style in progress 4/2015 – Deutsche Ausgabe

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042 SO LÄUFT’S NEU DENKEN

„WIR SIND MITTEN IN EINER REVOLUTION!“ Die zunehmende Digitalisierung bringt einen tiefgreifenden Wandel mit sich und stellt damit nicht nur klassische Geschäftsmodelle auf den Prüfstand. Im Interview spricht Marktanalyst Carsten Bange über die großen Veränderungen und welche Chancen die Digitalisierung birgt. Text: Nicoletta Schaper. Fotos: Peter Schaffrath

Herr Bange, Sie sagen allen Branchen umwälzende Veränderungen durch die Digitalisierung voraus.

Wir befinden uns in einer technologischen Revolution, wobei es in erster Linie um Daten und ihre Analyse geht. Wie können Daten Prozesse verbessern? Inwieweit können sie Grundlage für ganz neue Geschäftsmodelle sein? Ein Schlagwort heißt Industrie 4.0, was nichts anderes bedeutet als die Digitalisierung im Fertigungsbereich. Ein weiteres Schlagwort heißt: Software wird wichtiger als Hardware.

Bei vielen Maschinen möchte der Käufer eigentlich nicht die Maschine haben, sondern das, was sie produziert. Viele Hersteller verändern gerade ihr Geschäftsmodell und überlassen ihre Maschinen den Kunden 415 style in progress

mit einer Zusage über eine bestimmte Produktionsmenge, die dann bezahlt wird. So bietet der Kompressorenhersteller Kaeser statt des Kompressors auch ein Abrechnungsmodell für die genutzte Menge an Druckluft an oder die Firma Schwäbische Werkzeugmaschinen berechnet die produzierten Einheiten auf der Maschine. Ein anderes gutes Beispiel ist Carsharing, auf das inzwischen auch die Automobilhersteller setzen. Statt um den Preis des Produktes geht es um Dienstleistung. Gerade im deutschen Markt hat das großes Potenzial, da unsere Hardware im internationalen Vergleich in aller Regel hochpreisig ist. Also ist Software ein Wettbewerbsvorteil der Zukunft.

Und damit verbunden die Steuerung der Maschine, wodurch auch der Gewinn steuerbar wird.

Bei Maschinenherstellern sind die Wartungskosten entscheidend, ein Problem, das bisher der Kunde hatte und für das nun der Hersteller verantwortlich ist. Wenn er zu datengetriebenen, intelligenteren Verfahren der Wartung kommt, ist das ein wichtiger Hebel für seine Profitabilität. Durch regelmäßige Messungen von Sensordaten kann präziser vorausgesagt werden, wann Teile ausgetauscht werden müssen. Damit wird der ungeplante Ausfall, der ja riesige Kosten verursacht, viel seltener. Auch Roboter werden dank Software intelligenter. Dass ein Roboter Teile zum Verbauen identifizieren kann, erreicht man nicht mehr mit fester Programmierung, stattdessen wird der Roboter mittels Software zu einer autonomen Handlungsweise befähigt. Das selbstfahrende Auto von Google oder entsprechende Ankündigungen der deutschen Hersteller zur IAA zeigen ebenso, dass sich künftig alles um Software beziehungsweise um die Steuerung dreht. Das Auto selbst wird damit zum Beiwerk. Verstehen die Automobilhersteller den Ernst der Lage?

Mittlerweile scheint die Brisanz doch erkannt worden zu sein; es gibt sehr viele Initiativen auch der deutschen Automobilhersteller. Aber das Rennen ist noch offen, wobei IT-Konzerne, insbesondere Google, das Tempo

vorgeben – und nicht Mercedes oder BMW. Und die übrigen Branchen?

Ich denke, die strategische Bedeutung von Daten ist allgemein erkannt. Woran es hapert, ist die Umsetzung. Viele zögern aufgrund von fehlendem Know-how auf Technologie- wie auch auf Anwendungsseite. Dabei ist die Technologie viel weiter, als viele sich das vorstellen. Schon 2011 hat Facebook 500 Terrabytes an neuen Daten pro Tag (!) verarbeitet. Um sie auch nutzen zu können, hat Facebook die Technologien gemeinsam mit seinen Lieferanten weiterentwickelt und kann heute Werbung jedem Nutzer zielgerichtet zeigen. So ist Facebook als Werbeplatz sehr attraktiv geworden. Was bedeutet die Digitalisierung für den Handel?

Zurzeit ist der Onlinehandel das Wachstumssegment. Inwieweit das den stationären Handel beeinflusst, ist eine noch unbeantwortete Frage. Tatsächlich gibt es Dinge, die ich nicht physisch sehen und anfassen muss. In Seoul gibt es schon seit einiger Zeit eine U-Bahnstation, wo man sich auf dem Bildschirm ein Supermarktregal anschauen und mit dem Smartphone den Code der Produkte scannen kann. Das Regal, die Milchpackung ist imaginär. Muss ich eine Milchpackung überhaupt anfassen? Ich will ja eine Information haben, das Ablaufdatum wissen, den


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