ERKER 06 2021

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Kultur

Die „sterbenden Läuf der Pestilenz“ Pestordnungen und -traktate „an den gemainen man“ – Teil 2 von Carmen Mair

Die „Pest“ blieb vom 14. bis

ins 18. Jahrhundert die Krankheit par excellence und so bedeutete in jenen Jahren der Umgang mit Krankheit vor allem einen Umgang mit der „Pest“. Die Maßnahmen, die entwickelt wurden, erwiesen sich dann auch noch im Kampf gegen Epidemien im 19. Jahrhundert als bedeutsam. Der frühneuzeitliche Staat übernahm gesundheitspolitische und seuchenpolitische Aufgaben, daneben wurden auch medizinische und religiöse Abwehrmaßnahmen getroffen.

Die städtische Obrigkeit reagier-

te nicht nur auf bereits ausgebrochene Pestwellen, sondern versuchte durch administrative Maßnahmen, auch präventiv einen erneuten Ausbruch zu verhindern. Eigene Stadtärzte sowie weiteres Sanitätspersonal wurden angestellt, Pestspitäler errichtet, Häu-

ser von Pestkranken wurden versperrt und von der Krankheit Genesene mussten sich eine Zeit lang von der Gesellschaft isolieren. Die Bevölkerung wurde aufgefordert, die Straßen sauber zu halten, Veranstaltungen wurden untersagt, Badehäuser geschlossen. Zudem ließen die Städte Pestordnungen drucken, stellten Gesundheitspässe aus und richteten Pestbehörden ein. Andererseits wurden Seuchen – aus Angst vor Panik, Hysterie, Massenflucht und anderem unkontrollierten Verhalten – tendenziell verharmlost. Natürlich führte die „Pest“ neben individuellen Benachteiligungen auch zur Intensivierung von sozialen, ökonomischen und politischen Problemen.

Es waren vor allem zwei Textsor-

ten, die im Zuge immer wiederkehrender Pestepidemien entstanden sind. Einerseits waren dies von der Obrigkeit erlassene Pestordnungen, andererseits von Ärzten ver-

Pesttheorien • Die Vier-Säfte-Lehre: Krankheiten waren nach dieser Theorie immer Fehlmischungen der vier Körpersäfte Blut, Schleim, gelbe und schwarze Galle. Demnach betrachtete man die „Pest“ als eine gefährliche Fäulnis der inneren Organe, die durch ein Übermaß an Blut hervorgerufen wurde. • Die Miasmen-Theorie: Grundgedanke, dass schlechte Ausdünstungen, sogenannte Miasmen, eine gesundheitsgefährdende Verderbnis der Luft verursachen, die epidemische Krankheiten hervorrufen. • Die Diätetik (Lehre von der gesunden Lebensführung): Man sollte versuchen, Luft, körperliche Betätigung sowie Bäder, Speise und Trank, Schlaf und Wachen, Ausscheidungen sowie Gemütsbewegungen in Balance zu halten

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„Ordnung in Sterbennden Lewffen“: letzte Seite des Originals

Seuchenordnungen legten Abwehrmaßnahmen gegen die Krankheit fest. Neben ärztlichen Ratschlägen enthielten sie auch Regeln, Verbote und eventuelle Strafen bei Zuwiderhandlung, sie hatten also bindenden Charakter. Ein Beispiel für ein solches Textstück aus der frühen Neuzeit ist die Sterzinger Pestordnung aus dem Jahr 1534, die auch im Sterzinger Stadtarchiv zu finden ist.

fasste Ratgeber, sogenannte Pesttraktate „an den gemainen man“.

Als Auftraggeber gehen der Bür-

germeister und der Rat der Stadt Sterzing hervor, der Verfasser ist unbekannt. Da man die „Pest“ vor allem als Strafe Gottes für menschliche Sünden betrachte-

te, wundert es nicht, dass gleich zu Beginn an die Gläubigkeit und Frömmigkeit der Menschen appelliert wird: Prozessionen sollen abgehalten werden, die Bewohner werden dazu angehalten, sich züchtig und andächtig zu verhalten, geistliche Dienste sowie Gebete zur Abwehr der Seuche wer-

Behandlungsmethoden • Der Aderlass: Das Blutablassen durch einen Einstich oder Einschnitt in die Vene zählte zu den üblichen Heilmaßnahmen des Mittelalters und auch noch der frühen Neuzeit. • Das Schröpfen: Das Ansetzen von Schröpfköpfen war eine weitere Methode der örtlichen Blutableitung. Zu Zeiten der „Pest“ versuchte man dadurch, den Inhalt der eitrigen Bubonen abzusaugen. • Das Purgieren bezeichnete das innerliche und äußerliche Säubern des Körpers, u. a. auch die Entleerung des Darmes.


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