032 SO LÄUFT’S NEU DENKEN
Beispiele?
Die Jeans sind ja so etwas wie der Musterschüler der Globalisierung. Als erstes Kleidungsstück haben sie ein Image globalisiert. Key-Look der Gegenkultur, Ikone der Jugend, Symbol der Freiheit. Das war eine klare und über Jahrzehnte extrem erfolgreiche Positionierung. Ein no-brainer! Spätestens ab dem Moment, in dem Jeans dank der Globalisierung und auch (medialen) Digitalisierung zum in jeder Hinsicht grenzenlosen Massenprodukt geworden sind, ein Stereotyp. Die tätowierte Rock-’n’-Roll-Jugendlichkeit wurde zur leeren Pose und Jeans zu einem Logistikgeschäft. An der Suche nach einer neuen, glaubwürdigen Positionierung in einer (Konsum-)Welt haben sich nicht wenige die Zähne ausgebissen. Am durch die Digitalisierung veränderten Kommunikations- und Konsumverhalten der für das Image nach wie vor so zentralen Kernzielgruppe Jugend und am durch die Globalisierung erst möglichen Durchmarsch der Vertikalen sowieso. Und so ist, um diese Kausalkette abzukürzen, die Bread & Butter letztlich ein Opfer der Globalisierung geworden.
Das Ende der Welt Ein Kommentar von Stephan Huber
„I
t’s the end of the world as we know it!“ Nicht wenige haben diesen Refrain eines R.E.M.-Songs aus dem Jahr 1987 (!) wohl oft und eher ohne viel darüber nachzudenken mitgesungen. Nicht wenigen wird er vielleicht aktuell manchmal in den Sinn kommen. Der Umbruch, den wir auf allen Ebenen der Gesellschaft und damit direkt in unserem persönlichen, individuellen Alltag er- und durchleben, hat tatsächlich eine völlig neue Dimension. Was uns dabei teilweise den Atem nimmt, ist nicht die Veränderung selbst. Unsere Erde ist seit 4,5 Milliarden Jahre eine „World in Progress“. Es ist die Geschwindigkeit dieser Veränderung und das weit verbreitete Gefühl, dass diese Veränderung nicht mehr gestaltet werden kann, sondern einfach unkontrolliert passiert. Die Treibsätze des Umbruchs heißen Digitalisierung und Globalisierung. Das ist keine Kritik oder Wertung, sondern schlicht eine Tatsachenfeststellung. Jede aktuelle Debatte, jede Herausforderung und jede große und kleine Veränderung lässt sich auf diese beiden Schlüsselfaktoren zurückführen. Der rasante wissenschaftliche Fortschritt, der VW-Skandal, Netflix, TTIP, die Finanzkrise, Snowden, die deutschen Exporterfolge, verändertes Konsumverhalten, sogar die saublöde Diskussion darüber, warum Kriegsflüchtlinge Smartphones besitzen und auch noch verwenden – Globalisierung und Digitalisierung. Die Mode ist von diesen Beschleunigungskräften besonders intensiv betroffen. Das ist herausfordernd, manchmal fast beängstigend, gleichzeitig auch hoch spannend. Diese so direkte Spiegelfunktion von gesellschaftlichen, soziologischen und kulturellen Trends und Umbrüchen war und ist für mich das Faszinierendste an dieser Branche.
415 style in progress
Oder:
Eine ganz wesentliche kulturelle Funktion des Modefachhandels war es über lange Zeit, den Duft mondäner Weltgewandtheit und das Flair der internationalen Metropolen erlebbar zu machen. Also ein wenig Paris, Mailand und New York nach Regensburg oder Wels zu bringen. Die Bilder, die Storys, das Wissen. Denn diese Glitzerwelt war nicht nur physisch weit weg. Heute tragen wir sie in der Hosentasche mit uns herum und bereisen all die mythischen oder irgendwie ein wenig entmystifizierten Sehnsuchtsorte längst nicht mehr nur mit dem Finger auf der Landkarte.
Worauf ich hinauswill:
Unsere Branche befindet sich in einer epochalen Phase des Umbruchs. Dieser Umbruch wird sich weiter angetrieben von – ja, ich wiederhole mich – Digitalisierung und Globalisierung unverändert fortsetzen. Und vieles dabei ist, jawohl, Neuland! Wie recht sie doch hatte ... Das zwingt uns dazu, Positionen zu überprüfen, letztlich alles zu hinterfragen. Es zwingt uns dazu, neu zu denken. Wie gesagt, das ist herausfordernd, manchmal fast beängstigend, gleichzeitig auch hoch spannend. Vor allem aber ist es, um noch einmal Angela Merkel zu zitieren, alternativlos. Vielleicht sollte man dabei den Refrain weitersingen: „It’s the end of the world as we know it … and I feel fine ...“