter: Woher bekommt es seine Informationen? In welchem Ausmaß wird mit PR-Abteilungen zusammengearbeitet?

Stehfest: Das ist ganz vielfältig. Wir sind zum einen persönlich sehr stark vernetzt. Was wir auch dadurch sehr gut leisten können, weil wir im Jahr sechs Veranstaltungen durchführen, die Fundraisingtage und das FundraisingSymposium. So bekommen wir grundsätzlich die Informationen, weil wir einfach mit den Leuten sprechen. Dann gibt es auch die ganz simplen Quellen, indem man Newsletter abonniert und auch Pressedienste wahrnimmt. Die sind natürlich nicht ausschließlich auf den dritten Sektor spezialisiert, aber da gibt es ja unterschiedliche Stichworte, unter denen man Dinge abonnieren kann. Was PR direkt anbelangt: Es gibt viele PR-Agenturen, die teilweise direkt für den Nonprofit-Bereich spezialisiert sind oder von größeren Organisationen beauftragt werden. Die treten in der Regel einfach an uns heran und vermitteln Themenvorschläge. Kräuter: Was ist Ihnen in der Zusammenarbeit mit der PR besonders wichtig?

Stehfest: Journalismus ist unabhängig und PR ist, streng gesehen, eine Dienstleistung. Wenn eine PR-Agentur eine neue Software für den Nonprofit-Bereich bewerben will, besteht die Möglichkeit, ein Advertorial zu buchen. Das wird dann ganz entsprechend ausgewiesen, dass das eben bezahlter Content ist. Die Schwierigkeit besteht darin, dass PR-Agenturen diese Trennung gerne versuchen zu umgehen. Ich verstehe, dass man a) seinen Auftrag erfüllen will, b) sein Produkt an den Mann bringen möchte und das natürlich c) so kostengünstig wie möglich. Da muss man immer scharf darauf achten, dass man professionell kommuniziert und sensibel reagiert, um sich sicher zu sein, wo ist jetzt hier wer, wo muss ich die Grenze ziehen und wo


© Paul Glaser © Adobe Stock: stanciuc

Rico Stehfest ist studierter Germanist/Anglist und als freier Journalist und Redakteur in Dresden tätig. Seine wichtigsten Themenbereiche sind zum einen der Dritte Sektor, NGOs und Fundraising und zum anderen die Kultur mit den Schwerpunkten Theater und Performance. Er schreibt unter anderem für das „Fundraiser Magazin.“

kann aber auch tatsächlich innerhalb eines Textes die PRAgentur die Projektarbeit einer NGO gut vertreten. Es ist ja nochmal etwas anderes, ob die Arbeit einer NGO promotet wird oder ein Produkt verkauft werden soll. In der Zusammenarbeit mit PR-Agenturen lässt sich das aber in der Regel problemloser kommunizieren als mit Geschäftspartnern, die nicht für PR-Agenturen unterwegs sind. Die verwechseln dann tatsächlich gern PR mit Journalismus bzw. wissen gar nicht, wie Journalismus definiert wird. Kräuter: Sie haben auch schon in der PR gearbeitet. Wie unterscheiden sich die Bedürfnisse und Perspektiven der beiden Berufsgruppen?

Stehfest: PR ist Marketing, behaupte ich. Journalismus ist kein Marketing. Wenn ich jetzt Marketing nochmal versuche runterzubrechen, dann ist Marketing verkaufen. Sicherlich, im Journalismus geht es auch darum, dass ich Informationen verkaufe, aber die sind anders gestaltet. Ich habe als Journalist einen ganz anderen Auftrag. Die Informationsverarbeitung ist durch eine/n JournalistIn eine ganz andere als durch eine/n PR-AgentIn. Der/die PR-AgentIn soll, ich sage es vereinfacht, die Dinge schön formulieren. Da ist salopp gesagt eine Lüge durchaus legitim, denn es geht darum, erfolgreich etwas zu verkaufen. Für den/die JournalistIn ist eine Lüge, ein Flunkern, selbstverständlich in keinster Weise irgendein Mittel der möglichen Darstellung. Da geht es auf jeden Fall um die Wahrheit, das unbedingte Bemühen um Objektivität und auch die Unabhängigkeit des Denkens. Was der/die JournalistIn vermarktet, ist primär die eigene Unabhängigkeit. In der PR ist man abhängig. Kräuter: Es ist immer weniger Zeit für journalistische Recherche, die Anzahl an PR-Fachkräften in den Unternehmen wächst, durch Social Media fällt es Organisationen immer leichter, selbst Informationen in die Welt zu schicken. Nimmt die Abhängigkeit zwischen PR und Medien zu oder nimmt die PR in gewisser Weise dem Journalismus Aufgaben weg?

Stehfest: Das kann ich nicht verallgemeinernd beurteilen, sondern nur vor dem Hintergrund meines individuellen Erfahrungshorizontes. Ich bin Journalist, das heißt ich bin unabhängig, das bedeutet für mich persönlich, ich habe es in jedem einzelnen Fall selbst in der Hand, wie ich mit etwas umgehe. Also wo lasse ich einen größeren Einfluss von PR zu und wo sage ich: „Das geht so überhaupt nicht, entweder ich schreibe das oder wir lassen das Ganze.“ Es kommt immer wieder vor, dass Dritte an uns herantreten und uns ein fertiges Interview anbieten. Da spielt es keine Rolle, ob es mehr oder minder verstecktes Marketing ist, denn ein Interview ist ein journalistischer Text und ich kann einen journalistischen Text nicht einkaufen. Das ist ein Widerspruch. Was ich einkaufen kann, ist PR. Oder ich kann eine/n Journalistin/en beauftragen, etwas zu tun, aber dann arbeitet er trotzdem immer noch unabhängig. Es kommt natürlich darauf an, von wem man spricht. Ich als einzelner Journalist tue mich vielleicht leichter, eine gewisse Unabhängigkeit zu wahren als größere Organisationen, bei denen es schwieriger ist, auf Basis unterschiedlicher Ansichten eine gemeinsame Entscheidung zu treffen. Ich selbst nehme aber nicht wahr, dass die PR irgendwo etwas übernimmt, in der Form, dass dem Journalismus etwas weggenommen wird. Es bleibt einfach dieser innere Charakter, dass Journalismus unabhängig bleibt. Kräuter: Wie denken Sie, wird sich das „Fundraiser Magazin“ und seine Zusammenarbeit mit der PR in Zukunft entwickeln?

Stehfest: Das ist natürlich die Frage, was die einzelnen PR-Agenturen von uns wollen. Ich bin jetzt seit sieben Jahren beim „Fundraiser“ dabei. Ich sehe da keine Verschiebungen, dass die PR irgendwo mehr Druck machen würde oder sogar weniger, das sehe ich einfach ganz ausgewogen.

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Wenn Marken Medien machen

Andrea Egger

Stefan Ebner, Managing Director Publishing des Red Bull Media House, gibt im „PRaktivium” Einblicke in die Arbeit von Unternehmensmedien und spricht über das Verhältnis zwischen Corporate Publishing und Journalismus.

© Dina Grojer

Andrea Egger: Das Red Bull Media House vereint allein im Printbereich sieben verschiedene Publikationen unter einem Dach, darunter die reichweitenstarken Magazine „Servus in Stadt & Land“ und „The Red Bulletin“. Was macht den Erfolg dieser Medien aus?

Stefan Ebner: Den Erfolg dieser Medien kann man an mehreren Kriterien ausmachen. Zusammengefasst: Qualität, Einzigartigkeit und Stringenz in der Markenführung. Egger: Was ist der größte Unterschied zwischen Corporate Publishing und Journalismus?

Ebner: Das ist eine spannende Frage in Zeiten, wo Content Marketing der vermutlich größte Trend im Marketing und in der Kommunikation insgesamt ist. Fakt ist, dass die Grenzen hier natürlich verschwimmen. Unternehmen, die im klassischen transaktionalen Business groß geworden sind, werden immer stärker zu Publishern. Umgekehrt haben Medienhäuser immer stärkere Zweige im transaktionalen Business über diverse Shops, Versteigerungsplattformen, etc. Diese, in der Vergangenheit sehr starken Trendbereiche, haben immer stärkere Überschneidungen und es gibt genug Beispiele, wo Marken schon sehr große eigene Medienabteilungen haben und eigene Medien machen. Man darf nicht vergessen: Im Social-Media-Zeitalter ist jeder Mensch, der sich dort herumtreibt, selbst ein/e Medienmacher/in. Genauso gilt das auch für Marken. Sobald sie einen Social-Media-Account haben, machen sie Medien. Und wenn man das gut machen will, dann wird man sich auch die entsprechende Kompetenz ins Haus holen, also diejenigen, die Medien machen können: JournalistInnen. Egger: Wie viel journalistisches Handwerk braucht es für Corporate Publishing?

Ebner: Extrem viel. Als Medienunternehmen mit verlegerischen Wurzeln gehört eine hohe journalistische Qualität zu unserer DNA. Sie ist das Fundament für erfolgreiche Corporate-Publishing-Medien. Die Zeiten, wo man eine schön gemachte Werbebroschüre als Corporate 25

Publishing-Produkt verkauft hat, sind vorbei. Auch im Corporate Publishing entscheidet am Ende des Tages, ob das Produkt bei den LeserInnen funktioniert oder nicht. Und dementsprechend geht es auch dort um gutes Storytelling. Wir subsumieren unsere diesbezüglichen Angebote daher auch bewusst unter „Co-Publishing“, dem gemeinsamen Storytelling für Marken unserer Partner. Egger: Worin sehen Sie den Mehrwert des Corporate Publishing für die RezipientInnen? Wo liegt der Nutzen für das Unternehmen?

Ebner: Der Mehrwert für die RezipientInnen liegt immer darin, ob die Geschichte interessant oder relevant ist oder nicht. Ich vergleiche das Corporate Publishing-Business immer gerne mit einem Fußballspiel: Es gibt SpielerInnen, die das Spiel gestalten, den Ball nach vorne bringen und ihn in den Strafraum hineinspielen. Aber vorne braucht es die StürmerInnen, die dann das Tor schießen. Corporate Publishing kann das Spiel mitgestalten, aber ist in der Regel nicht das Marketing- oder Kommunikationsvehikel, das den Abschluss bringt – dafür gibt es andere Maßnahmen im Marketing-Mix. Das Corporate Publishing ist dafür da, ein Themenfeld aufzubereiten und eine Marke besser verständlich zu machen, die Ideen und die DNA einer Marke zu übersetzen. Corporate Publishing ist für die Markenbildung und Markenbindung zuständig. Egger: Was sagen Sie dazu, dass RezipientInnen nicht mehr zwischen journalistischer Berichterstattung und Unternehmenskommunikation unterscheiden können?

Ebner: Es ist die Hauptaufgabe von MedienmacherInnen und JournalistInnen, den LeserInnen diesen Unterschied klar zu kommunizieren. Es gibt eine gesetzliche Grundlage und einen journalistischen Ehrenkodex. Wenn wir ein Magazin haben, das im Namen einer Marke als Corporate Publishing erscheint, dann weiß ich ja auch als KonsumentIn ganz klar, wer AbsenderIn ist. Sowohl als MedienmacherIn als auch als KonsumentIn muss man darauf achten, wer AbsenderIn ist. Die MedienmacherInnen haben die klare


© Red Bull Media House © Adobe Stock: Cozine

Stefan Ebner ist seit etwas mehr als zwei Jahren Mitglied in der Verlagsgeschäftsleitung des Red Bull Media House und kümmert sich als Managing Director Publishing um die gesamten kommerziellen Agenden. Zuvor hat er knapp sieben Jahre das „The Red Bulletin Magazin“ weltweit gemanagt und war mehrere Jahre im ORF-Marketing tätig.

Verantwortung, sorgsam mit dieser Unterscheidung umzugehen. Wenn man es klar unterscheidet, dann kommt es auch bei den KonsumentInnen richtig an. Versteckte Werbung erkennt am Ende des Tages der Leser und die Leserin immer und dies ist in der Regel nie gut für die AbsenderInnen. Egger: Inwiefern ist Corporate Publishing ein Teil der PR-Kommunikation?

Ebner: Es sind für mich zwei unterschiedliche Disziplinen, die in unterschiedlicher Gewichtung eine entscheidende Rolle haben, je nach Unternehmen. Aber eigentlich existieren sie parallel und sind nicht vermischt. Egger: Wie beschreiben Sie das Verhältnis zwischen journalistischen Magazinen und Unternehmensmagazinen am österreichischen Printmarkt?

Ebner: Wir merken eine gestiegene Nachfrage an Corporate-Produkten, nicht nur im Magazinbereich, sondern quer durch alle Mediengattungen. Das ganze Thema „owned media“ – sei es jetzt in Magazinen oder in anderer Form oder auch im Social-Media-Bereich – wird größer. Was den Content und das Storytelling betrifft, ist das einfach ein wichtiger Bestandteil im Marketing-Mix und hier wird definitiv auch der Bedarf ein größerer werden. Gleichzeitig braucht es natürlich auch in einer Medienlandschaft eigenständige Marken, die ihren jeweiligen Auftrag erfüllen. Das können Marken sein für die Unterhaltung, die Inspiration oder gewisse Themenwelten, so wie wir unsere Magazine machen. Ich glaube auch da, dass es eine natürliche Koexistenz gibt. Wichtig ist, dass man für beides auf eine journalistische und „medienmacherische“ Kompetenz zurückgreift. Egger: Sehen Sie Corporate Publishing als eine Bedrohung für den klassischen Journalismus oder ist eine friedliche Koexistenz möglich?

Ebner: Ja, natürlich gibt es eine Koexistenz und ich glaube nicht, dass Corporate-Magazine dafür verantwortlich wären, dass es weniger eigenständige Ma-

gazinmarken gäbe. Da sehe ich überhaupt keinen Verdrängungswettbewerb. Egger: Was können sich Unternehmensmedien von klassischen journalistischen Medien abschauen und umgekehrt?

Ebner: Ich glaube, man kann immer von anderen lernen. Es geht am Ende des Tages darum, ob die Geschichten, die ich erzähle – egal in welchem Medium, mit welcher Widmung und welchem Absender – für den Leser und die Leserin, die ich intendiere zu erreichen, relevant sind oder nicht. Das müssen die Corporate-Medien einfach auch von den eigenständigen Medienmarken übernehmen. Umgekehrt muss man, gerade wenn man ein Corporate-Produkt für eine Marke machen darf, diese Marke verstehen und stringent sein, was die Markenführung und die Mediengestaltung angeht. Ich muss mir gerade bei einem Corporate-Magazin umso mehr die Frage stellen: Passt eine Geschichte in mein Produkt oder nicht? Weil es hat nicht nur einen Impact auf die Blattlinie, sondern in weiterer Wirkung auch einen Impact auf die Marke, die dahinter steht. Egger: Bitte werfen Sie zum Abschluss noch einen Blick in Ihre Kristallkugel. Wie wird die weitere Entwicklung des Verhältnisses zwischen Corporate Publishing und Journalismus in der Zukunft aussehen?

Ebner: Wie Sie gesagt haben, es ist eine Kristallkugel und ich bin ein schlechter Wahrsager. Aber es gibt natürlich gewisse Trends. Insgesamt ist die Medienlandschaft quer durch alle Gattungen in einem extremen Umbruch und dieser Umbruch beschleunigt sich massiv. Wir glauben ganz stark, dass gut gemachte Medien-Produkte immer relevant sein werden und ihre Leserschaft finden werden. Dementsprechend ist auch Print alles andere als tot. Wir glauben, dass wir die Marken, die wir haben, auch in Zukunft verlegen werden. Die Nachfrage nach wirklich gut gemachten Corporate-Medien wird eine größere werden – das betrifft den Magazinbereich, aber es geht auch darüber hinaus.

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Das Zusammenspiel der Interessen in Brüssel

Lisa M. Samwald

Andreas Lieb, EU-Korrespondent der „Kleinen Zeitung“ und der „Wiener Zeitung“, zeichnet ein Bild des journalistischen Geschehens in Brüssel.

©Stefanie Ostermann

Lisa M. Samwald: Sie sind schon seit langem journalistisch tätig und seit einiger Zeit in Brüssel. Wie hat sich Ihrer Meinung dieser Bereich in den letzten Jahren verändert?

Andreas Lieb: Da müsste man sich zunächst die Personalstände von vor 20 Jahren und heute anschauen. Ich habe nicht unbedingt das Gefühl, dass es so wirklich ausgedünnt ist, im Gegenteil. Wir haben viele neue KollegInnen in der Redaktion. Ich glaube, was sich wirklich verändert hat ist, dass die Anforderungen pro Journalist/ in deutlich gewachsen sind. Es ist noch nicht so lange her, da ging es in der Branche jeweils um ein einzelnes Produkt, beispielsweise eine Fernsehsendung oder eine Tageszeitung, und die Leute, die dort gearbeitet haben, haben dieses eine Produkt bespielt und sich darauf konzentriert. Inzwischen ist es aber so, dass man als Journalist/in quasi auf allen Plattformen gleichzeitig präsent sein sollte oder für alle Plattformen arbeiten sollte; beziehungsweise die Plattformen vermischen sich untereinander. Und das erhöht die Anforderungen natürlich schon enorm. Ich glaube, die Personalstände sind nicht so schlecht, nur die Arbeitsanforderungen haben zugenommen. Auch die Geschwindigkeit hat sehr zugenommen. Man kann sich also nicht mehr sehr lange wie früher einmal mit einzelnen Dingen beschäftigen, weil viele andere Dinge auch noch warten, die zu erledigen sind. Samwald: Sind Abhängigkeiten zwischen PR und Medien in Brüssel zu beobachten? Ist ein Bereich dominanter?

Lieb: Überall, wo jemand an Medien etwas weitervermitteln will versucht man das möglichst gut hinzukriegen. Und umgekehrt, wir JournalistInnen suchen natürlich nach Informationen und sind dankbar, wenn wir wissen, wo wir die bekommen können oder wen man fragen kann. Also ich würde es nicht so negativ besetzen, als Abhängigkeiten. Es ist ein Zusammenspiel von vielen Interessen, die sich im Idealfall irgendwo miteinander treffen. Ein Unterschied, der mir im Vergleich zu Österreich aufgefallen ist: Ich habe ein bisschen den 27

Eindruck, man müsste in Österreich manchen Dingen etwas länger nachlaufen, bis man beispielsweise eine/n Gesprächspartner/in bekommt. In Brüssel ist das fast eher umgekehrt, da bekommt man relativ oft Angebote für ein Interview oder ein Gespräch, etwa von Abgeordneten. Wenn ich das nur auf den politischen Bereich beschränke: Wenn ein Minister aus einem EU-Land nach Brüssel reist, ist er sozusagen in diesen ein bis zwei Tagen in seinem Heimatland von der Bildfläche verschwunden. Das heißt, er hat dort keinen Presseauftritt, er ist froh, wenn er hier vor eine Kamera treten oder mit JournalistInnen reden kann, um seine Arbeit zu dokumentieren. Wir tun uns da ein bisschen leichter, Kontakt zu haben und Möglichkeiten zu finden für Gespräche. Samwald: Das heißt, die Initiative in Brüssel geht oft stärker von der PR oder wenn man so will von den handelnden Personen aus als von den JournalistInnen.

Lieb: Es ist sehr proaktiv. Es gibt hier Heerscharen von PressemitarbeiterInnen. Jede/r einzelne Abgeordnete, jede Delegation, jede Fraktion und jede der vielen Institutionen hat im Prinzip eigene PressemitarbeiterInnen und man wird gelegentlich von der Informationsflut überrollt. Das heißt aber natürlich nicht, dass wir die Entscheidung, welche Themen wir aufgreifen und wie wir das machen, aus der Hand geben. Aber es ist gleichzeitig relativ gut strukturiert und relativ offen. Allein durch die Vielfalt, es sind ja alle Parteien und Gruppierungen hier vertreten. In dem Augenblick, wo eine Seite etwas macht kommt eine Stunde später von der anderen sicher eine Reaktion darauf. Das ist relativ gut geölt, finde ich. Samwald: Welche Rolle spielen Ihrer Meinung nach in diesem Themengebiet die sozialen Medien? Benötigen Unternehmen, Organisationen, Institutionen überhaupt noch JournalistInnen?

Lieb: Das ist nicht ganz leicht zu beantworten. Soziale Medien spielen eine sehr, sehr große Rolle. Wobei das Hauptmedium hier in Brüssel ganz eindeutig „Twitter“ ist. In Österreich wird das in diesem Bereich nicht


© Andreas Lieb © Adobe Stock: Grecaud Paul

Andreas Lieb ist EU-Korrespondent in Brüssel für die „Kleine Zeitung“ und die „Wiener Zeitung“ und Leiter des Brüsseler Büros der „Kleinen Zeitung“. Vor seiner Stelle in Brüssel war er in der Grazer Redaktion als ÖsterreichChef, stellvertretender News-Chef und als Deskchef für alle Plattformen (print und online) der „Kleinen Zeitung“ tätig.

anders sein. Für uns JournalistInnen ist „Twitter“ wahnSamwald: Wie würden Sie einschätzen, zeichnet sich die Zukunft des Journalismus in Brüssel aus? sinnig wichtig, weil man erstens schnell zu Dokumenten kommt, die irgendwo herumschwirren, die man sonst Lieb: Was mir schon auffällt ist, dass in allen Bereichen die vielleicht nicht hätte. Und zweitens ist es so, dass …heute Geschwindigkeit zugenommen hat. Das heißt, das Tempo (Anm. zum Interviewzeitpunkt) wäre da ein klassischer ist sehr hoch und man muss aufpassen, dass man nicht zu Fall. Heute beginnt um 15:00 Uhr ein EU-Gipfel, der bis oberflächlich wird. Es vergeht beispielsweise kaum eine morgen dauert und das Ratsgebäude ist komplett abgeWoche, wo die EU-Kommission nicht eine große Strategie, sperrt wegen Corona. Das heißt, man kann dort im Geein großes Papier oder ein großes Thema präsentiert, das gensatz zu normalen Zeiten derzeit nicht einmal arbeiten. alle betrifft. Das sind etwa Vorschläge für ein neues AsylDieser Gipfel tagt sozusagen hinter verschlossenen Türen. Migrationswesen, Klimaziele, Green Deal oder kürzlich hat Und da ist der Hauptkommunikationskanal „Twitter“. Das Von der Leyen dieses Bauhaus-Projekt präsentiert. Das sind heißt, bei den Leuten dort drinnen twittert immer eine/r sehr große, komplexe Dinge, wo es viele Grafiken, Sheets einmal über aktuelle Entwicklungen. Das ist sehr schnell und Websites gibt und das ist in dieser Menge in kurzer Zeit nicht leicht zu transportieren und die Hintergründe und da schauen natürlich alle drauf, lange, bevor es dann auszuleuchten. die Pressekonferenz gibt. Aber, erstens ist „Twitter“ eine Bubble. Das hilft meinem Leser, meiner Leserin nicht. Wenn ich da irgendwelche „Twitter“-Nachrichten lese in Brüssel, Samwald: Hätten Sie eine Idee, wie man dieses Problem – komplexe Inhalte schnell vermitteln zu muss ich das, was da drinnen steht, auch umsetzen, ich muss müssen – etwas mindern könnte? das interpretieren. Und man braucht nur an Donald Trump denken oder Leute, die das sozusagen als Spielzeug benutLieb: Nein, ehrlich gesagt nicht. Die Sachverhalte sind zen – umso eher würde ich meinen, dass auch interessierte eben sehr komplex. Und unser Job besteht ja darin, das zu Menschen, also sogar die, die selber mittun und die da mitübersetzen. Bei diesem Transport muss man halt schauen, reinschauen, eine Interpretation oder eine Erklärung braudass man möglichst nichts liegen lässt oder völlig falsch chen und dafür glaube ich sind wir JournalistInnen auch da. interpretiert. In sozialen Medien ist schnell irgendwas Und das Zweite ist, dass diese ganzen Kurzmeldungen nichts getippt, das ist wie bei den Corona-Verschwörungen. helfen, wenn es um eine Debatte Also brauche ich ein Trägermegeht oder darum, etwas zuzuorddium, dem ich auch als Kunde/ nen und auch Fragen zu stellen. in, als Leser/in halbwegs vertrau„Wenn ich da irgendwelche ‚Twitter‘Da gibt es nach wie vor immer Nachrichten lese in Brüssel, muss ich das, en kann; dafür sind wir da. Ich und zu allen Themen Pressekonfe- was da drinnen steht, auch umsetzen, ich muss nicht immer einverstanden sein mit dem, was da steht. Aber renzen und Pressetermine, wo die muss das interpretieren.“ ich brauche, glaube ich, eine Meeinzelnen Player versuchen, ihren dienmarke, von der ich annehme, Standpunkt darzulegen, weil sonst dass sie sich doch ernsthaft mit dem beschäftigt, auseinwürde ja das Bild verzerrt werden. Hier und in vielen perandersetzt und auch so viele Ressourcen hat, dass das, was sönlichen Gesprächen fragen wir natürlich nach. Diese Inherauskommt, halbwegs abgetestet und abgedichtet ist teraktion ist wahnsinnig wichtig, um „on Track“ zu bleiben, und nicht nur schnell, schnell irgendwas hinausgeschosweil sonst ist man dem ausgeliefert, was irgendwer in 280 sen wird, bloß damit man Erster ist. Zeichen schnell runtertippt, und das kann man so und so auslegen… mit ein paar Emojis noch dazu. 28


Der Weg aus PR in den Journalismus

Eva Müllner

Davina Brunnbauer, Journalistin bei „DER STANDARD“, erzählt in „PRaktivium“ über ihren Weg aus der PR in den Journalismus und den damit verbundenen Herausforderungen.

© FH St. Pölten

Müllner Eva: Wie siehst du die Abhängigkeit bzw. Unabhängigkeit zwischen PR und Journalismus und inwiefern macht sich dies in deinem Alltag als Journalistin bemerkbar?

Brunnbauer Davina: Grundsätzlich glaube ich, dass sich die beiden Berufsgruppen bedingen, weil sie insofern voneinander abhängig sind, dass JournalistInnen für PR-Leute die Gatekeeper sind. JournalistInnen sind auf der anderen Seite auch angewiesen auf Informationen, die sie aus Unternehmen, Institutionen oder von PolitikerInnen bekommen. Als Politikjournalistin erhalte ich meine Informationen von PolitikerInnen oder PressesprecherInnen bzw. Aussendungen und Konferenzen und versuche jede Information kritisch zu hinterfragen. Müllner: Wie gestaltete sich dein Berufseinstieg in den Journalismus und mit welchen Herausforderungen warst du konfrontiert?

Brunnbauer: Ich würde mich mehr als Quereinsteigerin definieren. Ich war bei einer NGO als Presseassistentin angestellt, d.h. ich war immer in diesem Dunstkreis von politischer Kommunikation, aber eben auf der anderen Seite. In der „Presse“-Lehrredaktion habe ich das notwendige Handwerk für den Journalismus erlernt und habe danach als freie Journalistin begonnen. Aber grundsätzlich gilt: Der Konkurrenzdruck ist groß. Deshalb glaube ich schon, dass man Talent mitbringen muss, im Sinne von Sprachgefühl, zusätzlich den gewissen „Biss“, sehr viel Wissensdurst und Leidenschaft. Du musst die ganze Zeit liefern, ausprobieren und an dir selbst arbeiten. Du solltest immer Kritik einfordern und diese auch umsetzen. Es ist ein unglaublich spannender Beruf, aber vor allem der Einstieg als freie Journalistin sehr schwierig. Du musst dir erstmal deine ganzen Kontakte innerhalb der Branche aufbauen. Gleichzeitig ist es so, dass gerade von jungen JournalistInnen sehr viel verlangt wird. 29

Man sollte schreiben, Videos und Podcasts machen können und sich ständig weiterbilden. Müllner: Welche Tipps hast du für Personen, die es in Erwägung ziehen, im Journalismus tätig zu werden?

Brunnbauer: Mein Tipp wäre, sich rasch zu spezialisieren. Einerseits auf eine Textgattung, weil es ein Unterschied ist, ob ich bei einer Zeitung arbeiten will, beim Radio oder Fernsehen. Und gleichzeitig ist es ganz praktisch, wenn man ein Spezialgebiet hat, in dem man sich gut auskennt. Laufend an sich selbst zu arbeiten, Kritik einzufordern, regelmäßig Geschichten anzubieten. Was auch sehr wichtig ist: viel zu lesen. Dadurch lernt man viel über Sprache, Textgattungen und generell das Handwerk. Müllner: Häufig wechseln JournalistInnen in die PR. Was hat dich dazu bewogen, den umgekehrten Weg zu gehen? Konträr gefragt: Wäre es für dich eine Option, auch wieder im PR-Bereich zu arbeiten?

Brunnbauer: Ich würde nicht sagen, dass mein Weg ein geplanter Weg gewesen wäre. Mich hat generell einfach dieses Gebiet interessiert – öffentliche Meinung, politische Kommunikation, Politik an sich. Die Arbeit bei der NGO fand ich so spannend, dass ich dies im Master vertiefen wollte und dann habe ich doch wieder die Liebe zum Schreiben gefunden. Ich kann nicht sagen, wie es in Zukunft bei mir weitergehen wird. Ich bin aktuell sehr glücklich in meinem Job, finde es extrem spannend und kann mir gerade nichts Besseres vorstellen. Müllner: Was müsste passieren, damit der Journalismus-Beruf attraktiver wird und somit der Wechsel vom Journalismus zur PR weniger oft vorkommt?

Brunnbauer: Das ist das grundsätzliche Problem der Medienkrise. Durch den Wandel hin zu Online verlieren klassische Medien an Bedeutung. Das heißt, da kommen noch viele Veränderungen auf die Medienlandschaft zu und gleichzeitig wird aber das Geld immer weniger und dementsprechend werden auch die Arbeitsbedingungen nicht besser für JournalistInnen. Ich sehe da keinen


© Julia Deutsch © Adobe Stock: New Africa

Davina Brunnbauer ist Politikjournalistin bei der Tageszeitung „DER STANDARD“. Nach dem Wirtschaftsstudium spezialisierte sie sich an der FH St. Pölten mit Media- und Kommunikationsberatung auf PR und arbeitete als Presseassistentin bei Global 2000. Sie machte eine Ausbildung in der „Presse“-Lehrredaktion und arbeitete u.a. als freie Journalistin, bevor sie beim „STANDARD“ begann.

schnellen Ausweg. Und natürlich ist es auch so, dass Journalismus an sich kein 9-to-5-Job ist. Es ist generell sehr schwierig abzuschalten, man denkt auch nach Dienstund Redaktionsschluss viel über Geschichten und Ideen nach. Aber das ist natürlich die Gefahr, wenn man das Hobby zum Beruf macht. Müllner: Welches Wissen konntest du durch deine Ausbildung und Erfahrung in der PR für den Journalismus nutzen? Welchen Vorteil siehst du darin, einen Einblick in beide Berufe erlangt zu haben?

Brunnbauer: Für mich ist es von Vorteil zu wissen, wie PolitikerInnen kommunizieren, wie sie sich inszenieren, welche Botschaften sie gerne verbreiten würden und was hinter gewissen Botschaften eigentlich steckt. Man kann etwas reflektierter auf diese Botschaften reagieren, gezielter Fragen stellen und den Inhalten besser auf den Grund gehen. Wenn man weiß, wie die andere Seite funktioniert und arbeitet, dann fällt die Zusammenarbeit leichter. Gewisse Sachverhalte kann man einfach besser entschlüsseln, wenn man sich hineinversetzen kann, wie hätte ich sie jetzt auf der anderen Seite gelöst. Müllner: Es ist bekannt, dass die Gehälter beider Berufssparten sehr unterschiedlich sein können. Inwiefern hat dies deine Entscheidung beeinflusst?

Brunnbauer: Das Gehaltstechnische hat mich nicht beeinflusst in meiner Entscheidung. Ich glaube, der Einstieg in die PR ist auch nicht extrem hochdotiert und jetzt würde es für mich auch noch wenig Unterschied geben in beiden Bereichen – aber selbst wenn. Mir bietet der Journalismus an sich mehr als das höhere Gehalt in der PR. Müllner: Wie sieht deiner Meinung nach die perfekte Zusammenarbeit zwischen PR und Journalismus aus? Ist das aktuell die Realität oder eine Wunschvorstellung?

lichen immer zur Stelle sind, d.h. man erhält immer eine Antwort. Wie brauchbar diese Antwort ist, ist eine andere Frage. Je besser das Vertrauensverhältnis zu einer/m PRVerantwortlichen ist, desto mehr Informationen erhält man auch im Hintergrund, was es dann leichter macht, eine Geschichte oder Aussage zu verstehen. Was die Arbeit sehr beeinträchtigt, ist die Message Control, die von einigen PolitikerInnen und Parteien ausgeübt wird. Da kommt es schon mal vor, dass manche PolitikerInnen gar nichts sagen wollen, ohne es vorher mit der Partei abzusprechen. In meiner Zusammenarbeit funktioniert es meistens sehr gut, obwohl ich mir oft mehr Inhaltliches wünschen würde und nicht so viele Phrasen. Müllner: Ein Blick in die Zukunft. Wird der Trend, dass JournalistInnen in die PR wechseln anhalten, werden PR-Fachleute den Gefallen am Journalismus gewinnen oder werden die Berufsbilder doch immer weiter verschmelzen?

Brunnbauer: Das ist abhängig davon, wie sich die Medienlandschaft entwickeln wird, gerade die Verschmelzung von PR und Journalismus. Wenn die klassischen Medien ganz wegbrechen, dann weiß ich nicht, ob der Journalismus-Beruf so noch bestehen kann. Ob JournalistInnen weiterhin Lust haben, in die PR zu wechseln ist eine sehr persönliche Entscheidung, andererseits ist es schon auch eine Frage der Arbeitsbedingungen, und wenn immer weniger Geld in Medien fließt, dann kann man sich ausrechnen, dass die Bedingungen in PR besser sein werden als im Journalismus. Der Wechsel von der PR in den Journalismus ist dann umgekehrt eine Prioritätensetzung: Will ich für eine womöglich freiere und kreativere Tätigkeit auf Gehalt verzichten? Was die Zukunft betrifft, möchte ich mich generell nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Vor 15 Jahren hätte man wahrscheinlich auch noch nicht damit gerechnet, welchen starken Einfluss neue Medien auf die Medienlandschaft haben.

Brunnbauer: Ich glaube, das kommt darauf an, in welchem Bereich man arbeitet. Ich kann es jetzt nur für die Politik beantworten. Positiv ist, ist dass die PR-Verantwort30


Herausforderung Corona-Pandemie für Journalismus & PR

Dina Grojer

Gerald Hofbauer, Wirtschaftsredakteur der „Kronen Zeitung“, im Gespräch mit „PRaktivium“ über (veränderte) Rahmenbedingungen des Journalismus und die Zusammenarbeit mit PR-Agenturen während der Corona-Pandemie.

© Hanna & Rene

Dina Grojer: Mitte März befanden wir uns in einer weltweiten Ausnahmesituation. Wir mussten uns nicht nur privat, sondern auch beruflich neu organisieren. Wie haben sich die Rahmenbedingungen für den Journalismus geändert?

Gerald Hofbauer: Homeoffice hat auch uns in der Redaktion getroffen. Obwohl wir als systemrelevant bezeichnet werden, haben wir einige Wochen von Zuhause aus gearbeitet, um kein Risiko einzugehen. Das war anfangs eine Herausforderung. Nach und nach haben wir uns aber eine gute Infrastruktur aufgebaut. Mit Hilfe von WhatsApp-Gruppen haben wir uns dann ausgetauscht, Themen abgeklärt und unsere wöchentliche Konferenz über Skype abgehalten. Grojer: Wie hat sich die Berichterstattung während des Lockdowns geändert?

nehmen selbst weniger News. Vor allem News abseits von Corona waren selten. Grojer: Wie stehen Sie generell zu PR? Ist PR für Sie eine Orientierungshilfe oder eine Ergänzung zum Journalismus?

Hofbauer: Ich sehe die PR als Themenlieferant. PRAgenturen sind ein wichtiges Bindeglied zwischen den Unternehmen und JournalistInnen. Für mich sind PRAgenturen immer die erste Ansprechstelle. Nicht, weil kein Kontakt zu den Unternehmen bestünde, sondern weil gute Agenturen mittlerweile ein Verständnis für den Journalismus und redaktionelle Geschichten haben. Natürlich gibt es Medien, die PR-Aussendungen unreflektiert übernehmen. Vor allem in dünn besetzten Redaktionen oder Online-Redaktionen kann das schon einmal vorkommen. Hier geht es einfach um Schnelligkeit. Das ist aber nicht mein Zugang. PR-Agenturen sind für mich Themenlieferanten, daher sehe ich sie als Orientierungshilfe.

Hofbauer: Abgesehen davon, dass im Homeoffice alles ein bisschen länger gedauert hat, hat sich von der Art und Genauigkeit des Recherchierens nichts verändert. Was man schon sagen muss ist, Grojer: War der Journalismus „Die gegenseitigen Abhängigkeiten während des Lockdowns abdass die Berichterstattung sehr coronalastig wurde. Da auch das haben sich meiner Meinung nach nicht hängiger von der PR? Wirtschaftsressort massiv von geändert. Was man aber sagen muss, Hofbauer: Die gegenseitigen der Pandemie betroffen war, hatAbhängigkeiten haben sich meiist dass PR-Agenturen mit Nicht-Coro- ner Meinung nach nicht geänten wir hier keine Kürzungen. na-Themen abhängiger vom Journa- dert. Was man aber sagen muss, Wir hatten voll zu tun, da täglich ein breites Themenspektrum auf lismus waren. Der Platz dafür war zu ist dass PR-Agenturen mit Nichtuns hereinprasselte. Angefangen Corona-Themen abhängiger vom dieser Zeit einfach nicht da.“ von Hiobsbotschaften aus dem Journalismus waren. Der Platz Handel bis hin zu Studien, die die Auswirkungen des dafür war zu dieser Zeit einfach nicht da. Andererseits war Lockdowns auf die Wirtschaft untersuchten. es für PR-Agenturen, die hier passende Themen lieferten auch teilweise leichter durchzukommen und einen mitunGrojer: Welche Rolle hat dabei die PR gespielt? ter ganz guten Platz in der Zeitung zu bekommen. Hofbauer: Ich würde sagen eine ähnliche wie vor Corona. PR-Agenturen waren noch stärker gefordert – Stichwort Grojer: Hat sich das mittlerweile wieder geändert? Krisen-PR. Wichtig war uns auf jeden Fall, dass wir den Hofbauer: Ja. Die Lage hat sich über den Sommer wieKontakt mit den Agenturen aufrecht hielten. Erreichbarder gebessert. Man kann sagen, dass die Corona-Verdroskeit ist vor allem bei Tageszeitungen wichtig. In Summe senheit bei den LeserInnen schon ein gewisses Level erkamen sowohl von den Agenturen, als auch von den Unterreicht hat. Corona ist zwar immer noch Thema Nummer 31


© Gerald Hofbauer © Adobe Stock: fizkes

Gerald Hofbauer studierte Betriebswirtschaft an der Wirtschaftsuniversität Wien. Bereits während seines Studiums arbeitet er als freier Mitarbeiter bei der „Kronen Zeitung“, wo er seit 2004 als Wirtschaftsredakteur angestellt ist. Abseits der Arbeit interessiert er sich für Reisen, Tennis, Volleyball, Radfahren, Fischen und Oldtimer.

eins, aber mittlerweile haben es Agenturen schon wieder leichter, mit Good News durchzukommen. In der Wirtschaft berichten wir schon wieder so wie vor Corona. Wir entscheiden nicht mehr so sehr, ob es eine Corona- oder eine Nicht-Corona-Geschichte ist, sondern gewichten sie nach dem Interesse unserer LeserInnen. Grojer: PR-Agenturen sind unterschiedlich mit der Situation umgegangen. Manche haben Online-Pressekonferenzen veranstaltet, manche haben ihre Aktivitäten zurückgeschraubt. Wie sind Sie an ihre Informationen gekommen?

Hofbauer: Die Kommunikation hat sich nicht grundlegend verändert. Informationen kamen nach wie vor täglich per Telefon und E-Mail. Online-Pressekonferenzen haben nach und nach zugenommen. Anfangs gab es aber auch hier die einen oder anderen Probleme. Die größten Probleme waren eine schlechte Internetverbindung, instabiles Bild und/oder Ton, was das Fragenstellen schwieriger macht oder auch triviale Dinge wie zum Beispiel, dass jede/r sein bzw. ihr Mikro abdreht. Wenn das alles funktioniert, sehe ich Online-Pressekonferenzen als gute Ergänzung. Sie sind aber kein Ersatz für persönliche Treffen. Grojer: Ein Nachteil der Online-Pressekonferenzen ist also der fehlende Austausch mit KollegInnen?

Hofbauer: Gleiches gilt für PR-BeraterInnen, auch hier fehlt der persönliche Kontakt. Im informellen Gespräch entstehen auch hier oft interessante Themen, da sie in der Regel ja auch mehrere Unternehmen betreuen. Grojer: Würden Sie behaupten, dass wechselseitige Abhängigkeiten künftig zunehmen werden – speziell auch aufgrund der Corona-Situation? Wird ein Bereich dominanter werden?

Hofbauer: Ich habe Agenturen immer schon als Partner, als Vermittler von Botschaften gesehen. Ich glaube, dass die beiden Bereiche nicht ohne einander können. Sie befruchten sich gegenseitig. Das hat vor der CoronaPandemie gut funktioniert und wird auch nach Corona weiterhin funktionieren. Die Pandemie hat das Verhältnis weder in positiver noch in negativer Weise beeinflusst. Wir sitzen hier alle im selben Boot. Ob wechselseitige Abhängigkeiten in der Zukunft zunehmen werden, weiß ich nicht. Ich sehe PR-Agenturen weiterhin als Vermittler von Botschaften. Aber am Ende des Tages ist es immer die Redaktion, die entscheidet, ob es eine Geschichte ist oder nicht. So wird es auch bleiben. Das macht eine unabhängige Redaktion aus.

„Wenn das alles funktioniert, sehe ich Online-Pressekonferenzen als gute Ergänzung. Sie sind aber kein Ersatz für persönliche Treffen.“

Hofbauer: Genau. Sehr viele Geschichten entstehen im informellen Austausch. Online stellt man lediglich Fragen zum Thema der Veranstaltung. Offline fragt man eher auch danach, was sich abseits des besprochenen Themas noch im Unternehmen tut. Da entstehen oftmals die wirklichen Geschichten. Das vermisse ich bei Online-Pressekonferenzen.

Grojer: Wer wurde während der Corona-Pandemie mehr gehört: die PR oder der Journalismus?

Hofbauer: Klar ist, dass die PRAgenturen mehr gefordert waren als sonst. Die PR hört man erst durch die Medien. Es kann durchaus sein, dass sie mit den richtigen Corona-Themen mehr gehört wurden. Ob sie aber in Summe mehr gehört wurden, glaube ich nicht.

Grojer: Hat sich der persönliche Kontakt zwischen PR-BeraterInnen und JournalistInnen aufgrund der Maßnahmen geändert? 32


Wie viel Freundschaft verträgt Journalismus auf Reisen mit der Politik?

Philip Hagen

Daniel Lohninger, Chefredakteur der „Niederösterreichischen Nachrichten“ (NÖN), spricht mit „PRaktivium“ über kritische Distanz, Pressereisen und darüber, ob Freundschaft zwischen PolitkerInnen und JournalistInnen möglich sei.

© ORF

Philip Hagen: Wie stehen Sie generell zu Pressereisen und an wie vielen haben Sie bereits teilgenommen?

Daniel Lohninger: Das kann ich Ihnen jetzt im Detail nicht genau sagen, es sind auf jeden Fall schon einige. Ich finde diese Reisen wichtig, da sie eigentlich immer einen relevanten Informationsgehalt haben und es immer etwas gibt, über das man berichten kann und sie einem entsprechende unabhängige Hintergrundberichterstattung ermöglichen. Natürlich in unserem Fall immer vor dem Hintergrund Niederösterreich. Hagen: Zum einen sind solche Pressereisen sowohl von Seiten der Politik als auch von Seiten der Presse notwendig. Aber kann das nicht ganz schnell gefährlich werden, wenn da Kosten getragen werden und man eventuell teuer essen geht? Wie schafft man es hier, die nötige Distanz zu wahren?

Lohninger: Hier ist es grundsätzlich einmal so, dass bei den NÖN im Dienstverstrag jedes/r Journalisten/in festgehalten ist, dass Geschenkannahmen zu unterlassen sind, wenn sie die Meinung beeinflussen – da gehört für mich auch teures Essen dazu. Das heißt, die Distanz zu wahren ist eigentlich nicht so schwer, da es eine klar definierte Grenze gibt – sobald meine Einstellung zum Thema beeinflusst wird, ist diese Grenze überschritten. Wenn einen die Politik etwa mit nach Brüssel nimmt, ist ein Flug nichts, was die Einstellung beeinflusst, da Fliegen nichts Besonderes mehr ist. Auch ein Essen würde ich nicht als beeinflussend sehen. Und dass man wie früher bis 3-4 Uhr in der Nacht noch etwas trinken gegangen ist, das gibt es heutzutage eigentlich nicht mehr. Insofern ist die Grenze eigentlich relativ leicht zu ziehen. Hagen: Damit haben Sie mir auch das Stichwort für die nächste Frage geliefert. Wie hat sich das im Laufe der Zeit geändert? Ich kann mir vorstellen, dass Compliance früher nicht so das große Thema war.

Lohninger: Das stimmt, das ist heute sicherlich wichtiger. Sowohl bei den JournalistInnen selbst, als auch seitens der Politik, der auch daran gelegen ist, dass es hier zu 33

keinen Problemen kommt. Ich nehme an, dass die Grenzen früher andere waren. Natürlich kann man diskutieren, ob Pressereisen grundsätzlich nötig sind. Ich finde aber schon, dass es aus journalistischer Sicht wichtig ist, da auf solchen sehr viele Personen bzw. Quellen verfügbar sind und man nicht für einzelne Gespräche irgendwohin fliegen muss. Hagen: Jetzt haben wir gerade über die Vergangenheit gesprochen, wie sehen Sie die Zukunft? Werden die Pressereisen sukzessive zurückgehen und durch Technik wie Videokonferenzen ersetzt?

Lohninger: Ich glaube schon, dass es das in Zukunft noch geben wird und sehe den Verzicht darauf auch als Gefahr. Denn das hieße, dass es beispielsweise vom Besuch der Landeshauptfrau beim EU-Rat in Brüssel nur bereitgestelltes Material geben würde. Wenn JournalistInnen nur auf Materialien zurückgreifen, die zur Verfügung gestellt werden, muss aber jedem und jeder bewusst sein, dass man so nur auf eine „gefilterte“ Wahrheit zurückgreifen und sich selbst keine Meinung mehr bilden kann, wie man es könnte, wenn man vor Ort wäre. Vor Ort kann man sich als Journalist/in viel leichter im Umfeld etwa von Frau von der Leyen entsprechende Hintergründe erarbeiten, da verschiedene SprecherInnen vor Ort greifbar sind. Gibt es hingegen nur zur Verfügung gestellte Informationen, kann man nicht mehr viel entscheiden – hier gibt es nur die Entscheidung, ob man sie verwendet oder nicht. Eine komplette Abschaffung fände ich allerdings, auch im Sinne der Demokratie, nicht gut. Der aktuelle Weg ist aber ein guter. Pressereisen werden zeitlich eingegrenzt und auch das Rundherum wird auf das Wesentliche beschränkt. Aktuell ist es natürlich einfacher, Informationen per Videokonferenz einzuholen. Hagen: Und glauben Sie, dass das auch in Zukunft so bleiben wird?

Lohninger: Das wird nicht nur so bleiben, sondern sogar noch mehr werden. Ein klassisches Hintergrundgespräch ist allerdings als Videokonferenz extrem mühsam. Wenn


© Franz Gleiß © Adobe Stock: Monkey Business

Daniel Lohninger wurde in 1974 in Linz geboren. Er arbeitet seit 1991 bei den „NÖN“ und studierte Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, Politikwissenschaft und Geschichte und schloss 2003 mit dem Doktorat ab. Seit 2017 ist er gemeinsam mit Walter Fahrnberger Chefredakteur der „NÖN“. Daniel Lohninger ist verheirat und lebt in St. Pölten und Gmünd.

es nur eine/n Kommunikator/in gibt, dann ist es zwar einfacher; wenn es aber Gespräche sind, wo man eigene Fragen hat, wo es um Hintergründe geht, ist eine Videokonferenz wesentlich schwieriger als persönliche Gespräche. Hagen: Ich nehme auch an, dass es schwieriger ist OffRecord-Stimmen per Videokonferenz zu erhalten, da jederzeit mitgeschnitten werden kann?

Lohninger: Genau.

Hagen: Wie handhaben Sie es, dass man ja einerseits dem Politiker bzw. der Politikerin gewogen berichten muss und andererseits ehrlich über ein Thema berichten möchte?

Lohninger: Hier kann ich nur aus meiner eigenen Erfahrung berichten, aber ich hätte nicht den Eindruck, dass das so ist. Es wäre auch bedenklich, nur JournalistInnen mitzunehmen, die einem gewogen sind und nur positiv berichten. Das wäre meiner Meinung nach das falsche Signal, und so etwas passiert, zumindest soweit ich das beurteilen kann, nicht. De facto bestimmt das Land oder der/die Minister/in eine repräsentative Zahl an Medien für die Reise und normalerweise werden die JournalistInnen dann intern nominiert. Wenn es jetzt etwa um eine Reise nach Brüssel geht, dann bekommt die NÖN eine „Einladung“ und wir nominieren, wer der/die Journalist/ in ist. Das kann dann auch jedes Mal ein/e andere/r sein. Der „Veranstalter“ kann sich also nicht aussuchen, wer mitfährt und wer nicht. Hagen: Das heißt, es wird bereits über das Medium sortiert, wer mitgenommen wird und wer nicht?

Lohninger: Genau.

Hagen: Wie schafft man es, dass man sich nicht ausnützen lässt und seine kritische berufliche Distanz wahrt?

Distanz impliziert. Das heißt, man kann nicht Journalist/ in sein und keine Distanz wahren, das ist quasi schon in der Berufsbeschreibung. Wenn man das klar kommuniziert, ist es auch kein Problem einmal mit einem Spitzenpolitiker oder einer Abgeordneten auf ein Bier zu gehen, weil immer klar ist: Meine Rolle ist die von jemanden, der berichtet. Natürlich heißt das nicht, dass etwa vertrauliche Informationen automatisch an die Öffentlichkeit gelangen sollen. Hier geht es auch darum, einen Modus zu finden, wie man mit solchen Informationen umgeht. Es gehört auch zur Professionalität, manche Informationen vertraulich zu behandeln. Man muss hier schon sehr klar seine Grenzen aufzeigen, was aber nicht heißt, dass man mit niemanden über etwas Vertrauliches spricht. Es muss klar sein, dass man Journalist/in ist und kein/e beste/r Freund/in z.B. einer Politikerin oder anderem Entscheidungsträger. Das würde ich jedem/r Nachwuchsjournalisten/in raten – nicht nur für sich selbst, sondern auch für das Gegenüber, der wissen muss, woran er ist. So müssen etwa Off-Record-Informationen off-record bleiben. Man darf sich auch nicht davor fürchten, Nein zu sagen. Journalismus ist letztendlich genauso ein Beruf wie Wirtschaftskapitän, Geschäftsführerin oder Politiker/in. Hagen: Und sind bei Ihnen Freundschaften zu PolitikerInnen durch Ihre Arbeit als Journalist entstanden?

Lohninger: Eine richtige Freundschaft hat sich nicht entwickelt bei mir. Wobei es durchaus amikale Verhältnisse gibt. Ich denke aber, dass man trotzdem kritisch berichten kann. Eine richtige Freundschaft, mit welchem/r Politiker/in auch immer, habe ich persönlich aber keine. Aber ich würde es per se nicht ausschließen und denke auch nicht, dass das meine Arbeit beeinflussen würde. Der oder die andere weiß schließlich, was meine Aufgabe als Journalist ist. So gesehen dürfte eine Freundschaft dem nicht im Wege stehen..

Lohninger: Es ist sehr wichtig bald zu signalisieren, dass man Journalist/in ist, da das bereits eine gewisse kritische 34


Zeitmangel und Qualitätsjournalismus: Determination der Nachrichtenselektion durch PR?

Lisa Ehold

Heinz Bayer ist Chefredakteur des Salzburger Verlagshauses. Dabei handelt es sich um eine 100-prozentige Tochter der „Salzburger Nachrichten“. Er sprach mit „PRaktivium“ über Qualitätsjournalismus und darüber, welche Rolle PR in diesem spielen kann bzw. nicht darf. © FH St. Pölten

Lisa Ehold: Was macht Qualitätsjournalismus für Sie aus?

Heinz Bayer: Qualitätsjournalismus macht einerseits aus, dass man beide Seiten zu Wort kommen lässt und nicht Kampagnen-Journalismus betreibt, wie es auch vorkommt. Es gilt eine Ausgewogenheit herzustellen und sich an den Fakten zu orientieren. Auch Kommentare und Einheiten, in denen die eigene Meinung dargestellt wird, sind wesentliche Details von qualitätsvollem Journalismus, aber das muss abgegrenzt und für die LeserInnen exakt zu unterscheiden sein. Andererseits muss auch die Grenze zwischen PR und journalistischer Berichterstattung klar gezogen werden, sodass es keine Vermischung gibt und nicht über die Hintertür PR-Meldungen im jeweiligen Bericht vorkommen. Ehold: Qualitätsvoller Journalismus braucht Zeit, weshalb die Frage naheliegt, ob Zeitmangel dort ein größeres Problem darstellt als beispielsweise bei Boulevardmedien?

Bayer: Auch gut gemachter Boulevard braucht seine Zeit. Ich würde jetzt nicht primär gut gemachte Boulevardmedien völlig verurteilen, aber natürlich brauchen die Dinge Zeit. Daher ist der journalistische Beruf auch immer, sei es im Tageszeitungs-, Wochenzeitungs- oder Magazingeschäft, mit Stress verbunden. Klar ist Zeit ein Faktor, um auch gut und sauber recherchieren zu können, das ist gar keine Frage. Irgendwann kommt man dann an den Punkt, an dem man auch Mut zur Lücke haben muss, damit man sich wirklich auf eine Geschichte konzentrieren kann und mehr Platz und Zeit für eine saubere Recherche hat, dafür aber vielleicht eine andere Geschichte an diesem Tag weglässt. Ehold: Sie waren selbst in verschiedenen Resorts tätig. Würden Sie rückblickend sagen, dass die Wichtigkeit von PR-Meldungen in unterschiedlichen Resorts unterschiedlich stark ausgeprägt ist?

Bayer: Gerade im wirtschaftlichen Bereich, wo es um Firmen, Aufträge und Zukunftsperspektiven geht, ist na35

türlicherweise immer eine Linie da, die fließend ist. Man muss aber, und das ist die Kunst, auch einen Abstand dazu behalten. Man muss erkennen, dass da eine wichtige Firma und eine wichtige wirtschaftliche Entwicklung ist und darf sich trotzdem nicht auf irgendwelche „Freunderlwirtschaften“ einlassen. Ein Beispiel: Durch Corona ist das Thema Regionalität ganz groß geworden. Alle Produkte werden hochgeschätzt und kommen bei den KonsumentInnen gut an. Daher haben wir vor Kurzem bei den Wochenzeitungen, die im Ring der „Salzburger Nachrichten“ erscheinen, eine Kooperation mit den Salzburger Seminarbäuerinnen begonnen. Das sind Frauen, die in diversen Bezirken Salzburgs leben und heimische Produkte herstellen und damit arbeiten. Jetzt kann man natürlich sagen, das ist PR, aber ich sehe das, speziell in so einer Beziehung, anders. Ich glaube, dass es wichtig ist, diesen lokalen Aktivitäten Platz und Aufmerksamkeit zu schenken und auch unsere LeserInnen schätzen das sehr. Ehold: Macht es also auch für JournalistInnen bei der Auswahl der PR-Meldungen einen Unterschied, ob es ein kleiner regionaler Betrieb oder ein großes Unternehmen ist?

Bayer: Natürlicherweise hat ein großes Unternehmen, das relevant ist, auch in Bezug auf Arbeitsplätze in der Region einen Neuigkeitswert. Wenn dort etwas passiert, z.B. ein Zubau oder die Schaffung neuer Arbeitsplätze, dann ist das natürlich wichtig. Dennoch sind ein gewisser Abstand und Distanz immer geboten, auch wenn man im Laufe der Zeit einige Personen besser kennenlernt, die eine Firma repräsentieren. Es gilt auf einer guten persönlichen und vertrauenswürdigen Ebene zu kooperieren, aber keine „Geschäfte“ zu machen, im Sinne dass man jemanden besonders bevorzugt und wegschaut, wenn etwas kritisch zu hinterfragen ist. Ehold: Oft wird der Unternehmens-PR nachgesagt, dass sie den JournalistInnen ihre Aussagen in den Mund legen wollen. Wie denken Sie, würde sich die tägliche Arbeit der JournalistInnen ändern, wenn es


© Marco Riebler © Adobe Stock: Quality Stock Arts

Heinz Bayer war lange Jahre bei den „Salzburger Nachrichten“ Chef vom Dienst von „Salzburg-Lokal“ und verantwortet die gesamte Regional-Berichterstattung. Die „Salzburger Woche“ und andere Titel betonen die Nähe zur Lebenswelt der LeserInnen. Er ist Tourismus- und Kulturexperte, in seiner Glosse „Lokalpatriot“ begegnen einander Lokales und Globales.

keine PR-Arbeit mehr gäbe und sie sich alle Informationen selbst zusammensuchen müssten?

Bayer: Bei uns ist es so, dass wir KollegInnen haben, die ausschließlich PR-Geschichten verfassen, die auch grafisch eindeutig von den normalen Zeitungsberichten abgegrenzt sind. Das ist ein normales Geschäft zwischen einem Verlag und Firmen. Unsere KollegInnen beschäftigen sich nur damit und halten den Kontakt zu den Firmen aufrecht. Es gibt diverse Sonderteile zu bestimmten Themen, in denen die Firmen dann mit ihren Meldungen vorkommen. Neben diesem reinen PR-Ansatz gibt es noch den journalistischen Zugang, den ich vorhin erwähnt habe. Wenn eine Firma ein relevantes Thema hat, das zu einer öffentlichen Diskussion führt, dann ist das eine journalistische Geschichte, bei der dann auch nachgefragt und recherchiert wird.

kein Interesse haben, überall die gleiche PR-Meldung zu lesen. Ich denke, dass es auch die Aufgabe von Qualitätsmedien ist, zu werten und eigenrecherchierte Geschichten ins Netz zu stellen. Gerade in Hinblick darauf, dass man auch über die Online-Plattformen Geld verdienen muss. Ehold: Wenn man sich auf Online-Plattformen umschaut, findet man APA-Meldungen meist sehr ähnlich formuliert bei verschiedenen Medien wieder. Wie würden Sie sagen ist das Verhältnis von diesen wirklich qualitätsvoll selbstrecherchierten Beiträgen und Copy & Paste-Meldungen?

Bayer: Das Internet ist ein gefräßiges Tier. Eine Website muss ständig aktualisiert und bespielt werden. Daher landen dort im Laufe des Tages auch viele Agenturmeldungen. Internetportale sind aufgeregte Portale, da muss sich Ehold: Es ist also auch nicht erstrebenswert, dass es immer etwas tun und klar ist die Gefahr da, dass wenn keine PR-Arbeit mehr gibt? alle APA- und Reuters-Meldungen haben, eine gewisse Bayer: Es gibt ja dieses SprichGleichheit entsteht und sich wort „Der Kaufmann muss seine „Ich glaube, dass die mündigen Leser- die Medien nicht mehr unterWare loben“, da sehe ich jetzt Innen in diesem Ozean an Neuigkeiten scheiden. Gerade deshalb ist es kein Problem und natürlich ist umso wichtiger, dass man selber das auch Futter für Redaktionen. kein Interesse haben, überall die glei- gut recherchierte Geschichten che PR-Meldung zu lesen.“ liefert. Wenn man von außen über die Marketingabteilungen der Firmen eine Aussendung bekommt, kann man dadurch vielEhold: Zeitmangel entsteht auch aufgrund fehlender personeller Ressourcen. Ab wo würden Sie sagen, beleicht auch eine Idee bekommen. Eine PR-Aussendung ginnt die journalistische Qualität zu leiden, gerade einer Firma ist per se ja nichts Schlechtes. Ganz im Gein einer liberalen Gesellschaft wie in unserem Land, genteil, das sind normale Informationskanäle, bei denen möchte man auf diese ja nicht verzichten? man aber eine klare Trennlinie ziehen und nicht mit Copy & Paste die Aussage hineinkopieren und unkommentiert Bayer: Natürlich ist der Rechenstift ein Instrument, dem im Raum stehen lassen soll. eine große Bedeutung zukommt. Auch ein Medienunternehmen muss rechnen wie andere Unternehmen. Ich Ehold: Vergleicht man die Online- mit den Printausgadenke, in diesem Entwicklungsprozess, den auch die Meben, so unterscheiden sie sich ja unter anderem durch dien in den letzten Jahrzehnten durchlaufen haben, muss den verfügbaren Platz. Würden Sie sagen, dass es da man auch Entscheidungen treffen und kann nicht auf hinsichtlich des PR-Einflusses einen Unterschied gibt? jeder Hochzeit tanzen. Wenn ich alles mache und überBayer: Nein, das sehe ich nicht so. Ich glaube, dass die all nur Mittelmaß bin, dann werde ich auf Dauer keinen mündigen LeserInnen in diesem Ozean an Neuigkeiten Bestand haben. 36


Der Einfluss von PR auf die redaktionellen Inhalte in Special-Interest-Zeitschriften

Susanne Egger

Anna Wagner, Chefredakteurin des „GUSTO“-Magazins, fasst für „PRaktivium“ die Erstellung der Inhalte und deren Abhängigkeit von PR zusammen, spricht über die Relevanz von Beziehungspflege und wie „GUSTO“ mit selektierter PR die österreichische Wirtschaft fördern möchte.

© Peter Müller

Susanna Egger: Welche Bedeutung haben PR-Tätigkeiten im Zuge der Content-Erstellung für eine Special Interest-Zeitschrift?

im Haus. Diese Sonderstrecken finden zum Teil parallel in zwei Magazinen statt, einfach um die Auflage zu erhöhen. In dem Fall ist das bei „WOMAN“ und „GUSdas ist magazinabhänTO“ im hinteren Teil eins zu eins gleich, weil der Kunde dadurch eine noch größere Ziel„Hier steht ,Special Advertising Secgruppe erreichen kann und das tion‘ – das ist eine Geschichte, die nennt ist thematisch wirklich nur auf sich Sonderstrecke. Die wird gar nicht die Kunden abgestimmt.

Anna Wagner: Ich würde sagen, gig. Bei uns ist es spannend, weil wir viele Produkte, die auf den Markt kommen, zum Teil bereits vor der Markteinführung kennen und somit sind wir unseren Levon uns gemacht. Das ist eine separate serInnen dieser Informationen Egger: Nehmen wir das Beivoraus. Auf den von PR-Firmen Agentur bei uns im Haus. Diese Sonder- spiel von Ölz. (Anm.: 1/2 Anorganisierten Veranstaltungen strecken finden zum Teil parallel in zwei zeige Hochformat, daneben hat man eben die Möglichkeit, Magazinen statt, einfach um die Auflage Rezept mit überbackenem Toastbrot). Inwieweit kommen spezielle Menschen kennenzuzu erhöhen.“ diese Inhalte vom Kunden? lernen, sich gut zu vernetzen, am Puls der Zeit zu bleiben und zu erkennen, wo der Trend Wagner: Also der Kunde gibt in dem Fall vor: „Ich hätte gerade hingeht. Bei uns gibt es auch die Rezeptstrecken, gerne ein passendes Umfeld“. Und das Umfeld ist in dem die den Hauptteil unseres Magazins ausmachen und da Fall ein Rezept mit Toast. Also welche Art von Rezept sind wir nicht angewiesen auf irgendwelche Neuigkeiten. ist freigegeben, aber letztendlich gibt er das Umfeld vor. Das würde ich jetzt im Heft nicht machen, weil mir das Egger: Im redaktionellen Teil von „GUSTO“ werden zu offensichtlich ist und deshalb ist es auch hier gekennmonatlich diverse Produkte bzw. Dienstleistungen zeichnet mit „Special Advertising Section“. Ich weiß, dass präsentiert. In welch engem Zusammenhang müssen es für die LeserInnen manchmal nicht so klar erkennbar diese Produkte mit dem Thema „Kochen“ stehen? ist, aber deshalb habe ich mich entschieden, diesen Teil Wagner: Sehr! Wir haben uns thematisch ein bisschen ganz nach hinten zu geben, um eine Trennung zum Heft ausgedehnt, auch ein bisschen auf Lifestyle – aber trotzzu finden. Und das ist wie gesagt alles nur thematisch auf den Kunden abgestimmt und komplett verkauft – also all dem mit irgendeinem Bezug zu Genuss! Ob das jetzt diese Seiten. auf Getränke bezogen ist oder zum Teil Kücheneinrichtung… aber es soll schon in dem Cluster „Küche, Essund Wohnbereich“ stattfinden, und im besten Fall „GeEgger: Inwiefern steht der Kauf von Anzeigenraum und der unabhängige redaktionelle Teil in Abhängigkeit nuss“. Egger: Wie werden Presseaussendungen bzw. diverse PR-Themen oder Produktinformationen in das Magazin eingearbeitet?

Wagner: Warte, das muss ich dir kurz erklären (Anm.: öffnet Magazin). Siehst du diese Seiten da hinten? Hier steht „Special Advertising Section“ – das ist eine Geschichte, die nennt sich Sonderstrecke. Die wird gar nicht von uns gemacht. Das ist eine separate Agentur bei uns 37

zueinander?

Wagner: Einen Zusammenhang gibt es auf jeden Fall. Kunden oder Agenturen bekommen Themen von uns vorgegeben. Sie wissen, bevor das Heft erscheint, welche Themen vorkommen. Aber es ist der Kunde, der sich entscheidet zu buchen, weil das Thema passt. Ich sage jetzt mal „Weihnachtskekse“. Dann bucht wahrscheinlich „Finis Feinstes“, Agrana, Wiener Zucker usw. – weil es halt einfach passend ist. Und deshalb wirkt es dann für Lese-


© VGN/GUSTO © Adobe Stock: Marco2811

Anna Wagner begann ihre Karriere als Redakteurin beim „Xpress“. Im Juni 2010 wurde sie stellvertretende Chefredakteurin und übernahm 2012 die Leitung des Jugendmagazins. Heute leitet sie in der Verlagsgruppe News das Food-Magazin „GUSTO“ und den jungen „GUSTO“-Ableger „Lola“.

rInnen vielleicht manchmal so, als wäre das abgestimmt. Aber andersrum funktioniert es nicht. Also der Kunde kann nicht sagen: „Ich hätte jetzt bitte gerne acht Seiten mit Fleisch, damit ich mit einer halben Seite mein Inserat dazustellen kann.“ Egger: Wenn ihr euch entscheidet, einen kostenlosen PR-Artikel für eine Marke zu verfassen, anhand welcher Kriterien wird die Marke selektiert?

Wagner: Komplett subjektiv. Es ist auch so, dass wir versuchen, bei PR-Artikeln bestmöglich keine großen Marken zu nehmen. Kleine Bio-Bauern/Bäuerinnen oder kleine HerstellerInnen unterstützen wir PR-mäßig bevorzugt. Alle großen Firmen haben ja neben dem Budget für Inserate auch eine Agentur. Und davon bin ich kein großer Fan, weil diese zahlen sollen, wenn sie reinwollen. Deshalb bin ich eher ein Fan davon, kleinere, die keine Millionen-Marketingbudgets haben, zu unterstützen. Egger: Und schreibt ihr dann einen gratis PR-Artikel für eine Marke aus reiner Überzeugung, also einfach weil euch das Produkt gefällt?

Wagner: Ja, genau. Wir wählen Produkte, die unsere KundInnen kennen sollen und weil wir gewisse Unternehmen auch unterstützen wollen. Wir wollen österreichische HerstellerInnen und österreichische Ideen unterstützen, bei denen keine riesigen Unternehmen dahinterstehen. Weil da weiß man, die haben einfach das Geld nicht dafür, da jetzt groß zu inserieren. Und ich finde es wichtig, dass man sich da gegenseitig auch ein bisschen hilft. Egger: Welchen journalistischen Vorteil siehst du in der Öffentlichkeitsarbeit für „GUSTO“, wenn gratis PRBeträge geschrieben werden?

Wagner: Der eine Aspekt ist, dass wir den LeserInnen Neuigkeiten liefern. Der andere Aspekt ist, wir versuchen auch Kontakte zu schnüren. Wenn wir jetzt zum Beispiel eine Marketingaktion machen, nehmen wir unsere Kontakte auch her. Wir versuchen gute Beziehungen aufzubauen, weil wenn wir zum Beispiel einen Kochkurs ma-

chen oder ein Event, dann können wir auch einfordern, dass die uns ein bisschen unterstützen. Oder wir sagen zu einem Partner: „Weißt du was, wir inkludieren das und das, dafür schicken wir euch Hefte und ihr verteilt diese an eure KäuferInnen.“ Es soll das Gefühl vermitteln, dass wir als „GUSTO“ bei den diversen ProduzentInnen vernetzt sind und uns gegenseitig unterstützen. Das ist eine Win-Win-Situation. Egger: Und aus Markensicht: Welchen Vorteil siehst du im Einsatz von PR in einem Special-Interest-Magazin wie „GUSTO“ neben der Vernetzung?

Wagner: Verkaufen, verkaufen. Wir haben ganz viele ProduzentInnen, die nach der Erscheinung vom „GUSTO“ ausverkauft waren. Ich meine, unsere Zielgruppe ist ja auch essens- und getränkeaffin. Die sucht nach solchen Sachen und probieren sie aus. Wir bekommen dann auch ganz viele E-Mails, dass sie sich bedanken, wenn wir ihnen wieder irgendetwas vorstellen. Es ist einfach auch eine Unterstützung für die österreichische Wirtschaft, und unsere LeserInnen sind uns dankbar, dass wir immer wieder neue Sachen vorstellen. Egger: Welche Ziele verfolgt das Magazin „GUSTO“?

Wagner: Letztendlich ist es ein Special Interest-Magazin, und mir wäre es am liebsten, wenn man es durchblättert und ein bisschen den Stress vom Alltag kurz ausblenden kann und einfach mal nicht nachdenken muss. Einfach durchblättern, Inspiration holen, ein Lächeln ins Gesicht zaubern, Freude bereiten. Egger: Welche Rolle spielt PR bei der Erreichung dieses Zieles?

Wagner: Bei uns spielt das nicht so wirklich eine Rolle. Der vordere Teil, wo wir Produkte vorstellen, ist nur ein kleiner Einstieg. Bei uns liegen der Fokus und das Herzstück auf Rezepte. Und deshalb ist PR jetzt nicht so maßgeblich entscheidend. Aber wie gesagt, es ist natürlich ein weiterer Service für unsere LeserInnen, dass wir immer auf dem neuesten Stand sind. 38


Im selben Strom, aber auf unterschiedlichen Seiten des Flusses fischend

Svenja Morel

Gerold Riedmann, Geschäftsführer von Russmedia Österreich und Chefredakteur der „Vorarlberger Nachrichten“, erklärt im Gespräch mit „PRaktivium“, warum in der Zusammenarbeit mit PR-Schaffenden regional weniger harte Interventionsversuche wahrgenommen werden als im nationalen Geschäft.

© Dina Grojer

Svenja Morel: Sie haben in Ihrem Beruf schon Vieles erlebt und auch außerhalb von Österreich viele Erfahrungen gesammelt. Welche waren Ihre Hauptstandorte im Laufe ihrer Karriere bis jetzt?

Gerold Riedmann: Da gibt es die Zeit, die ich in München und anderen deutschen Städten verbracht und sehr viel über Radio, Fernsehen und vor allem das Internet gelernt habe. Und dann die Zeit, die ich im Westen Österreichs verbracht habe bzw. verbringe und auch für Firmen in Wien verantwortlich bin. Darüber hinaus setze ich sehr auf internationale Vernetzung, weil wir ja inmitten eines unglaublichen Wechsels hin zum Digitalen stehen und alle im Prinzip sehr ähnliche Herausforderungen haben.

Riedmann: Ich schätze es sehr, in einem kleineren Ort zu wohnen, in dem nicht jede/r, der bzw. dem ich auf dem Marktplatz über den Weg laufe, sagt: „Grüß Gott, Herr Chefredakteur.“ Der Austausch oder die Kontaktaufnahme von PR-Verantwortlichen ist in meiner Wahrnehmung nicht davon geprägt, wie nah man zusammenlebt. Ob das jetzt Innsbruck, Vorarlberg, Graz oder eine kleinere deutsche Stadt ist, würde für mich keinen Unterschied machen. Morel: Wie empfinden Sie die Zusammenarbeit mit PRSchaffenden in Vorarlberg?

Riedmann: In einem PR-Magazin werde ich immer sagen, dass es natürlich wunderbar läuft. Wenngleich man schon nachschießen muss – und das sieht man auch an den VerMorel: Sie sind nun seit einigen Jahren Chefredakteur einen oder Treffen in dem Bereich –, dass in Vorarlberg der „Vorarlberger Nachrichten“. Was macht das Arbeidie Trennschärfe zwischen dem, was die Menschen unter ten in Vorarlberg besonders? Journalismus und PR verstehen nicht immer sauber geRiedmann: Erstens gibt es in Vorarlberg einen Idealzugeben ist. Im Vorarlberger Presseclub sind sicherlich eine stand für ein Medium, denn bei uns gibt es „Vorarlberg Vielzahl der Mitglieder PR-Schaffende, das würde umOnline“. Wenn in Vorarlberg irgendetwas passiert, dann gekehrt wahrscheinlich bei anderen Vereinigungen nicht schaut man auf „Vol.at“ und weiß, was passiert. Es ist so zutreffen. Die Sehnsucht danach, Journalist/in zu sein längst nicht überall so, dass die lokale Tageszeitung Anoder eine gewisse Zeit auch freie/r Journalist/in zu sein, aber eigentlich sein Brot in einer Pressestelle zu verdienen laufpunkt Nummer Eins ist. In Vorarlberg fängt tatsächoder PR zu machen, ist sicherlich lich das Internet bei „Vol.at“ an und das macht es auch in der „Im Regionalen kommt natürlich dazu, ein Grenzgang, den einige in der Vergangenheit schon ausprobiert Medienarbeit interessant. Vorarldass fast alle der ProtagonistInnen haben. Für mich bleibt dieses berg ist ein sehr moderner, auch miteinander auf einem Arbeits-Du alte Bild, dass Journalismus und trotz der konservativen Prägung mit progressiven Ideen versehe- sind, so wie das aber zwischenzeitlich PR im selben Strom fischen, aber ner Landstrich. Darum macht es im Digitalen eh überall ist. Ich nehme auf unterschiedlichen Seiten des für mich auch ein Unterschied Flusses. aber weniger und weniger harte Interhier in der Bodenseeregion, im Dreiländereck, agieren zu kön- ventionsversuche – beispielsweise auf Morel: Gibt es grobe Unternen und die Lebensqualität hier regionaler Ebene – wahr, als das dann scheidungen zwischen der Zugenießen zu können. im nationalen Geschäft zu vermerken sammenarbeit mit PR-Schaf-

wäre.“

Morel: Gibt es für Sie persönlich einen Unterschied mit dem Umgang der Menschen in Vorarlberg im Vergleich zu einer Großstadt? 39

fenden in Großstädten und kleineren Städten?

Riedmann: Diese Unterscheidung gibt es nicht nur zwischen PR und Journalismus, sondern vielmehr zwischen


© Roland Paulitsch © Adobe Stock: EVERST

Gerold Riedmann ist Geschäftsführer bei Russmedia Österreich und Chefredakteur der „Vorarlberger Nachrichten“. Vor seiner Tätigkeit für Russmedia entwickelte der gebürtige Vorarlberger medienübergreifende DigitalFormate für TV- und Fernsehsender in Deutschland. Er absolvierte u.a. das Stanford Executive Program (SEP 2019). Gerold Riedmann engagiert sich als europäischer Präsident der International News Media Association (INMA) für die Weiterentwicklung und Digitalisierung von Medien weltweit.

Politik und Journalismus. Im Regionalen kommt natürlich dazu, dass fast alle der ProtagonistInnen miteinander auf einem Arbeits-Du sind, so wie das aber zwischenzeitlich im Digitalen eh überall ist. Ich nehme aber weniger und weniger harte Interventionsversuche – beispielsweise auf regionaler Ebene – wahr, als das dann im nationalen Geschäft zu vermerken wäre. Ich denke, dass die Zusammenarbeit mit PR-Agenturen ähnlich transparent und ähnlich professionell läuft, wie sie das auch in Großstädten tut. Morel: In Vorarlberg ist die Chance größer, dass man PR-Schaffende, mit denen man zusammenarbeitet auch privat kennt. Haben Sie das Gefühl, dass das die Zusammenarbeit beeinflusst?

Riedmann: Es wäre ein Problem, wenn meine fünf besten FreundInnen allesamt PR-Agenturen in Vorarlberg leiten würden, das wäre für mich ein sonderbares Signal. Ich für meinen Teil ordne aber einen gemeinsamen Schulabschluss oder eine gemeinsame Bekanntschaft mit einer oder einem PR-Verantwortlichen nicht minder problematisch ein, als wie das mit PolitikerInnen der Fall ist. Da sind JournalistInnen eigentlich das Abstandhalten gewohnt, auch wenn das ab und zu etwas eigentümlich wirkt. Natürlich muss man sich im regionalen Raum daran gewöhnen, dass das „Du“ öfters eingesetzt wird, aber in der Zusammenarbeit zieht jede/r seine eigenen Grenzen. Morel: Wie sehen Sie das Verhältnis zwischen PRSchaffenden und JournalistInnen? Sind Sie als Journalist gleichermaßen von PR-Schaffenden abhängig wie PR-Schaffende von Ihnen?

Riedmann: Schwierige Frage, vor allem, ohne jetzt jemanden vor den Kopf zu stoßen. Wir leben im selben Ökosystem. Unser Geschäftsmodell sieht so aus, dass wir AbonnentInnen haben, die uns monatlich Geld bezahlen, um mit Informationen versorgt zu werden. Wenn man dem Geld folgt, dann ist das Businessmodell der PR-Agentur, dem Auftraggeber eine Rechnung zu schicken und die Zeit, die für die Kommunikation verwendet

wurde zu verrechnen: im Prinzip eine Kommunikationsdienstleistung für die Unternehmen. Es gibt immer einen Auftraggeber, der etwas will. Ich glaube, dass es nicht so sehr vom Journalismus abhängt, ob es diese Kommunikationsdienstleistung gibt, sondern von der Akzeptanz der Auftraggeber. Wir treffen uns wie gesagt am selben Fluss, aber haben hier eine unterschiedliche Aufgabe. Ich glaube, dass es gut ist, wenn man gegenseitig Vertrauen aufbringen kann. Das Geschäftsmodell der PR-Agenturen ist, wenn es um die klassische Medienarbeit geht, dass der Kunde ein möglichst schönes Bild von sich gezeichnet bekommt. Morel: Wenn Sie sich selbst vor 20 Jahren in Bezug auf die Zusammenarbeit mit PR-Schaffenden einen Ratschlag geben könnten, was würden Sie sich selbst raten?

Riedmann: Ich habe das früher sehr dogmatisch gesehen. Wenn KollegInnen in Pressestellen wechseln, war die erste Überlegung oft: „Wieso wechselt der oder die jetzt weg vom Journalismus und geht in die PR?“ Mittlerweile bin ich da etwas gelassener, weil natürlich in unterschiedlichen Lebenssituationen der Journalismus nicht immer das Modell ist, in dem es die Einkommensaussichten gibt, die Marketing- oder Kommunikationsvorstände ausschöpfen. Da bin ich zwischenzeitlich etwas entspannter, wenn es um das Seitenwechseln dieses Flusses geht. Morel: Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, was würden Sie sich von der Zusammenarbeit mit PR-Schaffenden in Zukunft wünschen?

Riedmann: Eine Transparenz in den Quellen würde der Zusammenarbeit sicherlich gut tun. Ich wünsche mir nur, dass noch mehr PR-Schaffende dem Modell folgen, die Arbeit zwischen Journalismus und Unternehmen einfacher zu gestalten und erreichbar zu sein und die Grundtugend in den Mittelpunkt zu stellen, sei dies in Vorarlberg oder irgendwo anders. Und nicht, mit guter PR etwas verdecken zu wollen. Darum ist mein Wunschzettel auch wahrscheinlich wenig überraschend. 40


Unabhängigkeit von PR in der Quellenbeschaffung

Bettina Kapeller

Dietmar Mascher, stellvertretender Chefredakteur und Leiter des Wirtschaftsressorts der „OÖ Nachrichten“, erläutert in „PRaktivium“, wie sich der Einfluss von PR-Fachkräften auf den Journalismus auswirkt und welche Maßnahmen für eine unabhängige Berichterstattung ergriffen werden. © FH St. Pölten

Bettina Kapeller: Was wird von den PR-Fachkräften gefordert, wenn sie Kontakt aufnehmen?

Dietmar Mascher: Wir fordern keine Artikel von PRFachkräften, wir schreiben unsere Artikel immer noch selber. Wenn wir PR-Leute kontaktieren, wollen wir meist einen Kontakt zum jeweiligen Unternehmen, das sie betreuen. Firmenunterlagen die aufbereitet sind, helfen uns bei der Recherche. Aber fertige Artikel wollen wir bei den „Oberösterreichischen Nachrichten“ nicht. Das unterscheidet uns von manchen anderen Zeitungen und Medien. Bei uns schreiben die Redakteure (Anm. der Red.: ein Gendering war nicht erwünscht) die Artikel selbst. Kapeller: Welchen Einfluss haben PR-Kräfte auf die Medien auf einer Skala von 1-10?

Mascher: Das kommt ganz auf das Medium drauf an. Bei den „OÖ Nachrichten“ haben sie keinen Einfluss auf die Berichterstattung, also 0. Aber bei den Gratismedien, wo das Ganze verbunden ist mit Einschaltungen und Geldflüssen, ist der Einfluss tendenziell größer, da würde ich eher Richtung 8 tendieren. Aber bei uns gibt es keine PRVerantwortlichen, die Einfluss auf unsere Artikel haben. Kapeller: Warum ist der Einfluss bei Ihrem Medium so gering?

Mascher: Der Vorteil ist, wir haben einen Herausgeber bzw. einen Eigentümer, der ist selbst wirtschaftlich unabhängig, also das ist keine Bank und nicht irgendeine Institution oder eine Partei, sondern eine Familie, die seit vielen Jahrzehnten das Unternehmen betreibt und die Unabhängigkeit der Zeitung hochhält. Daher können wir unabhängig von den Einflüssen der PR-Kräfte arbeiten. Kapeller: Waren Sie vorher schon mal bei einem anderen Medium, wo die unabhängige Berichterstattung nicht der Fall war?

Mascher: Ich bin jetzt seit 28 Jahren bei den „OÖ Nachrichten“ und war davor ein halbes Jahr beim „KURIER“ und drei Jahre beim „STANDARD“. Dort habe ich das 41

nicht erlebt. Aber in den Anfängen war ich bei einem Gratismedium in Linz, da hat man diesen Druck natürlich gespürt. Ihrer Einschätzung nach sind also vor allem die Gratismedien von diesem Einfluss betroffen?

Mascher: Ja, weil bei uns sind die Umsätze ungefähr 50% Lesererlöse und zu 50% Werbeerlöse. Die Balance macht unabhängiger. Auf der anderen Seite gibt es natürlich auch Leser, die uns abbestellen, wenn wir etwas schreiben, was ihnen nicht gefällt. Auch Unternehmen, die keine Werbung mehr schalten, muss man in Kauf nehmen, wenn man was Schlechtes über sie schreibt. Aber es ist für diejenigen, die bei uns inserieren, ein wesentlicher Punkt, dass sie in einem Umfeld bzw. in einem Medium werben, das Unabhängigkeit und Seriosität ausstrahlt. Kapeller: Gibt es Abhängigkeiten von PR und Journalismus, auf die man als Medium nicht verzichten will?

Mascher: Ich bin von keiner PR-Fachkraft abhängig; wenn diese mir keine Informationen liefert, dann rufe ich die Geschäftsführung an und hole mir die Information von dort. Wenn ich von der PR-Fachkraft nichts bekomme, dann ist das eher das Problem von ihr als von mir. Ich kann mir viele Informationen, auch unabhängig von der PR, holen, durch das Firmenbuch und das Grundbuch. Man kann auch auf viele andere Arten recherchieren, um an Informationen zu gelangen. Somit kann ich Dinge umgehen, wenn ich sie umgehen will. Am besten ist eine Zusammenarbeit, die ich weniger im Bereich der Abhängigkeiten sehe, sondern als Kooperationsmöglichkeit. Kapeller: Welche Maßnahmen verfolgen Sie, um hochwertige Berichterstattung zu garantieren?

Mascher: Die hochwertige Berichterstattung sollte jedem Redaktionsmitglied ein Anliegen sein. Aber wir schauen natürlich schon sehr darauf, dass die Grundregeln des Journalismus eingehalten werden, wie Check, Double Check und Re-Check. Zudem achten wir darauf, dass die wichtigsten Informationen eingeholt werden und dass


©Volker Weihbold © Adobe Stock: Konstantin Yuganov

Dietmar Mascher ist stv. Chefredakteur und Ressortleiter Wirtschaft der „OÖ Nachrichten“, für die er bereits seit 28 Jahren tätig ist. 2011 wurde er mit dem Horst-KnappPreis für Wirtschaftsjournalismus der UniCredit Bank Austria gemeinsam mit den „OÖ Nachrichten“ ausgezeichnet.

man auch immer schaut, wenn es eine kritische Anmerkung gibt, was sagt die Gegenseite dazu, also auch andere Seiten zu Wort kommen lassen. Natürlich müssen auch die Fakten stimmen, und es muss eine strikte Trennung zwischen Kommentar und Berichterstattung geben.

miteinander verschmelzen, dann ist das der Tod beider Bereiche. Es wird auf der einen Seite die Glaubwürdigkeit und auf der anderen Seite die Seriosität des Berufsstandes beider gefährdet. Ich glaube, dass man versuchen soll, diese zwei Berufe auseinander zu halten, im Sinne beider. Wir haben in Österreich schon ohnehin eine MeKapeller: Wenn Sie Informationen von einer PR-Fachdienlandschaft, die einer Wüste gleicht, mit sehr, sehr kraft erhalten, welche Kriterien beachten Sie, um diewenigen Tageszeitungen. Wir haben einen ORF, der nach se Information kritisch zu hinterfragen? wie vor im Einfluss der Politik steht, und wir haben eine Mascher: Dass eine PR-FachMenge von Gratiszeitungen, die kraft das Unternehmen positiv „Wenn ein Unternehmen drei Jahre lang eben durch die PR nicht jourdarstellen lassen will, ist klar, Verluste geschrieben hat, können das nalistisch unabhängig schreiben. das ist auch legitim und auch Dann haben wir noch die soziaihre Aufgabe. Gleichzeitig ist die besten PR-Verantwortlichen nicht len Medien, wo Leute in Blasen es aber auch so, dass wichtige verheimlichen. Da brauche ich nur ins herumschwimmen, aber nicht Dinge nicht verheimlicht bzw. wirklich eine objektive InforFirmenbuch schauen und kann das beschönigt werden sollen. Ich mation bekommen. In diesem anhand der Bilanz sehen.“ nenne Ihnen ein Beispiel: Wenn Bereich wäre es wichtig, dass die ein Unternehmen drei Jahre lang Verluste geschrieben hat, Journalisten und PR-Verantwortlichen unabhängigen können das die besten PR-Verantwortlichen nicht verJournalismus ge-währleisten, um beide Berufsstände abheimlichen. Da brauche ich nur ins Firmenbuch schauen zusichern. Beide müssen ihren Job machen, indem es um und kann das anhand der Bilanz sehen. Also es ist viel Fakten geht und nicht um Stimmungsmache. besser aus Sicht der PR-Fachkraft, die Dinge nicht zu verheimlichen, sondern einfach zu erklären, warum das so Kapeller: Was möchten Sie Journalisten und PR-Fachkräften mit auf den Weg geben? passiert ist. Auf der einen Seite ist es wichtig, dass man auf Augenhöhe miteinander umgeht. Auf der anderen Seite Mascher: Jeder muss seine eigene Rolle ausfüllen. Die ist es essenziell, dass die Journalisten Dinge hinterfragen, Rollen dürfen nicht verschmelzen. Nur so sichert man indem sie auch andere Quellen verwenden. Man soll sich beide Bereiche ab. Je professioneller und faktenorientierter nicht von einer Quelle irgendwas auf das Auge drücken man arbeitet, desto besser kann man ein Vertrauensverlassen, sondern versuchen, verschiedene Quellen anzuhältnis aufbauen, was für die weitere Berichterstattung zapfen, um Dinge zu verifizieren. gut ist. Kapeller: Wird in Zukunft der Einfluss der PR auf den Journalismus mehr werden? Es gibt ja den Trend, dass diese zwei Determinanten immer mehr miteinander verschmelzen?

Mascher: Diese Tendenz ist in vielen Bereichen spürbar. Leider ist das aber eine sehr unglückliche Tendenz. Ich glaube, das sind zwei Berufsgruppen, die auf ihre eigene Weise gut miteinander arbeiten können. Aber wenn sie 42


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IMPRESSUM Herausgeberin, Medieninhaberin und Verlegerin: Fachhochschule St. Pölten GmbH, Matthias Corvinus-Straße 15, 3100 St. Pölten Verlagsort: 3100 St. Pölten Druckerei: druck.at Herstellungsort: Leobersdorf Chefredaktion: FH-Prof. Mag. Roland Steiner, Bakk. Art Direction: Teresa Sposato und Aniko Steinböck Grafik/Layout/Satz: Juliane Freudenstein, Melanie Graf, Lisa-Maria Graff, Christina Karall, Nina Pils, Annika Schweighofer, Katja Seitz, Maria Sobolevskaya, Hanna Stachl, Aniko Steinböck, Sandra Szeliga, Alexander Tousek, Florian Weinhappl, Miriam Widhalm

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