ERKER 09 2021

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Titelgeschichte

Ein echter Grenzfall Landshuter Europahütte wird abgerissen und wieder aufgebaut Von Barbara Felizetti Sorg

Die Tage der Landshuter Europahütte sind gezählt: Sie soll abgerissen und leicht versetzt wieder aufgebaut werden.

1899 errichtet, hat der Zahn der Zeit und der Naturgewalten an ihr genagt. Nun soll die Landshuter Europahütte, die auf 2.693 m genau auf der Grenze zwischen dem Pfitsch- und dem Vennertal steht, abgetragen und wieder aufgebaut werden. 121 Jahre hat sie mittlerweile auf dem Buckel, und das hohe Alter sieht man ihr – mit Verlaub – auch an: Tiefe Risse durchziehen die alten Steinmauern, auch die Fundamente sind zunehmend instabil. Die Tage der Landshuter Europahütte am Kamm der Tuxer Kette sind gezählt. Höchste Zeit also, etwas zu unternehmen. Aber was?

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Ein Blick zurück Der Alpintourismus blühte, als einige begeisterte Bergsteiger der Sektion Landshut des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins (DÖAV) 1899 im fernen Tirol die „Landshuter Hütte“ errichtete, die sich südlich des Kraxentragers (2.999 m) am Scheitelpunkt der Wasserscheide erhob. Freilich konnten sie damals noch nicht erahnen, welches Schicksal das Bauwerk ereilen sollte. Als Südtirol nach dem Ersten Weltkrieg im Jahr 1919 zu Italien geschlagen wurde, wurde die Hütte regelrecht entzweit: Die Grenze verlief nun quer durch das Gebäude. Während der östliche Teil – etwa ein

Drittel – auf österreichischer Seite im Besitz des DAV Landshut verblieb, fiel der italienische Teil in der Folge als Kriegsbeute in den Besitz des italienischen Kriegsministeriums, später ging er in den Besitz der Fraktion Innerpfitsch über; 2021 hat schließlich die Südtiroler Landesregierung beschlossen, die Hütte anzukaufen. Diese komplexe rechtliche Situation ließ eine erfolgreiche Bewirtschaftung der Landshuter Hütte kaum zu, der Zweite Weltkrieg und die militärische Besetzung des Schutzhauses in den 1960er Jahren erschwerten das Unterfangen zusätzlich. Sturmschäden setzten dem Gebäude außerdem zu.

1961 wurde der österreichische Teil saniert und mit Unterbrechungen auch bewirtschaftet. In den 1980er Jahren begann der CAI Sterzing mit der Sanierung des italienischen Teils der Hütte, die in Zusammenarbeit mit dem DAV Landshut erfolgte. 1989 – gerade rechtzeitig zum 100-Jahr-Jubiläum – wurden die Arbeiten abgeschlossen, die Führung übernahm Familie Holzer aus Pfitsch. Die Hütte bekam damals als Symbol für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit auch einen neuen Namen. „Die Landshuter Europahütte trägt dazu bei, Menschen zu verbinden, die jenseits der territorialen Grenzziehungen gemein-


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