Was der Mund-Nasenschutz wirklich bringt Anfangs hielten Forscher sie für überflüssig, jetzt gilt sie als einfachstes Mittel gegen das Coronavirus – die Maske prägt unseren neuen Alltag. Nunmehr haben die Wissenschaftler gute Argumente, dass auch Alltagsmasken die Ausbreitung von Covid-19 aufhalten: Es wurden 172 Studien aus 16 Ländern zur Luftübertragung von Viren ausgewertet mit dem Ergebnis: Abstand hilft, Masken helfen. Der Schutz der Augen – durch Brille oder Visier – hilft zusätzlich. Aber in welchem Ausmaß? Die Universität von Washington erweckt den Eindruck, das messen zu können. Forscher rechnen vor, dass in den USA bis Dezember 2020 voraussichtlich rund 300.000 Menschen mit Covid-19 gestorben sein werden. Würden aber konsequent Masken getragen, ließen sich bis Ende des Jahres insgesamt 100.000 Leben retten. Die Experten schildern die amerikanische Pandemiepolitik und das Verhalten der Bürger als Achterbahnfahrt: Steigen die Zahlen, werden Abstände eingehalten, Hände gewaschen und Masken getragen; sinken die Infektionsraten, schwindet die Disziplin – mit messbaren Folgen. Leider haben wir dieselbe Situation auch in Europa. Die Realität ließ sich schon früh andernorts studieren. Die disziplinierte Maskenkultur in Südkorea, Japan, Honkong oder Island und die damit einhergehenden flacheren Infektionskurven waren im Verlauf der Pandemie einer der wichtigsten Hinweise auf die rettende Wirkung der Alltagmasken. Längst haben Aerosol- bzw. Tröpfchenforscher begonnen, unterschiedliche Masken auf deren Schutzwirkung zu untersuchen. Aktuelles Ergebnis der vergangenen Woche: Professionelle medizinische Mas-
ken blockieren einen großen Teil des Sprühnebels, den wir beim Sprechen ausstoßen. Handgenähte Stoffmasken sind auch effektiv. Ein dünnes Tuch vor dem Mund zerlegt hingegen große Tropfen in kleine. Wer aus solchen Studien Alltagspolitik machen will, muss immer wieder Nutzen und Risiken gegeneinander abwägen und – Erkenntnisse sind ganz ohne Risiko nicht zu haben – Alltagsexperimente wagen. Die Schulöffnung ist ein solches Experiment, eine tastende Abwägung zwischen Epidemiologie und Bildungschancen. Masken helfen. Nachgewiesen ist, dass sie die Verbreitung von Tröpfchen und Aerosolen reduzieren. Ein unwissentlich Infizierter steckt weniger Menschen an. Nicht so effektiv ist hingegen die Schutzwirkung für den Maskenträger selbst. Es bleibt ein unausgesprochener Vertrag: Schützt du mich, schütz ich dich. Damit wird klar: Masken können auch schützen, wenn sie mit ungewaschenen Händen aus der Tasche gezogen werden. Dann aber vor allem das Gegenüber. Unabhängig von der physischen Barriere, die Masken errichten, haben sie eine wichtige symbolische Funktion: Sie schaffen psychologische Distanz. Sie erinnern daran: Das Virus ist nicht weg. Es ist nicht das Stück Stoff allein, das uns schützt, nicht das Medikament, nicht der Test und nicht der Impfstoff. Es sind die Menschen, die uns mit ihrem Verhalten schützen – auch mit einem konsequenten Griff in die Hosentasche.
Dr. Josef Frötscher, ehemaliger Chefarzt am KH Sterzing
Erker 09/20
105