ERKER 05 2022

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SIMON WALTER, Pastoralassistent

Hirtin und Hirte So jung! Kann er das? Ein Hirte sein? Vorangehen und den Weg zeigen? Verantwortung übernehmen und Sorge tragen? Als wäre das eine Frage des Alters. Oder braucht es vielleicht sogar die Jugend, um neue Wege zu sehen und sich um das Wesentliche zu sorgen? Vor einiger Zeit ist mir dieser Text untergekommen und er ist passend für den Monat Mai, da wir am vierten Sonntag in der Osterzeit den Sonntag des guten Hirten feiern. Mit dem Bild des guten Hirten werden unsere Kinder im Religionsunterricht und in der Vorbereitung auf das Sakrament der Erstkommunion vertraut gemacht. Jesus ist wie ein guter Hirte – und wie der Hirte auf die Schafe schaut, schaut Jesus auch auf uns. Heuer fällt dieser Sonntag auf den Muttertag, was ebenfalls sehr passend ist. Unsere Mütter sind gute Hirtinnen in unseren Familien und in unserer Gesellschaft. Als Hirtinnen heißt es vorangehen, Wege aufzeigen, bei Gefahren abwehren und Zusammenhalt garantieren. Auch Maria, welcher der Maienmonat besonders gewidmet ist, ist für viele eine besondere Hirtin. Sie schenkt Zuflucht, Trost und Halt. Ein besonderer Gnadenort in unserer Seelsorgeeinheit ist Maria Trens. Erstmals findet heuer von Mai bis Oktober jeweils am 13. des Monats eine Nachtwallfahrt mit Gebet und anschließendem Gottesdienst statt. Der Eingangstext wirft für mich noch eine spannende Frage auf: Trauen wir Erwachsene den Kindern und Jugendlichen die Hirtenaufgabe zu? Vor ein, zwei Generationen mussten viele Kinder und Jugendliche im wahrsten Sinne des Wortes solche Aufgaben auf einer Alm übernehmen. Heute können wir dies in anderen Bereichen beobachten, etwa auf dem Spielplatz, im Freundeskreis oder unter Geschwistern. Wir Erwachsenen müssen bereit und offen dafür sein, uns aus dem Blickwinkel der Kinder und Jugendlichen leiten und führen zu lassen. Ich wünsche Offenheit und Freude, wenn wir selbst in der Hirtenaufgabe sind, und Demut und Dankbarkeit, wenn wir Schafe sein dürfen, die geleitet werden.

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Erker 05/22

Arbeitsam und anspruchslos Frieda Gschnitzer Wwe. Keim aus Schönau

Als Jaufental noch eine eigene Gemeinde war, erblickte Frieda Gschnitzer des Josef und der Kreszenz Steckholzer am 13. Dezember 1928 im kleinen Weiler Kaltenbrunn oberhalb Mittertal das Licht der Welt. Der Vater, „Seaber Seppl“ genannt, erlebte fünf leidvolle Jahre in russischer Gefangenschaft. Als er abgemagert und zerlumpt heimkehrte, hielt ihn seine Schwester für einen Bettler. Als Gefangener eignete er sich wertvolle Kenntnisse in der Behandlung von Krankheiten an, weil er in einem sibirischen Gefangenenspital arbeitete. So holten bei ihm viele Menschen des Tales im Krankheitsfall Rat und Hilfe. Auf dem kleinen Bauernhof, wo drei Kühe und drei Stück kleineres Rindvieh, allgemein Galtvieh genannt, gehalten wurden, wuchs Frieda mit den Brüdern Sebastian und Josef sowie den beiden Schwestern Margaret und Antonia in ärmlichen Verhältnissen auf. Zeitlebens dachte sie dankbar an ihre guten und liebevollen Eltern. Damals herrschte eine wirtschaftlich schlechte Zeit und in der Schule durfte kein Deutschunterricht erteilt werden, ausgenommen für den Religionsunterricht, aber nicht im Schulgebäude. Im Winter bereitete das Rodeln den Kindern viel Spaß. Die kleine Frieda musste früh auf dem Bauerngut mitarbeiten. Sie wurde zum Hüten der Rinder herangezogen und hütete sogar auf der Bärenfiechtalm, die zuhinterst im Sennerberg liegt, das Almvieh. Mehrere Jahre diente sie bei verschiedenen Bauern als Magd, u. a. drei Jahre beim „Hanseler“. Als kleine Dirn unterstand sie dort der Großdirn und so musste sie derselben immer wieder beim Wäscheschwänzen im eiskalten Wasser des Jaufentalerbaches helfen. Später lobte sie die Waschmaschine als großartige Erfindung. Frieda scheute vor keiner Arbeit in Haus und Stall oder auf dem Feld zurück. Leistungsmäßig konnte sie sicher mit der Großdirn mithalten, der Lohn aber fiel geringer aus.

Fleißiges Arbeiten wurde ihr von klein auf anerzogen. Auch beim „Geir“ in Sterzing arbeitete sie als Dienstmagd. Eine große Anpassungsfähigkeit, gepaart mit einem starken Durchsetzungsvermögen, zeichnete sie aus, sodass sie neue Lebensumstände sowohl als Magd wie auch später als Bäuerin leicht meisterte. Als Hauptspeise kamen zu Mittag bei den Bauern meistens Knödel auf den Tisch. Diese enthielten größere, weiße Speckstücke, weshalb die junge Kaltenbrunnerin diese Speise mit wenig Appetit aß. Zu ihren Lieblingsspeisen zählten das traditionelle Mus, Gebackenes, besonders Mohnkrapfen und Kuchen. Fleischspeisen besaßen damals einen Seltenheitswert. In lebhafter Erinnerung ist ihr geblieben, dass am Kirchtag immer groß aufgekocht wurde. Später zeichnete sie sich durch das Zubereiten und Backen schmackhafter Weihnachtszelten aus. Nach und nach wurde ihr bewusst, dass Bräuche Fixpunkte im bäuerlichen Leben darstellen. Für die Brauchtumspflege zeigte sie stets großes Interesse. Zu ihren Lieblingsbeschäftigungen zählte viele Jahre hindurch das Sticken und Stricken. Früh lernte sie, mit wenig zufrieden und mitunter sogar glücklich zu sein. Im letzten Kriegsjahr erlebten die Menschen von Kaltenbrunn Angst und Schrecken, als eine Fliegerbombe mit ohrenbetäubendem Krach neben den Häusern einschlug, sodass der Luftdruck die Leute zu Boden warf. Während des Krieges ging Frieda einmal nach Gasteig zum Einkaufen. Auf dem Rückweg hörte sie den Fliegeralarm und bald schoss die Thuiner Flak aus allen Rohren. Angstvoll suchte sie schnell bei den Verwandten in St. Anton Schutz. Das Jahr 1955 kann zweifellos als das Schicksalsjahr von Frieda Gschnitzer bezeichnet werden. Sie heiratete in der Wallfahrtskirche von Zinggen bei Brixen Josef Keim, den Holerbauern von Schön-


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