AKTUELL Interview
sprach mit Friedrich Merz, dem Vizepräsidenten des Wirtschaftsrates und andidaten für den CDU-Vorsitz, über den Zustand unseres Wirtschaftsstandortes, K teuren Strom sowie ehrgeizige Klimaziele und wie wichtig es ist, dass die CDU klar eigene Standpunkte bezieht. Das Interview führte Frederike Holewik.
– Herr Merz, viele Unternehmer haben Angst, dass die Coronakrise Deutschlands Wirtschaft nachhaltig beschädigt. Wie kommen wir zurück zum Wachstumskurs? Die deutsche Wirtschaft befindet sich schon lange im Umbruch. Das hat auch, aber nicht nur mit Corona zu tun. – Wie darf man das verstehen? Es gibt große Lücken in der digitalen Infrastruktur. Teile der Automobilwirtschaft haben zu spät in neue Technologien investiert. Hohe Steuern und Energiepreise sind eine echte Belastung für Unternehmen und Privathaushalte in diesem Land. An diesen Beispielen zeigt sich bereits: Die Probleme waren zumindest teilweise schon vor Corona absehbar.
– Welche Handlungen müssen nun folgen? Deutschland war einmal die Apotheke der Welt. Heute werden die innovativen Arzneien nicht mehr in Deutschland hergestellt und nur noch wenige erforscht. Da könnte die Politik ein Signal setzen: Wir wollen wieder forschende Arzneimittelherstellung in Deutschland, und das schließt Biotechnologie und Gentechnik mit ein. – Die Beteiligung vom Bund am Biopharmaunternehmen Curevac war also richtig? Nein. Auch die Begründung kann ich bis heute nicht nachvollziehen. Was die Sache noch absurder macht ist, dass Curevac nach der deutschen Staatsbeteiligung an den Kapitalmarkt gegangen ist. Und zwar nicht in Frankfurt, Amsterdam oder Paris, sondern in New York.
„Wir spielen nicht mehr i – Fehlt es also an Innovation? Wir brauchen mehr Mut auf Unternehmerseite, aber auch in der Politik. In der Liste der 100 größten Unternehmen der Welt kommen Unternehmen aus Europa kaum noch vor, ganz oben stehen die amerikanischen und immer mehr chinesische Techkonzerne. Wir spielen bis auf wenige Ausnahmen nicht mehr in der Champions-League. Das liegt auch daran, dass Deutschland in vielerlei Hinsicht zu langsam und bürokratisch agiert. – Welche Schwachpunkte hat die Coronakrise darüber hinaus offengelegt? Zum einen sind uns die globalen Abhängigkeiten vor Augen geführt worden, vor allem von China und den USA. Am Anfang der Krise gab es in Europa nicht einmal ausreichend Schutzmasken und Beatmungsgeräte. Auch bei der Medikamentenversorgung gab es Engpässe. Das muss ein Weckruf sein.
– Lassen Sie uns noch einmal auf die hohen Energie preise zu sprechen kommen. Welche Möglichkeiten zur Entlastung sehen Sie da vor allem wenn gleichzeitig die Klimaschutzziele der EU eingehalten werden sollen? Verbraucher und Unternehmen zahlen in Deutschland die höchsten Energiepreise der Welt. Das kann so nicht weitergehen, hier braucht es Konzepte zur Entlastung. Und die sehr ehrgeizigen EU-Klimaziele werden wir nur mit reiner CO2-Vermeidung und Verboten nach meiner Einschätzung nicht erreichen. Wir brauchen Technologieoffenheit, um dieses Problem zu lösen. Da wäre zum Beispiel die CCS-Technologie zur Abscheidung und Rückführung oder Lagerung von Kohlendioxid. Die halbe Welt forscht an neuen Technologien, nur in Deutschland gibt es nach wie vor starke Vorbehalte dagegen. Wir können nicht immer nur sagen, was wir nicht wollen. Wir müssen auch wissen, was wir wollen.
„Verbraucher und Unternehmen zahlen in Deutschland die höchsten Energiepreise der Welt. Das kann so nicht weitergehen, hier braucht es Konzepte zur Entlastung.“ 8
TREND 3/4 2020