MEINUNGEN KOMMENTARE
VITA OLIVER STOCK Korrespondent Deutschland „Börsianer“
DER STAAT MUSS RAUS
Als Korrespondent (55) des „Börsianer“ berichtet der gebürtige Deutsche über spannende Finanz- und Wirtschaftsgeschehnisse aus Deutschland. Der studierte Volkswirt war Chef der „Finanzzeitung“ in Frankfurt, Vizechefredakteur des „Handelsblatts“ und der „Wirtschaftswoche“ sowie Kommunikationschef bei der Tochter der Münchner Rück. Er beschreibt sich selbst als gutgelaunt und neugierig.
Hilfreiche Tipps zur Unternehmensführung wie etwa der OMV sollte sich jede Regierung verkneifen. Es entsteht nur Ungerechtigkeit.
Ö
sterreich ist ein Land mit Tra-
auffordern, auf Kurzstreckenflüge dau-
dition. Die Pracht vergangener
erhaft zu verzichten. Aber von der Regie-
Epochen scheint herüber, auch
solcher, die noch gar nicht so lange vorbei
„Staatseinfluss geht
sind. Manchmal ist das zum Verzweifeln.
immer mit Verzerrungen
Es ist noch keine Generation her, da
des Wettbewerbseinher.“
hatte das Land einen riesigen Staatssektor. Er war aus der Not entstanden: In den
OLIVER STOCK
rung in Berlin kommen solche Forderungen nicht. Jedenfalls nicht öffentlich. VW gehört seit Jahrzehnten zu einem Gutteil dem Land Niedersachsen, das sich selbst bei Skandalen wie den Abgasbetrug wohlweislich zurückgehalten hat.
50er-Jahren gab es viele besetzte Betriebe
Meistens ist das gut so. In dem Augen-
im russischen Einflussbereich. Die ehe-
blick nämlich, da politische Institutionen
mals deutschen Rüstungsbetriebe, das
rung über angebliche Bespitzelungsvor-
und nicht Marktkräfte das Sagen haben,
Industriekonglomerat Voest, die staat-
würfe, die Umweltaktivisten gegen den
verändert das die Interessen und Prioritä-
liche Mineralölverwaltung - all das war
OMV-Chef erhoben haben. Dem bleibt
ten. Dann gibt es Interventionen bei Fir-
russisch. Österreich wollte diesen Ein-
nichts übrig, als sich öffentlich zu wehren.
menentscheidungen, Vetternwirtschaft,
fluss zurückdrängen, das ging nur, wenn
Beispiel Telekom Austria AG: Das Un-
Protektion von Parteifreunden. Staats-
es seine Unternehmen verstaatlichte. Es
ternehmen soll Schulen digitalisieren und
einfluss geht immer mit Ungleichbe-
hat dann mehr als drei Jahrzehnte gedau-
die Kreislaufwirtschaft durch das Recyc-
handlungen und Wettbewerbsverzerrun-
ert, bis nicht zuletzt auf Druck der EU die
ling von Altgeräten unterstützen. Beides
gen, auch Ungerechtigkeiten einher. Der
Privatisierung kam, was zeigt, wie groß
sind Staatsaufgaben, die der Staat aber
Staat trifft reihenweise Fehlentscheidun-
das
politischer
mal eben rüberschiebt. Begünstigt wird
gen. Die Landesbanken in Deutschland,
Kräfte ist. Und sie beharren immer noch.
dieses Klima der Einflussnahme durch
die tiefer als die meisten privaten Banken
Beispiel OMV AG: Da ist die vom Vor-
kurze Wege: In Wien kennt man sich
in die Finanzkrise verstrickt waren, sind
stand und Aufsichtsrat, in dem auch ein
eben, und im Kaffeehaus hält jeder gern
ein abschreckendes Beispiel. Deshalb
Staatsvertreter sitzt, jüngst beschlossene
mal Sprechstunde. Nebenan in Deutsch-
muss der Staat nach Krisen so schnell wie
Strategie, sich weg vom Öl hin zur Chemie
land läuft es ein bisschen besser. Obwohl
möglich raus aus den Betrieben. Und er
zu bewegen, und Umweltministerin Leo-
die Zahl der direkten Staatsbeteiligungen
muss sich, solange er noch drin ist, mit
nore Gewessler hat nichts Eiligeres zu tun,
in der Krise etwa um die Lufthansa AG und
Tipps zur Unternehmensführung zumin-
als eine Weichenstellung Richtung Klima-
den Reiseveranstalter TUI AG gestiegen
dest vor den Kulissen zurückhalten. In
schutz einzufordern. Da verlangt Vize-
ist, hält sich die Politik zurück. Sie könn-
Österreich bedeutet das einen Traditions-
kanzler Werner Kogler lautstark Aufklä-
te in der Klimadebatte beide öffentlich
bruch. Aber das macht nichts. n
Beharrungsvermögen
19