style in progress 3/2015 – Deutsche Ausgabe

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SO LÄUFT’S 121

Im selben Boot Limitgespräche, Konditio­ nenverhandlungen, Budget­ druck – da bleibt die Freude gerne auf der Strecke. Warum es gerade in Zeiten wie diesen so klug ist, nicht Zahlen, sondern Mensch­ lichkeit regieren zu lassen. Text: Martina Müllner. Illustration: Claudia Meitert@ Caroline Seidler

„Vor 25 Jahren, da hat Modehandel Spaß gemacht. Zu diesem Gefühl müssen wir wieder zurück! Wenn wir keinen Spaß haben, unsere Mitarbeiter keinen Spaß haben, wie sollen denn dann unsere Kunden Spaß haben?“ Wenn Frank Häusler, Inhaber zweier Multibrandund eines Franchise-Stores in Immenstadt und Oberstaufen, das mit Nachdruck formuliert, dann ist der Modehändler kein bisschen nostalgisch. „Der enormen Veränderung, die unsere Branche durchmacht, muss man sich stellen. Es ist eine Zeit, in der man viele Enttäuschungen erlebt, tagtäglich. Aber Höhen und Tiefen, die gehören doch dazu, bewahren uns davor, schlecht zu werden. Wer immer nur Erfolg hat, hat keinen Grund, sich zu hinterfragen und zu verändern.“ Verändert hat das Ehepaar Häusler in seinen beiden Multilabel-Stores so gut wie alles. Mit Erfolg: Die Zahlen stimmen, selbst als bei einem Einbruch im Frühjahr „die gesamten modischen Spitzen“ geklaut wurden, tat das der positiven Konjunktur der Multilabel-Stores keinen Abbruch. „Wir haben uns entschlossen, mit dem Restbestand weiterzumachen, denn von unseren Marken und Labels kann keiner nachliefern. Wir haben die verbliebene Ware showroomartig inszeniert und sind offen damit umgegangen. Das Ergebnis hat meiner Frau und mir die Augen geöffnet:

Plötzlich war wieder Begehrlichkeit da, plötzlich fühlten sich die Kunden wieder zum Kaufen animiert – und das erstaunlichste: Wir haben mit weniger Ware ein ordentliches Plus gemacht.“ „Der Endkunde ist übersättigt“, konstatiert auch Wilfrid Wetzl, Inhaber der drei Casa-Moda-Stores im österreichischen Steyr, Linz und St. Pölten. „Da ist es geradezu absurd, wenn eine Marke Druck macht, dass man bestimmte Budgets schreibt. Und dann noch jede Saison mehr verlangt. Das machen wir nicht mit – und dazu stehe ich, in aller Konsequenz. Wenn eine Marke unrealistische Budgets einfordert, würde ich sie weglassen.“ Vor sieben Jahren hat er aus Leidenschaft zur Mode den renommierten Laden Casa Moda in Steyr übernommen und mit zwei neuen Filialen in zwei österreichischen Landeshauptstädten seinen Kurs vorgelegt, im Juli eröffnet Salzburg als insgesamt vierter Standort. Als Anwalt und Immobilienunternehmer kennt er die Hintergründe der Geschäftspraktiken der Konzerne gut – als Modehändler stellt er sich trotzdem dagegen. „Konzerne üben großen Druck aus, verlangen oft von Saison zu Saison höhere Budgets und reduzieren auch sonst auf vielen Wegen die Margen für den unabhängigen Multibrand-Händler: Indem „Viele etablierte Marken haben Listen und Plä­ ne zu erfüllen, da steht doch Gier über allem.“

Frank Häusler, Inhaber Häusler Immenstadt und Oberstaufen

zum Beispiel Skontobeträge gestrichen werden oder sonstige Verschlechterungen, zum Beispiel bei Reklamationen, hinzunehmen sind. Dabei hat der hochwertige Einzelhandel diese Marken ja aufgebaut, dass er, wenn es ums Optimieren der

Gewinne geht, fallen gelassen wird wie eine heiße Kartoffel, empfinde ich persönlich als sehr verwerflich.“ Auch Frank Häusler vermisst Partnerschaften auf Augenhöhe und wirklichen Dialog. „Früher sin­d wir als Händler von der In„Der Endkunde ist über­ sättigt. Da ist es gerade­ zu absurd, wenn eine Marke Druck macht, dass man bestimmte Budgets schreibt.“ Wilfrid Wetzl,

Inhaber Casa Moda

dustrie geradezu hofiert worden, unser Feedback zu geben. Unsere Bedürfnisse waren wichtig und wurden gehört – das gibt es heute bei etablierten Marken nur noch selten. Einzig die kleinen, inhabergeführten Labels führen noch diesen Dialog. Alle anderen haben Listen und Pläne zu erfüllen, da steht doch Gier über allem. Zu dem Zeitpunkt der Order haben sie ja schon geplant, dass wir soundsoviel mehr schreiben sollen. Da hat keinen Platz, was wir uns von der Kollektion wünschen.“ Wie du mir, so ich dir

Partner des Handels, eine vielzitierte Phrase – oft von beiden Seiten missverstanden. Während die Industrie unter diesem Deckmantel versucht, möglichst viel Mitspracherecht am PoS eingeräumt zu bekommen, versucht der Handel möglichst viel Risiko auf Seiten des Lieferanten zu parken. „Was den großen und prestigeträchtigen Händlern alles eingeräumt wird, da kann einem ja übel werden. Das kann ein spannendes, kleines Newcomerlabel gar nicht erfüllen – und ich bin der Meinung, dass es das auch nicht soll. Das ist Kommisionssgeschäft, was da vielfach gefordert wird“, erzählt Marion Hoferer von der Agentur Modeist. Große Namen hat sie

in ihrem Agenturportfolio zu Gunsten echter Produktspezialisten ausgetauscht, zu denen sie ein Verhältnis pflegt, das weit über die klassische Agenten-Hersteller-Beziehung hinausgeht. „Ich bringe mich ein, sammle das Feedback aus dem Markt, gestalte die Kollektion intensiv mit, verantworte den Außenauftritt.“ Es sind ihre Babys, die Marion Hoferer gemeinsam mit den Markeninhabern, den Produzenten, anbietet. Da kommt für sie nur ein bedächtiges Platzieren im Markt in Frage. „Man kann den Kunden heute nicht mehr pressen oder erpressen – der dreht sich um und geht. Und „Man kann den Kunden heute nicht mehr pres­ sen oder erpressen – der dreht sich um und geht. Und das ist gut so!“ Marion Hoferer, Inhaberin Modeist

das ist gut so! Gleichzeitig muss ich als Agent auch das Rückgrat haben, dass ich nein sage, wenn ein Händler von einem Label wie Montgomery nur vier Jacken schreiben will. Dann bitte ich ihn lieber, dass er die vier Lederjacken bei einem seiner bestehenden Lieferanten sucht. Wichtig ist, dass man offen miteinander redet, respektvoll, das ist essenziell.“ Gute Beziehungen, gutes Business

„Ich will gar nicht, dass ein Lieferant meinen Job macht. Austausch ist bei einer Vielzahl unserer Lieferanten leider nur in der Theorie möglich, da sich die Meisten kaum noch Ware auf Lager legen. Es ist schon ein großer Glücksfall, wenn dort die Ware vorhanden ist, die man gerne nachziehen würde. Also bleibt uns nur eine punktgenaue Vororder“, sagt Markus Daniels, Inhaber der Daniels-Läden style in progress 315


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