Reisen in Pandemiezeiten: Auto, Bahn, Bus oder Flugzeug? Infektionsschutz versus Unfallschutz versus Umweltschutz.
Der Mythos vom sicheren Reisen mit dem Auto
Nicht auszulöschen sind die Stereotypen und Mythen, die über Jahre und Jahrzehnte in der Tourismusbranche verbreitet werden, ohne dass sich jemand wirklich die Mühe macht, objektiv nachzuforschen, wie denn nun die Wirklichkeit aussieht. In dieser Ausgabe unterziehen die Münchner Tourismus- und Sozialwissenschaftler Dr. H. Jürgen Kagelmann und Dr. Walter Kiefl die aktuelle Frage einem Realitätscheck, ob das Auto in Coronazeiten das sicherste Verkehrsmittel für Urlaubsreisen ist ... Teil 12 der Serie Text: Dr. H. Jürgen Kagelmann und Dr. Walter Kiefl
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Mythos: Das Auto ist in Coronazeiten das sicherste Verkehrsmittel für Ferienreisen …
iese Ansicht scheint plausibel und es gibt auch empirische Belege dafür, dass derzeit viele Urlauber Bahnen, Bussen und vor allem Flugzeugen misstrauen – trotz aller immer wiederkehrenden Beteuerungen der Betreiber, man tue alles technisch nur Mögliche beziehungsweise Denkbare, um das Risiko zu minimieren, während der Fahrt oder des Flugs vom Virus infiziert zu werden. Es wird sogar behauptet, dass die Wahrscheinlichkeit dafür praktisch gleich null sei. Dessen ungeachtet bevorzugen die urlaubshungrigen Deutschen, Schweizer und Österreicher neuerdings sichtlich das eigene Auto, um an ihr Ziel zu gelangen. Allerdings ist die Angelegenheit komplex. Zum einen legt die coronabedingt gestiegene Beliebtheit von Inlandszielen und Zielen im benachbarten Ausland aufgrund der meist geringeren Entfernungen eine PkwNutzung ohnehin nahe. Aus der Erkenntnis, dass das eigene Automobil – im Vergleich zu früher – nun lie-
ber und vermehrt für Urlaubsreisen eingesetzt wird, und dass es mehr Sicherheit vor Ansteckungen bietet, folgt aber nicht zwingend, dass es jetzt nur deshalb bevorzugt wird. Während im Jahr 2019 noch jeder fünfte Urlauber eine Fernreise (überwiegend mit dem Flugzeug) unternommen hatte, plante das 2020 nur noch jeder 16. Hatten vor Corona 35,6 % der Urlauber den Pkw und 32 % das Flugzeug als Reisemittel benutzt, so betrugen die entsprechenden Werte für dieses Jahr 53,6 % versus 10,8 %; das heißt, mehr als die Hälfte der Befragten wollten im Jahr 2020 mit dem Pkw und nur noch 11 % mit dem Flugzeug verreisen. Nach einer anderen aktuellen Umfrage planten 2020 fast 70 % der Sommerurlauber mit dem Auto zu fahren (bei den über 40-Jährigen und Familien mit Kindern liegt dieser Anteil sogar noch höher), 10,8 % mit der Eisenbahn und 1,5 % mit dem Bus; fliegen wollten dagegen nur noch 15,3 %. 26
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Der Rückgang hat mittelbar (Regulierungen beziehungsweise Einschränkungen) und unmittelbar (Ansteckungsrisiko) mit Corona zu tun: Zum – allerdings objektiv geringen – Risiko eines für die Insassen meist tödlichen Absturzes ist die Gefahr einer (im Vergleich zum Pkw) höheren Ansteckungswahrscheinlichkeit im Flugzeug und vor allem im Flughafen (enge, volle Räume, Gedränge) hinzugekommen. Aber auch viele Bus- und Bahnreisende fühlen sich jetzt stärker gefährdet und ziehen nun vermehrt den Pkw für ihre Reisen vor. Dazu passt eine Meldung, wonach 2020 das Interesse am Campingurlaub deutlich zugenommen hat; zum Beispiel wurden in Deutschland allein im Mai 2020 etwa 30 % mehr Wohnmobile im Vergleich zur selben Zeit des Vorjahres verkauft. Die gestiegene Beliebtheit des Kraftfahrzeugs als Verkehrsmittel schlägt sich auch darin nieder, dass 2020 mehr als doppelt so viele
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