ROME. THE SUNSET SPLENDOR

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Josef Engemann

Römische Kunst in Spätantike und frühem Christentum bis Justinian


Das Römische Reich mit seinen beiden Reichsteilen ab 395

Britanniae Londinium London Colonia Agrippina Köln

Belgica Treveris Trier

Rhein

Lutetia Paris

Lugdunensis

Donau

Galliae Aquitania Lugdunum Lyon

Burdigala Bordeaux

Italia Annonaria

Sog. Sieben Provinzen

Gallaecia

Narbo Narbonne

Illyricum (Pannoniae)

Aquileia Mediolanum Mailand

Arelate Arles

Sirmium Sremska Mitrovica

Ravenna

Dalmatia

Tarraconensis

Lusitania

Toletum Emerita Augusta Toledo Mérida Corduba Cõrdoba

Salonae Solin

Tarraco Tarragona

Donau

Moesia

Daciae

Thraciae

Roma Rom

Hispaniae

Italia Suburbicaria

Hadrianopolis Edirne

Macedoniae

Constantinopolis Istanbul Nicomedia Izmit Nicaea Iznik

Pontus Tigris

Lydia

Baetica

Asiana Tingis Tanger

Hippo Regius Annaba

Africa Mauretania

Syria

Ephesus Miletus

Athenae Athen

Antiochia Antakya

Caria

Carthago Karthago

Numidia

Proconsularis

Oriens

Hadrumetum Sousse

Damascus Damaskus

Byzacena

Leptis Magna Alexandria

Tripolitania

Aegyptus

Africa etc.

Weströmisches Reich Oströmisches Reich Grenze des Römischen Reiches Diözesen (spätantike Verwaltungseinheiten)

Tripolitana etc.

Grenzen der Diözesen Provinzen Schlachten

Libya

Nil

Euphrat


Josef Engemann

Römische Kunst in Spätantike und frühem Christentum bis Justinian


Impressum


Inhalt

1. Einleitung

7

2. Geschichtlicher Überblick

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3. Bauten, Denkmäler und Skulpturen von Kaisern und für Kaiser im öffentlichen Raum

21 3a. Die Tetrarchen und Maxentius 20 3b. Konstantin im Westreich 29 3c. Konstantin und seine Nachfolger in Konstantinopel 38

4. Künstlerische Auftragsarbeiten der Kaiser und Konsuln

51 4a. Kaiserliche Geschenke 50 4b. Geschenke der Konsuln 56 4c. Konsuln in Circus und Amphitheater 59 4d. Kaiser und Kaiserinnen als Empfänger von Konsulardiptychen 62

5. Das biblische Bilderverbot und die Anfänge jüdischer und christlicher Kunst

67 5a. Jüdische Kunst 67 5b. Christliche Kunst 70

6. Christliche Kunst im Grabbereich

73 6a. Drittes Jahrhundert 73 6b. Viertes bis sechstes Jahrhundert 81

7. Christliche Kultbauten und ihre Ausstattung

101 7a. Stiftungen Konstantins in Rom, Konstantinopel, Antiochia und Palästina 101 7b. Ausgewählte Bauten in Rom, Italien und den westlichen Provinzen 115 7c. Ausgewählte Bauten in Konstantinopel, Griechenland und den östlichen Provinzen 155

8. Profanbauten und ihre Ausstattung

181 8a. Skulptur 181 8b. Decken- und Wanddekor 181 8c. Fußbodenmosaik 187


9. Kunst und Kunsthandwerk im Kleinformat 9a. Buchmalerei 9b. Metallarbeiten der Kirchenausstattung 9c. Metallarbeiten des Privatlebens 9d. Elfenbeinschnitzereien 9e. Glyptik 9f. Glas 9g. Ton 9h. Ikonen 9i. Textilien

195 195 207 212 227 239 241 246 249 251

10. Schlusswort

255

11. Index

257

12. Bibliographie 11a. Allgemein 11b. Geschichtlicher Überblick 11c. Bauten, Denkmäler und Skulpturen von Kaisern und für Kaiser im öffentlichen Raum 11d. Künstlerische Auftragsarbeiten der Kaiser und Konsuln 11e. Das jüdisch-christliche Bilderverbot und die Anfänge christlicher Kunst 11f. Kunst im Grabbereich 11g. Christliche Kultbauten und ihre Ausstattung 11h. Profanbauten und ihre Ausstattung 11i. Kunst und Kunsthandwerk im Kleinformat


1. Einleitung

Wie stark Architektur und Bildwerke des frühen Christentums über die Kunst des abendländischen Mittelalters und die östliche byzantinische Kunst bis in die Gegenwart hineinwirken, dürfte Interessierten allgemein bekannt sein. Weniger verbreitet ist das Wissen darüber, in welchem Maße die frühchristliche Kunst trotz der Neuartigkeit von Bauaufgaben und Bildinhalten von vorausgehenden und gleichzeitigen heidnischen oder neutralen Bildwerken beeinflusst wurde. Diesem Zusammenhang gilt daher in diesem Band besondere Aufmerksamkeit.

zu bestimmen. Es geht nicht darum, Kunstwerke aus ihrer Wirkung auf den heutigen Betrachter zu bewerten und mit Hilfe von Vorstellungen unserer Gegenwart zu interpretieren. Vielmehr wird versucht, Werke der verschiedenen Kunstgattungen aus ihrem zeitgenössischen historischen und gesellschaftlichen Kontext heraus zu verstehen. Dabei ist eine Aufteilung der Bildmotive in real existierende und glaubensbedingt vorgestellte nicht möglich, weil in der Antike ein großer Teil der nichtchristlichen und christlichen Bevölkerung auch solche Gestalten und wunderbare Ereignisse als real ansah oder anzusehen vorgab, die Aktuelle Tendenzen zur Suche nach »Gegenwartsnähe« in der Gegenwart überwiegend als mythisch oder in Archäologie und Kunstwissenschaft legen es nahe, legendär gelten. eingangs die Auswahl der hier gewählten Bildwerke

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2.  Geschichtlicher Überblick

Diocletian, der im Jahre 284 in Nikomedeia (Izmit) am Bosporus zum Augustus erhoben wurde, suchte sehr schnell durch Verteilung der kaiserlichen Macht den Angriffen und Aufständen zu begegnen, die das Reich von allen Seiten bedrohten. 286 ernannte er seinen Freund Maximian zum Augustus des Westreichs, während er selbst das Ostreich regierte. 293 wurde durch Einsetzung von Galerius und Constantius als untergeordnete Herrscher (Caesares) eine Viererherrschaft (Tetrarchie) eingerichtet. 305 sollten die Augusti zurücktreten und die Caesares an ihre Stelle aufsteigen. Neue Caesares sollten wiederum nach zehn Jahren Augusti werden. Als Absicherung der Tetrarchie trennte sich Galerius von seiner (namentlich nicht bekannten) Frau und heiratete Valeria, die Tochter Diocletians; Constantius, der zuvor mit Helena, der Mutter Konstantins, im Konkubinat lebte, erhielt Theodora zur Frau, die Tochter Maximians.

Abb. 1.  München, Staatliche Münzsammlung, Inv. 86.627. Medaillon von 315 mit Christusmonogramm, Silber, Durchmesser 2,5 cm, Gewicht 6,40 Gramm, Münzstätte Ticinum (Pavia), Vorderseite.

Diocletian residierte in Nikomedeia, Antiochia und Sirmium in Pannonien und regierte den Osten des Reiches. Galerius herrschte von Antiochia, Salonica (Thessaloniki) und Serdica aus über Griechenland und das östliche Donaugebiet. Maximian hatte seinen Sitz in Mailand und Aquileia und übernahm Italien, Spanien, Africa und das westliche Donaugebiet. Constantius residierte in Trier und erhielt Gallien und Britannien. Diocletian gab seinem politischen Entwurf auch eine religiöse Unterstützung. Er selbst und sein Caesar Galerius hatten Jupiter (Iovis) zum Begleiter und Bewahrer und nannten sich Iovier; Maximianus und sein Caesar Constantius stellten sich unter den Schutz des Hercules und galten als Herculier. Wie Jupiter unter den Göttern kam Diocletian unter den Tetrarchen der höchste Rang zu. Die angestrebte Eintracht (concordia) der Herrscher

kam in einer starken Angleichung ihrer Porträts zum Ausdruck (Abb. ). Die Idee einer göttlichen Berufung der Kaiser konnte wenige Jahre später von christlichen Kaisern übernommen werden. Die Rangstufen der Tetrarchen und ihr Verhältnis zu Jupiter und Hercules sind besonders im Raum für den Kaiserkult in Luxor (Abb. 15), am Galeriusbogen in Thessaloniki (Abb. 14) und am Fünfsäulendenkmal in Rom abzulesen (Abb. 17). Die Vorstellung, das Heil des Römischen Reiches sei von einer einheitlichen kultischen Verehrung der Götter abhängig, führte seit 303 zur letzten großen Verfolgung der Christen. Die religionspolitische Motivation – traditioneller Kult als Garant des Staatswohls – ist im Edikt des Galerius zur Aufhebung der Verfolgung im Jahre 311 deutlich ausgesprochen. Die Tetrarchen hatten militärische Erfolge in Gallien, Britannien, an der Donau und gegen die Perser (Abb. 14) und konnten Aufstände in Nordafrika und Ägypten niederschlagen. Hierfür feierten die Augusti 303 in Rom einen gemeinsamen Triumph, gleichzeitig mit einer Feier für die zwanzigjährige Herrschaft der Augusti (Vicennalia) und die zehn Amtsjahre der Caesares (Decennalia) (Abb.  ). Im Jahre 305 verlief die Nachfolgeregelung planmäßig: Diocletian und Maximian traten ab, Galerius und Constantius wurden Augusti und ernannten Maximinus Daia (im Osten) und Severus (im Westen) zu Caesares. Ähnlich wie 293 Maxentius, der Sohn Maximians, wurde jetzt Konstantin, der Sohn des Constantius, übergangen. Doch bereits 306 wurden die tetrarchischen Regeln durch eine dynastische Nachfolge durchbrochen. Konstantin war gerade rechtzeitig zu seinem sterbenden Vater nach York in Britannien gekommen, um nach dessen Tod von den Truppen zum Augustus ausgerufen zu werden. 9


Abb. 2.  Paris, Bibliothèque nationale de France, Cabinet des Médailles, Inv. Beisteigui 233. Medaillon von 313 mit dem Sonnengott als Begleiter Konstantins. Münzstätte Ticinum. Gold im Wert von 9 Solidi, Durchmesser 4 cm,. Gewicht 39,78 Gramm, Vorderseite.

Galerius fürchtete eine militärische Auseinandersetzung mit dem Usurpator und fand einen Kompromiss: Der Caesar Severus folgte Constantius als Augustus und Konstantin wurde als sein Caesar anerkannt. Kurz darauf ließ sich Maxentius in Rom zum Augustus ausrufen. Severus fand bei vergeblichem Kampf gegen ihn den Tod. Auch Maximian wurde wieder aktiv, verbündete sich mit Konstantin und gab ihm seine Tochter Fausta zur Frau (Abb. 3−4). Diocletian, der sich auf seine Altersresidenz in Spoleto (Split) zurückgezogen hatte (Abb. 11), machte 308 bei einem Treffen in Carnuntum einen vergeblichen Versuch, sein System zu retten. Die Stelle des gefallenen Augustus Severus sollte Licinius einnehmen, ein Kampfgefährte des Galerius. Maximian sollte wieder ausscheiden, was aber erst 310 erfolgte, als ihn sein Schwiegersohn Konstantin zum Selbstmord zwang. Konstantin erfand für sich eine fiktive Abstammung von Kaiser Claudius Gothicus (268–270) und eine Zuwendung zum Sonnengott (Sol beziehungsweise Apollo; Abb. 2). 311 starb Galerius, kurz nach der Veröffentlichung seines Toleranzedikts zur Beendigung der Christenverfolgung. Die Beisetzung erfolgte in der Nähe seines Palastes Felix Romuliana (Gamzigrad/Serbien). Im folgenden Jahr zog Konstantin – selbst ein Usurpator – durch Norditalien nach Rom gegen den Usurpator Maxentius. Für seinen Sieg an der Milvischen Brücke, bei dem Maxentius im Tiber den Tod fand, hatte Konstantin sich als Schlachtenhelfer Christus 10

gewählt, dessen Macht das Toleranzedikt bezeugt hatte. In den Schriften von Laktanz (um 315) und Bischof Eusebius von Caesarea (nach dem Tod des Kaisers 337) wurden hierzu ganz unterschiedliche nächtliche Christusträume des Kaisers erzählt. Letzterer beschrieb auch eine Kreuzvision des Kaisers und seines ganzen Heeres am helllichten Tage. Den historischen Kern dieser literarischen Bilder, die militärische Wendung Konstantins zu Christus vor dem Kampf um Rom, bezeugen Silbermedaillons aus Ticinum (Abb. 1). Auf der Vorderseite schmückt ein Christusmonogramm den Federhelmbusch am Spangenhelm des Kaisers. Es besteht aus den Anfangsbuchstaben X und P (Chi und Rho) des Christusnamens XPISTOC. Konstantin ist als Büste im Panzer mit seinem Pferd, einer Lanze und einem runden Schild dargestellt, den das Bild der römischen Wölfin schmückt, die Romulus und Remus säugt. Auch die Rückseite weist auf den Sieg Konstantins hin. Hier trägt der Kaiser bei einer Ansprache an Fuß- und Reitertruppen ein Siegesmal (tropaion) und wird von der Siegesgöttin Victoria bekränzt. Das Ergebnis dieses Sieges fasst die Umschrift zusammen: SALVS REI PVBLICAE – »Das Heil des Staatswesens«. Der Einsatz Christi für Konstantins Kriegsführung hatte weitgehende Folgen. Die fast allgemeine frühchristliche Ablehnung von Militärdienst und Krieg wurde jetzt hinfällig.


Abb. 3.  Berlin, Staatliche Museen, Münzkabinett, Inv. 1873,393. Doppelsolidus für Fausta, Gold, Durchmesser 2,5 cm, Gewicht 8,91 Gramm, Münzstätte Trier, Fundort Athen, Vorderseite. Abb. 4.  Rückseite.

Im Jahre 313 kämpfte Konstantin wieder an der Rheinfront gegen Franken, von denen er, wie schon einige Jahre zuvor, viele im Amphitheater durch wilde Tiere umbringen ließ. Von den zeitgenössischen Panegyrikern (Festrednern am Hofe) wurde er wegen solcher Abschreckungen gelobt, denn die Verteidigung der Grenzen war eine der wichtigsten Aufgaben Konstantins: »Dich aber, Konstantin, sollen die Feinde hassen, soviel sie wollen, wenn sie nur voller Schrecken sind.« (Panegyrici latini VI 12,1). Wenig später schaltete Licinius den Konkurrenten Maximinus Daia aus, so dass das Reich nur noch von zwei Augusti regiert wurde. Die Heirat des Licinius mit Constantia (S. ), der Stiefschwester Konstantins, sollte für politische Annäherung sorgen. Auf religiösem Gebiet setzte eine in Mailand getroffene Vereinbarung der Kaiser, die als Brief veröffentlicht wurde, das Edikt des Galerius von 311 fort. Jetzt wurde die Rückgabe enteigneten Eigentums der Christen angeordnet. Völlige Freiheit der Religionswahl und die Gleichberechtigung aller Religionen sollten dem Reich und seinen Bewohnern die Gewogenheit aller Gottheiten und himmlischen Mächte garantieren. Die persönliche Einstellung Konstantins scheint noch für längere Zeit dieser toleranten Veröffentlichung entsprochen zu haben und ambivalent gewesen zu sein. Im religiösen Bereich engagierte sich der Kaiser sehr schnell für die christliche Kirche, beispielsweise durch Kirchenstiftungen und Versuche zur Beilegung des Donatistenstreits. In dieser in Nordafrika ausgebrochenen Auseinandersetzung ging es um die Rolle von Klerikern und

Bischöfen, die in der diocletianischen Christenverfolgung versagt hatten, vor allem um die Gültigkeit der von ihnen gespendeten Sakramente. Im öffentlichen Auftreten trug Konstantin dagegen dem Umstand Rechnung, dass zunächst nur ein kleiner Teil der Bevölkerung, vor allem der zivilen und militärischen Führungskräfte, dem Christentum nahe stand (S. ) und behielt seine enge Beziehung zum Sonnengott bei. Diese Verbindung ist auf einem Goldmedaillon verbildlicht, auf dessen Vorderseite die Büsten Konstantins und des Sonnengottes hintereinander dargestellt sind. Dieser trägt eine Strahlenkrone, Konstantin einen Lorbeerkranz. Der Kaiser ist gepanzert und hält außer einem Speer einen Schild, den das Viergespann (quadriga) des Sonnengottes schmückt. Dessen universale Herrschaft ist durch die Beigabe einer sternförmigen Sonne und einer Mondsichel angedeutet. In der Umschrift INVICTVS CONSTANTINVS MAX(imus) AVG(vstvs) – »Konstantin der Große, der unbesiegte Augustus« – übernimmt der Kaiser das typische Attribut des Sonnengottes: Sol invictus. Die Rückseite zeigt einen feierlichen Einzug (adventus) des von Victoria geleiteten Kaisers. Da die Umschrift im Plural steht (»Die glückliche Ankunft unserer Augusti«), hat Konstantin auch Licinius mit einbezogen. Weitere Goldprägungen mit dem Sonnengott des Kaisers reichten bis 324/25, doch viel weiter in der Bevölkerung verbreitet war natürlich das Kleingeld, die von 309/10 bis 317 in großen Auflagen verbreiteten Bronze-Prägungen (Folles) mit 11


Rückseitenbildern des Sonnengottes und der Widmung SOLI INVICTO COMITI – »Dem unbesiegten Sonnengott, dem Begleiter«. Auch der 315 für Konstantin eingeweihte Bogen in Rom weist auf die Beziehung des Kaisers zum Sonnengott hin (Abb. 22–23). Für das Jahr 315 übernahmen Konstantin und Licinius gemeinsam das Konsulat, außerdem bot Konstantin dem Mitaugustus eine verfrühte gemeinsame Feier der Decennalien an, wie eine Goldfibel belegt (Abb. 46) und die Vota-Inschriften über den Porträts beider Kaiser am Konstantinsbogen nahelegen (Abb. ). Doch schon im nächsten Jahr kam es zu Kämpfen zwischen den beiden Augusti. Niederlagen bei Cibalae in Pannonien und in Adrianopolis (Edirne) führten zu erheblichen Gebietsverlusten des Licinius. Dieser feierte 317, also zum tatsächlichen Zeitpunkt, im Osten seine Decennalien, für die Largitionsschalen erhalten blieben (S. ). Largitionsschalen sind nach dem Begriff largitas, lat. für Freigebigkeit, benannt. Es sind Schalen, die in Form von Inschriften den Kaiser und das Ereignis bezeichnen, zu dem eine solche largitio (Spende) an das Volk stattgefunden hat, meist zu Jubiläen, Triumphen oder Feiertagen. Um die Spannungen zu entschärfen, verlieh Konstantin im selben Jahr nicht nur seinen Söhnen Crispus und Constantinus II. den Caesar-Titel, sonden auch dem zweijährigen Sohn des Licinius, Licinius Junior. Crispus war Sohn der Minervina, Konstantins Konkubine vor der Heirat mit Fausta, Constantinus II. war ein oder zwei Jahre zuvor von Fausta geboren worden. Im Jahre 324 kam es zur endgültigen Entscheidung zwischen Konstantin und Licinius, mit Schlachten bei Adrianopolis und in Chrysopolis (am Bosporus, gegenüber Byzanz, heute Istanbul). Großen Anteil an diesem Erfolg, durch den Konstantin Alleinherrscher des gesamten Imperiums wurde, hatte sein Sohn Crispus, der die Flotte des Licinius vernichtete.

gung tritt das Glück im Bild auf, gleichzeitige Silbermünzen aus Nikomedeia mit Darstellung Konstantins und seiner Söhne tragen die Beischrift FELICITAS ROMANORVM – »Glück der Römer«. Doch dieses Glück fand schon 326 ein Ende, als Konstantin seinen ältesten Sohn Crispus und seine Frau Fausta umbringen ließ. Die unbekannten Gründe können machtpolitisch oder erotisch gewesen sein − der Altersunterschied zwischen Fausta und ihrem Stiefsohn war gering

Im auf die Familientragödie folgenden Jahr ließ Konstantin in einer Follisprägung noch einmal in symbolischem Bild an den der Hilfe Christi zugeschriebenen endgültigen Sieg über Licinius erinnern . Konstantins Kopf ist mit Lorbeerkranz und Namensumschrift auf der Vorderseite der Münze zu sehen (Abb. 5, links). Auf der Rückseite ist eine vom Christusmonogramm bekrönte Standarte dargestellt, die Eusebius von Caesarea in der Biographie des Kaisers beschrieb (Vita Constantini I 29–31). Sie durchbohrt eine Schlange, die den besiegten Gegner verbildlicht. Die Beischrift bringt zum Ausdruck, dass der Sieg zu SPES PVBLICA – »allgemeiner Hoffnung« berechtigt (Abb. 5, rechts). Da das Fahnentuch drei Porträtmedaillons aufweist (für den Kaiser und die Caesares Constantinus II. und Constantius II.), ist die Beziehung, die Eusebius zur Schlacht von 312 gegen Maxentius herstellte, irreführend. Auf religiösem Gebiet musste sich Konstantin, dem kirchenpolitisch an der Einheit der Christen gelegen war, wegen des Streits um die Christologie des Presbyters Arius engagieren, der die göttliche Natur Christi leugnete. Des Kaisers überlieferter Brief an Arius und den alexandrinischen Bischof Alexander verrät zwar, dass er die Brisanz der Frage zunächst nicht verstand und glaubte, es handele sich um einen Streit um spitzfindige Belanglosigkeiten. Doch für das Jahr 325 berief er ein allgemeines Konzil in den Kaiserpalast von Nikaia (Iznik) ein. Kirchliche Autoren schrieben anschließend, er habe Nach der Erhebung von Konstantins Frau Fausta zur den Bischöfen sogar die abschließende Formel vorKaiserin (Augusta) um 324 wurden Goldmedaillons geschlagen, Christus sei mit dem göttlichen Vater geprägt, auf denen eine entsprechende Umschrift wesensgleich. ihre Darstellung als Büste umgibt: FLAVIA MAXIMA FAVSTA AVGVSTA (Abb. 3). Auf der Rückseite ist Konstantin benötigte, nachdem er sich die Macht Fausta zwischen zwei Personifikationen dargestellt auch im Ostteil des Imperiums erkämpft hatte, dort (Abb. 4). Zur Personifikation des Glücks (felicitas) eine Residenz. Da er in den Kämpfen gegen Licinius gehört der Botenstab, die Hoffnung (spes) hält eine die strategisch günstige Lage von Byzanz über dem (nicht ausgeführte) Blüte. Fausta sitzt auf einem Bosporus kennengelernt hatte, gründete er dort eine Thron, dessen Podium mit Girlanden geschmückt neue Stadt: Konstantinopel. Er gab ihr seinen Namen ist, ihren Kopf umgibt das Würdezeichen des Nimbus. und vergrößerte die bisherige Fläche mindestens auf Das Kind in ihrem Schoß dürfte Constans sein, der das Dreifache. Die Bedeutung Konstantinopels, das 320 geborene jüngste Sohn Konstantins. Unten brin- 330 offiziell eingeweiht wurde, ging bald über eine gen nackte Genien Kränze, die Umschrift rühmt Residenz hinaus und näherte sich dem Rang einer Faustas Tugend: PIETAS AVGVSTAE. Auf dieser Prä- zweiten Hauptstadt des Reiches. 12


Abb. 5.  London, British Museum, Inv. cm 1980,0804.11. Follis des Jahres 327, Billon, Münzstätte Konstantinopel, Durchmesser ca. 4,5 cm, Vorderund Rückseite.

Die Herrschaftsverhältnisse zu dieser Zeit spiegelt ein Goldmedaillon, das Konstantin für seinen Sohn, den Caesar Constantius II. prägen ließ (Abb. 6–7). Dieser ist auf der Vorderseite in Rüstung und mit einem Lorbeerkranz dargestellt. Er trägt eine Lanze und einen Schild mit der Darstellung eines siegreichen Reiters im Kampf. Die Umschrift nennt seine Namen und Rang als Caesar: FL(avivs) IVL(ivs) CONSTANTIVS NOB(ilis) CAES(ar). Auf der Rückseite erscheint Konstantin mit zwei Söhnen unter dem Motto GAVDIVM ROMANORVM –»Die Freude der Römer«. Bei einer Datierung in das Jahr 330 wäre hier Constantius II. noch einmal dargestellt, gemeinsam mit seinem Bruder Constantinus II. Bei einer Datierung in das Jahr 333 könnten hier Constantinus II. und sein jüngerer Bruder Constans dargestellt sein, der in diesem Jahr zum Caesar erhoben wurde. Die beiden Caesares werden von Virtus und Victoria bekränzt, den Personifikationen der Tüchtigkeit und des Sieges. Für den frontal in der Mitte stehenden Konstantin selbst reicht eine Hand aus dem Himmel ein Diadem herab. Vermutlich symbolisiert diese Hand den Gott der Christen, denn die Zuwendung des Kaisers zum Christentum war zur Entstehungszeit des Medaillons ganz öffentlich. Allerdings wurde noch nach 333 in einer unter seinem Namen ergangenen Rechtsantwort (Reskript) der umbrischen Stadt Hispellum (Spello) der Neubau eines Tempels für den Kaiserkult erlaubt, allerdings ohne abergläubischen Frevel, also wohl ohne heidnische Opfer.

Im Jahre 337 erkrankte Konstantin I. auf einem Feldzug gegen die Perser und wurde kurz vor seinem Tode vom arianischen Bischof Eusebius von Nikomedeia getauft (angebliche Taufe durch Silvester: S. ). Seine Söhne, die sich nun alle Augusti nannten, ließen den Vater vom Senat unter die Staatsgötter aufnehmen und für diese Consecratio Gedenkmünzen prägen. Von den in großer Zahl umlaufenden kleinen Bronzemünzen blieben zahlreiche Exemplare aus verschiedenen Münzstätten erhalten, von den Goldsolidi ist bisher nur ein Beispiel bekannt (Abb. 8–9). Auf der Vorderseite ist der Kaiser durch die Bezeichnung als »vergöttlicht« und durch das über den Kopf gezogene Gewand als Verstorbener gekennzeichnet: DIVVS CONSTANTINVS AVG(vstvs) PATER AVGG (= avgvstorvm) – »Der vergöttlichte Kaiser Konstantin, der Vater der Augusti«. Auf der Rückseite fährt der Kaiser in der Quadriga zum Himmel und streckt seine Hand der Hand Gottes entgegen. Zum Vergleich ist die Himmelfahrt des Hercules auf dem Grabmal in Igel bei Trier (um 250) anzuführen, in der die Göttin Athena dem Heros aus der Höhe ihre Hand reicht. Den vier neuen Herrschern, Konstantins Söhnen Constantius II, Constantinus II. und Constans, außerdem seinem Neffen Dalmatius gelang keine friedliche Machtaufteilung. Der zuletzt genannte wurde noch 337 von Truppen des Constantius II. umgebracht, 340 kam Constantinus II. im Kampf gegen Constans ums Leben. Constantius II. herrschte im Osten, Cons13


Abb. 6.  Wien, Kunsthistorisches Museum, Münzkabinett, Inv. MK 32480. Medaillon, Gold, im Wert von 30 Solidi, Durchmesser 9,4 cm, Gewicht 256,8 Gramm, Münzstätte Konstantinopel, Fundort Szillágsomlyo (Rumänien), Vorderseite.

tans im Westen, bis sich 350 Magnentius, ein germanischer Offizier, gegen Constantius II. erhob und ihn auf der Flucht umbringen ließ. Der Usurpator war zwar Heide, bemühte sich jedoch um christliche Anhänger, indem er gemeinsam mit seinem Caesar Decentius in gallischen Münzstätten Bronzemünzen mit christlicher Symbolik prägen ließ (Abb. 10). Auf der Vorderseite befinden sich Büste und Namensumschrift des Magnentius. Das große Christogramm mit den Buchstaben A und ω (Offenbarung XXII 13) auf der Rückseite ist von einer Umschrift umgeben, die auch den Caesar Decentius einschließt: SALVS DD (= dominorvm) NN (= nostrorvm) AVG(vsti) ET CAES(aris) – »Das Heil unserer Herren, des Augustus und des Caesars«. Constantius II. sicherte die Grenzen im Osten durch Ernennung eines Caesars, Gallus, 14

und zog gegen Magnentius nach Westen, den er 351 bei Mursia besiegte. Constantius II. ist für eine stark heidenfeindliche Religionspolitik bekannt, die erst durch seinen Rombesuch im Jahre 357 gemildert wurde. Anschließend an den Aufenthalt in Rom ließ er dort einen ägyptischen Obelisken im Circus maximus aufstellen (S. ). Zu seinen Bauten in Konstantinopel gehört die Apostelkirche beim Mausoleum seines Vaters (S. ). Wegen großer Probleme in Gallien ernannte er 355 Julian zum Caesar, einen Enkel des Constantius I. Dass dieser sich trotz christlicher Erziehung wieder der Philosophie und den traditionellen Gottheiten zugewandt hatte, ahnte er nicht. Nach seinem Sieg über die Alemannen wurde Julian 357 von den Truppen zum Augustus ausgerufen. Zu Auseinandersetzungen mit Constantius II. kam es nicht mehr, da dieser 361 starb. Auch Julian


Abb. 7. Rückseite.

starb bereits 363 im Krieg gegen die Perser an einer Verwundung. Sein Versuch, die alten Kulte zu restaurieren, scheiterte nicht nur an seiner zu kurzen Regierungszeit, sondern auch an der religionspolitischen Entwicklung im vorausgehenden halben Jahrhundert. Der anschließend von den Truppen neu gewählte Caesar Jovian setzte den Perserkrieg nicht fort, sondern schloss einen verlustreichen Frieden. Als er bereits im nächsten Jahr starb, folgten Valentinian I. im Westen des Reiches und sein jüngerer Bruder Valens im Osten. Zu den bisherigen ständigen Bedrohungen durch Franken, Alamannen und Burgunder kamen wieder Probleme im Donauraum: Die Hunnen setzten Ost- und Westgoten, Alanen und Sarmaten unter Druck, die Zugang zum römischen Reich verlangten. Als Valentinian 375 starb, folgte

ihm sein Sohn Gratian. Drei Jahre später starb Valens bei einer verheerenden Niederlage gegen die Goten. Gratian wusste, dass mit seinem achtjähriger Stiefbruder Valentinian II. die Probleme nicht zu lösen waren. Nachdem der spanische Heermeister für Illyricum Flavius Theodosius 378 einen Sieg über die Sarmaten erzielt hatte, erhob ihn Gratian im folgenden Jahr zum Augustus für den Osten des Reiches. 380 konnte Theodosius mit Hilfe von Gratians gallischen Truppen unter Führung von Arbogast und Bauto in Makedonien einen Sieg über die Goten erringen. Um die Probleme längerfristig zu lösen, wurden viele Nicht-Römer in die Armee aufgenommen und unter eigener Führung im Reichsgebiet angesiedelt. Ruhe mit den Persern wurde unter Gebietsverlust in Armenien erreicht. 383 fiel Gratian der eigenmächtigen Augustus-Erhebung des Magnus 15


Abb. 8.  Paris, Bibliothèque nationale de France, Departement des monnaies, médailles et antiques, Inv. FG 1860A. Consecrationsmünze Konstantins I. von 337/40, Gold, Durchmesser 2,1 cm, Gewicht 4,32 Gramm, Münzstätte Konstantinopel, Vorderseite.

Maximus, eines Offiziers Valentinians I., zum Opfer. Theodosius duldete den Usurpator zunächst neben dem jungen Valentinian II., bis Maximus diesen 387 in Italien bedrängte, so dass Valentinian II. nach Thessaloniki zu Theodosius floh. Dieser feierte 388 sein zehnjähriges Regierungsjubiläum (Missorium in Madrid; Abb. 44). Theodosius’ Sieg über Magnus Maximus und seinen Sohn Victor gab 389 seinem Einzug in Rom triumphalen Charakter und ist auch auf dem Sockel des Obelisken erwähnt, der im Hippodrom von Konstantinopel aufgestellt wurde (Abb. 34). 392 nahm sich Valentinian II. das Leben, bedrängt durch den übermächtig gewordenen Heermeister Arbogast. Den von Arbogast zum Augustus des Westens erhobenen Rhetor Flavius Eugenius besiegte Theodosius 394 am Frigidus in Dalmatien. Im nächsten Jahr starb er.

einer der Hauptvertreter der heidnischen Opposition im Senat, römischer Stadtpräfekt wurde, versuchte er, den dreizehnjährigen Valentinian II. zur Rücknahme dieser Entscheidung zu bewegen – mit dem Ergebnis, dass der Mailänder Bischof Ambrosius den Kaiser mit Kultverweigerung zur Absage zwang (epistula LXXII 13). Auch in den Auseinandersetzungen 385/86 um die Zulassung einer arianischen Kirche oder wenigstens arianischen Gottesdienstes in einer Mailänder Kirche siegte Ambrosius über Valentinian II. Im Jahre 388 hatte Theodosius nach der Zerstörung einer Synagoge in Kallinikum am Euphrat eine gerichtliche Untersuchung und Schadenersatzleistung angeordnet. Doch Ambrosius zwang den Kaiser zu umfassender Amnestie (epistula extra collectionem I 28). Ähnlich argumentierte der Bischof auch 390, um die Kirchenbuße des Theodosius nach einem Massaker in Thessaloniki zu erzwingen. 391 und 393 erließ der Kaiser Die Religionspolitik der theodosianischen Zeit stand strenge Gesetze gegen jede Form heidnischen Gottesim Gegensatz zur Toleranz der Mailänder Vereinba- dienstes, gegen Tempelbesuch wie auch Hauskulte rung von 313 und führte zur Umkehr des Verhält- (Codex Theodosianus XVI 10,10 und 12). nisses zwischen dem Kaiser und Bischöfen, wie es beim Konzil von Nikaia bestanden hatte. 382 hatte Nach dem Tod des Theodosius 395 sollten sich seine Gratian die Entfernung des Victoriaaltars aus der Söhne die Herrschaft teilen: Arkadius im Osten und römischen Kurie angeordnet. Als 384 Symmachus, Honorius im Westen. Doch war Arkadius zwar 17, 16


Abb. 9.  Rückseite.

Honorius aber erst 10 Jahre alt, so dass die Regentschaft und Obhut, die Theodosius dem vandalischen Feldherrn Flavius Stilicho anvertraut hatte, tatsächlich nötig war. Stilicho war mit Serena, einer Nichte des Theodosius verheiratet und gab in der Folgezeit nacheinander Honorius seine beiden Töchter zur Frau. Sein Sohn Eucherius wurde mit der Halbschwester des Honorius, Galla Placidia, verlobt. Arkadius hatte zunächst den Oberbefehlshaber (Magister militum) Rufinus als Berater, und nach dessen baldiger Ermordung den Kämmerer Eutropius. Noch 395 heiratete Arkadius Aelia Eudoxia, die Tochter des Heermeisters Bauto. 399 musste Arkadius Eutropius fallen lassen, der nach einem Sieg gegen die Hunnen sogar Konsul geworden war. Nach Aufständen in Phrygien räumte Arkadius dem Comes Gainas eine Position als Heerführer ein, doch dieser zog mit seinen Goten in Konstantinopel ein. Auf seine Forderung nach einer Kirche für die Arianer reagierte allerdings der Bischof der Stadt, Johannes Chrysostomus, so überzeugend, dass die Bevölkerung die gotische Besatzung liquidierte; Gainas konnte entkommen – eine Szene, die auf der Säule des Arkadius dargestellt ist (Abb. 38–40). Arkadius starb im Jahre 408. Sein Nachfolger war sein erst sieben Jahre alter

Sohn Theodosius II., der unter dem Einfluss seiner etwas älteren Schwester Pulcheria, vieler Berater und seit 421 seiner Frau Eudokia stand. Die Westgoten unter ihrem König Alarich hatten schon längere Zeit Griechenland und den Balkan unsicher gemacht. 401 zogen sie nach Italien und zur Residenzstadt Mailand, erlitten jedoch durch Stilicho eine schwere Niederlage. Honorius ernannte Alarich zum Heermeister und verlegte 402 aus Sicherheitsgründen die Residenz von Mailand nach Ravenna (S. ). Nach dem Tode des Arkadius gab es in Ticinum (Pavia) und Ravenna Aufstände der Truppen des Honorius, denen auch Stilicho zum Opfer fiel, den Honorius nicht mehr halten wollte. Im selben Jahr 408 belagerte Alarich die Stadt Rom und konnte nur durch sehr hohe Zahlungen zum Abzug bewogen werden. Ende 409 standen die Goten wieder vor Rom und im August 410 plünderten sie drei Tage lang die Ewige Stadt. Unter den fortgeführten Gefangenen war auch Galla Placidia, die Tochter von Theodosius I. Alarich starb noch im selben Jahr. Sein Nachfolger wurde sein Schwager Athaulf, mit dem Honorius nur durch Zugeständnisse und die Hand seiner Halbschwester zurechtkam. Nach der Ermordung Athaulfs 17


415 lieferte sein Nachfolger Galla Placidia an den Heermeister des Honorius, Constantius, aus, der sie im folgenden Jahr heiratete. 421 ernannte ihn Honorius zum zweiten Augustus des Westens, doch starb Constantius noch im selben Jahr. Die Augusta Galla Placidia floh wegen Streitigkeiten mit Honorius mit ihrer Tochter und ihrem vierjährigen Sohn, dem späteren Kaiser Valentinian III., nach Konstantinopel zu Theodosius II. Vermutlich hatte das Ereignis der Einnahme Roms einen Anteil daran, dass dieser die Mauern Konstantinopels in großem Umfang ausbaute. Nach dem Tod des Honorius 423 erhob sich in Rom ein Beamter, der Primicerius notariorum Johannes, zum Kaiser. Daraufhin verlobte Theodosius II. Placidias Sohn mit seiner zweijährigen Tochter Licinia Eudoxia, erhob ihn zum Caesar und sandte ihn mit seiner Mutter und einem Heer unter den Feldherren Ardabur Aspar Vater und Sohn nach Italien (Silberschale Ardaburs, Abb. 49). Salona, Aquileia und Ravenna wurden eingenommen, Johannes umgebracht. Valentinian III., 425 in Rom zum Augustus ernannt, konnte natürlich zunächst ohne seine Mutter und ihre Heermeister, wie Flavius Felix und Flavius Aëtius, nicht regieren. (Zu den Bauten Galla Placidias in Ravenna seit 426 siehe S. .) Seit 424 fuhren Vandalen unter Geiserich in großer Zahl von Spanien nach Africa hinüber, setzten sich dort fest und eroberten allmählich große Gebiete. Erst um 533 konnten sie von Belisar, dem Feldherrn Justinians, unterworfen werden. Die Hunnen unter König Attila zogen 451 aus den Donauprovinzen 18

nach Gallien, da Kaiser Marcian, der Nachfolger Theodosius II., nach dessen Tod 450 keine Tributzahlungen leistete. Sie konnten jedoch vom Heermeister Aëtius zum Rückzug gezwungen werden. Dass Valentinian III., dem Aëtius zu übermächtig geworden war, ihn 454 ermordete, kostete ihn im darauffolgenden Jahr selbst das Leben. Ihm folgten eine größere Zahl kurzlebiger, von Heermeistern bestimmte Augusti. Der letzte westliche Kaiser war Romulus, mit dem bezeichnenden zeitgenössischen Beinamen »Augustulus«. Er wurde 476 von Odoaker abgesetzt, der sich in Rom zum König von Italien krönen ließ. In Konstantinopel folgten auf Marcian die Kaiser Leo I. (457–474) und Zeno (474–491). Dieser war mit Ariadne, einer Tochter Leos, verheiratet, die nach seinem Tod Anastasius als Nachfolger vorschlug (491–518) und kurz nach dessen Krönung heiratete. Unter Zeno setzten Ostgoten unter Theoderich von Pannonien aus zunächst Konstantinopel unter Druck und brachen dann im Einverständnis mit Zeno nach Italien auf. Die Kämpfe mit Odoaker und eine langjährige Belagerung Ravennas endeten 493 mit Odoakers Ermordung. 497 erkannte Zenos Nachfolger Anastasius Theoderichs Herrschaft als König Italiens an (zu seinen Bauten in Ravenna siehe S. ). Mit der Wahl des Justinus (518–527) zum Augustus gingen die Hoffnungen der Anicia Juliana zu Ende, ihren Sohn auf dem Kaiserthron zu sehen (Wiener Dioskurides Abb. 181, Polyeuktoskirche Abb. 135–136). Justinus ernannte 520 seinen Neffen Justinianus zum

Abb. 10  London, British Museum, Inv. ###. Münze (Doppelmaiorina) des Magnentius von 350/53 mit Christusmonogramm, Alpha und Omega, Bronze, Durchmesser 2,8 cm, Münzstätte Ambianum (Amiens), Vorder- und Rückseite.


Anschließend wandte er sich der Rückeroberung Italiens zu, das nach dem Tode Theoderichs im Jahre 526 wechselnde Könige und die Tochter Theoderichs, Amalaswinta, als Königin erlebt hatte. 535 eroberte Mundo Dalmatien, Belisar Sizilien, Neapel und Rom. 536 wählten die Goten Witigis als König, dem es gelang, Belisar ein Jahr lang in Rom zu belagern. 540 konnte Belisar Witigis in Ravenna einschließen und dieses erobern. Damit war die Voraussetzung für die Einsetzung des orthodoxen Bischofs Maximian in Ravenna gegeben (546–556). Kaiserin Theodora 533 konnte der Feldherr Justinians, Belisar, die afri- starb 548; Justinian selbst 565. kanischen Provinzen von den Vandalen zurückerobern.

Heermeister, ließ ihn 521 das Konsulat übernehmen und hob das Gesetz auf, das die Heirat von Senatoren mit Schauspielerinnen untersagte. So konnte Justinian 525 Theodora heiraten und 527 bei seinem Herrschaftsantritt zur Augusta ausrufen lassen. 532 kam es in Konstantinopel zu einem Aufruhr der Circusparteien, bei dem große Teile der Stadt und des Palastes abbrannten. Der spektakulärste Teil des Wiederaufbaus war der Neubau der Hagia Sophia (Abb. 140–141).

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3.  Bauten, Denkmäler und Skulpturen von Kaisern und für Kaiser im öffentlichen Raum 3a.  Die Tetrarchen und Maxentius Diocletian hatte Residenzen in Nikomedeia, Antiochia und Sirmium in Pannonien. Als Alterssitz ließ er sich eine große, ummauerte Palastanlage in Spalato (Split) errichten, von der unter anderem der Jupitertempel, sein Grabbau und der repräsentative Hof erhalten blieben (Abb. 11–12).

Abb. 11.  Spalato (Split), Palast des Kaisers Diocletian, Grundriss.

Abb. 18.  Venedig, Südwestecke der Schatzkammer der Markuskirche. Skulpturen von vier stehenden Tetrarchen, Porphyr, Höhe ca. 1,36 m.

und Verfolgungsszenen zwischen Römern und Persern, kniefällige Huldigungen von Persern vor den Siegern und die Überbringung von Tributen der Besiegten in traditioneller Weise dargestellt, nämlich in seitlicher Richtung. Hiervon weichen vier Bilder durch die Ausrichtung der Details auf die Mittelachse ab. Bei einer Ansprache des Galerius an seine Truppen steht Diocletians Caesar Galerius residierte in Sirmium, der Kaiser in für die Spätantike typischer frontaler Serdica und Thessaloniki. Hier gehörten in den Zusammenhang der Palastanlage sein Ehrenbogen als Sieger im Perserkrieg (Abb. 13) und ein großer Rundbau, der später zu einer christlichen Kirche ausgebaut wurde. Als Alterssitz errichtete er an seinem Geburtsort, dem heutigen Gamzigrad im östlichen Serbien, eine große, mit einer Mauer und zwanzig Türmen befestigte Palastanlage: Felix Romuliana, nach dem Namen seiner Mutter. Einer der beiden dazugehörigen Tempel war Jupiter und Hercules geweiht, den Leitgöttern der Tetrarchie. Zwei übereinstimmende Pfeilerfragmente skizzieren in Kurzfassung das tetrarchische Herrschaftssystem (Abb. 14). Im Jahre 297 errang Galerius einen bedeutenden Sieg über die Perser, die gefährlichsten östlichen Feinde des Reiches unter ihrem Großkönig Narses. Die Ereignisse sind in den Reliefs eines Ehrenbogens für Galerius dargestellt, der in seiner Residenz Salonica (Thessaloniki) errichtet wurde. Das Denkmal besaß vier durch Bögen und ein zentrales Gewölbe miteinander verbundene Pfeiler, von denen zwei erhalten blieben. Die Skulpturen, die der Bogen getragen haben muss, dürften Diocletian und Galerius präsentiert haben, wenn nicht sogar alle vier Herrscher der Tetrarchie. In den Reliefdarstellungen sind Kampf21


Haltung auf einem Podium in der Bildmitte. Ein fiktiver Zweikampf zu Pferde zwischen Galerius und Narses verbildlicht die Unbesiegbarkeit der Römer: der Adler Jupiters bekränzt aus der Höhe den Sieger Galerius (Abb. 14). Dieser nimmt alleine die Mitte ein und hat mit seinem Speer den Großkönig nach außen gedrängt. Der Altar, an dem Galerius und Diocletian im Beisein von Gottheiten und Personifikationen vor einer Bogenarchitektur ein Trankopfer zum Dank für den Sieg darbringen, steht in der Mitte des Bildfeldes. Seine Vorderseite schmückt ein Bild des thronenden Jupiter, auf der sichtbaren Nebenseite ist Hercules dargestellt. Das Opfer gilt also den beiden Schutzgöttern der tetrarchischen Herrschaft, unter Beachtung des Vorrangs Jupiters. Der Stier für das Hauptopfer wird rechts im Bild herangeführt. Die zum Teil mit Namen versehenen mythischen Gestalten feiern den Persersieg (Victorien) und seine Ergebnisse: Frieden (Eirene) und Eintracht (Homoneia) des Erdkreises (Oikumene), Ewigkeit der Herrschaft (Aion mit Tierkreis). Den Höhepunkt der Machtpräsentation stellt ein Thronbild dar, das 22

die vier Herrscher im Beisein von Göttern und Personifikationen vereinigt. Die beiden Augusti thronen gemeinsam auf einem Bogen als Andeutung eines Globus und nutzen als Fußschemel die geblähten Gewänder über den Büsten des Himmels und der bewohnten Erde. Jeder Augustus wird von einer kleinen Victoria neben seinem Kopf bekränzt. Diocletians höhere Stellung ist auf verschiedene Weise betont. Er ist näher an die Mittelachse gerückt, ist ganz frontal dargestellt, hat einen kostbar mit Gemmen geschmückten Gürtel und trägt außer dem Globus ein Langzepter. Maximianus wirkt wegen einer leichten Drehung schmaler und besitzt nur ein kurzes Zepter. Neben den thronenden Augusti stehen die beiden Caesares; jeder wendet den Kopf und die rechte Hand einer knienden weiblichen Provinzpersonifikation zu. Der Caesar neben Maximianus ist besser sichtbar als der Caesar neben Diocletian, es muss sich also um Galerius handeln. Diese Anordnung der Caesares jeweils neben dem Augustus des anderen Reichsteils sollte die Eintracht der Herrscher betonen. Als religiöse Stützen des Machtsystems sind Serapis, Isis und

Abb. 12.  Ansicht der Repräsentationsfassade im Innenhof.


Abb. 13.  Thessaloniki, Galeriusbogen, Ansicht.

Zeus beigegeben; der Kriegsgott Mars und die Verkörperung der Tapferkeit, Virtus, führen Pferde wie zu einem Triumphzug heran, die beiden Dioskuren begleiten die Herrscher. Am linken Friesende ist das Meer durch Okeanos und Thetis verkörpert, die Muschel und Füllhorn tragen, am rechten Ende personifiziert die liegende Gaia mit den vier Jahreszeiten die Erde, für deren glücklichen Zustand unter den vier Herrschern die hinter Gaia stehende Tyche eintritt. Nachdem Diocletian 295/96 in Oberägypten Aufstände gegen die römische Herrschaft mit seinen Truppen niedergeschlagen hatte, wurden in der Thebais (Ägypten) zwei Legionen stationiert. Das im 14. und 13. Jh. v. Chr. errichtete Ammonheiligtum in Luxor wurde in ein Militärlager mit großer Umfassungsmauer und Säulenstraßen verwandelt . An den Ecken zweier Straßenkreuzungen wurden Säulen mit vier Tetrarchenporträts aufgestellt. Den Inschriften der Säulensockel ist zu entnehmen, dass das erste Viersäulendenkmal in der ersten Tetrarchie um 300 errichtet wurde, während das zweite mit Galerius, Licinius, Maximinus Daia und Konstantin der 308 in Carnuntum getroffenen Vereinbarung entsprach (S. ). Zur Einrichtung eines für Militärlager selbstverständlichen Kaiserkultraums wurde in die südliche

der beiden gegenüberliegenden Türen eines quergelagerten Raumes (ca. 17 x 10 m) eine ca. 3 m breite Apsis eingebaut (Abb. 15). Als Höhepunkt der Anlage besaß sie ein erhöhtes Bodenniveau und eine rahmende Säulenstellung. In der Ausmalung des Raumes ziehen über einer Sockelzone zunächst vom Eingang im Norden aus in beiden Richtungen Soldaten, die Pferde am Zaum führen, in Richtung auf die Rückwand im Süden. Auf dieser wird die neu angelegte Apsis auf beiden Seiten von einem großen Thronbild gerahmt: Hier wird jeweils einem Augustus und einem Caesar von Soldaten gehuldigt, zum Teil im Ritus der »verhüllten Hände« (manus velatae). Göttern oder göttlichen Objekten wurden mit verhüllten Händen gehuldigt, es war ein üblicher Ritus, der nun auch auf den Umgang mit dem kaiser übertragen wurde. Alle Gestalten sind im Schema der »Vertikalen Huldigungsrichtung« auf die Mittelachse unter den Kaisern orientiert. Die Apsis in der Mitte der Südwand enthält mit der Darstellung aller vier Tetrarchen das wichtigste Bild der ganzen Raumausstattung. Alle vier Herrscher sind in eine göttergleiche Sphäre entrückt, da ihr Kopf von einem Nimbus umgeben ist und sie den von einer Rundfibel gehaltener Mantel auf bloßem Körper tragen. Der geringere Rang der Caesares ist deutlich, denn sie sind wegen der Wöl-

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Abb. 14. Detail: Darstellung eines fiktiven Zweikampfs des Galerius mit dem Perserkönig Narses (oben) und repräsentative Darstellung des tetrarchischen Herrschaftssystems (unten).

Abb. 15.  Luxor, Kaiserkultraum, Zeichnung der Südwand mit der Apsis.

bung der Apsiswand nur sehr verkürzt zu sehen. Außerdem wurden sie zehn Zentimeter kleiner dargestellt als die Augusti und sie tragen nicht wie diese Speer und Globus, sondern nur eine Buchrolle. Die ebenfalls nimbierte Büste in einem Medaillon in der Mitte der Tetrarchen kann nur Jupiter darstellen, den Schutzgott der Tetrarchie, dessen Adler aus der Apsiswölbung heraus die Kaiser mit einem goldenen, mit Edelsteinen geschmückten Kranz bekränzt. Das Bild des Maximianus Herculius wurde bereits in der Antike zerstört, da sein Andenken offiziell ausgelöscht wurde (memoria damnata). Der religionspolitische Ansatz der tetrarchischen Herrscher, den Kult der traditionellen römischen Götter zur Grundlage ihrer Herrschaft und des Staatswohls zu machen, äußerte sich besonders deutlich in zahlreichen Opferszenen auf ihren Münzen und auf den Sockeln des Fünfsäulendenkmals auf dem Forum Romanum (Abb. 16). Die Anlage wurde im Jahre 303 zum Rombesuch Diocletians gestiftet, der zugleich mit dem Triumph über die Perser das zwanzigjährige Regierungsjubiläum für sich und (mit mehrjähriger 24

Vorwegnahme) seinen Mitaugustus Maximianus feierte, verbunden mit der Zehnjahresfeier der Caesares Galerius und Constantius. Die Kapitelle der fünf Säulen mit der mittleren, etwas größeren Skulptur des Jupiter und den Statuen der vier Kaiser in Gestalt ihres »Genius« sind in einem Friesrelief der Nordseite des Konstantinsbogens dargestellt (Abb. 23). Aufgestellt war das Denkmal im Westen des Forums auf der seit Augustus bestehenden Rednertribüne (den rostra). Der einzige Säulensockel, der vom Fünfsäulendenkmal erhalten blieb, die sogenannte Decennalienbasis, hat eine Seitenlänge von ca. 1,90 m. Die Gesamthöhe der Säule mit Stufen, Sockel, Basis, Säulenschaft, Kapitell und Statue dürfte ca. 15 m betragen haben. Der auf der Rückseite von zwei Victorien präsentierte Inschriftschild über besiegten Barbaren nennt die Decennalien der Caesares, auf der Vorderseite (Abb. 17) ist eine Weinspende als Voropfer für Mars dargestellt. Die Vorbereitung eines Opfers von Eber, Widder und Stier (Suovetaurilia) folgt auf der linken Nebenseite. Nach Aufzeichnungen über inzwischen verlorene Funde von Sockeln gab es eine weitere Widmung für die Caesares, zwei Wid-

Abb. 16. Rom, Forum Romanum. Skizze zum zweifachen Fünfsäulendenkmal auf der westlichen und östlichen Rostra.


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mungen zu den Vicennalien der Augusti sowie einen größeren Sockel für die höhere Mittelsäule zu den Jubiläen aller vier Kaiser, mit Darstellung des abschließenden Hauptopfers. Bei der Weinspende auf der Decennalienbasis wird der opfernde Caesar von Victoria und dem Genius des Senats bekränzt. Links neben dem Brandaltar steht ein Priester mit Opferdiener (camillus) und Flötenspieler und der Gott Mars, der Empfänger des Opfers, außerdem eine Gestalt in Toga. Rechts neben dem Genius des Senats sitzt die Stadtgöttin Roma, in deren über dem Kopf gewölbtem Gewand die Büste des Sonnengottes erscheint. Auf der rechten Nebenseite schließen sich Senatoren und Träger von Feldzeichen an. Die Aufstellung des Fünfsäulendenkmals auf der westlichen Rednertribüne des Forums ist sicher. Jedoch wurde

durch neuere Ausgrabungen festgestellt, dass auch auf den rostra im Osten des Forums fünf Säulen aufgestellt waren – wir müssen also vielleicht von einem Zehnsäulendenkmal der Tetrarchen sprechen. Auf der mittleren Säule der zweiten Fünfergruppe hätte dann statt Jupiter Hercules gestanden, der zweite Schutzgott der Tetrarchie. Bei den Ausgrabungen am Ruhesitz des Galerius in Felix Romuliana wurden auch Fragmente der architektonischen Ausstattung gefunden. Abgebildet ist der besser erhaltene von zwei übereinstimmenden Pfeilern. In einem rechteckigen, mit Lorbeer verzierten Rahmen steht über einem Adlerkopf eine Standarte mit fünf Medaillons. Drei davon enthalten die Büsten zweier Tetrarchen, das zweite ist ein Lorbeer-

Abb. 17.  Rom, Forum Romanum. Sockel einer Säule des Fünfsäulendenkmals, sogenannte Dezennalienbasis. Weinspende eines von Victoria und dem Genius des Senats bekränzten Caesars in Anwesenheit von Mars und der Personifikation Roms.


Abb. 19.  Rom, Maxentiusbasilika am Forum Romanum. Rekonstruktionszeichnung.

Abb. 20.  Blick auf die erhalten gebliebenen drei Tonnengewölbe über den nördlichen Seitenräumen.

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kranz, das vierte eine Largitionsschale mit mittlerem Emblem (S. ). In den beiden oberen Porträtmedaillons tragen die Herrscher über der Tunika einen Mantel (paludamentum) mit einer Fibel auf der rechten Schulter, im untersten die Toga. An dieser zivilen Bekleidung sind die beiden im Jahre 305 zurückgetretenen Augusti zu erkennen, am Größenunterschied der Vorrang Diocletians vor Maximian. In den oberen Medaillons erscheinen die bis 306 regierenden Herrscher; auch hier sind die Augusti größer dargestellt als die Caesares. Die beiden beim vierten Kreuzzug im Jahre 1204 aus Konstantinopel nach Venedig entführten Reliefpaare von tetrarchischen Herrschern aus Porphyr besitzen im Hintergrund Reste von 10–12 m hohen Säulen, mit denen die Figuren aus einem Stück gearbeitet wurden (Abb. 18). Die Säulen dürften dicht über den Tetrarchenskulpturen die Statuen von Jupiter und Hercules getragen haben. Ähnlich wie bei erheblich kleineren Herrscherpaaren im Vatikan ist jeweils ein Augustus mit einem etwas jüngeren Caesar vereinigt. In Istanbul wurde die in Venedig fehlende Ecke einer Konsole mit einem Fuß gefunden, es ist jedoch nicht bekannt, aus welcher Residenzstadt die Säulen mit Skulpturen in die neue Stadt Konstantins geholt wurden. Ihre Herstellung in Ägypten, dem Ursprungsland des Porphyrs, ist sicher. Bei Gelegenheit der Aufstellung auf dem Philadelphion in Konstantinopel scheint man den jeweils linken Figuren grobe Bärte eingeritzt zu haben. Die vier Herrscher tragen über dem Panzer einen reich geschmückten Gürtel und den von einer Zwiebelknopffibel gehaltenen Mantel. Mit der Rechten ergreifen sie den als Adler-

kopf gestalteten Griff ihres Schwertes. Die Löcher zur Befestigung von Schmuck an der flachen, runden Fellkappe (pileus pannonicus) könnten später angelegt worden sein. Die Skulpturen werden meist als die Kaiser der ersten Tetrarchie identifiziert (293–305), doch kommen auch die Herrscherkonstellationen von 306 oder 308 in Frage (S. ).Da Maxentius, der Sohn Maximians, bei den Regierungsbildungen der Jahre 293, 305 und 306 nicht berücksichtigt wurde (S. ), eignete er sich 306 als Usurpator die Herrschaft in Rom an. Das bedeutendste Bauwerk seiner Regierungszeit war eine Basilika am Forum Romanum von ca. 90 m Länge, deren Längsrichtung parallel zur Heiligen Straße (via sacra) verlief (Abb. 19). Vom Eingang im Osten blickte man durch das Mittelschiff zu einer Apsis im Westen, in und vor der sich öffentliche und offizielle Ereignisse wie Ansprachen und Gerichts- oder Geschäftsverhandlungen abspielten, möglicherweise auf einer Tribuna lokalisiert. Der Bau unterschied sich vom gewohnten Typus der Basilika mit hölzernem Dachstuhl und gleichgerichteten, durch Säulenreihen von einander getrennten Längsschiffen. Maxentius ließ mit großem Aufgebot von Ziegelmaterial über dem Mittelschiff drei aneinandergereihte, ca. 35 m hohe Kreuzgratgewölbe errichten. Für diese wäre eine Lastabtragung über längsgerichtete Seitenschiffe nicht möglich gewesen; sie erfolgte daher auf jeder Seite über die Auflager von drei quergelagerten Tonnengewölben, von denen die nördlichen erhalten blieben (Abb. 20). Die Anregung für eine so große Halle mit drei Kreuzgratgewölben könnte vom größten Raum der Thermen Diocletians stammen – den Michelangelo im 16. Jh. in eine Kirche verwandelte (heute S. Maria degli Angeli).

3b.  Konstantin im Westreich

Abb. 21.  Rom, Hof des Kapitolinischen Museums, Inv. 1622. Kopf der kolossalen Sitzstatue Konstantins aus der Maxentiusbasilika, Marmor, Höhe ca. 2,97 m, vom Scheitel bis zum Kinn 1,74 m.

Die Apsis der Maxentiusbasilika war ursprünglich nicht für ein großes Götter- oder Herrscherbild bestimmt, da sich unter ihr ein Keller befindet. Nach dem Sieg über Maxentius wollte sich Konstantin den Römern in diesem bedeutenden Bau in einem monumentalen und göttergleichen Kaiserbild präsentieren. Technisch möglich war dies, weil man eine größtenteils hohle Sitzfigur entwarf, die in der Apsisrückwand verankert wurde und bei der nur der Kopf, ein Teil der Brust, die Arme und die Beine aus parischem Marmor gefertigt waren (Abb. 21). Der Fundort von Fragmenten und eine Notiz in einer Zeichnung von Francesco di Giorgio Martini (1439– 1502) sichert den Aufstellungsort in dieser Apsis. Da diese nun nicht mehr für die Tribuna zur Verfügung

stand, ließ Konstantin an den mittleren Nebenraum der Nordseite eine neue Apsis anbauen und ihr gegenüber an der Südseite der Basilika einen weiteren großen Eingang errichten. Die Haltung des thronenden Kaisers entsprach dem Darstellungsschema des höchsten Staatsgottes Jupiter. So trug er lediglich einen Mantel über dem sonst nackten Körper. Seine rechte Hand umfasste einen stabförmigen Gegenstand, wohl eine Lanze. Wegen der Darstellung des Kaisers als Jupiter ist es unwahrscheinlich, dass eine spätere Nachricht in der Kirchengeschichte des Eusebius (IX 9,10 f.) über ein christliches Zeichen in der Hand Konstantins sich auf dieses Denkmal bezog. Im frühen 4. Jh. sah man 29


den Kopf Konstantins von unten in mehr als 10 m Höhe, was die distanzierte Unbewegtheit des Gesichts noch verstärkte. Der Blick ist nach oben und nach links gerichtet und erzeugt einen zusätzlichen Ausdruck von Unnahbarkeit. Der ganze Kopf war nach links gewendet, also nicht zum Eingang, sondern nach Norden. Doch könnten diese Richtungsbezüge bereits auf die Erstverwendung der Skulptur zurückgehen, denn dieser Kopf ist wie alle übrigen Marmorporträts Konstantins das Ergebnis der Überarbeitung eines früheren Kaiserporträts oder Götterbildes. Spuren einer Erstverwendung wurden vor allem beim Studium der Haare entdeckt, die über

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der Stirn von beiden Seiten in kleinen gebogenen Locken bis zu einer ovalen Mittellocke geführt sind. Darüber war ein Kranz angesetzt. An den Seiten waren die Haare üppiger und auch vor den Schläfen waren mit Hilfe von Dübellöchern weitere Locken angesetzt. Nach Konstantins Sieg über seinen Konkurrenten Maxentius im Jahre 312 widmete ihm der römische Senat in der Nähe des Kolosseums einen dreitorigen Ehrenbogen (Abb. 22). Dieser befindet sich über der Straße, die Konstantin und seine Truppen beim Einzug in Rom am Circus Maximus vorbei zum Ostende

Abb. 22.  Rom, Konstantinsbogen, Südseite.


Abb. 23.  Nordseite.

des Forums führte. Das Denkmal ist noch heute eindrucksvoll, doch fehlt der bekrönende Skulpturenschmuck. Die auf beiden Hauptseiten des Bogens wiederholte Widmungsinschrift lautet: »Dem Imperator Caesar Flavius Constantinus, dem größten, frommen und glückbringenden Augustus, haben Senat und Volk von Rom diesen durch Triumphe (oder: Triumphdarstellungen) ausgezeichneten Bogen geweiht, weil er durch Eingebung einer Gottheit und die Größe seines Geistes mit seinem Heer den Staat gleichzeitig am Tyrannen und an seiner ganzen Anhängerschaft in gerechtem Krieg gerächt hat.« Der Name der erwähnten Gottheit ist nicht genannt.

Ähnlich unbestimmt äußerte sich ein Redner im Jahre 313 (Panegyrici latini XII 2,4). Weitere Inschriften VOTIS X – VOTIS XX und SIC X – SIC XX erinnern an die erfüllten Opfergelübde (vota soluta) für zehn (X) Regierungsjahre und an die neu geleisteten Gelübde (vota suscepta) für die erhoffte glückliche Zeit bis zum zwanzigsten Jubiläum (XX). Das zehnjährige Regierungsjubiläum (decennalia) Konstantins wurde 315 gefeiert. Da die Votainschriften sich über den hadrianischen Jagddarstellungen mit Konstantin- und Liciniusporträts befinden, könnten sie auch für die vorgezogenen Decennalien des Licinius gelten (S. ). Aus der Bauzeit des Bogens stammt vor allem ein

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Abb. 24. Detail: Relief mit Einzug in Rom, darüber Medaillon mit Sonnengott Sol.

Abb. 25.  Detail: Relief mit Ansprache Konstantins auf dem römischen Forum.

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Abb. 26.  Detail: Sockelrelief (Nordseite).

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Abb. 27.  Skizze zur Ausrichtung des Bogens auf die kolossale Solstatue des Nero.

Relieffries mit Darstellungen des Aufbruchs der Truppen Konstantins, der Belagerung Veronas, des Sieges an der Milvischen Brücke und des Einzugs in Rom, außerdem einer kaiserlichen Ansprache und Geschenkverteilung (Abb. 24–25 ). Gleichzeitig entstanden die Rundbilder von Sonne und Mond auf den Nebenseiten, dynastische Reliefs in den seitlichen Durchgängen, Victorien und Jahreszeiten in den Bogenzwickeln und die Sockelreliefs mit Victorien, Soldaten und besiegten Barbaren (Abb. 26). Im konstantinischen Fries sind die einmaligen Ereignisse auf der West-, Süd- und Ostseite durchgehend in Seitenrichtung nach rechts dargestellt. Dagegen sind die beiden Relieffelder auf der Nordseite zentralsymmetrisch angeordnet (Abb. 23). Hier erscheint Konstantin jeweils in der Bildmitte in frontaler Wiedergabe bei Anlässen, die im Frieden ständig wiederkehren konnten: als Redner auf dem Forum Romanum und bei der Verteilung von Geschenken an die Bevölkerung. Die Rednertribüne ist an den Seiten mit sitzenden Figuren von Kaisern des 2. Jhs. geschmückt; sie wird durch das Fünfsäulendenkmal der Tetrarchen im Hintergrund auf dem Forum lokalisiert. Konstantin konnte im Jahre 312 keinen Triumph feiern, da Maxentius und seine Truppen keine äußeren Feinde des Reiches waren. Beim Einzug in Rom steht er daher nicht im Triumphwagen, sondern sitzt mit 34

einer Buchrolle in der Hand in einem Reisewagen. Seine Truppen führen auch nicht die für Triumphzüge typischen Details mit: Kriegsbeute, Gefangene und den Stier für das Jupiteropfer auf dem Kapitol. Der Bogen weist deutliche Beziehungen zum Sonnengott auf. Auf seiner Ostseite ist der Einzug Konstantins in Rom unter dem Rundbild mit der Auffahrt Sols angeordnet. Mit dem Sonnenaufgang beginnt ein neuer Tag, mit Konstantins Einzug beginnt ein neuer Abschnitt der Geschichte Roms. Sol erscheint auch als Feldzeichen beim Aufbruch der Truppen Konstantins und als Reliefbüste neben Herrscherbildern in den seitlichen Durchgangsreliefs. Außerdem weicht der Bogen in seiner Richtung vom Straßenverlauf ab und ist auf die Kolossalstatue des Sonnengottes ausgerichtet, die von Nero errichtet und von Hadrian vor die Fassade des Venus- und Romatempels versetzt worden war (Abb. 27). In zwei großen Reliefs, die im Hauptdurchgang des Bogens eingesetzt sind, war ursprünglich Kaiser Trajan (98–117) im idealisierten Kampf und feierlicher Rückkehr nach Rom dargestellt. Doch wurden die Porträts Trajans gegen die Konstantins ausgetauscht und die Reliefs durch Widmungen auf Konstantin bezogen: »Dem Befreier der Stadt« und »Dem Be-


Abb. 28.  Rom, Kapitolinische Museen, Inv. FT 10337. Kopf Konstantins aus dem Trajansforum, Marmor aus Luni, Höhe 59 cm, vomScheitel bis zum Kinn 43,5 cm.

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gründer des Friedens«. Wie diese Reliefs besteht der Hauptteil des Bildschmucks aus wiederverwendetem Material (spolia) des 2. Jhs. und stammt von Denkmälern Trajans, Hadrians und Mark Aurels. Zwischen den Spolien und den Reliefs von 315 besteht ein erstaunlicher stilistischer Kontrast, auf den in der Neuzeit zuerst Künstler des 16. Jhs. hinwiesen. Die konstantinischen Reliefs galten ihnen als Zeugnisse künstlerischen Niedergangs der Spätantike. Erst seit dem vorigen Jahrhundert wird versucht, die Abwendung von klassischen Formen und Darstellungsgesetzen auch positiv als Wahl neuer Ausdrucksmittel zu sehen und die propagandistisch-expressiven Qualitäten in der kompositionellen und stilistischen Abb. 30.  Berlin, Staatliche Museen, Naivität spätantiker Arbeiten zu würdigen. Die VerAntikensammlung, wendung umfangreicher Spolienzyklen des 2. Jhs. Inv. 30931. Gemme wirft allerdings Fragen auf. Wollte der römische Se(Intaglio) mit Porträt Konstantins I., nat auf diese Weise Zeit und Geld sparen, um den dunkelvioletter Bogen möglichst früh einweihen zu können? Waren Amethyst, die Römer im frühen 4. Jh. nicht in der Lage, für das beide Seiten konkav, Monument von zeitgenössischen Künstlern eine Höhe 3,7 cm, Breite 2,75 cm, eigenständige Gesamtausstattung herstellen zu lassen? Dicke 1,48 cm. Oder vermieden sie dies ganz bewußt, um Konstantin in die Tradition hochgeschätzter Kaiser des 2. Jhs. zu stellen? Wurde Konstantin durch die Inbesitznahme der Spolien wie ein neuer Trajan, Hadrian oder Mark Aurel erhöht? Oder wurde durch die Aktualisierung der Kaiserporträts ihr Andenken ganz gelöscht? Hat Konstantin ihnen durch die Aneignung ganzer Bilderserien ihre Identität gestohlen? Konnten die Römer die stilistischen Unterschiede zwischen den Reliefs des 2. und des 4. Jhs. überhaupt erkennen, zumal in einer Angleichung durch die heute fehlende Bemalung? Der überlebensgroße Kopf Kaiser Konstantins, der 2005 in einem Abwässerkanal des Trajansforums gefunden wurde, stammt von einer Statue von ca. vier Meter Höhe (Abb. 28). Denselben frühen Porträttypus zeigen neben dem Kollossalkopf Konstantins aus der Maxentiusbasilika (Abb. 21) auch die überarbeiteten Porträts des Kaisers in den hadrianischen Rundbildern mit Jagddarstellungen am Konstantinsbogen. Beim neu gefundenen Kopf sind von den Haaren über der Stirn nur die typischen parallel zur Mitte gebogenen Locken erhalten, das mandelförmige Mittelmotiv fehlt. Ansatzspuren auf der Stirn lassen auf die Anbringung eines Kranzes schließen, der möglicherweise später durch ein Diadem ersetzt wurde, wie es der Kaiser seit 325/26 trug. Sein Kopf mit unsympathisch wirkender, breiter Kieferpartie ist leicht zu seiner rechten Seite gedreht, die großen Abb. 29.  Belgrad, Augen blicken nach oben, also über die Betrachter Nationalmuseum. Inv. 79/IV. Konstanhinweg in die Ferne. Konstantin war der zweite, mögtinsporträt aus Nie. licherweise sogar der dritte Kaiser, den das Objekt Bronze, Vergoldungsdarstellen sollte. Hierfür wurde das Gesicht stark spuren, Höhe 36 cm, Oberfläche angegriffen. vertieft und neu gestaltet. Die typische Nase des

Kaisers musste allerdings eigens angesetzt werden. Ein Bronzekopf Konstantins, der zu einer Panzerstatue gehörte, wurde in Naissus (Nič/Serbien) gefunden, dem Geburtsort des Kaisers (Abb. 29). Der Kopf ist nach links gedreht, der Blick etwas nach oben gerichtet. Das doppelte Perlendiadem lässt auf eine Entstehung nach 324/25 schließen, auch Münzdarstellungen östlicher Prägung von 325–339 sind dem Porträt ähnlich. Bei den zur Mitte gekämmten Haarsträhnen unter dem Diadem berühren sich jeweils zwei Strähnen an den Spitzen. Dem Fundort entsprechend wird dieses Porträt einer provinziellen Werkstatt zugeschrieben, auf die eine deutliche Vereinfachung der Details zurückgeht. Ein Konstantinsbild höchster Qualität ist in einen Amethyst in Berlin eingeschnitten (Abb. 30). Die Büste des Kaisers ist in einer nach links gerichteten Profilansicht dargestellt. Der Steinschneider hat die Haare und die Augenbraue matt gelassen, alles andere glänzend poliert. Über den typischen parallelen Haarsträhnen liegt ein Perlendiadem mit eckigem Mitteljuwel. Auf der nackten Schulter ist ein Mantel mit Fibel angedeutet. Die Datierung entspricht dem Bronzeporträt in Belgrad (Abb. 29). Wegen seiner dem kaiserlichen Purpur ähnlichen Farbe wurde Amethyst traditionell für Herrscherbilder verwendet. Das Intaglio (S. ) erzeugt als Siegel ein erhabenes Bild. 37


3c.  Konstantin und seine Nachfolger in Konstantinopel Nach der Gründung Konstantinopels (S. ) war eine wichtige Baumaßnahme des Kaisers die Anlage eines Forums, einer kreisförmigen Platzanlage (Abb. 31). Die städtebauliche Bedeutung lässt sich daraus ermessen, dass ihm Theodosius I. und Arkadius im Bau weiterer Forumsanlagen folgten. Das Konstantinsforum befand sich auf einer Anhöhe außerhalb der bisherigen Stadtmauer und wurde von einer wichtigen Hauptstraße durchzogen. Der Platz war von zweigeschossigen Säulenhallen und zwei Bögen über der Straße umgeben. An der Nordseite befand sich das Gebäude des Senats. In der Mitte des Platzes ließ der Kaiser eine noch teilweise erhaltene

Säule errichten. Der Säulenschaft hat unten einen Durchmesser von ca. 3 Metern und besteht aus ca. 3,20 m hohen Porphyrtrommeln mit Lorbeerkränzen an den Unterkanten, mit denen die Fuge zur nächsten Trommel überdeckt wurde. Sieben von Bränden geschädigte Trommeln blieben erhalten. Der Sockel wurde im 18. Jh. ummantelt, um Einsturzgefahren zu beheben. Für die Statue Konstantins auf dieser Säule wird seit Johannes Malalas (einem oströmischem Historiker des 6. Jhs.) so oft von einer Wiederverwendung einer Apollostatue mit Strahlenkrone berichtet, dass kaum Zweifel an der göttlichen Nacktheit und der Strahlenkrone des Sonnengottes

Abb. 31.  Konstantinopel, Plan.

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Abb. 32.  Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 324. Straßenkarte in Rollenform (Tabula Peutingeriana), Kopie des 12./13. Jh. nach Original des 4. Jh. Pergament, Detail: Segment 8, Konstantinopolis.

möglich ist. Die Figur trug in der linken Hand einen Globus, in der rechten einen Speer; es sind sogar die Jahreszahlen 477 und 554 überliefert, zu denen diese Attribute bei Erdbeben herabfielen. Von den verschiedenen überlieferten Widmungsinschriften lautet die kürzeste und wahrscheinlichste: »Für Konstantin, der leuchtet wie die Sonne.«

Reliefs gewesen wäre. Eine Untersuchung aller Seiten des Sockels unter der Ummantelung fand bisher nicht statt, und daher ist fraglich, ob eine Zeichnung Melchior Lorichs (Lorck) den Sockel der Konstantinssäule darstellt oder nicht (Abb. 33). Es ist eine Barbarenhuldigung wiedergegeben, die einem Kaiser gilt, dessen mit einem Strahlenkranz geschmückte Büste in einem auf der Mittelachse angeordneten Kranz dargestellt ist. Zwei Jünglinge bringen Tribute in Form von Schalen, die mit Münzen gefüllt sind. Sie werden nicht nur von Victorien zur mittleren Huldigungsachse geführt, sondern auch von zwei großen, bärtigen Barbaren geleitet, offenbar besiegten Königen oder Stammesführern. Konstantin schloss 332 Verträge mit besiegten Goten, in denen bestimmt wurde, dass die Gotenkönige Ariaricus und Aoricus dem Kaiser ihre Söhne als Geiseln ausliefern mussten. Dieses Ereignis könnte zeitlich der Aufrichtung der Konstantinssäule entsprechen.

In der Darstellung dieses Wahrzeichens neben der Stadtpersonifikation von Konstantinopel in der Tabula Peutingeriana sieht man eine nackte Gestalt mit Speer und Globus, allerdings ohne Strahlenkranz oder -krone (Abb. 32). Benannt nach einem Vorbesitzer des 16. Jhs., Konrad Peutinger, reicht die Karte von Indien bis Britannien, ein fehlender Abschnitt könnte die iberische Halbinsel gezeigt haben. Die ca. 35 cm hohe und ca. 6,75 m lange Rolle wäre dann über 7 m lang gewesen, die Zahl der ca. 2.700 in Vignetten verzeichneten Orte und Straßenstationen entsprechend größer. Besonders groß und durch Darstellung ihrer Stadtpersonifikationen hervorgehoben sind die Die Platzanlagen des Theodosius und des Arkadius Bilder von Rom, Konstantinopel und Antiochia. in Konstantinopel wurden von derselben Hauptstrasse durchquert wie das Forum des Konstantin, jedoch Im Vergleich zu den Sockeln anderer bedeutender in zunehmender Entfernung von Kaiserpalast, HipSäulenmomumente wäre es recht ungewöhnlich, podrom und Hagia Sophia. Das Forum des Theodowenn der Sockel der Porphyrsäule Konstantins ohne sius ist fast völlig zerstört. Eine parallel zur Straße 39


Abb. 33.  Kopenhagen, Statens Museum for Kunst, Kongelige Kobberstiksamling, Inv. Td 502,3. Federzeichnung Melchior Lorichs in brauner Tinte auf Papier, Höhe 43,4 cm, Breite 33,5 cm, Darstellung eines Säulensockels in Konstantinopel. Lorck.

errichtete Basilika ist nur aus späterer Literatur bekannt, ebenso ein Reiterstandbild des Kaisers. Zwei Bögen über der Straße trugen wohl Reiterstandbilder seiner Söhne Arkadius und Honorius. Sie wurden von Säulengruppen getragen, die als Baumstämme mit Astansätzen gestaltet waren. Jede Säule wurde unter dem Kapitell von zwei Händen umfasst, so dass der Bezug zur Keule des Hercules sichtbar war. Mit dem Bau einer Säule wurde 386 begonnen, erst 393/94 konnte die Statue des Theodosius auf ihr errichtet werden. Ihre in Windungen angeordneten Reliefs mit Kampfdarstellungen und eine innere Wendeltreppe nahmen die Tradition der römischen Säulen des Trajan und Mark Aurel auf. 40

Vollständig erhalten, wenn auch mit starken Oberflächenschäden, ist der zweifache, mit Reliefdarstellungen versehene Sockel des ägyptischen Obelisken, den Theodosius im Jahre 390 auf dem Hippodrom (Circus, Pferderennbahn) in Konstantinopel aufstellen ließ (Abb. 34). Konstantin hatte nach der Gründung von Konstantinopel den möglicherweise schon von Licinius begonnenen Bau einer Pferderennbahn von Byzanz mit 400 m Länge und 120 m Breite zu Ende geführt. Unter den zahlreichen Kunstwerken, die er aus anderen Städten zur Ausschmückung seiner Stadt heranbringen ließ, befanden sich auch Skulpturen, die auf der Mittelachse des Hippodroms aufgestellt wurden. Nachdem Theodosius im Jahre 388 einen


Sieg über die Usurpatoren Magnus Maximus und seinen Sohn Flavius Victor errungen hatte, feierte er 389 in Rom einen Triumph (S. ). In Konstantinopel ließ er zwischen 390 und 392 unter dem Stadtpräfekten Proclus auf der Mittellinie des Hippodroms einen ägyptischen Obelisken aufstellen. Er knüpfte damit an die Aufstellung eines Obelisken im Circus maximus in Rom durch Kaiser Augustus an. Konstantin hatte zwei Obelisken bereits von Oberägypten nach Alexandria bringen lassen, starb aber vor deren Überführung nach Rom und Konstantinopel. Constantius II. ließ 357 einen davon im römischen Circus aufstellen. Da er selbst und später auch Julian an der Errichtung des zweiten in Konstantinopel durch den Tod gehindert wurde, vollendete nun Theodosius den Plan. Der Name des Stadtpräfekten Proclus wurde aus der griechischen und der lateinischen Inschrift nach seiner Absetzung 392 und Hinrichtung 393 getilgt, nach seiner Rehabilitierung wieder eingesetzt. Der unten unvollständige Obelisk hat 19,59 m Höhe, von ursprünglich etwa 35 m. Die Zweiteilung des Sockels ist ungewöhnlich, doch wurden die Reliefs beider Sockel nach einem einheitlichen Entwurf geschaffen. Bei einem kaiserlichen Auftrag war selbstverständlich das zentrale Bildmotiv der Kaiser selbst. Auf zwei Seiten des oberen Sockels ist eine große Loge (das kathisma) mit vier frontal dargestellten Personen zu sehen, die so nach links verschoben ist, dass die größte unter ihnen, also Theodosius, genau in der Bildmitte als Huldigungsachse erscheint. Zu seiner Rechten erscheinen seine Söhne, zunächst Arkadius, dann außen Honorius, noch ohne Diadem. Valentinian II. sitzt abgewertet auf der linken Seite. Nach seiner Flucht vor Magnus Maximus (S. ) und dem Sieg des Theodosius über diesen Usurpator hatte er endgültig seine politische Selbständigkeit verloren. Die große Loge erscheint über einer Barbarenhuldigung und über einem Wagenrennen, also Ereignissen, die sich ständig wiederholen konnten (Abb. 35–36). Dagegen zeigen die beiden anderen Seiten jeweils eine kleinere Loge unterschiedlicher Form mit nur einem Kaiser über einmaligen Vorgängen, nämlich der Aufrichtung des Obelisken (mit einer Standarte mit Christogramm neben der Loge) und der Einweihung des Denkmals mit Musik und Tanz (Abb. 37). Der Kaiser dürfte hier Arkadius sein, der als einziger Herrscher in Konstantinopel weilte, während Theodosius erst im Jahre 391 aus Rom von den Siegesfeiern zurückkam. Die Anpassung der Größe der Figuren an ihren Rang ist bei der Einweihung besonders rigoros durchgeführt. Die Zuschauer sind auf zwei Reihen dichtgedrängter kleiner Köpfe reduziert. Noch erheblich kleiner sind die Figuren der Musikanten,

Tänzer und sonstigen Künstler. Mit der Aufteilung des Bildschmucks in Wiedergaben einmaliger, zeitgebundener Ereignisse und immer wiederkehrender Vorgänge entsprechen die Reliefs dem Fries des Konstantinsbogens in Rom (S. ). Von der Säule, die Arkadius auf seinem Forum aufstellen ließ, blieben nur einige Reste des Sockels und des Säulenanfangs erhalten, jedoch kaum lesbare Reliefdarstellungen. An der Decke des Eingangsraums ist ein Lorbeerkranz mit gemmengeschmücktem Christogramm in einem Rautenfeld zu sehen. Über die übrigen Darstellungen informieren uns drei große Klapptafeln in einer in Cambridge aufbewahrten Pergamentmappe aus dem Jahre 1574 (Abb. 38). Hier sind in Sepiazeichnungen (Farbe von Tintenfischen) drei Seiten der Arkadiussäule und ihres Sockels dargestellt. Es fehlt nur die Nordseite, in der sich im Sockel die Tür zu drei kleinen Räumen und der inneren Treppe befindet. An die Säulen früherer Kaiser knüpfte Arkadius mit dieser Treppe und mit der Ausarbeitung einiger Säulenkanneluren über dem Ende der Reliefs an. Diese sollten den Eindruck erwecken, als wären die Bilder auf einer Buchrolle mit kontinuierlichem Bildfries spiralförmig um eine kannelierte Säule gewickelt. Die Hohe der Säule übertraf mit etwa 46 m die Vorgänger, doch war die Zahl der Windungen des Darstellungsbandes von 24 und 21 auf nur 15 reduziert. Daher waren die Darstellungen mit einer Höhe von 2,30 fast doppelt so hoch – was der Erkennbarkeit zumindest der untersten Szenen entgegenkam. Alle Herrscherbilder und der Auszug des Gainas und seiner Begleiter aus Konstantinopel (S. ) waren auf der Südseite vereinigt. Die Reliefs des Sockels sind jeweils auf vier Zonen verteilt, von denen eine lediglich mit erbeuteten Waffen, besiegten Feinden und anderen Siegesallegorien gefüllt ist. Diese befindet sich im Westen und Osten ganz unten, im Süden ganz oben – anscheinend wegen eines Fensters, das jedoch nach Ausweis der erhaltenen Sockelreste nicht existiert. Die übrigen drei Zonen zeigen Huldigungsszenen, die im Schema der »Vertikalen Huldigung« zur Mittelachse hin angeordnet sind. Jeweils aus der unteren der drei Zonen wird den Kaisern Arkadius und Honorius gehuldigt, die in der mittleren Zone dargestellt sind, zwischen Beamten, Leibwächtern und Liktoren. Die Kaiser selbst verehren die Symbole Christi, die in der oberen Zone von Victorien präsentiert werden. Auf der Südseite sieht man unter den Kaisern Personifikationen besiegter Sädte, die eine Mauerkrone tragen. Sie werden von Victorien angeführt, die Siegesmale (tropaia) tragen und Gefangene an den Haaren zur Huldigungsachse zerren. Die beiden Kaiser 41


sind mit Panzer und Mantel bekleidet, tragen Speere und strecken den Globus mit der Victoriastatuette zur Mittelachse (den Globus übersah der Zeichner). Ihre Begleiter sind überwiegend mit der Amtstracht bekleidet, der Chlamys mit einer Fibel auf der rechten Schulter. Die Kaiser huldigen dem Christogramm, das sich mit den Buchstaben Alpha und Omega in einem Kranz befindet, den fliegende Victorien halten. Auf der Westseite zollen den Kaisern Besiegte aus West und Ost ihren Tribut, die vor römischen Soldaten auf ein mittleres Tropaion zugehen, unter dem die Siege aufgezeichnet werden (Abb. 39). Wiederum gehen Victorien voraus, die knieenden Gefangenen ins Haar greifen. Die westlichen Unterworfenen tragen Fellmäntel, die östlichen bringen einen Elefantenzahn und einen Tiger für die Kaiser mit. Diese tragen Panzer und Mantel, Speer und (verlorenen) Globus und sind von Amtsträgern und ihrer Leibwache umgeben. Über ihnen befindet sich ein ähnliches Ensemble wie auf der Südseite, diesmal mit einem Kreuz im Kranz, dessen flatternde Bänder der Zeichner als eine geöffnete Schriftrolle missverstanden hat. Bei den rahmenden Gespannen von Sonne und Mond hat er die vorausfliegenden Phosphorus und Hesperus offenbar nicht erkannt. Auf der Ostseite ist der gesamte Dekor der innenpolitischen Ordnung gewidmet (Abb. 40). Hier huldigen die mit der Toga bekleideten Senatoren Roms und Konstantinopels den Kaisern. Als Angehörige des Systems sind sie nicht im Profil, sondern weitgehend frontal dargestellt. Die beiden vorderen Senatoren begegnen sich mit den dargebrachten Kränzen an der Mittelachse, die Personifikationen beider Städte stehen in Bogennischen an den Seiten. Auch die Kaiser und die meisten ihrer Begleiter tragen hier die Toga. Die zwölf Liktoren, die Träger der Ruten, die das Machtsymbol der fasces (Rutenbündel) bildeten, tragen kurze Tuniken. Die Kaiser konnten auf dieser Seite des Sockels nicht ganz symmetrisch ausgerichtet werden, weil sie als Konsuln (des Jahres 402) außer dem Zepter die mappa tragen. Sie halten dieses Stoffbündel, das in die Arena geworfen wurde, um Spiele zu eröffnen, wurfbereit mit der rechten Hand in die Höhe. Die fliegenden Victorien in der Zone darüber präsentieren in einer Tafel nicht nur ein Kreuz, sondern eines, das zusätzlich von zwei Männern mit Zeptern gehalten wird, also den Kaisern. Die Straßen und Plätze der Städte waren in der Kaiserzeit mit öffentlich aufgestellten Statuen überschwemmt. Dabei handelte es sich nicht nur um Götterbilder und Kaiserporträts aus Bronze und Marmor; auch zahlreiche Widmungen für verdiente 42

Abb. 34.  Istanbul, Hippodrom. Theodosius-Obelisk mit Sockel.


Abb. 35.  Sockel, Seite mit Darstellung einer Barbarenhuldigung.

Abb. 36.  Sockel, Seite mit Darstellung eines Pferderennens.

Abb. 37.  Sockel, Seite mit Darstellung der Aufstellung des Obelisken.

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Abb. 38.  Cambridge, Trinity College, Ms. 0.17.2. Pergament-Album mit Zeichnungen aus Konstantinopel von 1574 (›Freshfield‹-Zeichnungen), Papier, Höhe (ausgeklappt) 81,3 cm, Breite 27,9 cm, Südseite der Arkadiussäule mit Sockel.

Abb. 39.  Westseite des Sockels.

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Bürger sind belegt. In der Spätantike nahm der Aufwand hierfür erheblich ab. Aus der Zahl der erhaltenen Porträts und Skulpturensockel ergibt sich, dass sich die Häufigkeit der Statuenaufstellung von der Mitte des 4. bis zur Mitte des 5. Jhs. auf ein Fünftel reduziert hatte, einschließlich der Umwidmung älterer Porträts. Als Beispiele für die Herstellung neuer Werke werden eine Statue des Kaisers Valentinian II. (Abb. 41) und ein Porträt der Kaiserin Ariadne (Abb. 42) abgebildet. Die Übereinstimmung des Porträts einer Statue aus Aphrodisias mit den Vorstellungen theodosianischer Zeit über das Herrscherbild ist durch die Ähnlichkeit mit den Bildern auf der Decennalienplatte in Madrid gesichert (Abb. 44). Auch wenn die Fundumstände unklar sind, darf die Statue, die einen etwa Zwanzigjährigen darstellt, als Porträt Valentinians II. gelten, denn dieser war bei seinem Freitod (392) 22 Jahre alt (Theodosius 45, Arkadius 14 und Honorius 7 Jahre). Der Kopf ist nicht frontal auf den Betrachter gerichtet, sondern zur rechten Seite gewendet, und die Augen blicken etwas nach oben, so dass ein verträumter Ausdruck entsteht. Dieser könnte die prekäre Situation wiederspiegeln, in der sich der Kaiser des Westreiches seit seiner Flucht in den Osten zu Theodosius befand (S. ). Das von zwei Perlenreihen gesäumte Diadem ist in der Mitte mit einem quadratischen Edelstein geschmückt. Das oberste Kleidungsstück über Tunika und Dalmatika dürfte wohl nicht die für einen Konsul typische Trabea (die Toga mit den Purpurstreifen) sein, sondern eine reguläre Toga.

Abb. 40.  Ostseite des Sockels.

Der Porträtkopf der Kaiserin Ariadne kann von einer Büste oder Statue stammen (Abb. 42). Sein auffälligstes Bilddetail ist die Verhüllung der Haare durch eine mit Perlen verzierte Kappe, die von einem Perlendiadem umgeben ist. Lediglich zwei winzige Locken über der Stirn und eine Locke im Nacken sind unbedeckt. Das Motiv findet sich, wenn auch mit Variationen, auf Elfenbeinarbeiten und zwei weiteren Porträtköpfen Ariadnes, die ebenso wie das Exemplar aus Paris in Rom gefunden wurden. Dieser einheitliche Fundort stellt ein Problem dar, denn die Skulpturen gehören in ihrem Stil ebenso wie die Elfenbeinreliefs in die Kunst Konstantinopels, außerdem ist eine römische Bildhauerwerkstatt im frühen 6. Jh. nicht mehr zu erwarten. Die Porträts der Ariadne lassen einen sehr hohen Grad von Abstraktion erkennen; bei dem auf individuelle Züge ganz verzichtet wird. Die Augen wirken wie ein unpersönliches Ornament. Das Porträt dürfte aus der Zeit von Ariadnes Ehe mit Anastasios stammen (491 bis zu ihrem Tod 515; S. ).

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Abb. 41.  Istanbul, Archäologisches Museum, Inv. 2262. Porträtstatue des Kaisers Valentinian II., Marmor aus Aphrodisias, Höhe 1,8 m, die Arme fehlen, der Kopf war abgebrochen, die Nase ist beschädigt. In den Thermen von Aphrodisias gefunden, in der Nähe einer Basis mit dem Namen des Kaisers.

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Abb. 42.  Paris, Musée du Louvre, Inv. RF1525. Porträtkopf der Kaiserin Ariadne. Marmor, Höhe 25,7 cm, die Nase ist ergänzt. Fundort Rom, Herstellung in Konstantinopel?

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Abb. 43.  St. Petersburg, The Hermitage Museum, Inv. 1820/79. Schale mit Darstellung eines siegreichen Kaisers zu Pferde (Constantius II.?), Silber, Teilvergoldung, Niello, Durchmesser 25 cm, Höhe noch 3,9 cm, Grabfund von der Krim.

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Abb. 44.  Madrid, Real Academia de la Historia, Inv. ###. ›Missorium‹ des Theodosius, Largitionsplatte zu den Decennalien im Jahre 388, Silber, gegossen, getrieben (Kopf des Theodosius), geschnitten und gepunzt, Durchmesser des Tellers 74 cm, des Fußrings 26 cm, Gewicht 15,35 kg, Fundort bei Augusta emerita (Mérida) in Südspanien.

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4.  Künstlerische Auftragsarbeiten der Kaiser und Konsuln 4a.  Kaiserliche Geschenke

Abb. 49.  Florenz, Museo Archeologico, Inv. ###. Silberplatte des Konsuls Ardabur Aspar vom Jahr 434, Durchmesser noch 42 cm, getrieben, Details mit einem Stichel nachgearbeitet, breiterer, erhöhter Rand und Fußring verloren (durch Reste gesichert).

Unter den wertvollen kunsthandwerklichen Funden aus römischer Zeit finden sich seit dem frühen 4. Jh. auch Silber- und Goldbarren, silberne und goldene Fibeln, wie auch Teller und Schalen aus Silber, Edelstein und Glas mit einem Bezug der Inschriften und Darstellungen zu Kaisern. Vota-Inschriften (S. ) für die Regierungsjubiläen von Augusti und Caesares lassen erkennen, dass diese Objekte zu solchen Anlässen an militärische und zivile Amtsträger verschenkt wurden. Beispielsweise ist für zwei runde Silberbarren in Leiden, deren Gewicht einem römischen Pfund nahe kommt, eine entsprechende Verwendung in den Jahren 303/05 durch die Stempelinschrift für Diocletian und Maximianus gesichert: VOTIS XX AVGG NN (votis vicennalibvs Avgvstorvm nostrorvm, »Zum zwanzigjährigen Jubiläum unserer Augusti«). Weitere Anlässe für die largitas (Freigebigkeit) boten sich, wenn Kaiser selbst den Jahreskonsulat übernahmen (S. ). Der Dichter Flavius Cresconius Corippus beschrieb (In laudem Iustini Augusti minoris IV) die Feierlichkeiten zum Antritt des Konsulats Justins II. im Jahre 566, einschließlich der Übergabe von goldgefüllten Silberschalen in die Hände der Senatoren, des Geldgeschenks (donativum) an die Palastwache und der Spenden für das Volk (congiarium). In der Notitia Dignitatum sind am Ende des 4. Jhs. verschiedenartige offizielle Geschenke (largitiones) auf den Abbildungsseiten viri illustris comitis sacrarum Largitionum (des Verwalters des Finanzwesens; Abb. 180) und viri illustris comitis privatarum (des Verwalters des kaiserlichen Privatvermögens) abgebildet. Freiwillig waren diese Geschenke oft nicht, sie waren bei bestimmten Anlässen selbstverständlich und hatten den Charakter einer festen Besoldung angenommen.

Aus der Zeit des östlichen Augustus Licinius I. und seines Sohnes, des Caesars Licinius II., ist eine beträchtliche Anzahl von Largitionsschalen erhalten geblieben. Die Gefäße wurden aus einer Silberplatte in die Form eines Kugelabschnitts getrieben und anschließend auf der Drehbank weiterbearbeitet. Auf der Unterseite sind als Herstellungsorte die Münzstätten Nikomedeia, Antiochia und Naissus bezeichnet. Eine Gruppe wurde für die Zehnjahresfeier des Augustus im Jahre 317 hergestellt. Die andere Gruppe bilden Gefäße, die zur Fünfjahresfeier des siebenjährigen Caesars (S. ) im Jahre 321/22 von ihm selbst oder seinem Vater in Auftrag gegeben wurden. Von letzteren tragen zwei Exemplare in der Mitte sein münzartiges Porträt, das hier abgebildete das Bild seines Vaters. Es trägt die Umschrift: LICINIVS AVG(vstvs) OB D(iem) V (= qvinqvennalivm) LICINI FILII SVI – »Kaiser Licinius anlässlich des Tages des fünfjährigen Jubiläums seines Sohnes Licinius«. Eine Silberschale in St. Petersburg kann auch ohne Inschrift wegen ihres Bildmotivs einer zeremoniellen Ankunft (adventus) eines Kaisers als Largitionsschale gelten (Abb. 43). Die Schale ist getrieben, die eingravierten Umrisse und Innenzeichnungen sind mit Niello gefüllt. Von der starken Vergoldung sind nur wenige Details ausgenommen. Der nach rechts reitenden Kaiser wird aufgrund von Münzvergleichen meist mit Constantius II. identifiziert. Victoria, die mythische Personifikation des Sieges, trägt einen Palmzweig als Siegeszeichen und wendet sich zurück, um den Kaiser zu bekränzen. Der unter den Beinen des Pferdes liegene Schild ist ein Hinweis auf besiegte Feinde. Der Oberkörper des Reiters und sein mit dem Diadem und einem großen Nimbus ausgezeichneter 51


Kopf befinden sich in der Bildmitte und sind dem Beschauer frontal zugewandt. Der Kaiser ist mit Lanze und Schwert bewaffnet, über der eng anliegenden Hose trägt er eine reich geschmückte Tunika. Sein Leibwächter trägt eine Lanze und einen großen Rundschild mit Christusmonogramm. Die Umschrift einer silbernen Largitionsschale in Genf ist in der Benennung des dargestellten Kaisers nicht eindeutig: LARGITAS D(omini) N(ostri) VALENTINIANI AVGVSTI – »Freigebigkeit (= Geschenk) unseres Herrn, des Augustus Valentinian«. Dies könnte Valentinian I. (364–375) oder Valentinian II. (375–392) sein, aus stilistischen Gründen kaum Valentinian III. (425–455). Der Kaiser steht frontal in einer seiner Bedeutung entsprechender Größe so in der Mitte von sechs Soldaten, dass er nicht von ihnen überschnitten wird. Er trägt über dem Panzer den mit einer Fibel geschlossenen Mantel und hält in der Linken ein Feldzeichen, in der Rechten einen Globus mit der Victoriastatuette, die ihm einen Kranz entgegenstreckt. In seinen Nimbus ist – einmalig in der Kaiserikonographie – ein Christusmonogramm mit den Buchstaben Alpha und Omega eingetragen. Allerdings ist das Gesicht des Kaisers nachträglich eingesetzt, zur Füllung jenes freigehaltenen Raumes oder als Ersatz für ein vorheriges Porträt. Die Soldaten tragen Helme mit hohen Federbüschen, Speere und große Schilde. Die beiden Schilde mit zweiköpfigen Tieren als Dekor werden in der Notitia Digni52

tatum, eine Art römisches Staatshandbuch, (S. ) eingegliederten Barbareneinheiten zugeteilt. Die Waffen unter der Standlinie weisen auf die Siege des Kaisers hin.

Der allgemein für die Largitionsplatte des Theodosius gebräuchliche Begriff missorium wurde bereits in spätantiken Quellen für besonders große Schüsseln und Teller verwendet (Abb. 44). Wie ein langer Riss zeigt, sollte das Objekt für den leichteren Transport zum Einschmelzofen verkleinert werden (»Hacksilber«). Die Platte besitzt im Inneren des 3 cm hohen Fußrings eine griechische Gewichtsangabe für 30 römische Pfund und auf der Oberseite die Umschrift, in deren Buchstaben Vergoldungsreste erhalten blieben: D(ominvs) N(oster) THEODOSIVS PERPET(vvs) AVG(vstvs) OB DIEM FELICISSIMVM X (= decennalivm) – »Unser Herr und immerwährender Augustus Theodosius, anlässlich des glücklichsten Tages der Decennalien«. In der viersäuligen Architekturfassade ist das mittlere Bildfeld für den thronenden Theodosius durch weiteren Säulenabstand und durch das aufgebogene Gebälk betont. Er hält in der Rechten ein Kodizill, das ein stehender, seinem Rang entsprechend klein dargestellter Beamter mit verhüllten Händen empfängt. Der zur Rechten der Hauptfigur Sitzende mit Zepter und Globus dürfte der siebzehnjährige Valentinian II. sein, seit 378 Augustus im Westreich. Die

Abb. 45.  Rom, Musei Capitolini, Antiquarium Comunale, Inv. 7233. Glasschale zu kaiserlichen Vicennalien, Grünliches Glas, ohne Fußring geblasen, Dekor geschliffen und geritzt, Fragment, Länge 14 cm, Breite 6,5 cm, ursprünglicher Durchmesser ca. 21 cm, Fundort Rom, Forum Romanum, Herstellung in Rom durch vergleichbare Fragmente bestätigt.


Abb. 46.  Trier, Rheinisches Landesmuseum, Inv. 1982,140. Zwiebelknopffibel aus Piesport-Niederemmel, Gold, Fragment ohne den Querarm, Länge noch 11,2 cm.

Gestalt mit Globus zur Linken des Theodosius ist wohl sein ältester, elfjähriger Sohn Arkadius, seit 383 Mitaugustus im Ostreich. Bei den Gesichtern ist auf die Wiedergabe individueller, realistischer Details zugunsten einer idealen Herrschervorstellung verzichtet. Alle drei Personen sind mit Nimbus und mit Perlendiademen geschmückt; sie tragen über der gegürteten Tunika den mit einem Einsatz (tablion) versehenen Mantel, der auf der rechten Schulter mit einer dem Kaiser vorbehaltenen Rundfibel mit Anhängern (pendilia) geschlossen ist – im Unterschied zur aufgebogenen Zwiebelknopffibel des stehenden Beamten. Der Rang der Herrscher kommt nicht nur in der Abstufung der Körpergröße und der Größe ihrer Throne und der Fußschemel zum Ausdruck, sondern auch im unterschiedlichen Abstand dieser Möbel von der Sockelkante der Architektur. Die links und rechts stehenden, zur Mitte orientierten Leibwächter halten Speere und ovale Schilde und sind durch den ursprünglich keltischen Halsring (torques) als Germanen zu erkennen. Unter der Architektur ruht neben Getreideähren die Mutter Erde (tellus), ausgestattet mit Füllhorn, Blattkranz und dekorativ angeordnetem Gewand. Drei nackte, geflügelte Eroten, zu denen sich zwei weitere im Giebeldekor gesellen, bringen dem Kaiser Blüten und Früchte, die

sie meist mit ehrfürchtig verhüllten Händen tragen. Auf diese Weise wird nicht nur kaiserlicher Herrschaft verbildlicht, sondern auch auf ihre erfolgreiche Wirkung hingewiesen. Das abgebildete Fragment einer leicht konkaven Glasschale ist wegen der Verwandtschaft seiner Darstellung mit den silbernen Largitionsschalen interessant (Abb. 45). Es bestätigt, dass anlässlich von Regierungsjubiläen der Wert der Geschenke nach dem Rang der Empfänger abgestuft war. Die viersäulige Rahmenarchitektur für den Kaiser und zwei hochrangige Begleiter hat einen Kreissegmentgiebel, der dem Rand des Gefäßes und den umlaufenden Rillen angepasst ist. Der Säulenabstand in der Mitte ist vergrößert. Der Kaiser ist bärtig, seine Haare sind gleichmäßig zur Stirn gekämmt und tragen kein Diadem. Der Begleiter ist nach Aussage der erhalten gebliebenen Mantelfibel mit langem Dornschuh hochrangig, aber nicht kaiserlich. Die Zuordnung der Namensinschrift (s)EBERVS ist ungewiss. Neben der Gestalt außerhalb der Würdearchitektur sind die Reste eines Pferdes erhalten. In der Mitte des Giebels halten zwei geflügelte Victorien einen Lorbeerkranz mit der Inschrift VOTA XX (= vicennalivm) / MVLTA XXX (= tricennalivm) – »Die Gelübde für die Zwan-

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Abb. 47.  Trier, Stadtbibliothek,Hs. 22. Buchdeckel des Ada-Evangeliars (1499), Inv. Hs 22, Höhe 39,4 cm, Breite 26,6 cm; H 8,5 cm, B 10,7 cm; in der Mitte dreischichtiger Sardonyx-Kameo, Breite noch 10,7 cm, Höhe noch 8,5 cm.

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Abb. 48.  Belgrad, Nationalmuseum, Inv. 116/IV. Kameofragment mit Reiterdarstellung, mehrschichtiger Sardonyx, Breite ca. 19 cm, Höhe ca. 15 cm, Dicke 2,5 cm, Gewicht 845 Gramm.

zigjahresfeier / viel (glücklicher) soll die Zeit bis zur Dreißigjahresfeier verlaufen«. Nach rechts (und in Spuren auch links) folgt eine kaum bekleidete, sitzende männliche Gestalt mit Speer und Schale, ganz außen eine liegende weibliche Wasserpersonifikation. Die Datierungsvorschläge reichen zwar von tetrarchischer Zeit bis in das ausgehende 4. Jh., doch wäre seit 325/26 beim Kaiser ein Diadem zu erwarten. In einem Ort an der Mosel, der weniger als 40 km von Konstantins Residenz in Trier entfernt ist, wurde eine goldene Gewandnadel gefunden, die wegen ihrer Inschriften besonders interessant ist (Abb. 46). Unter den zahlreichen Fibeln dieser Form gibt es seit tetrarchischer Zeit eine meist aus Gold gefertigte

Gruppe, die kaiserliche Inschriften trägt und als Geschenk für höhere zivile und militärische Amtsträger hergestellt wurde. Dieses Exemplar fällt durch die politische Aussage auf, die sich aus seinen gravierten und mit Niello gefüllten Inschriften ergibt: VOTIS X (= decennalibus) D(omini) N(ostri) CONSTANTINI AVG(vsti) / VOTIS X D(omini) N(ostri) LICINI AVG(vsti) – »Zu den Gelübden der Zehnjahresfeier unseres Herrn, des Augustus Konstantin / … des Augustus Licinius«. Konstantin feierte im Jahre 315 seine Decennalien, doch für Licinius waren diese erst im Jahre 317 fällig. Die Gleichsetzung der Daten verrät ein Entgegenkommen Konstantins, um das Verhältnis zu Licinius zu verbessern. Es war jedoch vergeblich (S. ). 55


Ein am Ende des 15. Jhs. in Trier zum Schmuck eines Kodex verwendeter Kameo trägt wahrscheinlich ein repräsentatives Familienbild Konstantins (Abb. 47). Er könnte die Mitte einer größeren Platte gebildet haben, die als kaiserliches Geschenk hergestellt wurde. Die Anordnung der Personen hinter einer Brüstung erweckt den Eindruck, als stünden sie in einem von zwei Adlern gezogenen Wagen. Die beiden größten, leicht zur Bildmitte gewendeten Gestalten müssen ein Kaiserpaar sein, da der Mann einen Lorbeerkranz trägt. Aufgrund ihrer Frisuren und der Anordnung der weiteren Gestalten lassen sie sich als Konstantin und Fausta bestimmen. Die zweite Frau, ganz links mit über den Kopf gezogenem Gewand dargestellt, kann nur Konstantins Mutter Helena sein. Von den beiden Söhnen Konstantins ist der kleinere in der Bildmitte Constantinus II., der erste Sohn Konstantins aus der Ehe mit Fausta. Der größere ist Crispus, der Sohn Konstantins aus seinem Konkubinat mit Minervina. Diese beiden Söhne des Kaisers waren im Jahre 317 zu Caesares erhoben worden. Da 324 auch

Constantius II. diesen Rang erhielt, ist der Kameo früher zu datieren. In den Bereich der Geschenke dürfte auch ein Kameo-Fragment gehören, das ca. 50 km südöstlich von Belgrad gefunden wurde (Abb. 48). Es ist in hohem Relief unter Ausnutzung der braunen, milchig-weißen und graublauen Schichten des Steins gearbeitet und zeigt einen durch das Diadem als Kaiser bestimmten Reiter. Mit geschwungener Lanze reitet er über besiegte Barbaren hinweg. Ein kleiner Soldat folgt ihm zu Fuß. Aus dem erhaltenen Rest eines Randes lässt sich erschließen, dass dieser Reiter nicht das Mittelmotiv einer Komposition gebildet haben kann. Ursprünglich werden mehrere solche Kampfdarstellungen eine triumphale Szene in der Mitte umgeben haben. Das Fragment dürfte eine der abgerundeten Ecken einer rechteckigen Prunkplatte gebildet haben. Aus stilistischen Gründen wird der Kameo in die Zeit Konstantins I. oder seiner Söhne datiert.

4b.  Geschenke der Konsuln In republikanischer Zeit hatten die beiden für ein Jahr von der römischen Volksversammlung gewählten Konsuln die Verantwortung für alle zivilen und militärischen Entscheidungen getragen. Das Konsulat bildete die höchste Stufe der Ämterlaufbahn (cursus honorum). In der Kaiserzeit wurden zwar weiterhin die Jahre nach den Konsuln benannt, doch wurden diese weitgehend vom Kaiser ernannt und verloren immer mehr von ihren Aufgaben und Rechten. Die Ämter des Quaestors, Praetors und Konsuls waren Ehrenämter geworden, die in erster Linie dazu dienten, die wohlhabenden Familien der Senatoren zur Übernahme der hohen Kosten für öffentliche Spiele und die Verteilung von Getreide- und Geldspenden heranzuziehen. Der Aufwand, der anlässlich der Konsulatsübernahme für Pferderennen (ludi circenses), Gladiatorenkämpfe (munera), Tierhatzen (venationes) und Theateraufführungen (ludi scaenici) in Kaiserzeit und Spätantike getrieben wurde, ist heute kaum vorstellbar, da der Besuch von sportlichen und kulturellen Veranstaltungen nicht kostenlos ist. Wegen der Möglichkeit, durch aufwendige Spiele und Geldausschüttungen Popularität erwerben zu können, übernahmen die Kaiser der Spätantike sehr oft das Konsulat selbst, beispielsweise Diocletian zehnmal, Konstantin I. achtmal, Constantius II. zehnmal, Honorius zwölfmal und Theodosius II. achtzehnmal. Die hohe machtpolitische Bedeutung der öffentlichen 56

Volksbelustigungen ist aus spätantiken Text- und Bildquellen gut abzulesen. Von Quintus Aurelius Symmachus (S. ) sind zahlreiche einschlägige Briefe überliefert. Er schrieb an seine Brüder und an die Lieferanten von Rennpferden und wilden Tieren und bemühte sich um die Qualität der Veranstaltungen anlässlich des Amtsantritts von Quaestur und Praetur seines Sohnes Quintus Fabius Memmius in den Jahren 393 und 401. Für die Gladiatorenkämpfe wollte er ausgebildete Gladiatoren statt der ungeschulten Kriegsgefangenen; für die Wagenrennen suchte er die besten Rennpferde aus Spanien zu erhalten; für die Tierkämpfe bemühte er sich um die Lieferung von Bären. Für die Praetur seines Sohnes gab er 2000 Pfund Gold aus, etwa 20 Jahre später wendete Petronius Maximus sogar das Doppelte auf, als sein Sohn Praetor wurde. In Konstantinopel war der Aufwand im 6. Jh. nicht kleiner. Der Geschichtsschreiber Marcellinus Comes berichtete vom Konsulat, das Justinian im Jahre 521 bekleidete, also bevor er Kaiser wurde, dass der Konsul für die Geldgeschenke und Spiele 288.000 Solidi ausgab, also etwa 4000 Pfund Gold. Er ließ 20 Löwen und 30 Panther zusammen mit anderen wilden Tieren gleichzeitig im Amphitheater auftreten. In den Briefen des Symmachus gibt es auch Äußerungen zur Verteilung von Silberschalen mit Geld-


geschenken und von diptychen (Schreibtäfelchen, S. ) aus Elfenbein beim Antritt höherer Ämter. Bei den Feiern zur Quaestur seines Sohnes Memmius schrieb Symmachus seinem Bruder Flavianus, er erhalte Diptychen und Geschenke seines Sohnes; dem Kaiser habe er ein mit Gold gerahmtes Diptychon geschickt; die übrigen Freunde habe er mit Schreibtafeln aus Elfenbein und mit Silberschalen geehrt. Mehrfach erwähnte der Senator ein Geschenk von zwei Pfund Silber. Während Silberschalen von Kaisern in größerer Zahl erhalten blieben, ist nur ein Exemplar bekannt, das die Umschrift eines Konsuls trägt (Abb. 49). Diese beginnt oben mit einem Kreuz: + FL(avius) ARDABVR ASPAR VIR INLUSTRIS COM(es) ET MAG(ister) MILITVM ET CONSVL ORDINARIVS. Ardabur Aspar (S. ) war Senator (vir inlustris) und hatte vor seiner Ernennung zum Jahreskonsul (consul ordinarius) höchste zivile (comes) und militärische Ämter (magister militum) eingenommen. In der Mitte des Tellers sind der Konsul und sein Sohn Ardabur als Praetor auf einem Podium dargestellt (ARDABVR IVNIOR PRETOR). Der Konsul sitzt in langärmeliger Tunica, ärmellosem Kolobium und üppiger Trabea auf der amtlichen sella curulis mit Fußschemel (dem Amtsstuhl der Magistraten) und trägt in der linken Hand ein Zepter mit den Büsten der regierenden Kaiser Theodosius II. und Valentinian III. Seine rechte Hand ist mit der Mappa erhoben. Der etwa neun Jahre alte Sohn des Konsuls steht neben ihm und hält die Mappa lediglich wie einen Ranghinweis in der linken Hand. In den beiden Rundbildern am oberen Bildrand sind, inschriftlich bezeichnet, der Vater und der Schwiegervater des Konsuls dargestellt, Ardabur und Plinta. Besonders hochrangig ist die Rahmung Adarburs mit zwei Stadtpersonifikationen, die Stäbe mit den stilisierten Rutenbündeln (fasces) tragen. Sie vertreten Rom und Karthago, die Stadt Afrikas, in der Ardabur zum Konsul ernannt wurde und um die er sich im Kampf gegen die Vandalen besonders verdient gemcht hatte. Unter den Geschenkobjekten im unteren Teil der Platte sind auch militärische Rundschilde mit erhöhter Mitte (umbilicus) zu erkennen. Sie waren für Adressaten im militärischen Umfeld des Konsuls bestimmt und konnten gleichzeitig an seine militärischen Leistungen erinnern.

neren, in die man mit einem Griffel Notizen oder Nachrichten einritzte, geschützt war. Oft schrieb man auf zwei Tafeln (griechisch diptychon, zweigefaltet), doch erwähnte Martial schon im 1. Jh. n. Chr. dreiund fünfteilige Schreibtafeln (Epigrammata XIV 4.6.). Die Vertiefung auf der Rückseite ist bei vielen spätantiken Diptychontafeln sehr flach, so dass nicht sicher ist, dass sie Wachs als Schreibmaterial enthielten. Eine andere Möglichkeit war, unmittelbar auf das Elfenbein zu schreiben (Epigrammata XIV 5). In der Tat bieten einige der erhaltenen Diptychen auf der Innenseite Spuren einer (gleichzeitigen oder späteren) Beschriftung. Schließlich kann sich im Inneren der Diptychen ein Pergamentblatt befunden haben, das beispielsweise Ort und Zeit der Wagenrennen im Circus, der Tierhatzen im Amphitheater und von Aufführungen im Theater nannte. Denn auch nach der genauen Festlegung von Art und Datum der verschiedenen Veranstaltungen anlässlich des Amtsantritts der Jahreskonsuln durch Justinian (Novelle 105,1 von 536) mussten die Orts- und Zeitangaben noch fixiert werden. Das früheste erhaltene Diptychon eines westlichen Konsuls ist das des Probus (406; Abb. 50), die spätesten gaben Boethius (487) und Sividius (488) in Auftrag. Außer westlichen Konsulardiptychen des 5. Jhs. besitzen wir eine ganze Reihe im Westen hergestellte nichtkonsulare Elfenbeindiptychen des ausgehenden 4. und des 5. Jhs. Der Bestand an östlichen Konsulardiptychen beginnt erst mit mehreren Exemplaren für Areobindus (506), was nur auf Zufall beruhen kann, denn Theodosius I. erließ am 25.7.384 ein an den Senat von Konstantinopel gerichtetes Gesetz (Codex Theodosianus XV 9,1), nach dem es nur noch den Konsuln erlaubt sein sollte, Elfenbein für Diptychen zu verwenden.

Westliche und östliche Diptychen unterscheiden sich in der Anordnung der Inschriften und der Bilddetails. In Rom legte man Wert darauf, die geöffneten Tafeln zur Schau stellen zu können. Man ließ die Namensund Ämterinschrift auf der linken Tafel beginnen und richtete Bilddetails auf die Mitte des von beiden Tafeln gebildeten Gesamtbildes aus (Abb. ). In Konstantinopel behandelte man Diptychen wie ein Buch. Inschriften ließ man auf der rechten Tafel anfangen, die bei geschlossenem Diptychon oben Während zu diesem Objekt bisher keine Parallele liegt. Alle Darstellungen wurden frontal ausgerichtet, gefunden wurde, blieb von den Elfenbeindiptychen, da es kein Gesamtbild und daher auch keine Bildmitte die Konsuln zum Amtsantritt verschenkten, eine zwischen den Tafeln gab. beträchtliche Anzahl des späten 4. bis 6. Jhs. erhalten. Antike Schreibtäfelchen bestanden aus mehreren Beim Diptychon des Probus steht die Namensinschrift Holz- oder Elfenbeintafeln und wurden zusammen- des Konsuls am unteren Rand: PROBVS FAMVLVS geklappt, damit die Wachsschicht im vertieften In- V(ir) C(larissimvs) CONS(vl) ORD(inarivs) – »Pro57


Abb. 50.  Aosta, Domschatz. Konsulardiptychon des Probus, Rom 406, Elfenbein, Höhe 29,9 cm, Breite 13,1 cm.

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bus, Diener (des Kaisers), Exzellenz, ordentlicher Konsul«. Die Widmung an Honorius befindet sich über dessen Nimbus: D(omino) N(ostro) HONORIO SEMPER AVG(usto) – »Unserem Herrn Honorius, dem immerwährenden Augustus«. Der unter einer Bogenarchitektur frontal stehende bärtige Kaiser ist durch die Kopfwendung und die Beinstellung zur Mitte eines Gesamtbildes orientiert (Abb. 50). Beide Tafeln zeigen ihn in militärischer Ausstattung, obwohl er nie an Kämpfen teilgenommen hat. Rechts ist er mit Schwert, Speer und Schild bewaffnet, links trägt er die ihn bekränzende Victoria auf dem Globus und ein vom Christusmonogramm bekröntes Feldzeichen mit der Aufschrift IN NOMINE XP(ist)I VINCAS SEMPER – »Im Namen Christi siegst du ständig«. Trotz der Proklamation des Beistands Christi trägt der Kaiser auf dem Panzer das traditionelle übelabwehrende Zeichen des mythischen Gorgonenhaupts. Abb. 51.  Mailand, Raccolte d’Arte Applicata del Castello Sforzesco., Inv. 13. Konsulardiptychon Justinians zum Konsulat von 521 in Konstantinopel, Elfenbein, Höhe ca. 36 cm, Breite 13 cm, rechte Tafel.

Das Diptychon Justinans, des späteren Kaisers (527– 565), zu seinem Konsulat von 521 hat zwei im Dekor übereinstimmende Tafeln (Abb. 51). Die Namens- und Ämterinschrift beginnt auf der rechten Tafel, also in östlicher Anordnung. Dasselbe gilt für die Widmung an die Senatoren, die sich in den Kränzen befindet, jeweils zwischen Kreuzzeichen: »Geschenke, zwar klein an Wert, doch sehr ehrenvoll – sie bringe ich als Konsul meinen Vätern.«

4c.  Konsuln in Circus und Amphitheater Die Konsulardiptychen geben uns Hinweise auf die Geschenke der Konsuln und die Verteilung von Münzen an die Bevölkerung, auf Theaterszenen, Tierhatzen und auf Wagenrennen im Circus. Dass letztere nur auf einem Konsulardiptychon des Basilius von 480 und der keinem Jahreskonsul zuschreibbaren Tafel der Lampadii (Abb. 208) vorkommen, muss Zufall sein, denn sie spielen in der spätantiken Literatur, auf Mosaiken, Glas- und Tongefäßen und Kontorniaten eine bedeutende Rolle. Die Kontorniaten, münzähnliche Kupfer- und Messingmedaillions mit einem Durchmesser von rund 4 cm, verdanken ihren Namen dem erhöhten Rand (italienisch contorno). Ihre geprägten oder eingeschnittenen Darstellungen schließen auch Gottheiten und Kaiser der Vergangenheit ein, doch keine christlichen Motive, so dass der Gedanke an Propaganda für die heidnischen Traditionen nahe liegt. Der Verwendungszweck ist ungeklärt. Häufig beziehen sich die Darstellungen der Kontorniaten auf die Wagenrennen im Circus

und geben siegreiche Wagenlenker mit ihrem vierspännigen Wagen in Profil- oder Frontalansicht wieder (Abb. 52). Das besonders reich mit Einlegearbeiten geschmückte Beispiel aus Trier mit einem inschriftlich benannten Wagenlenker PORFYR(ivs) zeigt ihn auf einer Seite stehend zwischen Behältern mit Palmzweigen und auf der anderen mit Peitsche und Palmzweig in der von vorn wiedergegebenen Quadriga. Die Beischrift FONTANVS nennt den Namen seines Leitpferdes. Hinweise auf die politische Bedeutung der Massenunterhaltungen fanden sich bereits bei kaiserzeitlichen Autoren. Satirisch ist die Bemerkung des Dichters Juvenal (Satires X 81) zu panem et circenses – »Brot und Spielen«: Sie seien das einzige, wonach das Volk unter Verzicht auf politische Rechte Verlangen habe. Marcus Cornelius Fronto schrieb über Kaiser Trajan, er habe gewusst, dass das römische Volk vor allem durch zwei Dinge zusammengehalten würde: durch 59


Abb. 52.  Trier, Rheinisches Landesmuseum, Inv. 1909,864. Kontorniat, Messing mit Kupfer- und Silbereinlagen, Durchmesser 4,3 cm, Fundort Trier, Amphitheater, siegreicher Wagenlenker in seiner Quadriga.

Getreidespenden und Spiele (Principia historiae 20). Belege der Spätantike finden sich meist in kulturkritischen Äußerungen, etwa beim Presbyter Salvianus, der sich in der 1. Hälfte des 5. Jhs. in der Schrift »Von der Weltregierung Gottes« über Veranstaltungen im Circus und im Amphitheater in Kriegszeiten ereiferte (De gubernatione VI 69–71, 85–87). In der Mitte des 5. Jahrhunderts beklagte der Historiker Priscus die Ausgaben »für unziemliche Schauspiele, unvernünftige Ruhmsucht und uneingeschränkte Vergnügungen« (Fragment V). Darstellungen der Gladiatorenkämpfe (munera) geben die erhalten gebliebenen Diptychen nicht. Das scheint Zufall zu sein, denn in der nordafrikanischen Keramik (S. ) gibt es neben Darstellungen von Kämpfen gegen wilde Tiere (venationes) auch Bilder von Szenen der Gladiatorenkämpfe und von Hinrichtungen durch wilde Tiere als Vollstreckung der damnatio ad bestias. Die Gladiatorenkämpfe hatten bei Heiden wie bei Christen so viele Liebhaber, dass sie trotz der Invektiven kirchlicher Autoren weiterlebten, bis sie im späten 5. Jh. aus wirtschaftlichen Gründen zu Ende gingen.

Adler und Kaiserbild auf der Sella curulis. Unter ihm folgt eine Andeutung des Amphitheaters mit einigen Zuschauern. Dargestellt sind nicht nur Kämpfer, die mit einem Speer ausgerüstet waren, sondern auch venatores, die nur ein Lasso, eine Peitsche oder eine an einem Stab befestigte netzartige Schlinge besaßen und ihr Leben durch Akrobatik zu retten suchen mussten. Unter den Briefen Cassiodors gibt es ein Schreiben an Maximus, den Konsul des Jahres 523, in dem er ein negatives Bild der Tierkämpfe zeichnete und dem Konsul die Leistungen der Tierkämpfer ausführlich beschrieb (Variae V 42, 6–10). Die Darstellungen der Diptychen entsprechen seinen Beschreibungen. Beim Diptychon in Zürich beginnt die Namens- und Ämterinschrift nach östlichem Brauch auf der rechten Tafel: FL(avivs) AREOB(indvs) DAGAL(aifvs) AREOBINDVS V(ir) I(nlvstris) / EX C(omite) SAC(ri) STA(bvli) ET M(agister) M(ilitvm) P(er) OR(ientem) EX C(onsvle) C(onsvl) OR(dinarivs). – »Flavius Areobindus Dagalaifus Areobindus, hochrangige Exzellenz, früher Aufseher der kaiserlichen Ställe, Heermeister des Ostens und Konsul, (jetzt) ordentlicher Konsul«. Auf der rechten Tafel sieht man Die Tierhatz im Amphitheater war ein häufiges Dar- Zweikämpfe mit dem Speer gegen Bären, auf der stellungsthema auf Konsulardiptychen. Der Konsul linken Tafel akrobatische Tricks gegen Löwen. sitzt mit erhobener Mappa und einem Zepter mit 60

Abb. 53.  Mainz, Römisch-Germanisches Zentralmuseum, Inv. O.39817. Form zur Herstellung des Mittelbildes rechteckiger Keramikteller mit Darstellung von Tierkämpfen, Ton, Höhe 32 cm, Breite 23,5 cm, Dicke 5 cm, Herkunftsort El Djem (Tunesien).


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Außer den Silberschalen und Elfenbeindiptychen, die Symmachus im oben erwähnten Brief als Geschenke anführte, gab es noch eine Gruppe von Tellern aus dem preiswerten Material keramischen Tons (Abb. 53). Es blieben aus der Produktion in Mitteltunesien mehrere Fragmente runder und rechteckiger Teller und die hier abgebildete Form für die Herstellung erhalten. Die Darstellungen sind den Konsulardiptychen ähnlich, so dass der Zusammenhang mit den Spielen zum Konsulatsantritt sicher ist. Vermutlich erhielten Empfänger niederen Ranges in solchen Keramikschalen ihr Münzgeschenk. Die eingetieften Darstellungen in der Form sind natürlich seitenverkehrt. Im oberen Teil des Bildfeldes sitzen drei mit Toga bekleidete Spielgeber in einer überdachten, vorne mit einer Schranke versehenen Loge.

Der mittlere hält in der rechten Hand die mappa zur Eröffnung der Spiele. Über dem Gebälk verläuft eine Inschrift, die vielleicht als MVNERA mit abschließendem Zahlzeichen XXX (dreißig) gelesen werden kann. Links neben der Loge ein Spielleiter in Toga, der eine Tunica mit kurzen Ärmeln und Schmuckstreifen als Siegespreis präsentiert. Seine (auf Fragmenten erhaltene) Schmucksteinkrone ist nicht zu erkennen. Rechts steht ein Mann in langärmiger Tunica und einem mit einer Fibel geschlossenen Mantel, der in der Rechten wohl ein Zepter hält. Im unteren Teil des Bildfeldes sind unter einer gebogenen Linie, die das Amphitheater andeutet, Hinweise auf Tierkämpfe zu sehen. In der Mitte zwei venatores mit einem Speer beziehungsweise einem Schild, außen ein Laufvogel (Strauß?) und ein Hirsch.

4d.  Kaiser und Kaiserinnen als Empfänger von Konsulardiptychen Symmachus berichtete in der Aufzählung seiner Geschenke (S. ), er habe dem Kaiser ein mit Gold gerahmtes Diptychon geschenkt. Ein goldener Rahmen blieb nicht erhalten, doch besitzen wir einige Fragmente von Diptychen für einen Kaiser oder eine Kaiserin, die so groß waren, dass jede der beiden Tafeln aus fünf Platten zusammengesetzt werden musste. Die Anordnung der Einzelteile ist immer dieselbe: Oben und unten reicht ein Querfeld über die ganze Breite der Tafel, dazwischen befindet sich ein breites Hauptbild zwischen zwei schmalen Randfeldern. Ein wertvolles Beispiel aus dieser Gruppe ist eine Tafel in Paris, die nach einem früheren Besitzer »Barberini«-Elfenbein genannt wird (Abb. 54). Die meisterhafte Schnitzarbeit zeigt sich vor allem in den außergewöhnlich stark unterschnittenen Details im Mittelfeld. Aus stilistischen Gründen wird die Tafel in die 1. Hälfte des 6. Jhs. datiert, doch den dargestellten Kaiser können wir nicht benennen. Er ist mit Helm, Panzer und Reitermantel bekleidet und will, gestützt auf seinen Speer und die Hand der Erdmutter Terra, vom Pferd steigen. Ein Barbar hält dabei den Speer, der Gewandbausch der Terra ist mit Früchten gefüllt. Oben eilt Victoria mit bewegtem Gewand herbei. Sie setzt den Fuß auf den Globus, hält in der linken Hand einen Palmzweig und streckt die rechte aus, um den Reiter mit einem (heute verlorenen) Kranz zu bekränzen. Von der linken Seitentafel her huldigt ein ebenfalls militärisch gekleideter, mit einem Schwert bewaffneter und vor der Andeutung einer Säulenarchitektur stehender Mann durch Überreichung einer Victoriafigur mit Sockel. Zu seinen Fü62

ßen steht ein Geldsack, der auf die Geldausschüttungen beim Konsulatsantritt hinweist. Die verlorene rechte Seitenplatte zeigte ein ähnliches Bild in spiegelbildlicher Anordnung. Dass hier der Konsul dargestellt ist, der dem Kaiser das Diptychon widmete, wird durch vergleichbare Fragmente bestätigt, die Inschriften tragen. Hier ist der Text für den Konsul im Nominativ abgefasst, der für den geehrten Kaiser im Dativ. Im oberen Querfeld der »Barberini«-Tafel tragen zwei geflügelte Engel einen runden Schild mit Christusbüste vor einem Hintergrund mit Sonne, Mond und Sternen. Christus hält ein Kreuzzepter und macht mit der Rechten einen Rede- oder Segensgestus. In der Mitte des unteren Querfelds vermittelt eine Victoria mit der rechten Hand die Huldigung von Barbaren zum Kaiser. Ihre linke Hand hält ein Siegesmal. Auf der linken Seite tragen bärtige Barbaren mit Fellmützen und Hosen ein Gefäß mit Münzen und einen Kranz, der auf den speziellen Tribut des Kranzgoldes hinweist (aurum coronarium). Auf der rechten Seite sind jugendliche Barbaren mit Mützen zu sehen, der vordere mit einem Elefantenzahn, der rechte mit einem Stab und einer ausladenden Gebärde, als wolle er das Raubtier hinter sich führen. Von drei weiteren exotischen Tieren sind ein Löwe und ein Elefant zu Seiten der Victoria zu benennen. Die Rückseite der Tafel enthält mit Tinte auf das Elfenbein geschriebene, überwiegend männliche romanische und germanische Namen in Genitivform, darunter merowingische Königsnamen. Vielleicht wurde die Tafel im 7. Jh. für Fürbitten im Gottesdienst wiederverwendet.

Abb. 54.  Paris, Musée du Louvre, Objets de Art, Barberini-Elfenbein, Inv. OA 9063. Fünfteilige Tafel eines Konsulardiptychons, einem Kaiser gewidmet, Höhe 34,2 cm, Breite 26,6 cm, Dicke des Mittelfeldes 2,8 cm, der übrigen Platten 1,2 cm. Die rechte Randplatte ist verloren.


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Abb. 55.  Wien, Kunsthistorisches Museum, Antikensammlung, Inv. X 39. Mittelfeld einer fünfteiligen Diptychontafel für eine Kaiserin, Elfenbein, Höhe 26 cm, Breite 12,7 cm, Dicke 1,75 cm.

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Zu den Konsulardiptychen, die Kaisern gewidmet waren, gibt es auch Parallelen für Kaiserinnen. Beim Elfenbein-Diptychon in Wien handelt es sich bei dem Mittelfeld um ein Exemplar für Kaiserin Ariadne (Abb. 55). Die Kaiserin thront in reich ausgestatteter Würdearchitektur, bei der rahmende Vorhänge und bekrönende Adler neben der Kuppel nicht fehlen. Zur reichen Bekleidung mit Kaiserbild auf dem Ein-

satz (tablion) der mit Perlen gesäumten Chlamys kommt kostbarer Schmuck: Perlenhalsband, Ohrringe mit Anhängern und Diadem auf dem zeittypisch verhüllten Haar. Ariadnes Globus hat einen Kreuzaufsatz. Das Elfenbeinrelief könnte wegen des älter erscheinenden Gesichts der Kaiserin etwas später gearbeitet sein als ihre Marmorporträts (Abb. 42).

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5.  Das biblische Bilderverbot und die Anfänge jüdischer und christlicher Kunst Es war das selbe alttestamentliche Bilderverbot, gegen das sich jüdische und christliche Kunst in ihren Anfängen im 3. Jh. durchgesetzt haben. Trotz vieler Erklärungsversuche sind die Gründe für diese Entwicklung letztlich bei beiden Religionen ungeklärt.

Die Anfänge der jüdischen Kunst waren ebenso wie die der christlichen von vorausgehender und gleichzeitiger heidnischer Kunst beeinflusst und sind Teil einer umfassenden spätantiken Kultur gewesen.

5a.  Jüdische Kunst

Abb. 59.  Detail: Der Tierkreis und die Jahreszeiten.

Obwohl das Bilderverbot des Alten Testaments sehr allgemein gegen künstlerische Darstellungen gerichtet zu sein scheint, lässt der Textzusammenhang erkennen, dass es sich auf die Herstellung von Götterbildern und deren Anbetung bezog: »Du sollst dir kein Gottesbild machen und keine Darstellung von irgend etwas am Himmel droben, auf der Erde unten oder im Wasser unter der Erde. Du sollst dich nicht vor anderen Göttern niederwerfen und dich nicht verpflichten, ihnen zu dienen.« (Exodus XX 4 f.). – »Lauft nicht in euer Verderben, und macht euch kein Gottesbildnis, das irgendetwas darstellt, keine Statue, kein Abbild eines männlichen oder weiblichen Wesens, kein Abbild irgendeines Tiers, das auf der Erde lebt, kein Abbild irgendeines gefiederten Vogels, der am Himmel fliegt, kein Abbild irgendeines Tiers, das am Boden kriecht, und kein Abbild irgendeines Meerestiers im Wasser unter der Erde.« (Deuteronomuim IV 16–18). Die anschließende Warnung vor der Verehrung der Himmelskörper Sonne, Mond und Sterne unterstreicht den Zusammenhang mit dem Götzendienst (IV 19). In Ablehnung des von Menschen geschaffenen Götterbildes wurde dessen Leblosigkeit der Schöpfung Gottes gegenübergestellt (z. B. Jeremias X 1–16). Doch wurde in der nachbiblischen Literatur das Verbot teilweise auch als Ablehnung aller figürlichen

Darstellungen interpretiert. Strenge und kompromissbereite Äußerungen standen einander gegenüber, selbst noch im 3. Jh. n. Chr., als bildliche Darstellungen in jüdischem Kontext einsetzten. Auch Bilder biblischer Erzählungen waren neben der Darstellung von Kultgeräten nicht mehr ausgeschlossen. Zu letzteren gehören außer dem von Löwen gerahmten Schrank mit den Torarollen der siebenarmige Leuchter (Menorah), das an Festen geblasene Kulthorn (Schofar), der Feststrauß (Lulav) des Laubhüttenfestes mit der Zitrusfrucht (Ethrog) und bisweilen eine Weihrauchschaufel. In den jüdischen Katakomben Roms und im Dekor jüdischer Goldglasböden (Abb. 223–224) finden sich keine Darstellungen biblischer Erzählungen. Doch auch diese blieben erhalten, zum Beispiel in Dura Europos. Es ist ein eigenartiger Zufall, dass die frühesten jüdischen und christlichen Kulträume, in denen Malereien mit biblischen Szenen als Wanddekor dienten, am selben Ort ausgegraben worden sind. In Dura Europos, einer kleinen römischen Grenzkolonie am Westufer des Euphrat, befanden sich die jüdische Synagoge und eine christliche Hauskirche in einer Straße, die innen an der Stadtmauer entlangführte (Abb. 56). Kurz vor der Eroberung der Stadt durch die Sas67


Abb. 57.  Detail: Der Durchzug der Israeliten durch das Rote Meer.

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Abb. 56.  Nachbau der Synagoge von Dura Europos / Salihiye (Syrien; erbaut 244/45 mit Freskenzyklus zum Alten Testament; Original im Nationalmuseum in Aleppo, Syrien) aus dem DiasporaMuseum, Tel Aviv. Ansicht der Westwand.

Abb. 58.  Jerusalem, Israel Museum, Fußbodenmosaik der Synagoge von Sepphoris (Galiläa). Übersichtszeichnung.

saniden 256/57 versuchte man, die Stadtmauer außen zu verstärken und innen durch eine Anschüttung zu sichern. Diejenigen Teile der Synagoge und der Hauskirche, die innerhalb der Anschüttung lagen, blieben erhalten. Der auf seinen vier Wänden ausgemalte Hauptraum der Synagoge mit den Innenmaßen 18,65 m x 7,68 m gehört zur zweiten Bauphase der aus einem Wohnhaus entwickelten Kultanlage. Ausgerichtet auf Jerusalem befindet sich in der Mitte der westlichen Langseite die aus der ersten Phase übernommene Toranische, vor der eine Ädikula mit zwei Säulen gesichert ist. Der figürliche Schmuck über dem Bogen der Nische und auf der Rückwand darüber wurde mehrfach verändert, bis in einer letzten Phase alle Wände des Raumes mit zahlreichen, in drei Reihen übereinander angeordneten Szenen des Alten Testaments bemalt wurden. Als Beispiel für die erzählerische Darstellungsweise wird hier der Untergang der Ägypter im Roten Meer abgebildet, das die Israeliten ohne Schaden durchquert haben (Abb. 57). Wie in der vorausgehenden heidnischen und der späteren christlichen Kunst ist die Intervention Gottes durch seine aus dem Himmel herunterreichende Hand verbildlicht. Bei anderen Synagogen des 3. und 4. Jhs., vor allem in Galiläa und im Golan (Syrien), blieb reicher Reliefschmuck an Architekturgliedern erhalten. Neben Pflanzen, Tieren und Kultgeräten war sogar das aus der kaiserlichen Bildwelt stammende Motiv der fliegenden Victorien möglich, die paarweise einen Kranz halten. Seit dem 3. Jh. erhielten Synagogen in verschiedenen Gebieten Palästinas auch farbige Mosaikfußböden, zunächst mit geometrischen Motiven und Inschriften. Im 4. Jh. folgten Mosaiken mit figürlichen Darstellungen. Rankenfelder, in deren Medaillons Tiere dargestellt sind, unterscheiden sich von Parallelen in christlichem Kontext nur durch die Darstellung einer Menorah in hervorgehobener Position. Von Fußböden mit einem zentralen Tierkreismotiv (Zodiakus) in Synagogen Palästinas sind mehrere Beispiele vom 4. Jh. (Hammat Tiberias) bis in das 6. Jh. (Beth Alpha) erhalten. Das Quadrat mit dem Zodiakuskreis und den vier Jahreszeiten in den Zwickeln enthält im Zentrum die Quadriga des Sonnengottes. Es befindet sich zwischen Feldern mit Toraschrein und Kultgeräten und der Erzählung vom Isaakopfer (Genesis XXII 1–19). Besonders interessant ist das erst 1993 entdeckte Fußbodenmosaik des frühen 5. Jhs. im Hauptraum der Synagoge von Sepphoris in Galiläa (Abb. 58). Der Bau besaß nur ein schmales Seitenschiff mit geometrisch-dekorativem Mosaikfußboden und auch der Hauptraum ist sehr langgestreckt (Länge 16 m, Breite 5,60 m). In den Fußbodenfeldern vor der Bema (Tribüne oder Red69


nerpodest) wird ausführlich und unter Einschluss figürlicher Szenen an den Kult im zerstörten Tempel in Jerusalem erinnert. In den Bildfeldern unter der Tempelfassade und den beiden siebenarmigen Leuchtern ist ein großer Altar zu sehen und durch Beischriften ist gesichert, dass daneben und auch darunter (neben Schaubrottisch – einer Art Tisch – und Korb der Erstlingsfrüchte) die Weihe Aarons zum Tempeldienst und die Tiere des täglichen Opfers dargestellt sind (Exodus XXIX). Auch das Gefäß für die Reinigung der Priester mit Wasser fehlt nicht (XXX 17–21). Das größte Bildfeld nimmt der Zodiakus ein, bei dem einigen Sternzeichen (zodia) zusätzlich ein Jüngling als Personifikation des Monats beigegeben ist (Abb. 59). Das von heidnischen Vorbildern und aus der Synagoge von Hammat Tiberias gewohnte Bild des Sonnengottes ist hier durch eine große, vielstrahlige Sonne über der Quadriga ersetzt, die eine Mondsichel und ein Stern begleiten. Das Bildmotiv ist einmalig, im 6. Jh. kehrt in Beth Alpha der Sonnengott wieder. Die Personifikationen der vier Jahreszeiten in den Zwickeln sind griechisch und hebräisch benannt und der zentrale Kreis mit der Sonnenquadriga ist von einer

griechischen Stifterinschrift umgeben: »Zum Guten und zum Segen sei erinnert an Judah, den Sohn des Monimos, mit seinen Kindern, die aufgrund eines Gelübdes dieses ganze Bildfeld anfertigten. Segen über sie!« Auch weitere Bildfelder des Fußbodens tragen solche Inschriften. Zu den genannten und weiteren fragmentarisch erhaltenen Bildern des Zodikus in Synagogen gab es auch eine christliche Parallele des 6. Jhs. im Kloster in Beth Shan, nahe Beth Alpha. Hier waren die Personifikationen von Sonne und Mond von einem Kreis der zwölf Monate umgeben und die Zwickel enthielten die vier Jahreszeiten. Einen Monatskreis mit mittlerer Personifikation der Erde oder des Jahres enthielt ein Fußbodenmosaik aus Karthago (Abb. 120). In der Nähe des Eingangs ist in Sepphoris außer dem Isaakopfer, das mit Beigabe von Dienern mit einem Esel auf zwei Felder verteilt ist, auch der Besuch der Engel bei Abraham und Sarah in Mamre dargestellt (Genesis XVIII 1–15). Der Grund für die mehrfache Übernahme des mit heidnischen astrologischen Vorstellungen verknüpften Tierkreises in die spätantike jüdische Kunst bleibt rätselhaft.

5b.  Christliche Kunst Die christliche Hauskirche aus der Mitte des 3. Jhs. in Dura Europos ist bisher ohne Parallele. Wir besitzen zwar literarische Nachrichten über weitere Hauskirchen und wissen durch den Bericht des Laktanz über die Zerstörung einer Kirche in Nikomedeia in der Diocletianischen Christenverfolgung (seit 303), dass es im 3. Jh. auch größere Kirchenbauten gab (de mortibus persecutorum XII 2–3). Doch blieb der Fund in Dura Europos singulär, so dass sich die Frühgeschichte der christlichen Kunst nur im Grabbereich verfolgen lässt (s. S.  Abschnitt 6a). Der Versammlungsraum der Hauskirche war etwa 65 Quadratmeter groß und durch Zusammenlegung zweier Räume des Hauses enstanden; er wurde ohne bildlichen Dekor aufgefunden. Dagegen besaß der benachbarte, vermutlich für die Taufe genutzte Raum eine Wandbemalung, in der mindestens sieben Szenen aus dem Alten und Neuen Testament dargestellt waren. Das Bild eines Schafträgers mit seiner Herde an der Wand über dem (abflusslosen) Taufbecken könnte als paradisisches Symbol gedacht sein (S. ) oder als »Guter Hirt« Jesus (Lukas XV 3–7; Johannes X 1–18).

lichen Bilderverbot und seiner Weiterführung durch frühchristliche Autoren zu widersprechen. Als besonders bilderfeindlich galt vielen der karthagische Schriftsteller Tertullian, der den strengen ethischen Ansprüchen des Montanismus zuneigte. Er meinte, angesichts des alttestamentlichen Verbots von Götterbildern könnten Bildhauer, Maler und Verfertiger von Nachbildungen aller Art nur vom Teufel in die Welt gesetzt sein (de idolatria III 2–IV 1). Künstlern, die Christen werden wollten, gab der Autor Empfehlungen für ihre Zukunft: »Der Stuckarbeiter versteht auch, Dächer auszubessern, Stuckarbeiten auszuführen, Brunnen zu verputzen, Kehlleisten anzubringen und auf den Wänden vielen anderen Schmuck (ornamenta) außer Götterbildern (simulacra) anzubringen.« (de idolatria VIII 2). Der erwähnte Schmuck durfte keine Götterbilder enthalten, aber er muss von Tertullian keineswegs rein ornamental gemeint gewesen sein, denn er bezeichnete mit ornamenta auch die Figuren der Cherubim und Seraphim an der alttestamentlichen Bundeslade (adversus Marcionem II 22). Anschließend gab Tertullian weitere Anweisungen: »Wer ein Götterbild zeichnet, um wieviel Diese Malereien führten nach ihrer Entdeckung vor leichter streicht der ein Rechenbrett an. Wer aus achtzig Jahren zu erheblichen Problemen, denn fi- Lindenholz einen Mars schnitzt, um wieviel rascher gürliche Darstellungen schienen dem alttestament- setzt er einen Schrank zusammen!« (de idolatria 70


VIII 3). Doch an anderer Stelle bezeugte er selbst die Verwendung des Schafträgerbildes durch den Bischof von Karthago. Es ging ihm um die Abwehr einer ihm als Montanisten zu weitherzig scheinenden Bußpraxis der Großkirche (de pudicitia VII 1–5; X 12 f.). Da für diese die biblische Erzählung vom verlorenen und wiedergefundenen Schaf angeführt wurde (Lukas XV 4–7), wetterte Tertullian heftig und ausfallend gegen das Hirtenbild, aber seine Polemik richtete sich nicht gegen das Bild, sondern gegen die ihm zugeschriebene Aussage für die Bußpraxis. Der Kirchenschriftsteller Clemens von Alexandria unterschied am Anfang des 3. Jhs. zwischen Götterbildern und sonstigen bildlichen Darstellungen. Sein in Zusammenhang mit dem alttestamentlichen Bilderverbot geschriebener Satz »In der Tat ist es uns auch ganz offenbar verboten, trügerische Kunst herzustellen« (Protreptikos IV 62,2) wird zwar bisweilen so interpretiert, als sei er gegen jegliche Kunst gerichtet, doch befindet er sich innerhalb einer ausführlichen Ablehnung des von Menschenhand geschaffenen, toten Götterbildes, dem der Mensch als Schöpfung Gottes gegenübergestellt wird (Protreptikos IV 46,1– 63,5). Die Formulierung »trügerische Kunst« lässt erkennen, dass es auch im zitierten Satz um das Götterbild ging. In einer Stellungnahme zu den Bildern auf Siegeln empfahl Clemens sogar selbst bestimmte »neutrale«, aber figürliche Bildmotive (Taube, Fisch, Schiff, Fischer), um die Verwendung heidnischer Bilder ablehnen zu können (Paedagogos III 59,2). Origenes, ein Schüler des Clemens, verfasste in der Mitte des 3. Jhs. eine Schrift gegen die Angriffe des Neuplatonikers Kelsos. An zahlreichen Stellen ging Origenes auf Kunstwerke ein – doch immer geht es um die Ablehnung heidnischer Götterbilder (contra Celsum IV 31; VIII 17–19). Wenn im frühen 3. Jh. mit Malereien in römischen Katakomben, in der Jahrhundertmitte in der Haus-

kirche in Dura Europos, und im letzten Drittel des Jahrhunderts mit römischen Sarkophagreliefs zahlreiche Bilder vorliegen, in denen christliche Symbole und biblische Szenen des Alten und Neuen Testaments dargestellt sind, so sollte man darin keinen Widerspruch zum biblischen Bilderverbot und zu Texten frühchristlicher Autoren sehen. Die Annahme, die frühesten Bilder seien private Versuche von Laien gewesen, den Widerstand von Theologen zu unterlaufen, ist fraglich. Wie für die Hauskirche in Dura Europos ist auch für Malereien in den römischen Katakomben eine ausschließliche Verantwortung von Laien nicht belegt. Diese Anlagen waren größtenteils Gemeindegrabstätten. Die Calixtus-Katakombe stand in der Entstehungszeit ihrer frühesten Grabmalereien bereits unter kirchlicher Aufsicht. Hippolytos von Rom berichtete (vor 235 n. Chr.) in seiner »Widerlegung aller Häresien«, dass Papst Zephyrinus (198–217) dem Diakon Calixtus die Verwaltung dieser später nach ihm selbst benannten Katakombe übertragen hatte (refutatio IX 12,14). Die Bischöfe, die auf einer lokalen Synode im spanischen Elvira im ersten Jahrzehnt des 4. Jhs. eine bilderfeindliche Stellungnahme abgaben, waren Jahrzehnte im Rückstand. Eine am Ende des 4. Jhs. veröffentlichte Ablehnung von Bildern durch Bischof Epiphanius von Salamis (Konstantia) auf Zypern war dann vollends ein Anachronismus. Zu dieser Zeit war nämlich der pädagogische Wert des Bildschmucks in Kirchen längst erkannt. Bischof Paulinus von Nola liebte es, den Bildern in seinen Kirchen erklärende Texte beizugeben; er meinte, durch Lesen und Wiederlesen dieser Texte könnten sich die Gläubigen den Sinn der Bilder erschließen (Carmen XXVII 584–587). Allerdings hatte er wenige Zeilen zuvor beklagt, die Mehrzahl der Besucher des Heiligtums des heiligen Felix könne nicht lesen (547 f.). Wie optimistisch Paulinus war, zeigt seine Hoffnung, den Pilgern bliebe weniger Zeit zum Essen und übermäßigem Weingenuss, wenn sie mit dem Betrachten von Bildern beschäftigt würden (591–595).

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6.  Christliche Kunst im Grabbereich

Wenn Architektur und Bildkunst nach ihrem Rang im Leben der Gesellschaft angeordnet würden, müssten selbstverständlich die Kult- und Wohnbauten und ihre Ausstattung an erster Stelle behandelt werden. Doch blieben außer der oben erwähnten Hauskirche in Dura Europos keine christlichen Kirchenbauten vorkonstantinischer Zeit erhalten. Auch Beschreibungen von Bauten und ihrer Ausstattung besitzen wir nicht. Daher lässt sich die Frühgeschichte der christlichen Kunst nur an den Katakomben mit ihren Malereien und den Sarkophagen mit ihren Reliefs beschreiben. Bis zum 2. Jh. n. Chr. war die allgemein übliche Bestattungsform die Leichenverbrennung, so dass frühere Sarkophage zur Körperbestattung selten waren. Die Beisetzung der Aschenurnen in ober- und unterirdischen Grabbauten erforderte relativ wenig Raum. Wegen der großen Zahl der an den Wänden über- und nebeneinander angebrachten Urnennischen hießen solche Grabbauten schon in der Antike columbaria – »Taubenhäuser«. Dass sie stets außerhalb der Stadtmauern lagen, entsprach dem seit mehreren Jahrhunderten gültigen Zwölftafelgesetz und wurde später auch für christliche Bestattungen weitergeführt. Der Grund für die Aufgabe der Leichenverbrennung ist unbekannt. Dieser Wechsel stellte die Familien und die zunächst heidnischen,

später auch christlichen Bestattungsvereine vor das Problem eines erheblich größeren Raumbedarfs. Daher wurden, ausgehend von Friedhöfen oder Grabbauten, unterirdische Grabräume angelegt (griechisch hypogea). In den christlichen Gemeinden entwickelten sich aus den kleineren Anfängen des ausgehenden 2. Jhs. annähernd siebzig unterirdische Grabbezirke mit vielen Gängen, Grabkammern, Luftschächten und mehreren Stockwerken übereinander. Die Gesamtlänge der Gänge wird auf ca. 175 km geschätzt. Wie alle christlichen Begräbnisstätten wurden auch diese unterirdischen Anlagen zunächst mit dem griechischen Begriff coemeterium (Ruhestätte) bezeichnet. Die Anlage unter der späteren Kirche S. Sebastiano in Rom trug den von einer Ortsbezeichnung übernommenen Namen coemeterium ad catacumbas – woraus sich im frühen Mittelalter der heute übliche Begriff Katakomben entwickelte. Deren Ausarbeitung setzte eine entsprechende Bodenbeschaffenheit voraus, wie das in Rom, Neapel und auf Sizilien vorhandene Tuffgestein. Die Arbeiter, die diese Anlagen und die Gräber aus dem Gestein gruben (fossores), hatten eine wichtige Position; sie wurden des Öfteren mit ihrer Hacke oder einer Lampe in der Wandmalerei der Katakomben dargestellt und in Inschriften erwähnt.

6a.  Drittes Jahrhundert

Abb. 60.  Rom, Verteilung der frühchristlichen Katakomben, Plan.

Eine der frühesten römischen Katakomben war die bereits erwähnte Calixtus-Katakombe an der Via Appia (S. ). Die dortigen Papstgräber stammen allerdings erst aus der Zeit von 235–283. In der ersten Hälfte des 3. Jhs. entstanden auch die Calepodius-Ka-

takombe an der Via Aurelia Vetus, die Domitilla-Katakombe an der Via Ardeatina, die Priscilla-Katakombe an der Via Salaria und die Praetextat-Katakombe an der Via Appia (Abb. 60). Die Novatian-Katakombe an der Via Tiburtina wurde erst in der zweiten Hälfte 73


des 3. Jhs. begründet. Die Einrichtung von Gemeindefriedhöfen sicherte auch ärmeren Christen durch Zuschüsse einen Begräbnisplatz, doch sind auch in diesen Anlagen soziale Unterschiede deutlich zu erkennen. Zur einfachsten Bestattung dienten rechteckige Nischen in der Wand (loculi), die mit Ziegeln oder Steinplatten geschlossen wurden. Auf dem Verschluss wurde öfters eine Inschrift angebracht; etwa 40 000 davon blieben in Rom erhalten. In den Befestigungsmörtel konnten kleine Gegenstände eingefügt werden, beispielsweise Tonlampen (Abb. 227) oder Goldglasböden (Abb. 224). Loculusgräber wurden in den Katakombengängen in großer Zahl neben- und übereinander angebracht. Doch legte man für Familien mit höheren Ansprüchen noch vor der Mitte des 3. Jhs. auch größere, meist quadratische Räume an, die ihren Namen cubiculum von Schlafräumen des Wohnhauses übernahmen. In ihren Wänden wurden 74

neben Loculusgräbern auch größere, nischenartige Grabplätze geschaffen (Abb. ). Deren bereits antiker Name arcosolium wies auf den Bogen (arcus) hin, der sich über dem mit einer Platte abgedeckten ausgetieften Sarg (solium) wölbte. Zur Bemalung standen die Vorderwand, die Bogenunterseite und als Höhepunkt des Dekors die Rückwand unter dem Bogen zur Verfügung. Die aufwendigste Art der Bestattung war die Beisetzung in Sarkophagen. Durch deren Inschriften ist in vielen Fällen die Zugehörigkeit der Bestatteten zu einer höheren Gesellschaftsschicht gesichert. Diese Steinsärge konnten in Grabbauten aufgestellt oder in Friedhöfen beigesetzt werden. Auch in den Katakomben wurden Nischen für ihre Aufstellung angelegt. Für die zweite Hälfte des 4. Jhs. ist auch die Beisetzung in Kirchen belegt. Sarkophage bestanden in Rom in der Regel aus Marmor, der teilweise aus dem östlichen Mittelmeerraum

Abb. 61.  CalixtusKatakombe. Grabkammer mit Loculusgräbern. Wandmalerei: ruhender Jonas, Fossores, Sigmamahl, Orans und Isaakopfer.


herbeigeschafft wurde. In den Provinzen war die Verwendung lokal anstehender Steinarten häufiger. Abgesehen vom Reliefschmuck war auch der Behälter selbst kostspielig, denn er entstand durch Aushöhlung eines großen Marmorblocks. Auch die Herstellung des Deckels erforderte eine dicke Steinplatte, unabhängig davon, ob er giebelförmig oder flach war. Denn im zweiten, viel häufigeren Fall hatte er meist eine senkrechtstehende hohe Vorderkante, die zusätzlich für bildliche Darstellungen, Porträts der Verstorbenen und Inschriften zur Verfügung stand. Um die Kosten der Reliefarbeit etwas zu verringern dekorierte man häufig nur einen kleineren Teil der Wandung mit figürlichen Darstellungen. Die verbleibenden Flächen mit mehrfach wiederholtem Rillendekor konnten auch Anfänger bearbeiten (Abb. ). Der seit Juvenal (Satires X 172) belegte lateinische Name sarcophagus stammt vom griechischen lithos sarkophagos ab (»Stein, der Fleisch verzehrt«), einem Kalkstein aus der Nähe von Assos in Kleinasien, dem man die Eigenschaft andichtete, Leichen in vierzig Tagen verwesen zu lassen, wie Plinius (1. Jh. n. Chr.) nach griechischer Quelle erzählte (naturalis historia XXXVI 131, vgl. auch II 211). Bereits in den frühesten, in der ersten Hälfte des 3. Jhs. angebrachten Decken- und Wandmalereien christlicher Katakomben Roms lässt sich an der Gliederung durch rote und grüne Linien die Übereinstimmung mit der malerischen Ausschmückung spätantiker Wohnhäuser feststellen. Diese Gliederungsweise ist auch in Katakombenmalereien des 4. Jhs. beibehalten. In ihren Bildthemen lassen die Darstellungen, etwa in der Calixtus-Katakombe, sehr gut die Eigenheiten erkennen, die für eine weltanschauliche Anfangsstufe typisch sind (Abb. 61). Die Darstellungen biblischer Szenen sind nämlich mit symbolischen Motiven aus der allgemeinen bildlichen Kultur ihrer Zeit verbunden. Dasselbe Phänomen ist wenig später auch bei den frühesten christlichen Sarkophagen zu beobachten. Zu den aus der Umwelt übernommenen Bildthemen gehören neben Blumen, Vögeln, Eroten und Jahreszeitenpersonifikationen vor allem die Mahldarstellung (S. ) und die Betende (orans; S. ) auf der abgebildeten Rückwand eines Cubiculums, außerdem der Schafträger, dessen Bild das Zentrum der fast zerstörten Decke dieses Raumes einnimmt (S. ). Zunächst soll eines der biblischen Bilder ausführlicher besprochen werden, das Bild des Jonas, der ganz oben auf der Rückwand zwischen Vögeln unter einer Kürbislaube ruht. Die Bilder der Verschlingung und Ausspeiung durch das Ketos (Walfisch) befinden sich auf den Nebenseiten. Jonasszenen waren in der Entstehungszeit der frühchristlichen Kunst besonders beliebt, doch unter-

scheiden sich die Bilder sowohl von der alttestamentlichen Erzählung wie auch von deren Wiederaufnahme im Neuen Testament und bei den Kirchenvätern. Im sehr kleinen Buch Jonas findet sich die märchenhafte Erzählung, wie der Prophet Jonas sich dem göttlichen Auftrag entziehen will, den sündhaften Bewohnern der Stadt Ninive ein Strafgericht anzudrohen. Er flieht auf einem Schiff, doch Gott entfesselt einen schweren Sturm und das Schiff droht unterzugehen. Die Seeleute befragen das Los, um den an ihrem Unheil Schuldigen zu erfahren; Jonas, auf den das Los fällt, bekennt sein Vergehen und wird von den Seeleuten ins Meer geworfen. Gott sendet einen großen Fisch (schon die griechische Übersetzung nennt ihn ketos, Meerungeheuer), in dessen Bauch sich der Prophet drei Tage und Nächte aufhält und um Rettung betet, bis er an Land gespuckt wird. Nun predigt Jonas in Ninive Buße, ist aber dann enttäuscht, weil Gott sich durch die rasche Reue und Besserung der Niniviten besänftigen lässt. Der Prophet geht aus der Stadt hinaus und baut sich eine Laube; Gott lässt ihm eine schattenspendende Rizinuspflanze wachsen (Kürbispflanze in der griechischen Übersetzung und allen bildlichen Darstellungen). Als diese am nächsten Morgen wieder verdorrt, leidet Jonas unter Sonne und Hitze – an der Trauer des Jonas über den Verlust der Pflanze versucht Gott, ihm sein Mitleid und die Schonung der Niniviten verständlich zu machen. Im Neuen Testament ist Jonas als Hinweis Jesu auf seine Auferstehung nach drei Tagen und auf die Notwendigkeit der Buße erwähnt (Matthäus XII 39 f.). Während sich frühchristliche Autoren meist diesem Text anschlossen, war der Grabkunst das Bild des nackten, unter der Kürbislaube ruhenden Propheten besonders wichtig, denn es ist oft durch größere Darstellung oder Mittelstellung gegenüber der Verschlingung und Ausspeiung durch das Ketos hervorgehoben. Die häufige Verbindung der Jonasruhe mit Bildern des bereits in der heidnischen Grabkunst des 3. Jhs. überaus beliebten Hirtenlebens lässt an eine Übereinstimmung der übertragenen Bedeutung denken (S. ). Ein Sarkophag in Basel weist zwar viele Brüche und mehrere Fehlstellen auf, ist jedoch besonders gut geeignet, um wichtige heidnische Jenseitsbilder der Spätantike zu veranschaulichen, die dann von Christen in die Bildwelt biblischer Erzählungen integriert wurden (Abb. 62). Im mittleren Porträtschild, der von einem Ölbaum getragen wird, sind die Büsten des verstorbenen Ehepaars präsentiert. Der kahlgeschorene, bartlose Mann in Tunica und Toga und seine Frau in Tunica und Palla (Mantel), deren Kopf verloren ist, sind in einem Blätterkelch dargestellt, einem häufigen, aber unbestimmbaren Bildmotiv zur Rangsteigerung. Das Ehepaar ist in ganzer Gestalt 75


ein zweites Mal dargestellt. Am linken Rand steht die Ehefrau zwischen Bäumen mit Tauben als Beterin mit über den Kopf gezogenem Mantel. Die zum Gebet erhobenen Unterarme sind mit Sicherheit zu ergänzen. Der Ehemann sitzt vor einem verzierten Pfeiler im Philosophenmantel, der die Brust freilässt, hält in der linken einen Wanderstab und macht mit der Rechten eine seherische Gebärde, die sich auf einen fast ganz verlorenen Tierkreis richtet. Hinter ihm steht eine Sonnenuhr, neben seinem Sitz sieht man eine Buchrolle und einen Buchrollenbehälter, und schließlich gesellen sich zu ihm zwei weitere Philosophen, die auf der rechten Nebenseite des Sarkophags über einen Himmelsglobus (sphaera) diskutieren. Den Bildnisclipeus rahmen zwei stehende Gestalten in Arbeitskleidung (tunica exomis): ein angelnder Fischer und ein Hirt, der einen Widder trägt. Das Hirtenleben ist unter dem Clipeus und auf der linken Nebenseite weiter ausgeführt. Die Bedeutung des Reliefschmucks lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Die beiden Verstorbenen sind in einer Lebensausrichtung dargestellt, auf die sich ihre Hoffnung gründet, ein glückliches und friedliches Leben im Jenseits zu erlangen, auf das der Hirt und der Fischer symbolisch hinweisen. 76

Seit dem frühen 3. Jh. wurden Verstorbene sehr häufig als Betende dargestellt, öfters zu Seiten einer Grabtür und besonders häufig in Verbindung mit Darstellungen des Hirtenlebens. Da der Orans ein Altar beigegeben sein kann, ist sicher, dass dieses Bild der Frömmigkeit von der Verbildlichung der entsprechenden römischen Tugend Pietas stammte. Dass bei einer Verstorbenen die Hervorhebung ihrer Frömmigkeit eine Voraussetzung für ihre Jenseitshoffnung verbildlichen sollte, wird durch die Übertragung des Motivs auf christliche Sarkophage zusätzlich bestätigt. Besonders deutlich ist diese Anspielung, wenn die Verstorbene als Orans im 4. Jh. häufig von zwei Männern, vielleicht Aposteln, geleitet wird. − Der Verstorbene als Philosoph ist eine besonders überhöhte Form einer sehr häufig auf Sarkophagen zu findenden Vorstellung. Meist gab man sich damit zufrieden, die Hoffnung auf ein bevorzugtes Jenseitsschicksal damit zu begründen, dass der Grabinhaber ein Leben auf hohem geistigem und kulturellem Niveau geführt hat. Er wird meist als in einer Buchrolle Lesender dargestellt, seltener als Lehrer beim Unterreicht oder als einer der Sieben Weisen. – Ganz gleich, ob Schafträger ein Schaf oder einen Widder tragen, sind sie in der Grabkunst des 3. Jhs. zunächst als Vertreter

Abb. 62.  Basel, Antikenmuseum und Sammlung Ludwig, Inv. LU 256. Sarkophag, weißer Marmor, Länge 2,32 m, Höhe 1,07 m, Orans und Philosoph, Hirt und Angelfischer.


Abb. 63.  Rom, S. Maria Antiqua auf dem Forum Romanum. Wannensarkophag, Marmor, Länge 2,18 m, Höhe 0,59 m.

eines größeren Bildzusammenhangs dargestellt, des Lebens der Schafhirten mit ihren Tieren. Bereits in der Hirtendichtung Vergils (Bucolica, nach dem griechischen Wort für Rinderhirt) waren Hirtenmotive ein Hinweis auf ein erhofftes glückliches Friedensreich und die Erwartung der Wiederkehr des Goldenen Zeitalters (1. Jh. v. Chr.). Im späten 3. Jh. nahm der römische Dichter Nemesianus die Tradition der Bucolica wieder auf und erwähnte mehrfach die Hoffnung auf ein Weiterleben nach dem Tode, nicht nur allgemein, sondern auch auf einen verstorbenen Hirten Meliboeus bezogen (dessen Namen er von Vergil übernahm). Ebenso wie die Grabinschriften verwenden diese Äußerungen verschiedene Bilder nebeneinander: das jenseitige Reich der Frommen, den himmlischen Tempel, das Reich der Sterne, das Himmelreich und die Versammlung der Götter. Aus ähnlicher Stimmung ist die gleichzeitige Blüte von Darstellungen des Hirtenlebens im Grabbereich zu erklären – für den Zeitraum von 250–320 sind annähernd 400 Sarkophage und Fragmente davon bekannt. Sie konnten im heidnischen und christlichen Grabbereich die Hoffnung auf ein glückliches und friedvolles Lebens in einem nicht näher zu bestimmenden Jenseits verbildlichen. Auch die Bedeutung des Fischers muss in dieselbe Richtung einer posi-

tiven Jenseitshoffnung weisen, auch wenn er seltener dargestellt wurde als der Hirte. Bilder von Hirten und Fischern waren mit Sicherheit keine realistische Wiedergabe von deren äußerst ärmlichem Leben, sondern beruhten auf einer verklärten und idealisierenden Vorstellung reicher Stadtbewohner vom friedvoll-heiteren Leben in der Natur. Dadurch unterscheiden sie sich grundsätzlich von weiteren Bildthemen, die sich im 3. Jh. nach dem Rückgang mythischer Darstellungen auf den römischen Sarkophagen ausbreiteten und die auf das reale Leben der Grabinhaber zurückblickten, ihre senatorische oder konsularische Laufbahn, ihre Leistungen im Kampf und bei der Jagd, ihr Hochzeitsopfer und die Verbildlichung der Eintracht der Ehegatten. Auf dem römischen Sarkophag in der Kirche S. Maria Antiqua, dem frühesten christlichen Sarkophag, der erhalten blieb, sind Bildmotive des Sarkophags in Basel mit zwei biblischen Szenen verbunden (Abb. 63). Die Mitte der Friesdarstellung nehmen die Verstorbenen ein. Sie sind, wie die übrigen Gestalten oder Szenen, von Bäumen gerahmt; ihre Köpfe sollten Porträtzüge erhalten, wurden jedoch nicht ausgeführt. Die Ehefrau ist frontal als Betende mit erhobenen Armen und verhülltem Kopf dargestellt und

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hat eine Taube neben sich. Ihr Gatte ist sitzend im Profil wiedergegeben und liest in einer Buchrolle. Links neben der Orans ruht Jonas unter der Kürbislaube, es folgt der Seedrache, als hätte er Jonas gerade an Land geworfen, dann ein Schiff und eine Meerespersonifikation. Rechts neben dem Verstorbenen steht ein Hirt, der einen Widder trägt und zwei weitere zu Füßen hat. Seine Herde setzt sich über der Kürbislaube fort. Es folgt die neutestamentliche Erzählung von der Taufe Jesu im Jordan durch Johannes den Täufer und die Erscheinung des Geistes Gottes in Gestalt einer Taube (Matthäus III 13–17). Auf der rechten Wange des Sarkophags sind – statt des Angelfischers in Basel – zwei Fischer mit einem Netz voller Fische beschäftigt. Wenn der Schafträger zwar nicht in der Bildmitte, aber doch neben der Taufe Christi im Jordan dargestellt ist, so führt dies zu einer Frage, die offen bleiben muss: Sahen die christlichen Auftraggeber in ihm nur einen Repräsentanten des Hirtenlebens oder dachten sie an den Guten Hirten Jesus mit dem verlorenen Schaf (Lukas XV 4–7; Johannes X 1–16)? Eine besonders enge Verbindung des unter der Kürbislaube ruhenden Jonas mit dem Ambiente der Hirten ist auf einem Sarkophag hergestellt, der sich in Berlin befindet (Abb. 64). Der recht niedrige Sarkophag ist mit stilistisch anspruchsloser, flacher Reliefarbeit dekoriert. Der nackte Jonas ist als Einzelfigur aus der biblischen Erzählung (S. ) herausgelöst und in eine idyllische Hirtenlandschaft eingebettet, zu der auch ein Schafträger am rechten Rand gehört. Jonas und Hirten sind in der Verwen78

dung im Grabbereich deutliche Hinweise auf eine positive Jenseitshoffnung, etwa im Sinne eines Wunsches friedlicher Ruhe. Wie ein solches paradisisches Jenseits allerdings konkret vorzustellen sei, wusste man nach Ausweis der Grabinschriften und der theologischen Literatur keineswegs. Die Orans am linken Rand des Bildfrieses wird man kaum als Darstellung einer bestimmten Verstorbenen ansehen können. Sie ist durch die Jonas- und Hirtenszenen so weit an den Rand gedrängt, dass sie eher einen allgemeinen Hinweis auf die zum Erreichen jenseitigen Glücks notwendige Frömmigkeit geben wird. Um die aus dem Jonaszyklus herausgenommene Darstellung des nackten Propheten in der Bildmitte besser verstehen zu können, kann man auch mythologische Parallelen heranziehen. Es blieb eine größere Anzahl von römischen Sarkophagen des 2. und 3. Jhs. erhalten, auf denen die Auffindungen der Ariadne durch Dionysos, den Gott vielfältiger Freude, oder des schlafenden Endymion durch die Mondgöttin Selene in ausführlicher Breite dargestellt sind. Meist nimmt die jeweilige Gottheit des Liebesmythos die Mitte der Sarkophagfront ein und Ariadne oder Endymion ruhen weiter seitlich. In zeitlicher Nähe zum Berliner Jonassarkophag gibt es einige Beispiele, bei denen Ariadne oder Endymion ebenso aus dem Mythos gelöst sind, wie dort Jonas aus der biblischen Erzählung, und ebenso wie dieser in der Mitte der Sarkophagfront ruhend dargestellt sind. Diese Isolierung ist schwer zu verstehen, wenn nicht

Abb. 64.  Berlin, Staatliche Museen, Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst, Inv. 2704. Sarkophag ohne Deckel, Marmor, Länge 1,82 m, Höhe 0,42 m, Hirtenszenen und ruhender Jonas.


an eine übertragene Jenseitsbedeutung im Sinne einer Erwählung durch die Götter gedacht war. Bei einem in Auletta in Campanien gefundenen Sarkophag liegt die aus dem dionysischen Mythos herausgenommene Ariadne im Zentrum der Vorderseite, mit überkreuzten Beinen und über den Kopf geführtem rechten Arm (Abb. 65). Unten umgibt sie ihr Mantel, er lässt aber große Teile des Oberkörpers frei. Trotz starker Zerstörung ist zu sehen, dass ihr Gesicht die Porträtzüge einer Verstorbenen trug. Unter dem linken Arm der Schläferin schläft ein nackter Eros und in den durch eine Geländelinie in zwei Zonen geteilten Bildfriesen spielen Eroten und Kinder das Leben Erwachsener. Die Nebenseiten des Sarkophags tragen Jahreszeitendarstellungen, unter denen das Keltern des Weins durch Eroten erkennbar ist. Der Reliefschmuck des Riefelsarkophags der Baebia Hertofile ist an den Rändern mit Säulen gerahmt und zeigt im mittleren Bildnisschild die Büsten von zwei Ehegatten, deren Köpfe nicht abschließend ausgearbeitet wurden. Nach Auskunft der Inschrift in der Mitte des Deckels sind dies der hohe Beamte Valerius

Valentinianus und seine Frau Baebia Hertofile, der er den Sarkophag widmete. Im Sarkophag fanden sich nur die Gebeine einer Frau. Die unter dem Clipeus dargestellte Hirtenszene ist durch Bäume vom Riefeldekor abgesetzt. Ein sitzender bärtiger Mann mit Hirtenstab füttert seinen Hund, deneben stehen zwei Ziegenböcke und ein Widder. Der Deckel des Sarkophags enthält zwischen zwei männlichen Eckmasken und der Inschrifttafel zwei Bildfelder. Im linken sind dem unter der Kürbislaube ruhenden Jonas das Ketos und ein Schiff beigegeben. Das rechte Bildfeld enthält die Darstellung einer Mahlzeit mit fünf auf einem runden Polster (stibadium) Gelagerten und zwei Dienern, von denen der vordere einem Korb ein kreisförmiges Brot entnimmt; weitere Brote liegen vor dem Polster. Da dieses einen Kreisausschnitt bildet und damit dem römischen Buchstaben C und der Spätform des griechischen Buchstaben Sigma ähnlich ist, hieß dieser Typus des Mahls bereits in der Antike Sigmamahl. Damit wurde es von der anderen Form des Mahles abgesetzt, bei der man auf erhöhten Betten lag, den Klinen. Viele heidnische Grabsteine und Sarkophage zeigen den Verstorbenen

Abb. 65.  Neapel, Museo Archeologico Nazionale. Sarkophag ohne Deckel, Marmor, Länge 2, 34 m, Höhe 0,93 m, Tiefe 0,95 m. Fundort Auletta, Provinz Salerno, Detail: Ruhende Ariadne.

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beim Mahl auf einer Kline, öfters in Begleitung seiner bens (nach Augustinus, Confessiones VI 2). Die DarFrau, teilweise mit mythischen Hinweisen darauf, stellungen eines Totenmahls konnten auch eine dass die Szene im Jenseits stattfindet. übertragene Bedeutung als jenseitiges Hoffnungsbild besitzen. Der Sarkophag der Baebia Hertofile ist ein Bilder eines Sigmamahls sind seit frühester Kaiserzeit Beispiel hierfür, denn die Hirtenszene und das Bild bekannt, nahmen jedoch im 3. und 4. Jh. stark zu. des ruhenden Jonas sind Ausdruck einer Hoffnung Vielfach ist zu erkennen, dass das Sigmapolster auf auf ein friedliches, wenn auch unbestimmtes Glück dem Boden ausgebreitet war, beispielsweise bei Mahl- nach dem Tode. Wenn als drittes Bildmotiv ein Sigzeiten im Zusammenhang von Jagdszenen, wie im mamahl dargestellt ist, so gab man diesem vermutlich Mosaik der Villa in Piazza Armerina (Abb. 169–170) ebenfalls eine übertragene Bedeutung als Hinweis und auf einer Silberplatte des Sevso-Schatzes. Den- auf ein erhofftes Mahl im Jenseits. Eindeutig dargeselben Eindruck vermitteln auch Darstellungen von stellt ist ein solches Wunschbild später im Sigmamahl Sigmamahlzeiten im Grabbereich, beispielsweise im der Vibia, das durch seine Beischrift im Paradies augusteischen Columbarium der römischen Villa lokalisiert ist. Pamphilij, einem Grab in Caivano aus dem 2. Jh., auf Sarkophagen mit der Jagd von Atalante und Meleager, Auf einem an den Seiten mit Palmetten-Akroteren in frühchristlichen Katakombenbildern und am heid- abgeschlossenen Sarkophagdeckel in New York sitzt nischen Grab der Vibia (Abb. 71). Die Sigmabilder in der Mitte ein durch sein Gewand und ein Buchroldes Grabbereichs werden heute meist als Darstellun- lenbündel als Philosoph gekennzeichneter Mann vor gen von Mahlzeiten zum Totengedächtnis interpretiert, einem Hintergrund mit Bäumen (Abb. 66). Er wendie durch entsprechende Anlagen in Grabbezirken det seinen Kopf acht männlichen Schafen zu, die zu des ganzen römischen Reiches und durch Inschriften seiner Rechten stehen und legt dem ersten, das sich und literarische Quellen für Heiden und Christen an sein Bein schmiegt, die rechte Hand auf den Kopf. belegt sind. Bei letzteren regte sich erst im fortge- Mit der linken Hand macht er eine abwehrende Geschrittenen 4. Jh. bischöflicher Widerstand, verbun- bärde, vor der die fünf Ziegenböcke auf der anderen den mit dem Versuch der Verlagerung in den Kir- Seite zurückweichen. Die Textgrundlage der Szene chenraum und auf die Feier der Eucharistie. Bischof ist das neutestamentliche Gleichnis der Scheidung Ambrosius von Mailand beispielsweise störten an der Schafe und Böcke durch den Hirten als Bild für diesen Gebräuchen besonders zwei negative Aspekte: das Weltgericht (Matthäus XXV 31–46). Die Gestalt die Versuchung zur Trunksucht und die Überein- des Philosophen entspricht dem König, der im Gleichstimmung mit den Feiern des heidnischen Aberglau- nis das Urteil über die Gerechten und die Verfluchten 80

Abb. 66.  New York, The Metropolitan Museum of Art, Inv. Rodgers Fund 1924 (24.240). Vorderteil eines Sarkophagdeckels aus Rom, Marmor, Länge 2,37 m, Höhe 40,6 cm, Darstellung des Weltgerichtsgleichnisses.


verkündet. Aus frühchristlicher Zeit blieb nur eine weitere Darstellung des Weltgerichtsgleichnisses erhalten, das ravennatische Mosaikbild in S. Apollinare nuovo (Abb. 124; l. Viertel des 6. Jhs.): Vor etwa fünfzig Jahren tauchten fünf kleine figürliche Skulpturen gemeinsam mit drei Sätzen von Porträtbüsten ein- und desselben Paares ohne Angaben zur Herkunft und zum Verwendungszweck im Kunsthandel auf (Abb. 67). Alle Stücke sind jeweils ohne Anstückungen aus einem Block weißen Marmors gefertigt, der in Dokimeion im antiken Phrygien (westliches Kleinasien) ansteht. Die Statuetten sind (bis auf Details, etwa die Haare) glänzend poliert und

zeigen einen jugendlichen Schafträger und Jonas in vier Bildern des Zyklus. Die Porträtbüsten und wohl auch die Statuetten werden durch die Scheitelzopffrisur der Frau in das ausgehende 3. Jh. datiert, während Chlamys und Scheibenfibel des Mannes einen hohen Rang anzeigen. Die beiden Statuetten, die das Ketos mit dem nackten Jonas darstellen, sind bis zur Skurrilität verspielt, die übrigen Stücke haben relativ geschlossene Umrisse. Parallelen sind nur zur Statuette des Schafträgers bekannt, nicht jedoch zu den Jonasfiguren. Eine Aufstellung im Grabbereich wird vermutet, weil für diesen auch die Bildhauer der Sarkophagwerkstätten tätig waren.

6b.  Viertes bis sechstes Jahrhundert Das durch eine Inschrift für den kaum zweijährig gestorbenen Julius Tarpeianus namentlich bezeichnete Mausoleum der Julier ist der einzige Grabbau in der unter Konstantin aufgelassenen Vatikanischen Nekropole (S. ), in dessen Ausstattung sich ein christliches Bildmotiv befindet (Abb. 68). Von den Mosaiken, die sich über einer gemalten Marmortäfelung befanden, blieben nur kleine Teile und gut sichtbare Vorzeichnungen erhalten. Das Gewölbe und die oberen Wandflächen sind auf gelbem Grund von Weinreben mit Blättern überzogen, die in der Wölbungs-

mitte ein Achteckfeld bilden, in dem die Quadriga des Sonnengottes dargestellt ist. Er trägt über einem langen Gewand einen wehenden Mantel und hält in der linken Hand einen Globus. Seinen Kopf umgeben ein Nimbus und Strahlen, die zum Teil die Horizontale betonen. Die Vorzeichnungen an den Wänden zeigen einen Angelfischer, einen Schafträger und ein Schiff mit zwei Matrosen und der Verschlingung des Propheten Jonas durch den Seedrachen. Die Jonasszene sichert den christlichen Charakter des Dekors, so dass die Julier im Sonnengott in der Quadriga 81


vielleicht Christus gesehen haben könnten. Die literarischen Quellen in Hinsicht auf Christus als sol salutis – »Sonne des Heils« setzen allerdings erst im späteren 4. Jh. ein und so spät sind auch die wenigen Parallelen zum Mosaik des Juliergrabes entstanden.

Religion. Die Folge war natürlich auch ein größerer Bedarf an Begräbnisplätzen der christlichen Gemeinden in Rom und den Provinzen. Wenn man die Ausführungen zur Entwicklung der römischen Katakomben während des 3. Jhs. (S. ) fortsetzt, so ist festzustellen, dass in der ersten Hälfte des 4. Jhs. nicht Die religionspolitischen Veränderungen im ersten nur beachtliche Erweiterungen der Gänge mit LocuViertel des 4. Jhs. (S. ) führten zu einem starken lusgräbern erfolgten, sondern auch viele, oft mit Aufschwung der zuvor unterdrückten christlichen Malerei versehene Cubicula für reichere christliche

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Abb. 67.  Cleveland, Ohio, The Cleveland Museum of Art, J. L. Severance Fund. Inv. 1965.237-240. Statuette, Marmor, Höhe 41,5 cm, Jonas wird vom Ketos ausgespuckt.


Abb. 68.  Rom, Nekropole unter der Peterskirche, Juliergrab, Deckenmosaik. Christus Sol?

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Familien angelegt wurden. Die Grabinschriften lassen erkennen, dass auch Höhergestellte sich den Gemeinden anschlossen. In der zweiten Hälfte des 4. Jhs. setzte ein Bestreben ein, das mit der Entwicklung des Pilgerwesens und Reliquienkults vergleichbar ist (S. ): Viele Christen wünschten in den Katakomben ein Grab in der Nähe von Märtyrern (ad sanctos – »bei den Heiligen«), um sich deren Fürsprache für das Heil im Jenseits zu sichern. Bestärkt wurden sie in dieser Vorstellung besonders durch Papst Damasus (366–384). Dieser ließ bekannte Märtyrer- und Heiligengräber in den Katakomben besonders ausgestalten und teilweise mit großen marmornen Inschriftenplatten schmücken, die der Kalligraph Filocalus beschriftete (S. ). Die Schaffung neuer Grabbezirke konzentrierte sich auf die Nähe zu Märtyrern, wobei einige neue Bezirke durch das Überwiegen von Grabräumen mit aufwendigen Arcosolgräbern erkennen lassen, dass Rang und Vermögen den Weg zu den Märtyrern erleichtern konnten. Die Ähnlichkeit dieser Anlagen zur privaten Katakombe an der Via Dino Compagni ist unverkennbar (Abb. 72). Allerdings wurden die Beisetzungsmöglichkeiten auch durch die »Umgangsbasiliken« und an sie angebaute Mausoleen erweitert. Da für einige dieser über Katakomben errichteten Basiliken eine Beteiligung Konstantins als Auftraggeber angenommen werden kann, werden sie unter dessen Stiftungen behandelt (S. ). Schließlich war das Ende der Bestattung in den Katakomben abzusehen. Seit dem 5. Jh. standen dort nicht mehr Bestattungen im Vordergrund, sondern der Besuch und liturgische Kult bei den dort verehrten Märtyrern. Trotz seiner späteren Datierung ist eine Deckenmalerei in der Petrus- und Marcellinus-Katakombe den Malereien des 3. Jhs. sehr ähnlich (Abb. 69–70). Im Zentrum steht ein einzelner Schafträger, dessen Position als Hinweis auf eine Bedeutung als »Guter Hirt« Jesus gelten kann. Außen in den Diagonalen sieht man je zwei weibliche und männliche Oranten, dazwischen vier Szenen aus der Jonaserzählung. Das Bild der Trauer des Propheten unter der verdorrten Kürbislaube ist dem gewohnten Zyklus (S. ) wohl wegen der Vierzahl der Bildfelder angefügt. Anschließend an die Erörterung zur Darstellung eines Sigmamahls auf dem Deckel des Sarkophags der Baebia Hertofile ist anzumerken, dass auf Sarkophagen des 4. Jhs. das Thema nicht mehr vertreten ist. Dagegen gibt es in der Katakombenmalerei noch mehrfach Darstellungen von Mahlzeiten am Sigmapolster, vor allem in der Katakombe SS. Pietro e Marcellino in Rom. Hier fanden sich insgesamt 17 Beispiele, von denen die ersten noch den kleinen Bildern der Calixtus-Katakombe gleichen (Abb. 61), während die Exemplare seit konstantinischer Zeit meist das ganze 84

halbkreisförmige oder kreissegmentförmig gerahmte Wandfeld (Lünette) eines Arcosolgrabes füllen. Die Darstellungen vermitteln den Eindruck von Familienbildern mit Hervorhebung der mittleren Gestalt und Beteiligung von Männern, Frauen, Kindern und Dienerinnen in unterschiedlicher Zahl. Im ausgewählten Beispiel liegen vier Männer auf dem Sigmapolster an einem Tisch, auf dem eine Platte mit einem Fisch liegt. Über der stehenden, einen Weinbecher reichenden Frau steht der Ruf AGAPE MISCE – »Agape, mische! (den Wein)«. Bei weiteren Sigmamahlbildern im selben und anderen Grabräumen sind ähnliche Aufrufe zu finden, Wein zu mischen oder warmen Wein zu reichen. Sie richten sich an AGAPE – »Liebe« oder IRENE – »Frieden«, nur einmal an SABINA. Eine Entscheidung darüber, ob die Namen Agape und Irene realistische Namen sind wie Sabina, oder sich allegorisch auf Liebe und Frieden beziehen, ist nicht möglich. Beide Möglichkeiten wären sowohl mit der Interpretation der Bilder als Darstellungen eines Mahles zum Totengedächtnis vereinbar, wie auch mit einer übertragenen Deutung als Mahl in einem glücklichen Jenseits. Eine ähnliche Problematik bieten schon die Inschriften des 3. Jhs. bei einer Anlage für Gedächtnismahle zu Ehren der Apostel Petrus und Paulus unter der Kirche S. Sebastiano. Die Begriffe pax – »Frieden« und agape – »Liebe«, die in den Anrufungen an die Apostel verwendet wurden, konnten sich ebenso auf das Diesseits wie auf das Jenseits beziehen. Das dort oft verwendete refrigerium – »Erfrischung« bezeichnete ebenso das irdische Totenmahl wie einen erbetenen positiven Zustand im Jenseits. Bei den mythischen Darstellungen am Arcosol des Sabaziuspriesters Vincentius und seiner Gattin Vibia ist ausnahmsweise durch Beischriften der Jenseitsbezug gesichert (Abb. 71). Vincentius spricht in seiner über dem Bogen aufgeschriebenen Grabinschrift zum Betrachter: »Was du hier siehst, ist die Ruhestätte des Vincentius. Viele sind mir vorausgegangen, alle anderen erwarte ich. Iss, trink, spiele und komm zu mir. Solange du lebst, handle gut: dies wirst du mit dir nehmen. Vincentius, der Priester des Gottes Sabazius, ruht hier, der frommen Sinnes die heiligen Weihen der Götter geehrt hat.« In der Bogenlaibung hat sich Vincentius als Mittlerer von »Sieben frommen Priestern« beim Mahle darstellen lassen. Alle übrigen Bilder sind seiner Frau Vibia gewidmet. Ebenfalls in der Bogenlaibung wird sie links wie Persephone (Proserpina) auf einem Wagen durch Hades (Pluto) ins Totenreich entführt: »Entführung und Hinabfahrt der Vibia«. In der Mitte wird sie vom »Boten Mercurius« (Hermes Psychopompos, der Seelengeleiter) im Beisein von drei Schicksalsgöttinnen vor die auf einem

Abb. 69.  Rom, Petrus und Marcellinus-Katakombe, Deckenmalerei mit Schafträger, Jonasszenen und Jahreszeiten.


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hohen Podium thronenden Totenrichter geführt. Deren Bezeichnung als Dispater und Aeracvra entspricht den bekannteren Namen Pluto und Proserpina. Vibia fasst hierbei Alkestis an der Hand, die ebenfalls ein mythisches Beispiel für ein ewiges Leben bildete, da sie von Hercules aus der Unterwelt hinaufgeführt wurde (S. ). Das Hauptbild in der Rückwandlünette über dem Grab zeigt an einem Torbau die »Einführung der Vibia« durch einen »guten Engel« in das Elysium. Dieses wird durch Selige auf einer Blumenwiese charakterisiert, und hier findet auch das Sigmamahl der »Durch das Gericht der Guten Gerichteten« statt, bei dem die namentlich bezeichnete Vibia einen mittleren Platz einnimmt.

geben und sie mit Bögen, Säulen, Gesimsen und Konsolen aus dem Tuff hauen zu lassen. Hier wurden Nichtchristen und Christen nebeneinander beigesetzt, denn es gibt gleichzeitig angelegte Kammern mit mythologischem Dekor (z. B. Raum N mit Taten des Hercules und mit seiner Schutzgöttin Athena) und andere mit christlichen Bildern (z. B. Raum O mit neun biblischen Szenen. Abb. 72–74). Wir wissen nicht, ob diese Räume zwei Familien unterschiedlichen Glaubens gehörten oder vielleicht einer Familie mit teils noch heidnischen, teils schon christlichen Angehörigen. Kirchliche Autoren dieser Zeit, wie die Bischöfe Ambrosius von Mailand und Augustinus von Hippo lehnten ein solches Nebeneinander heidnischer und christlicher Bestattungen ab, doch ihre Eine kleine unterirdische Grabanlage, die an der Via Anhänger waren offenbar toleranter. Latina gefunden wurde, verrät uns durch die Bevorzugung von Grabkammern mit Arcosolgräbern, dass Nach dem Sieg Konstantins über Maxentius im Jahre es sich nicht um das Coemeterium einer Gemeinde 312, der Christi Hilfe zugeschrieben wurde, schlossen handeln kann, sondern dass ihre Kammern für ein- sich auch hochrangige oder begüterte Familien der zelne begüterte Familien bestimmt waren (Abb. 72). neuen religiösen Tendenz an, denn es setzte eine Diese konnten es sich leisten, ihren Grabräumen umfangreiche Produktion einzoniger christlicher einfallsreiche Grundrisse und Gewölbeformen zu Fries- und Riefelsarkophage ein, zu denen der Sar86

Abb. 70.  Rom, Petrus und MarcellinusKatakombe, Cubiculum 78, Arcosolmalerei: Sigmamahl.


Abb. 71.  Rom, Vibia-Arcosol, Detail: Lünettenbild; Mahl im Paradies.

kophag des Sabinus gehört. Im zweiten Jahrhundertviertel folgten dann zweizonige Sarkophage. Ein Teil der Produktion römischer Werkstätten wurde in die Provinzen exportiert, vor allem nach Gallien und Spanien. Nach Aussage der Inschrift in Deckelmitte wurde der Sarkophag des Sabinus ihm von seiner Frau gewidmet, als er mit 44 Jahren starb. Doch war dieses Exemplar eigentlich für eine weibliche Verstorbene gedacht, denn eine solche ist als Orans zwischen zwei wohl als Apostel anzusehenden Männern in der Mitte des Frieses dargestellt. Dieses Motiv ist in der ersten Hälfte des 4. Jhs. auf Sarkophagen sehr häufig, und auf einem römischen Sarkophag im spanischen Zaragoza ist auch das Ziel der Reise angegeben, für die bildlich um Geleit gebeten wird. Der rechte Arm der Verstorbenen wird von einer Hand ergriffen, die aus dem Himmel hervorkommt. Statt der lockeren Figurenanordnung früherer Sarkophage sehen wir beim Sarkophag des Sabinus einen Fries von dichtgedrängten Hauptfiguren gleicher Höhe, die sich vielfach überschneiden. Die Ähnlichkeit zu Friesreliefs des Konstantinsbogens (Abb. 22–23) ist unverkennbar. Auch im Darstellungsinhalt unterscheiden sich

die Sarkophage dieser Zeit deutlich von den Vorläufern des 3. Jhs. Aus dem nichtchristlichen Repertoire stammen nur noch zwei Motive auf dem Deckel: links nackte Genien, die den Vorhang (parapetasma) hinter dem Porträt halten, rechts Jagdszenen, darunter eine Rückkehr von der Jagd mit erlegtem Eber. Im Fries beginnen die Szenen mit dem legendären Wasserwunder des Petrus. Es ahmt ein Wunder des Moses in der Wüste nach (Exodus XVII 1–6), wird aber durch die Soldatenkappe (pileus pannonicus) des Trinkenden als Bild einer römischen Legende bezeichnet. Daneben ist die Gefangennahme des Apostels dargestellt, doch die dann zu erwartende häufige dritte Petrusszene mit dem Hahn ist durch das Weinwunder Christi bei der Hochzeit zu Kana ersetzt. Rechts der Orans-Mittelgruppe folgen dann drei weitere Wunder Christi: eine Blindenheilung, die Vermehrung der Brote und Fische und die Auferweckung des Lazarus. Der Sündenfall Adams und Evas und die drei Jünglinge im Feuerofen sind auf den Nebenseiten in flachem Relief ausgeführt.

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Abb. 72.  Rom, Katakombe der Via Dino Compagni an der Via Latina. Blick von Raum N mit Taten des Hercules (links als Sieger mit Keule und Löwenfell) in den Raum O mit biblischen Szenen (ganz rechts Daniel in der Löwengrube).

Abb. 73.  Rom, Katakombe der Via Dino Compagni an der Via Latina. Herkules erschlägt die Hydra. Wandmalerei, frühchristlich, um 320/350. Fresko, 85 x 95 cm.

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Bei zwei in Rom gefertigten Sarkophagen in Arles und Florenz enthalten die sehr ähnlichen Reliefdarstellungen eine Mittelszene, die stark an Kaiserbilder erinnert und daher erst nach dem Sieg Konstantins im Jahre 312 möglich scheint (Abb. 75). Sie zeigt den jugendlichen Christus als Thronenden, dem von beiden Seiten gehuldigt wird. Zwei bärtige Männer stehen neben ihm, zwei weiter vorn halb in die Knie gehende verbergen mit beiden verhüllten Händen das Gesicht, als wollten sie sich vor dem Glanz Christi schützen. Schließlich knien vorne zwei kleiner dargestellte Männer, die mit den Händen die Füße Christi berühren. Dies ist ein aus der kaiserzeitlichen Kunst bekanntes Unterwerfungs- und Huldigungsmotiv. Die zuletzt genannten beiden Gestalten stellen auf mehreren Sarkophagen des späten 4. Jhs. ein verstorbenes Ehepaar dar, doch ist dies hier nicht zu erken90

nen. Beide Sarkophage zeigen am linken Ende die drei babylonischen Jünglinge, die sich weigern, das Götzenbild Nebukadnezars anzubeten (Daniel III 13–18). Im Relief des Sarkophags in Arles wurde zur Mitte hin noch das Wasserwunder des Petrus eingeschoben. Rechts ist die Auferweckung der Tochter des Jairus dargestellt (Markus V 21–43) – gleichsam als Beleg für die Berechtigung, statt eines Herrschers Christus zu huldigen. Der zweizonige römische Sarkophag in Arles, zu dem ein recht ähnliches Parallelexemplar in Rom erhalten blieb, wurde in der Nähe von Arles gemeinsam mit zwei einzonigen Sarkophagen ebenfalls römischer Herkunft gefunden (Abb. 76). Der zweizonige Sarkophag enthielt übereinstimmend mit den Porträts in der Bildnismuschel die Gebeine eines etwa fünf-

Abb. 74.  Rom, Katakombe der Via Dino Compagni an der Via Latina. Raum O, rechte Nische. Der Untergang der Ägypter im Roten Meer. Wandmalerei, frühchristlich, um 320/350. 95 x 175 cm.


Abb. 75.  Arles, Musée de l’Arles antique, Inv. FAN 92.00.2493. Friessarkophag ohne Deckel, Marmor, Gesamtbreite ca. 2,00 m, Höhe 0,70 m, Detail: Mittelszene mit thronendem Christus.

Abb. 76.  Arles, Musée de l’Arles et de la Provence antiques, Inv. PAP 7400, 1–5. Vorderseite eines in Rom hergestellten zweizonigen Friessarkophags mit Deckel, Marmor, Länge 2,05 m, Höhe 1,05 und 0,35 m, Tiefe 1,09 m.

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Abb. 77.  Vatikan, S. Pietro. Vorderseite des zweizonigen Säulensarkophags des Stadtpräfekten Junius Bassus mit stark zerstörtem Deckel, Marmor, Länge 2,43 m, Höhe mit Deckel noch 1,81 m, Tiefe 1,44 m.

Abb. 78.  Arles, Musée de l’Arles antique, Inv. FAN 92.00.2487. Vorderseite eines in Rom gearbeiteten Säulensarkophags mit Darstellung der Traditio legis, Marmor, Länge 2,24 m, Höhe 0,72 m, Tiefe noch 0,52 m.


Abb. 79.  Ancona, Museo Diocesano, Inv. ###. Vorderseite des in Rom gearbeiteten Stadttorsarkophags des Flavius Gorgonius mit giebelförmigem Deckel, Marmor, Länge 2,37 m, Höhe mit Deckel 1,12 m, Tiefe 1,11 m.

zigjährigen Paares. In einem Sarkophag mit christlichen Darstellungen und einer Inschrift für Marcia Romani Celsa lagen die Gebeine einer Frau, ein Jagdsarkophag enthielt im Gegensatz zu dem für einen männlichen Verstorbenen gedachten Dekor die Überreste einer im Kindbett Gestorbenen und ihres Kindes. Die gemeinsame Aufstellung der beiden christlichen Sarkophage mit einem Jagdsarkophag dürfte den Prozess der Christianisierung der Bevölkerung widerspiegeln. Die Sarkophage standen in einer Grabkammer, von der nur ein Teil freigelegt werden konnte, so dicht aneinander, dass von außen allenfalls die obersten Reliefdarstellungen des hier abgebildeten höheren Exemplars zu sehen waren. Hinterbliebene und Grabbesucher waren offenbar nicht die Adressaten der Reliefbilder. Beim zweizonigen Sarkophag verraten die Porträts der Verstorbenen durch den Schmuck der Frau mit Halskette, Ohrring und Armband und ihre Bekleidung mit Tunika und Palla (einem langen Übergewand), wie auch die Bekleidung des Mannes, der eine Buchrolle hält, mit Tunika und Toga ihren gehobenen Rang. Die figürlichen Szenen sind dem Alten und Neuen Testament und der Petruslegende entnommen, doch sind keinerlei Kriterien für die Auswahl und die Anordnung der zahlreichen Szenen zu erkennen. Lediglich formale Beziehungen zwischen einzelnen Bildern sind vorhanden, etwa zwischen dem Thron Gottvaters mit dahinter ste-

hendem Apostel bei der Erschaffung Adams und Evas im oberen Fries und dem Thron der Maria mit ähnlich angeordnetem Propheten Bileam bei der Magierhuldigung im unteren Fries. Es scheint nach den Fundberichten sicher, dass der große Sarkophag des Junius Bassus – trotz seines reichen und sorgfältig gearbeiteten Reliefschmucks – in der Apsis der konstantinischen Peterskirche eingegraben war (Abb. 77). Die Nähe des Verstorbenen zur Petrusmemoria (S. ) war offenbar wichtiger als die Möglichkeit, den Sarkophag weiterhin sehen zu können. Auf der Inschriftentafel des Deckels befindet sich ein langes Gedicht, in dem die Verdienste des Verstorbenen als Stadtpräfekt gerühmt und die Trauer der Stadtbevölkerung und der Senatoren nach seinem Tod beschrieben werden. Aus einer kurzen Inschrift auf der oberen Randleiste des Sarkophags erfahren wir, dass Junius Bassus als Stadtpräfekt mit 42 Jahren starb und als vor kurzem Getaufter zu Gott ging. Aus der Nennung der Jahreskonsuln Eusebius und Hypatius ergibt sich das Todesjahr 359. Die Vorderseite des Kastens ist durch Säulen gegliedert, deren Kapitelle in der oberen Zone ein horizontales Gebälk tragen, in der unteren abwechselnd flache Giebel und Bögen, die mit Muscheln geschmückt sind, deren Schlosss ein Adlerkopf bildet. Die mitt-

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leren Säulen schmücken Weinranken mit Eroten und Satyrn, die übrigen spiralförmige Rillen. In der oberen Mittelnische thront der jugendliche Christus mit halb geöffneter Buchrolle zwischen zwei Aposteln. Er stellt seine Füße auf den Himmel, den Caelus über sich ausbreitet. Ein kaiserliches Vorbild hierfür findet sich am Galeriusbogen in Thessaloniki (Abb. 13). Das Mittelbild der unteren Zone mit dem Einzug in Jerusalem auf einem Esel (Matthäus XXI 1–11) erinnert an den siegreichen kaiserlichen Einzug, zumal Jesus selbst bei dieser Gelegenheit ein alttestamentliches Zitat vom Einzug des Königs auf einem Esel in Jerusalem in den Mund gelegt ist (Sacharja IX 9). In den beiden Feldern zur Rechten des Thronbildes wird Christus vor Pilatus geführt, der die linke Hand in einer Geste der Ratlosigkeit ans Kinn führt und dem ein Diener einen Wasserkrug und eine Schale bringt, damit er sich die Hände zum Zeichen seiner Unschuld waschen kann (Matthäus XXVII 24). Auch diese Szene aus der Leidensgeschichte Christi gibt einen Hinweis auf seine Herrschaft, da sie seine Selbstoffenbarung als König einschließt, dessen Reich nicht von dieser Welt ist (Johannes XVIII 36 f.). Links oben sieht man neben dem Abrahamsopfer die Gefangennahme des Petrus, links unten Job und seine Frau, daneben Adam und Eva zu Seiten des Paradiesbaumes mit der Schlange. Ein Ährenbündel und ein Schaf erinnern an die Arbeitszuweisung nach dem Sündenfall. Rechts unten die ganz unpassend erneuerte Gestalt Daniels in der Löwengrube und außen die Hinführung des Paulus zur Hinrichtung an den Tibersümpfen, auf die Schilfstengel hinweisen. Sechs weitere biblische 94

Szenen sind in der unteren Zone in den Zwickeln der Giebel und Bögen über den Kapitellen als Lämmerallegorien dargestellt. Einige inhaltliche Beziehungen der Hauptszenen zueinander sind deutlich zu erkennen. Die Darstellung Christi als siegreicher Herrscher in der Mitte der Sarkophagfront ist in seinem Leiden begründet, auf das die Pilatusszene hinweist. Mit dem Opfer Christi wurde die Sünde Adams und Evas ausgelöscht (untere Zone). Als sein alttestamentliches Vorbild galt besonders das Opfer Abrahams (oben am linken Rand), doch auch die Job- und Daniels-

Abb. 81.  Istanbul, Archäologisches Museum, Inv. 4508. Vorderseite eines Plattensarkophags, Kalkstein, Länge ca. 2,00 m, Fundort Hypogäum am Silivri-Kapi, Istanbul.


Abb. 80.  Istanbul, Archäologisches Museum, Inv. ###. Kindersarkophag ohne Deckel, Marmor, Länge 1,36 m, Höhe 0,47 m, Tiefe 0,49 m, Vorderseite, Herstellungsund Fundort Konstantinopel.

Abb. 82.  Ravenna, S. Vitale. Sarkophag ›des Exarchen Isaak‹ mit nicht zugehörigem Deckel, Marmor, Länge 2,17 m, Höhe ohne Deckel 0,70 m, Tiefe 0,77 m.

zenen gehören in diesen Gedankenbereich (in der unteren Zone). In der Nachfolge der Passion Christi stehen die Martyrien der Apostel Petrus und Paulus. Fasst man diese Beziehungen zusammen, so ist das Hauptthema des Sarkophags die überzeitliche Herrschaft Christi, die in seinem Leiden begründet ist und auf die sich die Hoffnung des Auftraggebers des Sarkophags beruft. Die beiden Schmalseiten sind jeweils durch eine Leiste in zwei Felder geteilt. Auf der linken Seite sind oben und unten geflügelte und ungeflügelte, nackte oder nur mit einem wehenden Mantel bekleidete Eroten mit der Ernte, Abfuhr und Kelter von Weintrauben beschäftigt. Auf der rechten Seite sind oben geflügelte Eroten bei der Getreideernte dargestellt, unten präsentieren sechs Jahreszeitengenien, von denen nur der Winter bekleidet ist, die Produkte und Jagdtiere der Jahreszeiten. Ebenso, wie diese Themen mit ihren vielen Eroten an nichtchristliche Vorläufer erinnern, greift auch der Dekor des Deckels auf solche zurück. An seinen Ecken befinden sich Masken von Sonne und Mond, und während die Reste stehender Gestal-

ten im linken Bildfeld nicht zu bestimmen sind, ist im rechten Bildfeld mit Sicherheit eine Mahldarstellung im Typus des Klinenmahls zu ergänzen (S. ), für das es keine christliche Parallele gibt. Ein Sarkophag in Arles, dessen Herstellungsort unbestimmt ist, wurde aus zwei Marmorblöcken zusammengesetzt, deren vorderer erhalten blieb (Abb. 78). Die Details der dargestellten Architektur sind reich ausgearbeitet, die Säulen unterschiedlich dekoriert. Das schmalere Mittelfeld ist oben mit einem zurückgebogenen Architrav abgeschlossen. Die übrigen Bildfelder enden in flachen Bögen, die muschelförmig gestaltet sind. In den Zwickeln über den Kapitellen blasen an den Ecken Tritonen ein Muschelhorn, weiter innen sieht man Delphine und Muscheln, neben dem Architrav umgefallene Obstkörbe. In den mittleren drei Bildfeldern ist die Gesetzesübergabe an Petrus dargestellt (die sog. traditio legis). Christus ist bärtig, hat lange Haare und steht auf einem Hügel mit den vier Paradiesflüssen. Die Rückbiegung des Architravs, für die es Parallelen gibt (Abb. ), erlaubte eine besonders große Darstellung.

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Auf die Abhängigkeit des Themas der Traditio legis von einem zweizonigen monumentalen Vorbild (S. ) weisen die eingeschobenen Schafe und Palmen hin, von denen eine den öfters im Zusammenhang belegten Phönix trägt. In den Szenen der äußeren Bildfelder ist Christus jugendlich und bartlos dargestellt; links will er dem sitzenden Petrus die Füße waschen, der mit den Händen die vom Text vorgegebene Abwehrhaltung einnimmt (Johannes XIII 8), rechts steht er vor Pilatus. Auf den Schmalseiten sind das Wasserwunder des Petrus und die Taufe Christi so dargestellt, dass die Fuge zwischen den beiden Marmorblöcken in senkrechten Wasserläufen verlief, dem aus dem Felsen strömenden des Petruswunders und dem diesem angeglichenen des Jordan bei der Taufe. Zu den letzten in Rom gefertigten Sarkophagen gehören die sogenannten Stadttorsarkophage, die ihren modernen Namen der dargestellten Hintergrundarchitektur verdanken (Abb. 79). Durch die Inschrift erfahren wir, dass Flavius Gorgonius den Sarkophag 96

für sich selbst anfertigen ließ und die höheren Ämter des Verwalters des kaiserlichen Privatvermögens (comes largitionum privatarum; für das Jahr 386 bezeugt) und des Praetorianerpräfekten innegehabt hatte. Bei der Gesetzesübergabe an Petrus knien Gorgonius und seine Frau, die durch den verhüllten Kopf als Verstorbene bezeichnet ist, als winzige Gestalten neben dem Paradieshügel und ergreifen die Füße Christi. Die seitlichen Apostel huldigten Christus mit ihren ausgestreckten, aber verloren gegangenen rechten Armen. Es ist bezeichnend für die Zunahme repräsentativer Darstellungen, dass in der zweiten Hälfte des 4. Jh. Apostelhuldigungen oft die ganze Sarkophagfront füllten. Die an der Zwölfzahl fehlenden beiden Apostel sind auf der Rückseite dargestellt. Diese ist mit zwei Riefelfeldern geschmückt, in deren Mitte Gorgonius und seine Frau sich in einer Bogenarchitektur die Hände reichen und an deren Seiten je ein Apostel mit beiden Händen eine Buchrolle hält. In den biblischen Szenen, die auf den Deckel und die Nebenseiten verdrängt sind, kommen die drei Magier zweimal vor, am Deckel mit ihren

Abb. 83.  Paris, Musée du Louvre, Département des antiquités grecques et romaines, Inv. MA 3474. Vorderseite eines ›aquitanischen‹ Sarkophags mit Deckel, pyrenäischer Marmor, Länge 2,00 m, Höhe mit Deckel 0,63 m, Tiefe 0,67–0,70 m.


Geschenken bei Maria und dem Kind, auf der rechten Nebenseite beim vorausgehenden Treffen mit König Herodes. Dieser ist dadurch negativ gekennzeichnet, dass ihm ebenso ein Götterbild beigegeben ist, wie sonst König Nebukadnezar bei der Anbetungsverweigerung der drei Jünglinge (Daniel III 13–18).

Abb. 84.  Berlin, Staatliche Museen, Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst, Inv. 4726. Grabrelief, Kalkstein, Dekor eingeschnitten, Bemalungsreste, Höhe ca. 55 cm, Breite ca. 34 cm, Fundort Arsinoë (Medina al Fayum) in Ägypten.

Seit der Weihe Konstantinopels im Jahre 330 könnte man dort eine zunehmende Produktion von Sarkophagen für die neue Führungsschicht erwarten. Doch sind erst seit der Zeit Theodosius I. wenige Beispiele und Fragmente erhalten, darunter ein in der hohen Qualität der Reliefarbeit einmaliger Kindersarkophag (Abb. 80). Alle vier Seiten sind ringsum von breiten Leisten gerahmt, die nahe am inneren, leicht abgeschrägten Rand eine sorgfältig gearbeitete Rille aufweisen. In der Mitte beider Langseiten ist ein Kranz mit mittlerem Schmuckstein dargestellt, der ein Monogramm rahmt, das aus den griechischen Anfangsbuchstaben I und X (Iota und Chi) der Namen Jesus Christus gebildet ist. Er wird von zwei Engeln präsentiert, deren Köpfe und Füße an den Schrägen der Randleisten anliegen, während ihre Unterkörper und Beine deutlich davon entfernt sind, um den Eindruck des Fliegens zu betonen. Auf beiden Schmalseiten huldigen stehende, bärtige Apostel einem in der Mitte zwischen ihnen aufragenden Kreuz mit ausschweifenden Enden der Arme, deren unterer länger ist als die übrigen. Während in Rom nach dem Ende des 4. Jhs. kaum noch Sarkophage hergestellt wurden, wurde in Konstantinopel die vermutlich geringe Produktion der zweiten Hälfte des 4. Jhs. noch länger fortgesetzt. Dies belegen neben erhalten gebliebenen Marmorfragmenten einige Exemplare, die nach Ravenna exportiert wurden (Abb. 82), außerdem einige Plattensarkophage in Istanbul. Im Jahre 1988 wurde am Silivri-Kapi eine unversehrte unterirdische Grabanlage zwischen Haupt- und Vormauer der theodosianischen Stadtmauer entdeckt. Dieses Hypogäum (Grabbau) enthielt dreizehn aus Platten zusammengesetzte Sarkophage, von denen der Hauptsarkophag aus prokonnesischem Marmor, die übrigen Exemplare aus Kalkstein bestehen (Abb. 81). Die Reliefdarstellungen reichen von einem Kranz mit dem Christogramm zwischen Kerzenleuchtern, dem thronenden Christus mit den Aposteln und den biblischen Szenen des Abrahamsopfers sowie des Gesetzesempfangs des Moses bis zu einem familiären Huldigungsbild. Dieses ist durch eine mittlere Bogennische und seitliche Nischen mit Giebeln dreigeteilt. Unter dem Bogen steht zwischen gerafften Vorhängen ein großes Christusmonogramm, in den Seitennischen sind zwei

Eheleute in Gebetshaltung dargestellt. Der Mann trägt über gegürteter Ärmeltunika eine Chlamys mit einer übergroßen Zwiebelknopffibel. Der kleine Sohn des Paares steht, mit einem aufgeschlagenen Buch in der linken Hand, links neben seiner Mutter. Die Figurenanordnung entspricht also dem Gesamtbild des aufgeklappten »Stilicho«-Diptychons (Abb. 207). Als im frühen 5. Jh. durch die Übersiedlung des kaiserlichen Hofes von Mailand nach Ravenna dort Bedarf an Sarkophagen entstand, war die Tradition der Werkstätten, die hier im 2. und 3. Jh. Sarkophage hergestellt hatten, offenbar erloschen. Daher wurden zunächst Sarkophage aus Konstantinopel herangeschafft, von wo auch ganze Schiffsladungen mit Säulen, Kapitellen und Chorschranken exportiert wurden. Zu den frühen Stücken gehört ein Sarkophag in S. Vitale, der allseitig dekoriert ist und im 7. Jh. für die Beisetzung des Exarchen Isaak wiederverwendet wurde (Abb. 82). An den vier Ecken des Kastens stehen Säulen mit gedrehten Rillen, alle Felder sind oben und unten von Leisten gerahmt. Die ganze Vorderseite 97


ist mit einer einzigen zur Seite gerichteten biblischen Szene gefüllt. Hier bringen die drei Magier (deren linke Arme abgebrochen sind) ihre Gaben dem auf dem Schoß seiner Mutter sitzenden Jesuskind, dessen Kopf von einem Nimbus mit Christusmonogramm umgeben ist. Die Schmalseiten sind mit der Auferweckung des Lazarus und Daniel in der Löwengrube geschmückt. Auf der Rückseite ist ein rein symbolischer Dekor zu finden: Ein mittleres Medaillon, das von einem Blatt getragen wird und ein Christusmonogramm enthält, wird auf beiden Seiten von einem Pfau und einer Dattelpalme gerahmt. Darstellungen dieser Art erschienen wenig später auch auf der Vorderseite der ravennatischen Sarkophage und beherrschten anschließend alle vier Seiten der Kästen und die Deckel. Nachdem die Sarkophagwerkstätten in Rom ihre Produktion eingestellt hatten, gab es in einigen Provinzen, in die zuvor römische Sarkophage exportiert worden waren, eine lokale Fertigung beschrängten Umfangs. Doch blieben 250 Exemplare und Fragmente von Sarkophagen mit walmdachförmigen Deckeln erhalten, die im südwestlichen Gallien (Aquitanien) aus Marmor hergestellt wurden, der aus den Pyrenäen stammt (Abb. 83). Die Steinbrüche von Saint-Béat sind ca. 100 km von Toulouse entfernt, der Hauptstadt der römischen Provinz Gallia Narbonnensis. Zunächst ist in den Säulenarchitekturen und den Bildern von Hirten, Jägern und biblischen Szenen noch das Vorbild römischer Sarkophage oder gallischer Kopien davon zu erkennen. Doch nahm das Übergewicht pflanzlicher und geometrischer Ornamente im 5. Jh. schnell zu, 98

bis Kränze mit Christusmonogrammen den einzigen inhaltlich bestimmbaren Dekor bildeten. Das hier abgebildete, gut erhaltene Exemplar in Paris ist auf der Vorderseite, den Nebenseiten und dem Deckel überwiegend von ornamentalem Dekor überzogen. Doch besitzt seine Front noch drei Figurenfelder mit gerafften Vorhängen, in denen Christus und zwei ihm zugewandte Apostel dargestellt sind. Am Deckel befindet sich ein Medaillon mit dem Christusmonogramm und den Buchstaben Alpha und Omega. Unter den christlichen Grabreliefs und -stelen des 4. und 5. Jhs. ist ein Relief aus Ägypten, das vielleicht in eine Nische eingesetzt war, besonders interessant wegen einiger Reste enkaustischer Bemalung, einer Maltechnik, bei der die Farbpigmente in erhitztem Wachs aufgetragen wurden (Abb. 84). Eine sitzende Mutter, die einen Knaben nährt, sitzt auf einem Faltstuhl mit rotem Kissen vor einem grünen Vorhang. Ihre lange, ockerfarbene Tunika ist mit rotbraunen Streifen geschmückt, über ihr rotbraunes Haar ist ein Teil des hellblauen Mantels gelegt. Von einer aufgemalten griechischen Inschrift fehlt der Anfang mit dem Namen der Verstorbenen: »[….] 21 Jahre alt. Keiner ist unsterblich. Sei frohen Mutes.« Da ähnliche Formulierungen auf kaiserzeitlichen heidnischen Grabinschriften im Fayum häufig verwendet wurden, wäre es möglich, dass zunächst eine verstorbene junge Frau im Bild der Göttin Isis dargestellt wurde, die ihren von Osiris gezeugten Sohn Horus nährt. Die beiden Kreuze neben dem Kopf der Frau wären dann Zeichen für eine christliche Wiederverwendung des Reliefs. Ob mit dieser Christianisierung eine Inter-

Abb. 85.  Paris, Musée du Louvre, Inv. Ma 3334. Grabmosaik, Länge 2,00 m, Breite 0,83 m. Fundort Pupput (Nähe Hammamet, Tunesien).


Abb. 86.  Tunis, Nationalmuseum Bardo, Inv. A 64. Grabmosaik, Länge 1,70 m, Breite 0,83 m, Fundort Thabraca (Tabarka, Tunesien).

pretation der Darstellung als Marienbild einherging, wissen wir nicht. In den römischen Provinzen Nordafrikas waren schon seit dem 2. Jh. Werkstätten in der Herstellung farbiger Fußbodenmosaiken tätig (Abb. 83–84). Vor allem in Karthago mit seinem Umfeld und in der südlich angrenzenden Byzacena arbeiteten diese Werkstätten auch in der Spätantike. Selbst auf Sizilien ist ihr Einfluss festzustellen (S. ). Unter den Bildwerken im Grabbereich ist eine Besonderheit zu erwähnen, die sich vorwiegend im römischen Nordafrika findet, mit geringer Ausstrahlung nach Spanien und in andere Gebiete. Es ist dies die Einfügung der Grabinschrift und des Grabschmucks als Mosaik im Fußboden von Kirchen, Memorialkirchen und Mausoleen über dem Grab des Verstorbenen. Die meisten Grabmosaiken entstanden seit der zweiten Hälfte des 4. Jh. bis zur Mitte des 5. Jh., doch gibt es noch Beispiele bis in das 6. Jh. Die Mehrzahl hat eine Länge zwischen 1,80 m und 2,00 m und ist 0,50 m bis 0,80 m breit. Am häufigsten vertreten sind Mosaiken, bei denen das Feld innerhalb eines Rahmens mit geometrischen oder pflanzlichen Motiven dreigeteilt ist, wofür ein Beispiel abgebildet wird, das sich in Paris befindet. Das in einen Kranz eingeschlossene Christusmonogramm mit den apokalyptischen Buchstaben Alpha und Omega, zwei Tauben und einer Rosenblüte lag über dem Kopf des Toten. Dieser befand sich in der Regel im Westen, damit der Tote der Wiederkehr Christi im Osten entgegensehen konnte (S. ). Die Inschrift im mittleren Teil des Mosaiks ist meist von der Seite zu lesen, weil man längere Zeilen wünschte. Sie erinnert hier an drei Verstorbene, Nardus den Älteren, Jurassus den Jüngeren und Restitutus den Jüngeren, der am Tage vor den Iden des Mai (14.5.) dahingegangen ist und als Gläubiger in Frieden ruhen möge. Der dritte Abschnitt zeigt eine Weinranke mit Trauben; auch Tauben und Rosen waren an dieser Stelle beliebt. Bei einer zweiten Gruppe von Grabmosaiken ist die oder der Verstorbene selbst dargestellt, meist in frontaler Gebetshaltung und oft zwischen zwei brennenden, auf Leuchter gesteckten Kerzen. Auf dem Exemplar in Tunis wünscht die Inschrift dem süßen Jovinus den Frieden. Die Sinnbilder dafür sind Tauben und Rosenblüten. Jovinus trägt eine Tunika mit langen Ärmeln und einen Kapuzenmantel (paenula), die beide mit Zierstreifen und runden Aufsätzen

geschmückt sind. Die Einrahmung von Personen und Objekten mit brennenden Kerzen tritt in Italien wie in Nordafrika etwa gleichzeitig in den verschiedensten Bildzusammenhängen als Motiv zur Bedeutungssteigerung auf.

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7.  Christliche Kultbauten und ihre Ausstattung

7a.  Stiftungen Konstantins in Rom, Konstantinopel, Antiochia und Palästina Abb. 119.  Ravenna, Baptisterium der Orthodoxen, Kuppelmosaik.

Nachdem Konstantin annahm oder annehmen ließ, dass Christus ihm zum Sieg über Maxentius verholfen hatte, reichten legale Äußerungen wie die Vereinbarung mit Licinius im Jahre 313 (S. ) zur Förderung der Anhänger Christi natürlich nicht aus. Von

seinen Vorgängern wäre bei einem solchen Anlass die Errichtung oder Renovierung eines Tempels erwartet worden. Abgesehen von den für den Gemeindegottesdienst zu kleinen Innenräumen der Tempel war es für die Umwidmung von Tempeln in christliche

Abb. 87.  Rom, S. Giovanni in Laterano, Rekonstruktionszeichnung.

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Abb. 88.  Rom, Mausoleum der Kaiserin Helena, Außenansicht.

Kirchen noch zu früh, da die Mehrheit der Bevölkerung noch den bisher staatstragenden Kulten anhing. Konstantin stiftete daher christliche Kirchen als Hallenbauten, die wegen der begrenzten Länge der Deckenbalken mindestens dreischiffig sein mussten, um eine größere Breite zu gewinnen. Diese Lösung des architektonischen Problems war bei den als Basilika 102

bezeichneten Bauten seit langem im ganzen Imperium verbreitet. Auch Richtungsbezüge zu einer oder zwei Apsiden an den Enden des Mittelschiffs lagen bereits vor (Abb. 87). Nach dem Jahre 312 löste Konstantin die berittene Elitetruppe (equites singulares) des Maxentius auf, zerstörte ihre Kaserne und errichtete an ihrer Stelle


M : 200

Abb. 89.  Rom, S. Costanza, Grundriss.

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eine Kirche als fünfschiffige Basilika. Die Basilica Constantiniana war dem Christus Salvator geweiht, dem »Retter (in der Schlacht)« (die Widmung für Johannes den Täufer und Johannes den Evangelisten ist erst mittelalterlich). Mit einer Länge von 90 m bis 100 m und einer Gesamtbreite von etwa 55 m entsprach der Bau in seiner Größe den traditionellen, allerdings meist dreischiffigen Forumsbasiliken. In der Apsis befanden sich statt der Tribuna oder der für Amtshandlungen nötigen Kaiserbilder jetzt die Sitze für den Bischof und den Klerus. Auch die Bautechnik war in Rom verbreitet: die Wände bestanden aus zwei Ziegelschalen, die mit Mörtel und Bruchstein gefüllt waren. Das heutige Querschiff wurde erst später errichtet, dagegen endeten die äußeren Seitenschiffe in kleinen Querräumen. Durch seine Lage am Stadtrand und das unscheinbare Äußere unterschied sich der Bau von den heidnischen Tempeln Roms. Dagegen war seine Innenausstattung glanzvoll: Säulen aus Rosengranit trugen die Fensterwand des Mittelschiffs, andere aus grünem thessalischem Marmor trennten die Seitenschiffe voneinander; im Fußboden waren Platten aus gelbem numidischem Marmor dunkel gerahmt. Auch Marmorinkrustation an den Wänden ist nachgewiesen. Diese Bischofskirche basilikaler Form ist für viele Jahrhunderte richtungsweisend gewesen. Der Liber Pontificalis, eine im 6. Jh. aus älteren Quellen zusammengestellte Chronik der römischen Päpste, beschreibt für die Zeit des Papstes Silvester wertvolle Stiftungen Konstantins für diesen Kirchenneubau und kostbare Geschenke für seine Innenausstattung. Dazu gehörte ein silbernes »Fastigium«, eine Innenarchitektur, deren Giebel (fastigium) der Anlage den Namen gab (Liber Pontificalis XXXIV 9 f.). Es könnte ein Baldachin über dem Altar oder eine Schranke vor dem Altar oder vor der Apsis gewesen sein. Dieses Fastigium soll silberne Skulpturen besessen haben, die den thronenden Christus darstellten, auf der Vorderseite mit den zwölf Aposteln, auf der Rückseite mit vier Engeln, die Speere (Stäbe) trugen. Im 5. Jh., unter Valentinian III., soll die Anlage nach Entführung durch die Barbaren erneuert worden sein; in dieser späteren Notiz (Liber Pontificalis XLVI 4) wird kein Figurenschmuck erwähnt. Auch für das Baptisterium dieser Kirche soll Konstantin reichen goldenen und silbernen Skulpturenschmuck auf dem Beckenrand gestiftet haben. Zwischen den fast lebensgroßen Figuren des Erlösers und Johannes des Täufers stand ein goldenes Lamm als Wasserspeier, außerdem gab es sieben silberne Hirsche mit derselben Funktion (Liber Pontificalis XXXIV 13). Die lokalpatriotische Nachricht, Konstantin selbst sei hier von Papst Silvester getauft worden, ist unzutreffend. Die erwähn104

ten Skulpturen blieben einmalig und haben bis ins Mittelalter keine Nachfolge gefunden. Engel mit Stäben als Thronbegleiter Christi sind erst nach zwei Jahrhunderten, also in der Abfassungszeit des Liber Pontificalis, in einem Mosaik in Ravenna zu finden (Abb. ). Doch beurteilt die Mehrheit der Archäologen heute die Nachricht des Liber Pontificalis als authentische Wiedergabe früherer Quellen. Hatte Konstantin für den Bau seiner Erlöserkirche die Kaserne der Equites singulares niederlegen lassen, so stellte er für den Bau der ersten Märtyrerkirche den Friedhof dieser Gardeeinheit an der Via Labicana zur Verfügung. In einer nahegelegenen Katakombe waren einige Märtyrer der letzten Christenverfolgung unter Diocletian beigesetzt worden, darunter ein Presbyter Petrus und ein Exorzist Marcellinus. Zu ihrem Andenken stiftete der Kaiser eine 65 m lange und 29 m breite dreischiffige Basilika mit Pfeilerarkaden (SS. Pietro e Marcellino) und stellte Landbesitz zu ihrem Unterhalt zur Verfügung. Abweichend vom gewohnten und in der Erlöserkirche aufgenommenen Typus der Basilika bildeten die Seitenschiffe hier einen Umgang um die Apsis des Mittelschiffs, der dem Bau und seinen nur in Rom nachgewiesenen Parallelen die Bezeichnung als »Umgangsbasiliken« einbrachte (in Italien »circusförmige« Basiliken). Die Anlage umgaben im Norden und Süden von Säulenhallen umgebene Plätze. Im Osten war an die etwas schräg angesetzte Vorhalle ein teilweise erhaltenes, überkuppeltes Mausoleum mit kreisförmigem Grundriss und etwa 20 m innerem Durchmesser angebaut (heute nach den im Gewölbe sichtbaren Entlastungsamphoren Tor Pignattara, Turm der Töpfe). Die Basilika ist spätestens um 320 zu datieren, das Mausoleum vor 324. In seine im unteren Teil sehr starke Mauer sind innen außer dem Eingang sieben Nischen von abwechselnd rechteckigem und halbkreisförmigem Grundriss eingetieft. Im Oberteil sind die Mauern außen eingezogen und acht große Fenster eingesetzt. Der innen mit Marmorinkrustation und Mosaiken ausgestattete Bau war ursprünglich für die Beisetzung Konstantins vorgesehen, für die ein großer Porphyrsarkophag aus Ägypten herbeigeschafft worden war (Länge 2,68 m, Tiefe 1,81 m, Höhe ca. 1,80 m). Er ist auf allen vier Seiten mit Darstellungen siegreicher Reiter im Barbarenkampf geschmückt. Nach der Errichtung eines neuen Grabbaus für den Kaiser in Konstantinopel (S. ) ging das römische Mausoleum an seine Mutter Helena über, die um 328 hier in dem Reitersarkophag beigesetzt wurde (Abb. 88). Höchstwahrscheinlich griff Konstantin für die Kirche und das Mausoleum auf ein bereits vorhandenes Vorbild zurück. Eine Umgangsbasilika an der Via Praenestina in der Nähe der kai-


Abb. 90.  Innenansicht, Hauptachse.

serlichen Villa der Giordani ist in der Anlage und den Maßen (66 m Länge, 24 m Breite) fast übereinstimmend, bis hin zur schief angesetzten Vorhalle. Allerdings steht das dazugehörige ähnliche Ausoleum, Tor Pignattara, nicht in baulichem Kontakt zu ihr (heute Tor de Schiavi, Sklaventurm). Frühe Ziegelstempel und Details des Mauerwerks lassen vermuten, dass die Anlagen den Bauten Konstantins vorausgingen. Auch die Erbauung der Umgangsbasilika zu Ehren des Märtyrers Laurentius an der Via Tiburtina könnte auf Konstantin zurückgehen. Sie war von einigen an sie angebauten Grabbauten und einem oberirdischen Friefhof umgeben und liegt nahe an einer im 3. Jh. begründeten Katakombe. Eine Treppe führte zum Grab des Märtyrers. Erst gegen Ende des 20. Jhs. wurde eine namenlose Umgangsbasilika an der Via Ardeatina entdeckt, deren Bau von Papst Marcus

(18.1. bis 7.10.336) begonnen wurde, der darin beigesetzt werden wollte. Die Umgangsbasilika zu Ehren der Apostel Petrus und Paulus an der Via Appia (Basilica Apostolorum) ist teilweise in der Kirche S. Sebastiano erhalten geblieben. Sie hatte 73 m Länge und 30 m Breite und ebenso wie die Basiliken an der Via Labicana und Praenestina eine schiefe Fassade, wofür keine Erklärung zu finden ist. Der Bau wurde seit seiner Fertigstellung für Begräbnisse verwendet, zum Teil bildeten Grabplatten den Fußboden. Von den zahlreichen Mausoleen unterschiedlicher Form und Größe, die im Laufe des 4. Jhs. an die Basilika angebaut wurden und von dieser aus zugänglich waren, besitzt keines eine so exponierte Position wie der kaiserliche Grabbau Tor Pignattara.

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Der größte frühchristliche Kirchenbau im Typus der Umgangsbasilika befand sich an der Via Nomentana und hatte eine Länge von ca. 98 m und eine Breite von ca. 40 m (Abb. 89). Er war dem Gedächtnis der Märtyrerin Agnes geweiht, deren Grab sich in der nahen Katakombe befand und durch eine Treppe vom Atrium der Kirche aus erreicht werden konnte. Ihre Stiftung durch Constantina, die älteste Tochter Konstantins ist gesichert; eine Beteiligung ihres Vaters legendär. Der Bau zog wie die übrigen Kirchen dieser Form auch Bestattungen an, die unter dem Fußboden gefunden wurden. Für sich selbst errichtete Constantina an der Südseite der Basilika einen monumentalen Grabbau, von dem große Teile erhalten blieben oder restauriert werden konnten. Ein Vorraum mit zwei Exedren war der Übergang von der Basilika zum Grabbau. In diesem wurde Constantina, nachdem sie 354 in Bythinien gestorben war, vermutlich in einem Porphyrsarkophag beigesetzt, der etwas kleiner ist als der Helena-Sarkophag. Er ist auf allen vier Seiten mit Darstellungen von Eroten bei der Weinlese und -kelter geschmückt. Seine Herstellung in Ägyp106

ten, dem Herkunftsland des Porphyrs, ist durch ikonographische Details und Funde in Alexandria gesichert. Das Mausoleum unterscheidet sich architektonisch von dem der Helena ganz beträchtlich, da der zentrale Kuppelraum, der einen Durchmesser von 11,50 m hat, von einem Umgang mit Tonnengewölbe umgeben ist (Abb. 90). Die zwölf Säulenpaare zwischen dem Zentralraum und dem Umgang tragen, dem Obergaden einer Basilika ähnlich, über den Arkaden einen von Fenstern durchbrochenen Tambour unter der Kuppel. Für die Lastabtragung reichte dies aus, da die Kuppel aus einem leichten Gussmauerwerk (opus caementitium) von Tuff und Bimsstein mit Ziegelrippen besteht. Durch größeren Säulenabstand wird die Achse vom Eingang zur rechteckigen Apsisnische hervorgehoben, vor der eine turmartige Erhöhung des Umgangs den Standort des Sarkophags bezeichnet. Auf der Querachse öffnen sich im Umgang zwei größere Nischen mit Wölbungsmosaiken. Zwischen den beiden Achsen befinden sich im Umgang zwölf kleinere Nischen, die vielleicht an die Memorien der zwölf Apostel im Mausoleum Konstantins in

Abb. 91.  Rom, S. Costanza, Mosaik der linken Umgangsnische, Darstellung der Gesetzesübergabe.


Konstantinopel erinnern (S. ). Die Gewölbemosaiken des Umgangs sind vom Eingang her auf beiden Seiten durch inhaltliche Steigerung auf den Standplatz des Sarkophags der Constantina hin ausgerichtet. Ihre Themen reichen von ornamentalen Feldern über Medaillons mit Tieren, Personifikationen und Eroten bis zu formatfüllenden Weinranken mit Eroten und Stifterporträt sowie der Darstellung von Weinernte und -kelter. Die Übereinstimmung des abschließenden Bildthemas mit dem Dekor des Porphyrsarkophags ist gewiss kein Zufall. Für die Mosaiken der Kuppel lässt sich aufgrund eines 1538/40 angefertigten Aquarells von Francesco d’Ollanda und anderer Quellen feststellen, dass über einer Meereslandschaft in zwölf Abschnitten biblische Szenen dargestellt waren. Die beiden Mosaiken in den Wölbungen der beiden größeren Umgangsnischen sind stark restauriert (Abb. 91). In der (vom Eingang gesehen) rechten Nische ist eine Szene zu sehen, die meist als Schlüsselübergabe an Petrus gedeutet wird. In der linken

Nische ist die Gesetzesübergabe an Petrus dargestellt. Die Köpfe von Christus und Petrus sind erneuert, ältere Abbildungen zeigen Christus bärtig. Bei Petrus ist ein Rest seines Kreuzstabs erhalten. Die Inschrift der Buchrolle lautete ursprünglich DOMINVS LEGEM DAT – »Der Herr übergibt das Gesetz.« Die restaurierte Formel DOMINVS PACEM DAT – »Der Herr gibt Frieden« geht auf eine falsche Lesung von 1594 zurück. Es ist offensichtlich, dass dieses Bild aus einer zweizonigen Vorlage übernommen wurde, aus deren unterer Zone die Städte Bethlehem und Jerusalem, vier der zwölf Lämmer und der Paradieshügel stammen (S. ). Eine weitere von ihm gestiftete Kirche, die Grabeskirche des Apostels Petrus, ließ Konstantin als Weiterentwicklung seiner fünfschiffigen Erlöserkirche durch ein Querschiff errichten (Abb. 92). Ein erster baulicher Hinweis darauf, dass eines der zahlreichen schmucklosen Erdgräber in einem Grabbezirk am Vatikan von den Gläubigen als Bestattung des Apostels Petrus aus dem 1. Jh. angesehen wurde, könnte eine kleine Nischenarchitektur (Ädikula) des mittleren 2. Jhs. gewesen sein. In konstantinischer

Abb. 92.  Rom, Basilika St. Peter, Rekonstruktion.

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Zeit war die Überzeugung von dieser Lokalisierung des Petrusgrabes so eindeutig, dass der Kaiser sich über die Probleme der starken Geländeneigung und die Regeln des römischen Grabrechts hinwegsetzte und für den Bau der Kirche den ganzen Grabbezirk aufließ. Einer der aufgegebenen Grabbauten war sogar mit christlichen Mosaiken geschmückt (Abb. ). Meist wird für die Kirche ein Baubeginn vor 320 und eine Fertigstellung erheblich nach 324 angenommen. Wie die Erlöserkirche war der Bau eine fünfschiffige Basilika, er war allerdings mit 119 m Länge und 64 m Breite erheblich größer. Das Querschiff vor der Apsis reichte mit einer Länge von 90 m noch über die Seitenschiffe hinaus. In seiner Mitte befand sich ein Gedächtnismonument für das Grab des Titelheiligen unter Einbeziehung der früheren Ädikula. In der Kirche wurden auch Bestattungen vorgenommen und Totenmahle abgehalten. Ein besonders zahlreich besuchtes Totenmahl hielt der Senator Pammachius zum Gedächtnis seiner Frau Paolina ab, wie Paulinus von Nola gegen Ende des Jahrhunderts mitteilte (epistula XIII 11.15). Wie bei

den Umgangsbasiliken wurden auch an diese Kirche Mausoleen angebaut. Beispielsweise errichtete Kaiser Honorius gegen Ende des 4. Jhs. ein Rundmausoleum am südlichen Ende des Querschiffs, in dem nacheinander seine beiden Frauen beigesetzt wurden, schließlich er selbst und weitere hochrangige Verstorbene. Für einen Baldachin mit vier Säulen über dem Petrusdenkmal und zwei seitlichen Erweiterungen wurden sechs frühkaiserzeitliche gedrehte Marmorsäulen mit einem Dekor von Weinranken und Eroten wiederverwendet, die erhalten blieben und Bernini im frühen 17. Jh. zu den monumentalen Bronzesäulen seines Altarbaldachins anregten. Eine Vorstellung über das Aussehen dieser zentralen Innenarchitektur konstantinischer Zeit vermittelt eine der Langseiten eines Elfenbeinreliquiars im Archäologischen Museum in Venedig (Abb. 93). Hier erscheinen wiederum die ungewöhnlichen gedrehten Säulen. Vor der Tür zum Petrusgrab, über der im Baldachin eine Krone hängt, beten ein Mann und eine Frau, die einige Stufen hinaufgegangen sind, mit ausgestreckten Händen, während in den seitlichen Erweiterungen der Anlage

Abb. 93.  Venedig, Museo archeologico nazionale, Inv. Gemme e avorio 259/52. Reliquiar, Elfenbein, Silberbeschläge, Länge 20,5 cm, Breite 16,1 cm, Höhe 18,5 cm, Fundort Samagher bei Pola, unter dem Altar der Kirche S. Ermagora. Langseite: Darstellung der Petrusmemoria in der konstantinischen Peterskirche.

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Abb. 94.  Città del Vaticano, Biblioteca apostolica Vaticana, Cod. Barb. Lat. 2733, fol. 133v. Giacomo Grimaldi, Zeichnung der Apsis von S. Peter in Rom, um 1605, Material ###, Maße ###.

zwei Männer und zwei Frauen vor gerafften Vorhängen in Orans-Haltung stehen. Eine ähnliche Anordnung von sechs Gestalten findet sich auch in den Darstellungen auf den Nebenseiten des Kastens, jedoch innerhalb unterschiedlicher architektonischer Zusammenhänge, die sich nicht bestimmten Kirchen zuweisen lassen. Dasselbe gilt auch für das Bild der zweiten Langseite des Kastens, in dem sechs Apostel dem Thron Christi huldigen, der für das Gericht bereitsteht. Dagegen könnte sich das Bild auf dem Deckel des Kastens wiederum auf die Peterskirche beziehen. Hier ist eine zweizonige Darstellung der Gesetzesübergabe an Petrus zu sehen. In der unteren Zone kommen von jeder Seite nicht sechs, sondern nur zwei Schafe aus den Städten Jerusalem und Bethlehem heraus. Offenbar störte den Entwerfer des Dekors diese Einschränkung so sehr, dass er einen Ausgleich suchte: Auf allen vier Seiten des Kastens gibt es einen oberen Fries, in dem Schafe aus Städten kommen und auf mittelere Christuszeichen zugehen, etwa auf Kreuze oder einen Kranz mit dem Christogramm und den Buchstaben Alpha und Omega. Auf den beiden Langseiten sind es jeweils vier Schafe, auf den Schmalseiten jeweils zwei, so dass sich insgesamt die Zwölfzahl ergibt.

Zurück zur Peterskirche in Rom. Da in der langen Zeit, über die sich die 1505 begonne Errichtung der heutigen Peterskirche hinzog, der frühchristliche Bau in Teilabschnitten zerstört wurde, lassen sich aus Zeichnungen des 16. und 17. Jhs. Details des konstantinischen Baus ablesen. Bevor 1605 die Apsis der konstantinischen Kirche abgerissen wurde, fertigte Giacomo Grimaldi eine Zeichnung des Apsismosaiks an, doch war dieses eine Erneuerung, die unter Papst Innozenz III. (1198–1216) entstanden war (Abb. 94). Will man feststellen, ob im mittelalterlichen Apsismosaik von S. Peter, das die Grimaldi-Zeichnung wiedergibt, Hinweise auf ein Mosaik des 4. Jhs. zu finden sind, so wird man von der Besonderheit ausgehen, dass sich unter der von zwei Palmen gerahmten Darstellung Christi mit den Apostelfürsten Petrus und Paulus ein weiterer, abgetrennter Fries befindet. Hier ist außer mittelalterlichen Gestalten das Christuslamm auf dem Paradieseshügel dargestellt, auf das zwölf Lämmer aus den Städten Jerusalem und Bethlehem zugehen. Ein solcher zweiter Fries mit denselben Bilddetails findet sich seit der Mitte des 4. Jhs. bei einer bestimmten Darstellung Christi mit Petrus und Paulus, die häufig in Mosaiken, auf Sarkophagen und in der Kleinkunst auftritt und schon damals die 109


Bezeichnung erhielt dominus legem dat – »der Herr (über-)gibt das Gesetz«. Christus steht oder thront zwischen den Aposteln Petrus und Paulus, hat die rechte Hand erhoben und lässt mit der Linken eine Buchrolle in die verhüllten Hände des Petrus gleiten. Eine Beziehung der Darstellung zu S. Peter besteht beim Reliquiar in Venedig (Abb. 93), weil auf diesem auch die Petrusmemoria dargestellt ist. Auf einer römischen Goldglasschale mit der Darstellung der Traditio legis ist von dem für solche Trinkgefäße üblichen Glückwunsch nur der Anfang erhalten: PIE Z(eses)… – »Trink! Du sollst leben…!« Außergewöhnlich ist, dass unter dem bewachsenen Hügel, auf dem Christus steht, ein als Jordan beschrifteter Wasserlauf zu sehen ist. Dieses Bildmotiv kehrt im 6. Jh. in anderem Zusammenhang im Apsismosaik der Kirche SS. Cosma e Damiano wieder (Abb. 109). Ebenfalls namentlich bezeichnet sind die Stadtvignetten von Jerusalem und Bethlehem. Die beiden Lämmerzüge, die aus den beiden Städten zum paradiesischen Gotteslamm gehen, dürften ein Hinweis auf die Juden- und Heidenkirche sein. Der im Goldglas in der linken Palme zu sehende Phönix ist im Zusammenhang mit der Gesetzesübergabe noch öfter dargestellt, beispielsweise auf einer Grabplatte aus der Priszilla-Katakombe. Sein Mythos stammte aus Ägypten und wurde von kaiserzeitlichen Autoren so formuliert, dass der Vogel sich selbst verbrennt 110

und dann aus der Asche wieder ersteht. Er eignete sich daher vorzüglich als Symbol für die überzeitliche Gültigkeit religiöser Werte und Aussagen. Manche Darstellungen der Traditio legis sind einzonig, aber der Gruppe von Christus mit den Apostelfürsten können einige Details der zweiten Zone beigegeben sein, etwa das Gotteslamm und einige Schafe, die beiden Stadtvignetten oder die beiden Palmen. Es ist unwahrscheinlich, dass ein Bildmotiv mit einer kirchenpolitisch so wichtigen Aussage zum Rang des Petrus für eines der mehr oder weniger bescheidenen Objekte entworfen wurde. Vielmehr lässt schon allein deren beträchtliche Anzahl auf eine repräsentative Vorlage schließen. Die Vermutung, dass diese das Apsismosaik der ersten Petruskirche gewesen sein könnte, wird durch die Zeichnung Grimaldis vom mittelalterlichen Zustand dieser Apsis unterstützt. In seiner neugegründeten Residenz- und Hauptstadt Konstantinopel setzte Konstantin nicht nur städtebauliche Akzente (S. ), sondern stiftete auch religiöse Bauten. Doch blieb davon nichts erhalten. Die Ausagen des Bischofs Eusebius von Caesarea (Vita Constantini LVIII–LX), reichen nicht aus, um Art und Form des Mausoleums zu erschließen, das der Kaiser für sich selbst errichten ließ. Da der Kaiser inmitten von Memorien der zwölf Apostel beigesetzt werden wollte, wurde auch die Vermutung geäußert,

Abb. 95. Jerusalem, Grabeskirche, Skizze der konstantinischen Anlagen. A Patriarchat B Heiliges Grab C Anastasis, Grabrotunde D Hof, zweites Atrium E Golgatha F Basilika, Martyrion G Atrium H Baptisterium


Konstantin habe statt eines Grabbaus eine Apostelkirche gestiftet. Konstantin und mehrere Nachfolger bis in das 5. Jh. wurden in großen, zum Teil noch erhaltenen Porphyrsarkophagen aus Ägypten beigesetzt, deren Aufstellungorte unsicher sind. Eine kreuzförmige Apostelkirche dürfte erst von Konstantins Sohn Constantius II. dem Mausoleum angefügt worden sein. Im 6. Jh. ersetzte Justinian diesen Bau durch eine Kreuzkuppelkirche, also mit größerer Zentralkuppel und vier Kuppeln über den Kreuzarmen, wie der Beschreibung bei Prokop zu entnehmen ist (Bauten I 4). An Stelle dieser Kirche, die weitreichenden Einfluss ausübte, errichtete Mehmet II. Fatih einige Jahre nach der Eroberung Konstantinopels im Jahre 1453 seine Moschee.

rea betonte, das freigelegte Christusgrab sei authentisch und er wollte den Eindruck erwecken, der Kaiser (der nie Palästina besuchte) habe die Suche nach dem Grab und den Bau der Kirchenanlagen selbst geleitet. Einen historischen Kern enthält der in den Text eingefügte Auftrag Konstantins an Makarios, den Bischof von Jerusalem, für die Errichtung eines möglichst prächtigen Grabbaus zu sorgen (III 30–32). Von der Hauptstraße aus erreichte man über einen Vorhof (Atrium) zunächst eine große fünfschiffige Basilika, in der erstmals in den christlichen Kirchenbau das Architekturmotiv der Seitenschiff-Emporen übernommen wurde. Für die Apsis der Basilika erwähnte Eusebius zwölf Säulen mit Silbergefäßen als Hinweis auf die Apostel. Über einen von Hallen umgebenen Hof gelangte man von der Basilika zur eigentlichen Grabeskirche, einem Zentralbau, von dem Teile in späteren Umbauten erhalten blieben. In seinem Zentrum befand sich das eigentliche Grab, das aus dem Felsen freigelegt worden war, der es umgab.

Die »Große Kirche«, die Konstantin in Konstantinopel errichten ließ und die unter Constantius II. im Jahre 360 geweiht wurde, dürfte ebenso wie der Nachfolgebau Theodosius II. die Form einer Basilika gehabt haben. Der nach dem Brand im Nika-Aufstand des Jahres 532 errichtete, der Heiligen Weisheit (Hagia Sobald in konstantinischer Zeit die äußeren VorausSophia) geweihte epochale Kuppelbau Justinians I. setzungen dafür geschaffen waren, nahmen Pilgerist später eingeordnet (Abb. 139–141). fahrten nach Palästina zu den Gedenkstätten des Alten und des Neuen Testaments größeren Umfang Durch seinen Sieg über Licinius im Jahre 324 wurde an. Der früheste erhaltene Reisebericht stammt von Konstantin I. auch Herrscher über Syrien mit der einem anonymen Pilger aus Bordeaux vom Jahre 333. Residenzstadt Antiochia (Antakya/Türkei) und über Die Zahl der Pilgerziele wuchs mit dem Besuch von Palästina, den Schauplatz von Ereignissen, die im Märtyrer- und Heiligengräbern, beispielsweise in Alten und Neuen Testament erzählt sind. Durch die Rom (Petrus und Paulus), in Cimitile/Nola (Felix), Konstantinsbiographie des Eusebius von Caesarea im nordafrikanischen Tebessa, in Thessaloniki (De(Vita Constantini L) und die von Malalas im 6. Jh. metrius), in Sergiopolis/Rușafa (Sergios; Abb. 157), überlieferte Stifterinschrift wissen wir, dass Konstan- und in der ägyptischen Menasstadt (Abb. 149). Auch tin im Jahre 327 in Antiochia eine große Kirche stif- Besuche bei extrem lebenden Christen schlossen sich tete, die sein Sohn Constantius II. vollendete und 341 an, etwa bei Eremiten in Wüstengebieten Ägyptens weihen ließ. Es handelte sich um einen Zentralbau oder bei Säulenstehern (Styliten) in Syrien, beispielsmit achteckigem Innenraum, der von einem zwei- weise bei Symeon dem Älteren (Qual’at Seman, stöckigen Umgang umschlossen war. Die Bezeichnung Abb. 152–153). Das Pilgerwesen stellte einen bedeuals »goldenes Haus« geht auf den Schmuck des Holz- tenden Teil religiösen Brauchtums dar, bot Anlass für gewölbes zurück. Der Bau wurde nach wechselvoller den Bau zahlreicher Kultbauten und ganzer Städte Geschichte 588 durch ein Erdbeben völlig zerstört. und rief eine umfangreiche Produktion von ReiseZeitlich wäre es gut möglich, dass die Architekten andenken hervor. Das Aufsuchen eines bestimmten vergleichbarer späterer Achteckbauten, wie die Kirche Ortes, der mit dem irdischen Leben Jesu oder mit der heiligen Sergios und Bakchos in Konstantinopel Leben und Tod von Märtyrern und Heiligen verbun(Abb. 137) und des heiligen Vitalis in Ravenna vom den war, widerspricht eigentlich den ursprünglichen Intentionen des Christentums. Im JohannesevangeBau in Antiochia Anregungen erhielten. lium wird erzählt (IV 19–24), Jesus habe der SamaIn Palästina gab Konstantin die wichtigsten Gedenk- riterin am Jakobsbrunnen zu dem Problem, ob man stätten des Lebens Christi in Auftrag: in Jerusalem Gott auf dem Berge Garizim oder in Jerusalem aneine umfangreiche Anlage am Grabe Christi und eine beten solle, folgende Antwort gegeben: »Glaube mir, Himmelfahrtskirche, in Bethlehem eine Kirche über die Stunde kommt, zu der ihr weder auf diesem Berg der als Höhle angesehenen Geburtsstätte (Abb. 95). noch in Jerusalem den Vater anbeten werdet.« Und Die Beschreibung, die Eusebius von der Auffindung etwas später: »Aber die Stunde kommt, und sie ist des Grabes Christi gab, ist ausgesprochen legendenreich schon da, zu der die wahren Beter den Vater anbeten (Vita Constantini III 25–40). Der Bischof von Caesa- werden im Geist und in der Wahrheit; denn so will 111


der Vater angebetet werden. Gott ist Geist, und alle, die ihn anbeten, müssen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten.« Ähnliche Aussagen werden in der Apostelgeschichte Stephanus und Paulus zugeschrieben (VII 44–50; XVII 24–29). Einer Gottesverehrung »im Geist und in der Wahrheit« widerspricht die Vorstellung, an solchen Orten, an denen Christus oder Heilige gelebt hatten oder bestattet waren, sei deren Wirkungs-, Wunder- oder Fürbittkraft besonders intensiv zu erfahren. Es fehlt daher auch seit den Anfängen des Pilgerwesens im 4. Jh. nicht an Kritik in dieser Richtung, etwa bei Johannes Chrysostomus (Homilia ad populum Antiochenum III 2), Gregor von Nyssa (Epistula II) und selbst bei Hieronymus, der von Palästina begeistert war und im Jahre 386 selbst in Bethlehem Wohnung 112

nahm (Epistula LVIII 2 f.). Bei Augustinus ist zu lesen: »Der dich erhört, ist nicht außer dir. Gehe nicht in weite Fernen, steige nicht in die Höhe, als ob du ihn so gleichsam mit Händen greifen könntest.« (Tractatus in Joh. X 1). Doch war der Wunsch, das Heil »mit Händen zu greifen«, bei Geistlichen wie Laien viel stärker als solche Kritik. Grundlage des Pilgerwesens war der Glaube, die Kraft einer bedeutenden und vorbildlichen Persönlichkeit sei auch nach ihrem Tode mit den Stätten ihres Wirkens und Begräbnisses und mit seinen Reliquien verbunden (Paulinus Nolanus, Carmen XXVII 440–449). Augustinus suchte einen Kompromiss: »Gott ist zwar überall, und er, der alles gemacht hat, wird durch keinen Raum umschlossen oder begrenzt und muss von den wahren Anbetern im Geist und in der Wahrheit angebetet werden, damit er, der sie im Verborgenen hört, sie

Abb. 96.  München, Sammlung C. Schmidt, Inv. 1723. Palästinische Pilgerampulle, Blei-Zinn-Legierung, Höhe 6,05 cm, Breite 4,3 cm, Dicke 1,4 cm, Darstellung der Kreuzigung Christi. Abb. 97.  Darstellung der Auferstehung Christi (Die Frauen am Grabe).


im Verborgenen auch rechtfertige und kröne. Was nun aber die dem Auge des Menschen sichtbaren Dinge anbetrifft, wer kann da seinen Plan durchschauen, weshalb solche Wunder an dem einen Ort geschehen, an dem andern aber nicht?« (Epistula LXXVIII 3). Nach dem Zeugnis von Pilgerberichten, Lebensbeschreibungen von Heiligen und langen Wunderlisten kann man den Beitrag zur Motivation der Pilger, die die Hoffnung auf »Wunder’ leitete, nicht hoch genug ansetzen. Diese Hoffnung richtete sich vor allem auf Heilung von Krankheiten des Körpers und der Seele, was bei den geringen Heilungsmöglichkeiten der damaligen Medizin und Pharmazie nicht überraschen kann. Als Reliquie, die in der Jerusalemer Grabes- und Auferstehungskirche als Heilsträger verehrt wurde, fungierte das Kreuz Christi. Über seine Auffindung berichtete die bedeutendste und religions- und kunstgeschichtlich wirkungsvollste christliche Legende aller Zeiten. Nach ihren Umschriften enthielten die Ampullen, die von Pilgern aus dem Heiligen Land mitgenommen wurden, Öl, das die Heilskräfte des Kreuzes Christi in sich aufgenommen hatte. Dies konnte auf verschiedene Weise geschehen. Das Öl konnte den Lampen entnommen werden, die beim Grabe Christi brannten (Anonymus Placentinus XVIII), es konnte in Kontakt mit der Kreuzreliquie gebracht werden (XX) oder es konnte unmittelbar aus einer Kreuzreliquie herausfließen (Adamnanus, de locis sanctis III 3). Damit man Pilgerampullen leichter wie ein Amulett am Hals tragen konnte, waren sie nicht krugförmig, sondern flach gestaltet. Alle palästinischen Ampullen bestehen aus einer Blei-Zinn-Legierung. Wegen deren niedriger Schmelztemperatur konnten die Ampullenhälften leicht einzeln in Formen gegossen und dann zusammengelötet werden. Der Hals erweitert sich nach oben, um einem Lederband zum Aufhängen Halt zu geben. Sein Schmuck mit einem Kreuz unter der Andeutung eines Bogens war allgemeiner Standard. Als Beginn ihrer Herstellung wird meist das 6. Jh. vermutet, eine Datierung, zu der das mehrfach auf Ampullen vorkommende zweizonige Himmelfahrtsbild beiträgt, weil die bisher früheste datierte Parallele, eine Miniatur im Rabula-Evangeliar (Abb. 186) aus dem Jahre 586 ist. Diese Spätdatierung wird jetzt durch nordafrikanische Tonlampen mit Himmelfahrtsdarstellung in Frage gestellt (Abb. ). Außerdem dürfte die Herstellung der aus Ton gefertigten Menasampullen (Abb. ) seit dem letzten Viertel des 5. Jh. das Vorbild Palästinas voraussetzen.

kürzlich durchgeführter Entfernung von Korrosionsbelag zeigt ein großer Teil der Oberfläche den ursprünglichen, auf den hohen Zinnanteil des Materials zurückgehenden silberartigen Glanz. Ein 5– 6 mm breites Lederband ist um die Lötnaht am Rand der Ampulle geführt und zweimal um den unteren Rand des Halses geschlungen; es bildet oben eine freie Schlinge von ca 4,5 cm. Die beiden Seiten der Ampulle sind mit den Bildern der Kreuzigung Christi und der Auferstehungsszene des Engels mit den Frauen am leeren Grabe Christi geschmückt (Abb. 97). Die Umschrift der Kreuzigungsseite lautet: + εΛεOΝ ΥΛOΥ ZOΗC ΤωΝ ΑΓΙωΝ X(Äιστo)Υ ΤOΠωΝ – »Öl vom Holz des Lebens von den heiligen Stätten Christi«. Das Auferstehungsbild umgibt der Text: + εΥΛOΓΙΑ ΚΥΡΙOΥ ΤωΝ ΑΓΙωΝ ΤOΠωΝ – »Eulogie (Segensandenken) des Herrn von den heiligen Stätten«. Die Darstellung der Kreuzigung schließt sich der kleineren Gruppe unter den bisher bekannten Ampullen an, auf denen Christus nicht als Büste oder Clipeusbild, sondern in ganzer Gestalt erscheint. Tunika und Pallium als Bekleidung und der Kreuznimbus um den Kopf sind deutlich, dagegen sind die abgewinkelten Unterarme oder die Querarme des Kreuzes kaum zu erkennen. Das Kreuz steht auf dem mittleren von drei angedeuteten Hügeln zwischen den beiden mit Christus gekreuzigten Schächern. Der »Gute« zur Rechten Christi wendet sein Gesicht diesem zu, der »Böse« zu seiner Linken wendet sich ab. Sonne und Mond neben dem Kopf Christi sind allgemein in dieser Szene anzutreffende Details, wie auch die beiden kleinen Pilger, die seitlich neben dem Hügel knien oder sitzen. Im Auferstehungsbild ist über dem Grab Christi zu lesen: ANεCΤΙ (o cυÄιoς) – »(Der Herr) ist auferstanden«. Hierdurch wird die Auferstehungsbotschaft des Engels zusammengefasst (Matthäus XXVIII 5–8). Der Grabbau zeigt eine schlichte Giebelfassade mit Gittertür im Unterteil, Muschel (als Wölbungsdekor) im Oberteil und einem Kreuz mit am Ende verdickten Balken als Bekrönung. Die von links herantretenden beiden Frauen sind nimbiert; die vordere schwingt ein Weihrauchfass in die Höhe, das bei ihrer Gefährtin zu erwartende Salbgefäß ist nicht zu erkennen. Der ebenfalls mit Nimbus versehene Engel trägt in der linken Hand einen Stab, von dem nur die Spitze erhalten blieb; von der seiner Aussage entsprechenden Zeigegeste blieb nur die Hand übrig.

Bei der abgebildeten Ampullenhälfte in Monza (und Die Ampulle in München ist bis auf ein kleines Loch ähnlichen Fragmenten in Bobbio) wurde auf eine vollständig (es fehlen das Gesicht und der rechte Arm Umschrift verzichtet, um den Raum für die dargedes Engels der Auferstehungsszene. Abb. 96). Nach stellten sieben Szenen zu vergrößern. Die sieben 113


Einzelbilder stellen bedeutende Stationen des irdischen Lebens Jesu dar und erinnern damit gleichzeitig an die von den Pilgern besuchten Orte Palästinas: die Verkündigung an Maria in Nazareth, die Begegnung von Elisabeth und Maria an einem durch zwei Säulen mit Kreuzen als Pilgerziel ausgewiesenen Ort, die Geburt Jesu in Bethlehem, seine Taufe im Jordan, die Kreuzigung, die Szene der Frauen am leeren Grab und die Himmelfahrt in Jerusalem. Der Engel der Verkündigung hat Maria nach einer Legende beim Spinnen für den Tempelvorhang überrascht, worauf Korb und Faden hinweisen. Sein Gruß ist im beigegebenen XεΡε (statt XΑΙΡε) – »sei gegrüßt!« zusammengefasst (Lukas I 28). Beim Geburtsbild ist zwischen Maria und Joseph und unter dem Kind mit Stern, Ochs und Esel eine Gittertür zu sehen, die den Eingang zur Geburtsgrotte in der Kirche in Bethlehem darstellt. Bei der Taufe ist über Jesus die Taube des heiligen Geistes zu sehen und gegenüber Johannes ist ein Engel dargestellt, der ein Tuch oder Gewand für den Getauften bringt. Die Bilder von Kreuzigung und Auferstehung Christi entsprechen denen auf der Ampulle in München, doch fehlen bei der Kreuzigung die vier Gestalten unter dem Kreuz und Christus ist am Kreuz lediglich als Büste wiedergegeben. Das Himmelfahrtsbild ist in zwei Zonen eingeteilt: unten steht Maria in Gebetshaltung zwischen den zwölf Aposteln, oben wird der thronende Christus in fast kreisförmigem Rahmen von zwei Engeln emporgetragen. Dieser Darstellungstypus ist seit dem frühen 5. Jh. nachzuweisen. In den Umschriften der Münchener Ampulle ist der Zusammenhang zwischen dem Öl, das sie enthielt, und der Kreuzreliquie festgehalten. Ein Fragment einer palästinischen Ampulle in Bobbio trägt die Umschrift: »Öl vom Holz des Lebens, das uns zu Lande und zu Wasser geleitet.« Hier ist bei der Heilund Schutzwirkung des Öles eigens an die Verwendung als Amulett für die Heimreise gedacht. Nicht selten ist auf den Ampullen eine weitere Umschrift zu finden: + ΕΜΜΑΝOΥΗΛ ΜΕΘ ΗΜωΝ O ΘΕOC – »Emmanuel, Gott mit uns« (Jesaja VII 14; Matthäus I 23). Diese Schutzanrufung ist für Amulette typisch und findet sich auch auf einem Sardonyx-Intaglio in Kraków (Abb. 219). Die Verwendung dieser Formel führt zu einer allgemeinen Frage: Wenn die Pilger an die Wunderkräfte eines Splitters der Kreuzreliquie, des Öls vom Holz des Lebens oder der Erde vom Grabe Christi glaubten – ist die Anwendung dieser krafterfüllten Materien zur Abwehr von Unheil und zur Heilung von Krankheiten als Magie zu bezeichnen? Die Antwort hierauf hängt davon ab, ob man Magie als heidnisches Erbe im Gegensatz zur christlichen

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Religion definiert, oder als legitimen Teil des Christentums ansieht. Bischof Augustinus von Hippo formulierte diesen Unterschied ganz deutlich: »Wenn du Kopfschmerzen hast, so loben wir es, wenn du dir das Evangelium auf den Kopf legst und nicht zu einem Amulett greifst ...; nicht, weil es zu diesem Zweck geschieht, sondern weil das Evangelium den (heidnischen) Amuletten vorgezogen wurde.« (tractatus in Joh. VII 12). In vielen frühchristlichen Texten wird Magie als Teil des Christentum beschrieben. Beispielsweise werden in einer Rede des Bischofs Ambrosius, die den frühesten Text der Kreuzauffindungslegende enthält, auch die von Konstantins Mutter Helena gefundenen Nägel erwähnt, mit denen Christus an das Kreuz genagelt wurde. Den einen fügte sie in Konstantins Pferdegeschirr ein, den anderen in sein Diadem. Ambrosius beschrieb die Schutzwirkung dieser Nägel: »Selig war Konstantin wegen einer solchen Mutter, die ihrem kaiserlichen Sohn die Hilfe einer göttlichen Gabe verschaffte, damit er durch sie auch in Schlachten sicher war und keine Gefahr zu fürchten hatte.« (de obitu Theodosii XXXXI). Wichtig war ihm die richtige Lokalisierung: »Mit Recht ruht der Nagel auf dem Kopf, damit dort, wo der Verstand ist, auch der Schutz sei.« (IIL). Die Steine und Holzsplitter von den Pilgerstätten des Heiligen Landes, die in einem Holzkasten gesammelt sind, waren Eulogien, Segensandenken, denen die Übel abwehrenden und Heilung bringenden Kräfte der von den Pilgern besuchten Orte innewohnten. Das Reliquiar besitzt einen Schiebedeckel, dessen Bemalung an der Unterseite vollständig erhalten blieb. Obwohl hier mehr Platz zur Verfügung steht als auf den Pilgerampullen, sind nur wenige Zufügungen zu deren Szenen angebracht. Bei der Taufe im Jordan erscheint nicht nur die Taube des Heiligen Geistes über Jesus, sondern auch die Hand des Vaters. Der Gekreuzigte ist in eine festliche lange Tunika (sog. Kolobium) gekleidet, hinter seinem Kopf sieht man die Spitze des Kreuzes mit der Tafel des Pilatus. Unter dem Kreuz stehen nicht nur Maria und Johannes, sondern auch Longinus mit der Lanze und Stephaton mit dem Essigschwamm (deren später erfundene Namen nicht im biblischen Text erwähnt sind). Auffällig ist die Szenenanordnung, in der die Kreuzigung nicht nur das Zentrum einnimmt, sondern auch in doppelter Größe dargestellt ist – und nicht etwa das Bild der Auferstehung als entscheidender christlicher Glaubenswahrheit (Paulus, 1 Korinther XV, 12–22). Dies ist mit der soeben beschriebenen Fixierung der Pilger auf die Reliquien des Kreuzes Christi zu erklären. In Entsprechung hierzu wird auch die Oberseite des Schiebedeckels von einem Kreuz beherrscht.


7b.  Ausgewählte Bauten in Rom, Italien und den westlichen Provinzen Die frühesten Fußbodenmosaiken eines christlichen Kultbaus, die erhalten blieben, befinden sich in Aquileia, einer in der römischen Kaiserzeit und Spätantike bedeutenden Handelsstadt am nördlichen Ende der Adria . Sie befinden sich im südlichen von zwei Hallenbauten, die unter einem Bischof Theodor errichtet wurden, von dem bekannt ist, dass er 314 an einem Konzil in Arles teilgenommen und bis 319 gelebt hat. Die Anlage lag weder im Zentrum der durch einen Fluss mit der Adria verbundenen Hafenstadt, noch im Gebiet des von Maximian und Konstantin zeitweise bewohnten Kaiserpalastes. Die beiden parallel angelegten Hallen hatten eine Länge von 37 m in WestOst-Richtung und ca. 20 und 18 m Breite. Sie besaßen jeweils sechs Stützen für das Dach und hatten keine Apsis. Der Abstand von 28 m zwischen ihnen war durch weitere Anlagen gefüllt, unter denen sich ein Baptisterium befand. Während die Mosaiken der Nordhalle, die meist Tierdarstellungen enthalten, erst

im Laufe des 4. Jhs. bis zu seinem Ende gelegt wurden, geht aus einer vom Christusmonogramm eingeleiteten Mosaikinschrift der Südhalle hervor, dass die dortigen Mosaiken auf Bischof Theodor zurückgehen: THEODORE FELI(x) (a)DIVVANTE DEO OMNIPOTENTE ET POEMNIO CAELITVS TIBI (tra) DITVM OMNIA BAEATE FECISTI ET GLORIOSE DEDICASTI – »Glücklicher Theodor, mit Hilfe des allmächtigen Gottes und der dir vom Himmel anvertrauten Herde hast du alles glücklich vollendet und glorreich geweiht.« Die Formulierung scheint anzudeuten, dass die Inschrift erst in die umgebenden Mosaiken eingefügt wurde, nachdem der Bischof die Arbeiten vollendet hatte. Doch wird dies heute allgemein verneint, weil bei einer Untersuchung vor fünfzig Jahren festgestellt worden ist, dass der Mörtel um die Tesserae der Inschrift und des umgebenden Meerbildes gleich aussieht. Eine Untersuchung mit modernen Methoden steht jedoch noch aus.

Abb. 98. Aquileia, Südhalle. Detail: Fischende Eroten.

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Abb. 99.  Detail: Meerwurf des Jonas

Das ausgedehnte, annähernd 750 m2 große Mosaik des frühen 4. Jhs. in der Südhalle enthält in neun, durch die sechs Stützen vorgegebenen Feldern im Hauptteil der dreischiffigen Halle eine Fülle von Motiven, für die zwar keine eigenständige christliche Bedeutung festgestellt werden kann, die jedoch in der Entstehungszeit weit verbreitet waren. Eingebettet in ornamentale Muster findet sich ein Schafträger zwischen Gazelle und Hirsch, so angebracht, dass er dem Eintretenden zugewendet war (der Eingang führte von der nördlichen Langseite in die Halle). Außerdem sieht man zahlreiche Bilder von Landtieren, Fischen und Vögeln, darunter auch einen Kampf zwischen Hahn und Schildkröte. Eine Victoria mit Kranz und Palmzweig zwischen Gefäßen mit Früchten und Ähren ist von Personifikationen der Monate mit ihren typischen Attributen umgeben. Fünf von zahlreichen Porträtbüsten sind mit den Bildern der vier Jahreszeiten verbunden, eine Bootsszene wurde durch ein Patriarchengrab des 13. Jhs. weitgehend 116

zerstört. In dem 20 m breiten und 8,40 m tiefen Mosaikfeld, das im Ostteil der Halle die ganze Breite des Raumes einnimmt, ist eine sehr lebhafte Meereslandschaft mit Seetieren, Fischerbooten und einzelnen Anglern auf Inseln dargestellt Die Fischer sind teils bekleidet, meist aber nackt und öfters durch Flügel als Eroten charakterisiert (Abb. 98). Doch finden sich in diesem Feld vier eigenständige christliche Motive: in der Mitte die an Theodor gerichtete Inschrift, links und rechts die drei Szenen des Meerwurfs, der Ausspeiung und der Ruhe unter der Kürbislaube aus der biblischen Jonaserzählung (Abb. 99–100). Vor 35 Jahren wurden zahlreiche Auffälligkeiten an den drei Szenen und ihrer Umgebung festgestellt und als Zeichen für eine nachträgliche Einsetzung gewertet. Diese Annahme wird heute fast allgemein abgelehnt, obwohl auch Mörteluntersuchungen mit modernen Methoden noch fehlen. Der Qualitätsunterschied der Jonasbilder zu den übrigen Meeresszenen wird damit erklärt, dass hier andere Mosaizisten arbeiteten und


Abb. 100.  Details: Ausspeiung des Jonas und Ruhe des Jonas unter der Kürbislaube

man mit den biblischen Szenen noch keine Erfahrung hatte. Den letzten Stand bildet allerdings die Feststellung von Restauratoren, dass die mit einer Tunika bekleidete Oransgestalt beim Meerwurf des Jonas nachträglich eingesetzt ist. Das Apsismosaik in der römischen Kirche S. Pudenziana ist das früheste der christlichen Kunst, das erhalten blieb (Abb. 101). Nach einer im 16. Jh. noch lesbaren Inschrift an seinem unteren Rand entstand es unter Papst Innozenz I. (402–417). Die Kirche wurde in eine ältere Thermenanlage eingebaut, worauf die geringe Wölbung der Apsis zurückgeht. Der Bau wurde zunächst nach Pudens, dem Besitzer des Grundstücks, als Titulus Pudentis bezeichnet. Im 6. Jh. wurde aus Pudens ein Heiliger, dann wird ein Titulus der heiligen Pudenziana erwähnt, und im 7. Jh. erhielt Pudenziana, die Tochter des Pudens, eine Schwester Praxedis, die mit ihr gemeinsam das Martyrium erlitten haben soll. Das Mosaik ist stark res-

tauriert, große Teile der vier apokalyptischen Wesen und die äußeren Apostel sind abgeschnitten, der untere Teil durch eine Balustrade verdeckt. Christus thront auf einem mit Gemmen geschmückten Thron zwischen den zwölf Aposteln, die von Paulus und Petrus angeführt werden. Auf dem Kodex, den Paulus präsentiert, stehen die ersten vier Worte des Matthäusevangeliums: LIBER GENERATIONIS I(esou) X(risti) – »Buch der Abstammung Jesu Christi«. Christus hat auf die Schultern fallende Haare, einen Bart und einen Nimbus, er trägt eine golddurchwirkte Tunica mit blauen Zierstreifen und einen Mantel. Auf dem aufgeschlagenen Buch in seiner linken Hand steht die Aufschrift Dominus conservator ecclesiae Pudentianae – »Der Herr (ist der) Bewahrer der Kirche des Pudens.« Die ecclesia ist zugleich der Kirchenbau und die Gemeinde in der Kirche. Zwei Frauen mit verhüllten Köpfen halten Kränze über die Apostelfürsten (die rechte ist völlig erneuert). Sie werden heute meist als Personifikationen der Heiden- und 117


Judenkirche angesehen, in Anlehnung an eine entsprechende Beschriftung auf der inneren Westwand der römischen Kirche S. Sabina (um 430). Hinter dem Dach der Halle, die den Vordergrund abschließt, erscheint in der Mitte ein Gemmenkreuz auf dem Golgothahügel, der von den Bauten Jerusalems flankiert wird. Neben dem Kreuz schweben die vier apokalyptischen Wesen auf den Wolken des Himmels. Sie tragen weder Schriftrollen noch Bücher. Zeichnungen des 16. und 17. Jhs. zeigen auf der Mittelachse unter dem Thron auch die Taube des Heiligen Geistes und das Christuslamm, doch wäre eine so tiefe Anbringung der Geisttaube sehr auffällig. Da in einer Zeichnung von Ciacconio von 1595 über der Taube auch das Monogramm des Papstes Hadrian I. (771– 795) zu sehen ist, könnte es sich um Ergänzungen seiner Zeit handeln. In der Forschung wird die Frage diskutiert, ob die Darstellung Christi mit den Aposteln eine überzeitliche Lehrversammlung oder das Endgericht wiedergeben soll. Doch dürfte die Frage »Lehrversammlung oder Weltgericht?« falsch gestellt sein, weil sie der Vielschichtigkeit spätantiker Bildwerke nicht Rechnung trägt. Die Lehrversammlung Christi kann gleich118

zeitig auch auf Christus als Richter beim Endgericht mit den daran beteiligten Aposteln hinweisen (Matthäus XIX 28). Das Kreuz ist zugleich das Passionskreuz auf dem Golgathahügel, ein Triumphkreuz und auch das Zeichen des Menschensohns bei seiner Ankunft zum Jüngsten Gericht inmitten der vier geflügelten Wesen. Diese können die apokalyptischen Wesen sein und trotz des Fehlens von Büchern auch Symbole der vier Evangelisten. Die Stadtansicht kann das zeitgenössische Jerusalem des 5. Jhs. darstellen, das Jerusalem des Weltendes und auch das himmlische Jerusalem. Die beiden Frauen bringen Petrus und Paulus ihre Siegeskränze und huldigen gleichzeitig dem thronenden Christus. Die Inschrift des Buches Christi kann sich auf zukünftige Ereignisse richten, dürfte sich allerdings vor allem auf die Gemeinde in der von den Westgoten unter Alarich bedrohten Stadt beziehen. Das Mosaik vereinigt verschiedene Inhalte in einem einzigen Bildzusammenhang. Wenige Jahre zuvor hatte Paulinus, der Bischof von Nola, zwei von ihm entworfene, nicht erhaltene Apsisbilder in Nola und in Fundi mit rein symbolischen Darstellungen beschrieben und auch er nannte für dargestellte Bildmotive jeweils mehrere Bedeutungen (epistula XXXII 10 und 17).

Abb. 101.  Rom, S. Pudenziana, Apsismosaik.


Abb. 102.  Rom, S. Maria Maggiore, Innenansicht zur Apsis.

Im Jahre 431 wurde auf einem Konzil in Ephesos und in nachfolgenden Verhandlungen bis 433 gegen Nestorius, den Patriarchen von Konstantinopel, für Maria die Eigenschaft als Mutter Gottes (»Gottesgebärerin«) bestätigt. Etwa gleichzeitig entstand in Rom unter Papst Sixtus III. (432–440) ein Neubau der Marienkirche S. Maria Maggiore. Es handelt sich um eine dreischiffige Basilika, deren Schiffe durch Säulen getrennt sind, die einen Architrav tragen. Über diesem blieb im Mittelschiff bis zu den Fenstern eine durchgehende Fläche für die noch erhaltenen alttestamentlichen Mosaiken (Abb. 102). Ebenfalls bewahrt blieben vom Mosaikdekor des frühen 5. Jhs. Bilder zur Kindheitsgeschichte Jesu am Triumphbogen (Abb. 103–104). Dieser war vor dem Einbau eines Querschiffs im 14. Jh., dem die Apsis zum Opfer fiel, die Apsisstirnwand. Die Wölbung der neuen Apsis wurde von Jacopo Torriti mit dem Mosaik einer

Marienkrönung geschmückt. Da es dieses Bildmotiv im 5. Jh. noch nicht gab, kann der Künstler nicht etwa den Dekor der früheren Apsis imitiert haben, dessen Inhalt unbekannt bleibt. Im Mittelschiff sind unter den Fenstern auf der Südseite Szenen aus dem Leben Abrahams, Isaaks und Jakobs wiedergegeben, auf der Nordseite Ereignisse aus der Geschichte des Moses und Josuas. Die Abfolge der Ereignisse ist chronologisch und beginnt jeweils beim Altarraum – mit zwei Ausnahmen: Die beiden ersten Bildfelder auf der Südseite enthalten Szenen, die nach dem Erzählungsablauf des Buches Genesis erst später einzuordnen waren. Die Begegnung Abrahams mit dem Priesterkönig Melchisedek, der ihm nach seinem Amalekitersieg Brot und Wein bringt und ihn segnet (Genesis XIV 18–20), und Abrahams Begrüßung und Bewirtung der drei Männer an der

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Eiche Mamre (XVIII 1–15) sind vor die früheren Geschehnisse aus Genesis XIII 5–18 und näher an den Altar der Kirche gestellt. Sie galten als alttestamentliche Vorbilder für das Opfer Christi, das nach christlicher Vorstellung auf dem Altar in der Eucharistie wiederholt wird. Eine ähnliche Szenenumstellung wurde im frühen 6. Jh. bei den neutestamentlichen Bildern in S. Apollinare nuovo in Ravenna vorgenommen (S. ). Die Darstellungen der Kindheitsgeschichte Jesu am Triumphbogen sind in vier waagerechten Zonen angeordnet. Der Zyklus beginnt in der obersten Zone links mit der Verkündigung an Maria. Dem heranfliegenden Engel Gabriel ist die Taube des Heiligen Geistes beigegeben. Maria, die mit Kleidung und Schmuck einer römischen Prinzessin sitzend wiedergegeben ist, hat einen Korb neben sich, weil sie mit dem legendären Spinnen für den Tempelvorhang beschäftigt ist (Pseudo-Matthäusevangelium IX 2). 120

Neben ihr stehen wie Thronwächter nimbierte Engel, von denen der vierte bereits zur folgenden Szene überleitet. Hier ist die Aufklärung der Zweifel Josephs durch einen Engel dargestellt (Matthäus I 18–25). Als nächstes Bild würde man eine Darstellung der Geburt Jesu erwarten, doch ist hier im Zentrum das später zu besprechende Bild des Thrones mit den Insignien Christi eingeschoben, so dass der Zyklus auf der rechten Seite mit der Darbringung Jesu im Tempel fortgesetzt wird (Lukas II 22–38). Hier stehen neben dem mit verhüllten Händen huldigenden Simeon jüdische Priester, doch statt des eigentlichen Schauplatzes, des Tempels in Jerusalem, ist der römische Tempel der Roma dargestellt. Dieser ist am Giebelbild der thronenden Roma und an den Medusenköpfen am Gebälk zu erkennen. Statt der bei Lukas erwähnten zwei Tauben des Opfers von Joseph und Maria sieht man auf den Tempelstufen die vier Tauben einer apokryphen Quelle (Pseudo-Matthäusevangelium XV 1). Es folgt der Engel, der dem schlafenden Joseph den Auf-

Abb. 103.  Detail: Triumphbogenmosaik, linke Hälfte.


Abb. 104.  Detail: Triumphbogenmosaik, rechte Hälfte

trag erteilt, mit Maria und dem Kind nach Ägypten zu fliehen (Matthäus II 13). Die Vorwegnahme dieses Bildes, das hinter die Huldigung der Magier in Bethlehem gehört (II 9–11), dürfte nur formale Gründe haben. Diese Huldigung füllt in der zweiten Zone die linke Hälfte und ist stark an kaiserlichen Vorbildern ausgerichtet. Um die alleinige Herrschaft Christi zu betonen, sitzt das Jesuskind auf einem übergroßen Thron, dessen Fußschemel es nicht erreichen kann. In seinem Nimbus zeichnet sich ein Kreuz ab, hinter ihm erscheint der Stern, der die Magier geführt hat, zwischen vier Engeln als Thronwächtern. Maria sitzt, wiederum vornehm gekleidet und mit einem geschlossenen Kodex in der Hand zur Rechten ihres Kindes. Die auf der Gegenseite sitzende Frau in dunkelblauem, über den Kopf gezogenem Mantel führt die rechte Hand wie zum Ausdruck des Nachdenkens ans Kinn und hält in der linken eine offene Buchrolle. Diese Gestalt wird meist als Vertreterin des Alten Bundes interpretiert. Ihre Buchrolle könnte auf die offenen

Weissagungen des Alten Testaments hinweisen, das geschlossene Buch der Maria auf deren eingetretene Erfüllung. Auf der rechten Seite des Bogens ist in dieser Zone ebenfalls eine Christushuldigung wiedergegeben, die meist in Ägypten lokalisiert wird (Pseudo-Matthäusevangelium XX–XXIV). In der folgenden Mosaikzone ist auf der linken Seite der Befehl des Herodes zum Kindermord in Bethlehem dargestellt (Matthäus II 16), auf der rechten die Begegnung der Magier mit Herodes in Jerusalem und dessen Befragung der Schriftgelehrten (Matthäus II 1–8). Diese Szene gehört chronologisch vor die Huldigung der Magier in Bethlehem. Doch offenbar sollten beide Darstellungen des mörderischen Königs unter den beiden Huldigungsbildern erscheinen. Im Scheitel des Bogens befindet sich in einem Medaillon die Darstellung des reichgeschmückten Thrones Christi mit dem Gemmenkreuz, seinem Perlendiadem und einer Andeutung seines Purpurgewandes. 121


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Außer mit Widderköpfen ist der Thron mit den Bildern der Apostel Petrus und Paulus geschmückt, und diese für die Gesamtkirche wichtigen römischen Lokalheiligen huldigen dem Thron auch von den Seiten her. Dass dieser Thron auch endzeitliche Bedeutung haben soll geht daraus hervor, dass die vier apokalyptischen Wesen (Offenbarung IV 1–8) mit Kränzen huldigen. Auch die Schafe vor den Städten Jerusalem und Bethlehem am unteren Rand des Mosaiks weisen in diese Richtung. Als Hinweis auf die zweite Ankunft Christi (Parusie) konnte dieses Bild die Darstellung der ersten Ankunft bei der Geburt in Bethlehem ersetzen. Der Urheber des Baus und seiner Dekoration, Papst Sixtus III., hat sich unter dem Thronbild als Bischof des Volkes Gottes nennen lassen: XYSTVS EPISCOPVS PLEBI DEI.

Abb. 105.  Rom, S. Sabina, Türflügel des Hauptportals, Zypressenholz, Höhe 5,30 m, Breite 3,12 m, Bemalungsreste nicht erhalten.

Die römische Basilika S. Sabina auf dem Aventin wurde nach der in einem Wandmosaik erhaltenen Bauinschrift im Auftrag eines aus Illyrien stammenden Presbyters Petrus unter Papst Coelestin I. erbaut, also zwischen 422 und 432 (Abb. 105). Nach einer Notiz des Liber Pontificalis (XLVI 9) soll die Kirche erst unter dessen Nachfolger Sixtus III. geweiht worden sein, als Petrus bereits Bischof war. In frühchristlicher Zeit gab es neben großen Türen mit zwei Flügeln auch eine Gruppe, bei der die Türflügel noch einmal unterteilt waren und mit Scharnieren gefaltet werden konnten. Hierzu gehört die Tür von S. Sabina. Die vier senkrechten Rahmen waren jeweils in sieben Felder aufgeteilt, vier kleinere von ca. 33 cm Breite und 23 cm Höhe und zwischen ihnen drei größere mit der selben Breite und ca. 80 cm Höhe. Von den in diese Felder eingesetzten Reliefplatten gingen auf der Innenseite der Tür elf verloren, auf der Außenseite zehn, jeweils im Unterteil der Tür. Die inneren Platten tragen dekorative Reliefs teils pflanzlichen, teil geometrischen Inhalts. Auf den achtzehn erhaltenen Platten der Außenseite sind elf alttestamentliche und dreizehn neutestamentliche Szenen dargestellt. Aus der biblischen Bildwelt fällt die Darstellung einer Huldigungsszene heraus, die trotz der fiktiven Anwesenheit eines Engels ein reales aktuelles Ereignis darstellen könnte. Der Mann, der in Oranshaltung dargestellt ist, dem sich ein Engel zuwendet und dem aus den beiden unteren Zonen akklamiert wird, ist durch die Bekleidung mit langärmeliger Tunika und einer Chlamys, die durch eine kreisförmige Fibel gehalten wird, als hochrangig erwiesen. Er steht zwischen gerafften Vorhängen im Eingang eines Gebäudes, das durch ein sehr großes, mit Gemmen geschmücktes Kreuz und zwei Türmen (siehe S. ) als Kirchenbau bezeichnet wird. Die Huldigungsachse in den beiden unteren Zonen ist nach links unter die Hauptgestalt verschoben. Verschiedene Schichten der

Bevölkerung nehmen an der Huldigung teil: Die einfachen Leute in der unteren Zone tragen über der Tunika die Paenula, vornehmere Bürger stehen eine Stufe höher und sind mit der Toga bekleidet. Der Rang des Empfänger der Akklamation liegt fest: Eine als Orans im Kircheneingang stehende hochrangige Persönlichkeit, der ein Engel beigegeben ist, kann nur ein Bischof sein. Die Vermutung liegt nahe, dass es sich bei dieser Darstellung um den Empfang oder sogar die Bischofswahl des Kirchenstifters Petrus handelt. In Bezug auf die künstlerische Qualität erreichen die Reliefs der Tür nicht das Niveau der gleichzeitigen Elfenbeindiptychen (Abb. ). Die Bauform der Kirche, die auf dem Caelius in Rom zum Gedächtnis des Märtyrers Stephanus errichtet wurde, ist einmalig und kann als die ausgefallenste der frühchristlichen Architektur bezeichnet werden (heute S. Stefano rotondo. Abb. 106–108). Die Bauzeit um das Jahr 460 ist durch Münzfunde und dendrochronologische Untersuchungen gesichert, also die Bestimmung von Jahresringen des verwendeten Holzes und ihre Einordnung in vorliegende Statistiken. Die Weihe erfolgte nach Angabe des Liber Pontificalis durch Papst Simplicius (468–483). Der Gedanke des Zentralbaus war ganz konsequent durchgeführt, denn die Kirche besaß keine richtunggebende Apsis. Vielmehr stand der mit einer Schrankenanlage verbundene Altar im Zentralraum, der einen Durchmesser von rund 23 m hatte. Dieses Zentrum war von 22 Säulen umgeben, die über ihrem horizontalen Architrav einen Tambour mit Fenstern trugen, über dem sich eine Kuppel aus Tonröhren erhob, also in Leichtbauweise. Es folgte nach außen hin ein gedeckter Umgang, der von Säulen gerahmt war, die Bögen trugen. Von hier gingen in kreuzförmiger Anlage vier hohe Räume aus, die bis zur äußeren Umfassungsmauer reichten, die einen Durchmesser von fast 66 m hatte. Diese Kreuzräume hatten jedoch in dieser Außenmauer keine Türen, lediglich kleine Fenster, von denen das mittlere kreuzförmig war. Zwischen den vier Kreuzarmen führten die Säulenstellungen des Umgangs in Räume mit geschlossener Rückwand, die Durchgänge zu den Kreuzarmen besaßen. Abwasserkanäle mit Verbindung zu einem äußeren Ringkanal lassen annehmen, dass diese Räume zunächst offen bleiben sollten, aber bald mit Tonnengewölben überdacht wurden. Die dann nach außen hin folgenden gangartigen Räume besaßen je zwei Türen in der Außenmauer und Durchgänge in die Kreuzarme. Der Zugang in die Kirche war also ganz bewusst indirekt angelegt, doch die Gründe hierfür sind unbekannt. Die heutige Apsis im einzigen erhaltenen Kreuzarm stammt erst aus der ersten Hälfte des 7. Jhs. 123


Ein weiteres bedeutendes Apsismosaik einer römischen Kirche bezeugt die Bedeutung, die der Heiligenverehrung in Rom im 6. Jh. zukam. Die Kirche der Heiligen Kosmas und Damian befindet sich in einem Gebäude nördlich der via sacra, der heiligen Straße des Forums, das zum Templum Pacis (Friedenstempel) gehörte (Abb. 109). Der Ostgotenkönig Theoderich hatte im Zuge seiner Rompolitik (S. ) den Bau restaurieren lassen. Nach seinem Tode im Jahre 525 übergab ihn seine Tochter Amalaswinta Papst Felix IV., der sich als Stifter der Kirche im Apsisbild und in der unter dem Lämmerfries befindlichen Inschrift auswies und darin auch die Weihe an die Ärzte und Märtyrer Kosmas und Damian bestätigte. Deren Lebensbeschreibungen ist zu entnehmen, dass die beiden Brüder Kranke ohne Entgelt heilten (Anargyroi). Trotz zahlreicher Fehlstellen, Beschneidungen und Renovierungen ist das Apsismosaik noch heute sehr eindrucksvoll. Mit Hilfe einer Zeichnung Ciampinis aus dem 17. Jh. lässt sich Fehlendes ergänzen. Im Zentrum der Darstellung steht Christus in goldenem Gewand und mit goldenem Nimbus auf den Wolken des Himmels. Er ist bärtig und mit langen Haaren wiedergegeben, hat die rechte Hand erhoben und hält in der linken eine geschlossene Buchrolle. Von der Hand des Vaters wird er aus dem Himmel bekränzt. Der Herr überragt nicht nur alle anderen Gestalten, er ist von ihnen auch durch den inschriftlich benannten Fluss Jordan getrennt. Die römischen 124

Ortsheiligen Paulus und Petrus in weißen Gewändern und in der typischen Haar- und Barttracht führen mit weisender Handbewegung die beiden aus dem Osten stammenden Brüder bei Christus ein, die mit verhüllten Händen Kränze bringen. Rechts schließt sich mit gleicher Huldigung der mit seinem Namen bezeichnete, ebenfalls östliche Märtyrer Theodor an. Papst Felix offeriert auf der linken Seite sein Kirchenmodell. Die genannten sechs Männer stehen auf einem mit Blumen geschmückten Wiesenstreifen, auf dem sich auch die seitlich abschließenden Palmen erheben, deren linke einen Phönix mit Strahlennimbus trägt (S. ). Im unteren Fries bewegen sich von beiden Seiten je sechs Lämmer aus den Städten Jerusalem und Bethlehem auf die Mitte zu, in der das mit einem Nimbus versehene Gotteslamm auf dem Hügel mit den vier Paradiesflüssen steht. Wenn in diesem Mosaik drei bisher in Rom unbekannte Märtyrer des Ostens eingeführt werden, so drängt sich die Vermutung auf, der Papst könnte in den Besitz von Reliquien dieser Heiligen gelangt sein. Die Details des Lämmerfrieses, der Städte Jerusalem und Bethlehem, des Jordan, der Palmen und des Phönix erinnern an römische Vorbilder des 4. Jhs., in denen die Gesetzesübergabe an Petrus dargestellt war (S. ). Die erste große Kirche Mailands im 4. Jh. wurde im Unterschied zur schon bestehenden als »neue Basilika« bezeichnet und erst später bei Ankunft von Reliquien

Abb. 106.  S. Stefano rotondo, axionomische Zeichnung. Abb. 107.  Zeichnung mit Dächern.

Abb. 108.  Blick ins Zentrum.


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der heiligen Thekla in S. Tecla umbenannt. Der Bau, dessen inzwischen zerstörte Reste sich unter dem heutigen Domplatz befanden, war in seiner ersten Phase eine fünfschiffige Basilika, deren Querschiff von den Seitenschiffen durch Mauern getrennt war. Die Säulenstellungen des Mittelschiffs liefen unverändert bis zur Apsis durch. Die Kirche könnte an den Anfang der Jahre gehören, in denen Ambrosius Bischof von Mailand war (374–394). Das zu ihr gehörende Baptisterium S. Giovanni in fonte, von dem Reste erhalten sind, ist durch einen Münzfund in diese Zeit datiert. Als Zentralbau mit achteckigem Grundriss hatte es einen Innendurchmesser von 12,80 m. In die 2,80 m starken Seitenwände waren Nischen mit abwechselnd rechteckigem und halbkreisförmigem Grundriss eingetieft, zwischen denen jeweils eine Säule stand. Eine Anregung durch den AchteckNischenbau eines kaiserlichen Mausoleums, das sich 126

vor den Toren Mailands bei S. Vittore befand, wäre möglich. Auch das Taufbecken in der Mitte war achteckig; es hatte einen Durchmesser von 5,56 m. Der Fußboden war mit weißem und schwarzen Steinen in unterschiedlichen Mustern belegt. In einer auf das Baptisterium bezogenen Versinschrift erfand Ambrosius eine neue Architektursymbolik für die Zahl Acht. Sein Text besteht nicht zufällig aus acht Doppelversen, von denen die ersten drei zitiert werden sollen. »Achtseitig erhebt sich der Tempel zu heiligem Gebrauch, achteckig ist der Brunnen gefasst, würdig dieser Aufgabe. In dieser Zahl musste das Haus der heiligen Taufe entstehen, in der den Völkern das wahre Heil gegeben wurde,

Abb. 109.  Rom, SS. Cosma e Damiano, Apsismosaik.


im Licht des auferstehenden Christus, der die Riegel des Todes löste, und aus den Gräbern die Toten erweckte.« Die hier aufgestellte Beziehung zwischen der Zahl Acht der Architektur und der Auferstehung Christi beruht auf einem Zahlenspiel mit der biblischen Erzählung. Christus starb am sechsten Tag der Woche, verbrachte den siebten Tag im Grabe und soll am achten Tag auferstanden sein – eigentlich aber am »ersten Tag der Woche« (Matthäus XXVIII 1, ebenso die anderen Evangelien).

Abb. 110.  Mailand, S. Lorenzo, Innenansicht.

Der außerhalb der Stadt Mailand zu Ehren des Märtyrers Laurentius errichtete Zentralbau ist nach Bränden und Erdbeben mehrfach neu errichtet worden (Abb. 110). Doch kann aus erhaltenen Details die ursprüngliche Form der Kirche rekonstruiert werden, bis auf die Kuppel, deren Typus unklar bleibt. Der Bau besaß an den Ecken vier quadratische Türme, zwischen denen sich alle vier Seiten in zweischaligen und zweistöckigen Exedren (Konchen) nach außen wölbten. Vor dem Eingang in der westlichen Konche lag ein großer Hof mit Säulenhallen (Atrium), aus den drei übrigen Exedren gelangte man in Anbauten verschiedener Größe. Der bedeutendste befindet sich im Süden, trägt den Namen S. Aquilino und ist durch eine Vorhalle mit Rundnischen an beiden Enden zu betreten (Abb. 111). Sein achteckiger Grundriss entspricht dem des Grabbaus bei S. Vittore und des Baptisteriums der Theklakirche. Über der unteren Zone mit acht Nischen folgt ein Fenstergeschoss unter der mit Hilfe von Amphoren aus verschiedenen Regionen Nordafrikas und des Mittelmeerraums gewölbten Kuppel. Von den Mosaiken der Vorhalle blieben nur geringe Reste erhalten, deren Beschriftungen jedoch eine Aufeinanderfolge von Patriarchen des Alten Testaments und von Aposteln und Märtyrern erkennen lassen. Von den Mosaiken des Hauptraums sind Reste in den Wölbungen zweier Rundnischen vorhanden. Sehr fragmentarisch und überwiegend nur durch eine Vorzeichnung zu ergänzen ist das Mosik in der östlichen Nische mit der Darstellung einer Gestalt im von vier Pferden gezogenen Wagen über einer am Wasser liegenden Hirtenlandschaft. Ob der Wagenlenker Christus als Sonnengott oder Elias bei seiner Himmelfahrt sein soll (2 Könige II 11), muss offen bleiben. Im Mosaik der westlichen Nische hebt sich die Darstellung Christi zwischen den zwölf Aposteln von einem durchgehenden Goldhintergrund ab. Christus ist jugendlich und bartlos, sein Kopf ist von einem weißen Christogrammnimbus mit den Buchstaben Alpha und Omega umgeben. Er sitzt weit über die Apostel erhöht auf Felsen, hat die rechte Hand im Redegestus erho-

ben und hält in der linken eine geöffnete Buchrolle. Wie die Apostel trägt er eine weiße Tunika mit dunklen Zierstreifen und einen weißen Mantel mit aufgesetztem Winkeldekor. Unter den Aposteln, von denen einige Bücher, andere Buchrollen tragen, sind Petrus und Paulus an den üblichen Details zu unterscheiden: Petrus sitzt zur Rechten Christi mit hellem, abgerundetem Haar und Bart, Paulus hat dunkles Haar, das auf der Stirn etwas zurückweicht, und einen dunklen, spitzeren Bart. In einem geöffneten Behälter zu Füßen Christi sind sieben Buchrollen zu sehen, deren Zahl an die sieben Schreiben in der Apokalypse erinnert (Offenbarung I–III), während die beiden Wasserläufe unter den Aposteln einen paradisischen Eindruck vermitteln. Dass es sich bei der Kirche S. Lorenzo um eine kaiserliche Stiftung handelte, zu der S. Aquilino als Grabbau gehörte, wird schon seit langem vermutet. Doch ist eine Zuweisung an einen bestimmten Kaiser als Auftraggeber nicht möglich, da die Datierung beider Bauten fraglich ist. Der Umstand, dass in den Fundamenten der Kirche und (davon getrennt) auch des Achteckbaus in großem Umfang Steinmaterial aus den äußeren Arkaden des nahegelegenen Amphitheaters Verwendung fand, kann zur Datierung kaum etwas beitragen. Nach der Verlagerung der kaiserlichen Residenz nach Ravenna im Jahre 402 ist die Errichtung eines solchen bedeutenden Baukomplexes allerdings kaum vorstellbar. Die frühchristliche Basilika S. Restituta in Neapel, die im Liber Pontificalis auf Konstantin zurückgeführt wird, ist seit der Errichtung des mittelalterlichen Domes des heiligen Januarius (S. Gennaro) nur noch 127


dessen seitlicher Anbau. Sie besitzt neben der Apsis ein Baptisterium, das ursprünglich als selbständiger Bau neben der Kirche stand. Diese Taufkirche hat einen quadratischen Grundriss mit einer Seitenlänge von 7,60 m. Die vier Ecken des Quadrats wurden durch Trompen (Gewölbezwickel) überbrückt, so dass ein Achteck entstand, das in die Kuppel überführt werden konnte. Der Mosaikdekor, der aus stilistischen und ikonographischen Gründen in das ausgehende 4. oder beginnende 5. Jh. datiert werden kann, zeichnet in seiner Komposition die architektonische Gliederung nach (Abb. 112). Im Scheitel der Kuppel befindet sich ein Medaillon, dessen Christussymbol den inhaltlichen Höhepunkt darstellt. An den Rahmen dieses Kreises schließen sich, durch dekorative Leisten getrennt, acht trapezförmige Bildfelder an, von denen vier zu den Ecktrompen führen, die vier anderen zu den geraden Seiten des Quadrats. In deren Oberteil sind jeweils zwei Apostel oder Heilige dargestellt, deren Kranzhuldigung zweifellos auf das Christuszeichen im Kuppelscheitel gerichtet ist. In den Trompen sind die vier apokalyptischen Wesen 128

dargestellt. In den schmalen Streifen über ihnen erscheint jeweils ein Hirt zwischen unterschiedlichen Tieren. Das Scheitelmedaillon enthält vor einem dunklen Himmel mit achtstrahligen Sternen ein goldenes Monogrammkreuz mit ausschweifenden Armen und die apokalyptischen Buchstaben Alpha und Omega. Der obere Teil des Kreuzes mit der Rhoschleife ist von einem durchsichtigen Nimbus umgeben und darüber erscheint die Hand Gottes mit einem Kranz, der in der Mitte eine Gemme enthält. Beide Motive, der Nimbus und die Bekränzung aus der Höhe, finden sich sonst bei figürlich dargestellten Personen (Bekränzung des Kaisers: Abb. , von Maria mit dem Kind: Abb. ). Hier in Neapel verdeutlicht der Kontext den Symbolcharakter des Christusmonogramms: Es soll nicht nur auf Christus hinweisen, sondern ihn vertreten. Auch die Ausrichtung des Monogrammkreuzes ist nicht zufällig gewählt. Es war nicht für die im Westen Eintretenden zu lesen, sondern von Osten her. Vielleicht sollten die Täuflinge es erst dann lesen können, wenn sie sich nach der Taufe im Osten des Raumes befanden.

Abb. 111.  S. Aquilino. Mosaik einer Nischenwölbung: Christus mit Aposteln.


Abb. 112.  Neapel, Baptisterium, Gesamtskizze der Mosaiken.

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Ein besonderes Motiv im Rahmen des Scheitelmedaillons konnte man allerdings schon beim Betreten des Raumes richtig erkennen: einen mit Nimbus ausgestatteten Phönix (S. ), der zwischen paarweise angeordneten Palmen und Vögeln in seinem Nest steht. Der sorgfältig ausgeführte Rahmen enthält, durch Bäume mit kleinen Vögeln getrennt, noch vier weitere Bilder mit unterschiedlichen Vogelpaaren, die abwechselnd Gefäße oder Körbe mit Früchten flankieren. Im Oberteil der acht trapezförmigen Felder sind unter Vorhängen noch einmal Vögel zu Seiten von Gefäßen dargestellt, die mit Blumen, Blättern und Früchten gefüllt sind. Darunter befinden sich figürliche Szenen, von denen noch einige neutestamentliche Bilder und die Gesetzesübergabe an Petrus zu erkennen sind. Ein kleines Baptisterium im ligurischen Albenga folgt in der Achteckform des Baus (außen später gestört) und des Taufbeckens, wie auch mit seinen abwechselnd halbkreis- und rechteckförmigen Nischen wie viele andere in Norditalien und Südgallien dem Baptiste130

rium von Mailand (Abb. 113). Innerhalb der frühchristlichen Kunst einmalig sind die auf die göttliche Dreifaltigkeit hinweisenden Mosaiken, mit denen wohl um 500 die dem Eingang gegenüberliegende rechteckige Nische geschmückt wurde. An der Bogenvorderseite befindet sich eine Inschrift mit Heiligennamen, die trotz einiger Fehlstellen so zu verstehen ist, dass Heilige genannt sind, von denen sich in Albenga (im Baptisterium oder in der Kirche) Reliquien befanden: Stephanus, Johannes der Evangelist, Laurentius, Navor, Felix, Protasius und Gervasius. Auf der Nischenwand über dem Fenster rahmen zwei Lämmer ein Gemmenkreuz. In der Fensterlaibung führen Blätter auf einen mittleren Kreis zu, der einen Anker enthält. Das Hauptbild an der Bogenunterseite enthält ein in seiner Größe und Farbgebung dreifach gestuftes Christogramm auf drei ebenfalls farblich unterschiedenen konzentrischen blauen Kreisen (Abb. 114). Auch die apokalyptischen Buchstaben Alpha und Omega sind dreimal in verschiedenen Farben wiederholt. Um dieses Zentrum herum bewegen sich links und rechts jeweils sechs

Abb. 113.  Albenga (Ligurien), Baptisterium. Nische mit Mosaiken.


Tauben auf ein Kreuzmedaillon zu. Die verbleibende Eine Besonderheit in der spätantiken Kunst NordafFläche ist mit Sternen gefüllt, die sehr regelmäßig in rikas wurde bereits im Abschnitt über die Kunst im Grabbereich behandelt, nämlich die weite Verbreitung Linien und Reihen angeordnet sind. von Grabmosaiken im Fußboden von Kultgebäuden. In der frühchristlichen Kunst gab es drei verschiedene Als weitere Eigentümlichkeit ist zu erwähnen, dass Möglichkeiten, die eigentlich nicht darstellbare gött- sehr viele Kirchen seit dem ausgehenden 5. Jh. und liche Dreifaltigkeit zu verbildlichen. Als typologischen vor allem in der byzantinischen Zeit nach 534 gegenHinweis konnte man die drei Besucher bei Abraham über der bestehenden Apsis eine zweite Apsis oder an der Eiche Mamre einander gleich darstellen. (Ge- ein weiteres Sanktuarium erhielten. Im Unterschied nesis XVIII 1–15; Abb. ). In symbolischer Weise zu einigen Kirchen Spaniens, die von Anfang an zwei gab man Jesus als Gotteslamm oder bei der Taufe im Apsiden besaßen, handelt es sich bei den nordafriJordan die Taube des heiligen Geistes und die aus kanischen Beispielen um nachträgliche Zufügungen. dem Himmel kommende Hand des Vaters bei Hierfür sind zwei Erklärungen möglich. Bei einer (Abb. ). Die dritte Lösung ist die zahlensymbo- größeren Anzahl der Fälle war die Basilika ursprünglische, die im Baptisterium von Albenga in überzeu- lich nach Westen gerichtet, so dass die zweite Anlage gender Weise vorgetragen ist. Erheblich bescheidener der inzwischen als Standard verbreiteten Orientierung wirkt diese Symbolik, wenn in S. Vitale in Ravenna entsprach. Auffällig ist auch, dass besonders häufig (Abb. ) in einem Medaillon mit dem Kreuz der in einer der beiden gegenüberliegenden Choranlagen Hintergrund drei Farben aufweist. In der Kathari- Gräber oder sogar durch Inschriften oder Reliquiare nenkirche auf dem Sinai (Abb. 147–148) findet sich gesicherte Märtyrergräber gefunden wurden. Die eine solche Farbabstufung hinter einem Kreuz und Taufe wurde nicht in selbständigen Bauten vorgenommen, sondern in Nebenräumen der Kirchen, die auch hinter dem Gotteslamm. als Baptisterien dienten und in denen bisweilen der Fußboden und das ganze Taufbecken mit farbigen

Abb. 114.  Detail: Mosaik mit Christogramm in der Bogenlaibung.

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Mosaiken ausgestattet wurde (Abb. 115). Am besten erhalten blieben mit Mosaiken geschmückte Taufbecken aus Bekalta (Nähe El Djem/Tunesien), Sufetula (Sbeitla/Tunesien) und Demna (Kelibia/Tunesien). Am letzten Ort befand sich das Baptisterium in einem quadratischen Nebenraum an der Apsis. Das kleeblattförmige Taufbecken mit kreisförmiger Einfassung ist in den Boden eingetieft und erhebt sich nur wenig über dem Fußbodenmosaik des Raumes. Dieses zeigt in den Zwickeln vier Weingefäße (Kantharoi), aus denen Weinranken sprießen. Auf der Einfassung sieht man in den Zwickeln des Kleeblatts Quadrate mit Kreismotiven, die an die Basen der Säulen für einen Baldachin über dem Becken erinnern, von denen in Sbeitla noch Reste erhalten blieben. Dazwischen verläuft eine Stifterinschrift in vier Abschnitten, die jeweils in der Mitte durch ein Christusmonogramm mit den Buchstaben Alpha und Omega geteilt sind.

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Wir erfahren hier, dass Aquinius und seine Juliana mit ihren Kindern Villa und Deogratias dem seligsten Bischof Cyprianus und Adelfius, dem Priester dieser Stadt, die Mosaiken für alle Zeiten gestiftet haben. Das Christusmonogramm mit Alpha und Omega wird im Boden des Beckens und in den vier Ausbuchtungen wiederholt und außer vier brennenden Kerzen, einem Kelch und einem Baldachin über einem Kreuz finden sich nur pflanzliche Motive, Vögel und Fische. Ebenso, wie in den Mosaiken der beiden anderen erwähnten Taufbecken ist im Dekor auf menschliche Gestalten verzichtet worden. Sicher bald nach ihrer Ankunft in Ravenna im Jahre 426 (S. ) ließ Galla Placidia die Kirche S. Giovanni Evangelista errichten. Die dreischiffige Basilika entstand in Erfüllung eines Gelübdes, das die Kaiserin in Seenot Johannes dem Evangelisten für den Fall

Abb. 115.  Tunis, Nationalmuseum Bardo, Taufbecken mit Mosaikschmuck. Fundort Demna (Kelibia, am Cap Bon).


Abb. 116.  Mausoleum der Galla Placidia, Außenansicht.

➤ Abb. 117.  Innenansicht nach Süden.

ihrer Rettung gemacht hatte. Bei welcher Seereise sich dies ereignete, ist unbekannt. Der Heilige war wegen ähnlicher Ereignisse in seiner legendären Biographie für solche Gefahren zuständig. Das Gelübde war in einer Apsisinschrift erwähnt, deren Text überliefert ist: »Dem heiligen und seligsten Apostel Johannes dem Evangelisten erfüllte die Augusta Galla Placidia mit ihrem Sohn, dem Augustus Placidus Valentinian, und ihrer Tochter, der Augusta Justa Grata Honoria, das Gelübde für die Befreiung aus den Gefahren des Meeres.« Seenot und Errettung waren in zwei Schiffsbildern über dem Apsisbogen dargestellt. Hier befand sich auch ein Bild, in dem Christus an Johannes ein Buch übergab, wahrscheinlich das der Apokalypse. Auch der Mosaikschmuck der Apsis ist nur durch Beschreibungen aus dem späten Mittelalter bekannt. Hier erschienen erstmals Kaiserbilder im Kirchenraum, und dies in beachtlichem Umfang, um die Legitimität der Herrschaft Galla Placidias und ihres Sohnes zu dokumentieren. Die Apsiswölbung beherrschte (außer zwölf Büchern als Hinweis auf die zwölf Apostel) ein Bild des thronenden Christus, der mit der linken Hand ein geöff-

netes Buch hielt, dessen lateinische Aufschrift eine der Seligpreisungen aus der Bergpredigt wiedergab (Matthäus V 7): »Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Erbarmen finden.« Der Apsisbogen war mit der Darstellung von zehn Kaisern des östlichen und des westlichen Teils des Imperiums geschmückt, die mit Konstantin dem Großen anfingen und vermutlich in Medaillons erschienen. Unter dem thronenden Christus befand sich an der Apsiswand das Bild eines Bischofs, der in Gebetshaltung im Beisein eines Engels am Altar stand. Die Überlieferung, dass es der 432 geweihte Bischof Petrus Chrysologus gewesen sei, ist unsicher. Dieses Bild war von Darstellungen zweier Kaiserpaare des Ostreiches gerahmt, die nach Ausweis einer Inschrift Gaben darbrachten, natürlich nicht dem Bischof, sondern – durch seine Vermittlung – dem in der Höhe thronenden Christus. Es handelte sich auf dem Ehrenplatz zur Rechten Christi um den bereits verstorbenen Arkadius mit Eudoxia und auf der anderen Seite um den zur Zeit regierenden Theodosius II. mit Eudokia. Der nicht erhaltene Apsisdekor dieser Kirche scheint die Anordnung der mehr als einhundert Jahre späteren 133


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Abb. 120.  Monatsmosaik aus Karthago, verschollen. Zeichnung.

Kaisermosaiken in der Apsis von S. Vitale beeinflusst Kreuz Christi außer ihrem Namen auch die Form, zu haben (Abb. ). ist durch Ausgrabungen bestätigt worden. Auch der Grundriss des ursprünglich vom Narthex aus zuEin Juwel der frühchristlichen Mosaikkunst ist die gänglichen Mausoleums hat die Form eines lateiniAusstattung der Grabkapelle, die Galla Placidia in schen Kreuzes: Die längere Achse von 12,75 m Länge Ravenna errichten ließ (Abb. 116). Das Mausoleum führt vom Eingang nach Süden, die Querachse ist war an das Südende der Eingangshalle (Narthex) der 10,25 m lang (Abb. 117). Für eine Bestimmung als von ihr gestifteten Kirche S. Croce angebaut, von der Grabbau spricht der originale, für solche Bauten nur Grundmauern erhalten blieben. Die Nachricht typische Pinienzapfen auf dem Dach, aber es gibt des Historikers Agnellus (9. Jh.), die Kirche habe vom keinen Hinweis darauf, dass die Kaiserin, die 450 in 136

Abb. 118.  Gewölbemosaik.


Rom starb, hier beigesetzt wurde. Wegen der starken Erhöhung des Bodenniveaus der Umgebung wirkt der Bau heute außen disproportioniert. Die Wände sind durch flache Bogennischen gegliedert, die inneren Gewölbe sind durch Giebeldächer verdeckt. Im Innern schließen an die Gurtbögen des Mittelquadrats nach außen Tonnengewölbe über den Kreuzarmen an, nach oben zunächst senkrechte Wände mit Fenstern und dann über deren oberen Bögenabschlüssen eine Kuppel. Es handelt sich nicht um eine Pendantivkuppel, deren Durchmesser der Seitenlänge des Grundquadrats entspräche; vielmehr stimmt ihr Durchmesser mit der Diagonale des Grundquadrats überein. Diese Art der Kuppel wurde auch in der Kaiserzeit nur für sehr kleine Räume verwendet, da sie erheblich flacher und daher instabiler ist als die Kuppel über einem Kreis (Pantheon in Rom) oder Achteck (Kirche der Heiligen Sergios und Bakchos, Abb. 137–138) und die Pendentivkuppel (Hagia Sophia, Abb. 139). Der Mosaikschmuck, der sich im Inneren des Gebäudes über einer unteren Zone mit Marmorverkleidung ausbreitet, ist in zwei deutlich unterschiedenen Richtungen konzipiert, das Erdgeschoss vom Eingang im Norden nach Süden, das Kreuz im Gewölbe und die ihm huldigenden Apostel in Ostrichtung (Abb. 118). In den Bogenfeldern am Ende der Kreuzarme wird die Nord-Süd-Achse betont. Beim Eintreten erblickt man im Süden ein dreiteiliges Bild mit einem Evangelienschrank, einem Rost und einer Gestalt, die einen Kreuzstab trägt, im Norden über der Tür ist Christus als Hirte dargestellt – während im Osten und Westen nur gleichförmige Rankenfelder mit zwei Hirschen am Wasserquell zu sehen sind. In der Gestalt mit Kreuzstab und Kodex, die im Süden neben den Flammen des mit Rädern versehenen Rostes steht, wird meist der heilige Laurentius erkannt, der auf einem Rost das Martyrium erlitt. Sein Kodex ist ein Hinweis auf das Amt als Diakon, ebenso der geöffnete Schrank mit den inschriftlich benannten vier Evangelienbüchern. Die drei Bildmotive sind ohne Überschneidung nebeneinandergesetzt. Dies gilt für alle Details der Mosaikausstattung; am auffälligsten ist es beim Bild des sitzenden Hirten mit sechs Schafen in felsiger Landschaft über dem Eingang. Dass hier Christus dargestellt wird, ist wegen des Kreuzstabs, des Nimbus und der Bekleidung mit goldener Ärmeltunika und Purpurmantel unverkennbar. Mit den Tonnengewölben über den vier Kreuzarmen des Baus ändert sich die Ausrichtung der Mosaiken. Jetzt sind die Mosaiken in der Nord-Süd-Richtung rein dekorativ – mit Ausnahme eines Kreises mit einem Kreuz am nördlichen Gurtbogen, das als übelabwehrendes Zeichen natürlich der Eingangstür zugeordnet sein

musste. Betont sind dagegen die Gewölbe in WestOst-Richtung, in deren Rankenmosaiken je zwei Apostel zu Seiten von Kränzen mit Christusmonogramm und den apokalyptischen Buchstaben Alpha und Omega stehen. Sie vervollständigen die Zwölfzahl der Apostel, wenn man sie den acht Aposteln unter der Kuppel an die Seite stellt, die alle ebenso nach Osten ausgerichtet sind, wie das Kreuz im Kuppelmosaik, dem sie huldigen. Allerdings sind sie nicht symmetrisch auf Petrus und Paulus verteilt, sondern folgen alle über die Ecken hinweg Petrus, dessen Vorrang betonend. Der kreisförmig um das Kreuz angeordnete Sternenhimmel des Kuppelgewölbes wird von 567 Sternen gebildet (3 in 4facher Potenz mal 7). Die Wahl der in der Antike besonders wichtigen Zahlen drei, vier und sieben hatte vermutlich eine besondere Bedeutung, doch weder können wir diese bestimmen, noch wissen wir, wieviele Betrachter in der Entstehungszeit hier eine Zahlensymbolik erkennen und nachvollziehen konnten. Die in den Ecken des Gewölbes befindlichen zweiflügeligen Ober- oder Vorderteile von Löwe, Stier, Mensch und Adler sind in derselben Reihenfolge angeordnet wie die Vier Wesen, die in der Apokalypse des Johannes den Thron Gottes umgeben (Offenbarung IV 6–8). Zwar tragen sie keine Bücher als Hinweis auf die vier Evangelien, weist man sie diesen jedoch in der schon damals üblichen Weise zu, so erkennt man, dass sie ebenso angeordnet sind, wie die Evangelienbücher im Laurentiusbild: Markus, Lukas, Matthäus und Johannes. Der Richtungswandel der Kreuzhuldigung wird meist damit erklärt, dass das Kreuz als im Osten aufsteigendes »Zeichen des Menschensohnes« auf die Wiederkehr Christi im Osten hinweist. Allerdings ist die Textgrundlage hierfür recht unklar: »Denn wie der Blitz bis zum Westen hinleuchtet, wenn er im Osten aufflammt, so wird es bei der Ankunft des Menschensohnes sein.« (Matthäus XXIV 27). »Danach wird das Zeichen des Menschensohns am Himmel erscheinen; dann werden alle Völker der Erde jammern und klagen, und sie werden den Menschensohn mit großer Macht und Herrlichkeit auf den Wolken des Himmels kommen sehen.« (Matthäus XXIV 30). Die wahrscheinlich von Bischof Ursus als fünfschiffige Basilika errichtete erste Bischofskirche Ravennas blieb nicht erhalten, da sie im 18. Jh. durch einen Neubau ersetzt wurde. Sie befand sich auf einem Bodenniveau, das etwa drei Meter unter dem heutigen lag. Dies wird durch das zu dieser Kirche gehörige Taufhaus (Baptisterium) angezeigt, das erhalten blieb, wenn auch mit starken Veränderungen der Architektur und der Innenausstattung, die Bischof Neon (451–473) vornehmen ließ. Im Unterschied zum späteren Baptisterium der Arianer (Abb. ) wird 137


Abb. 121.  Ravenna, Baptisterium der Arianer, Kuppelmosaik.

der Bau meist als Baptisterium der Orthodoxen bezeichnet. Der achteckige, mit vier Ecknischen versehene Bau besaß im Inneren (Durchmesser ohne Nischen 12,10 m) ursprünglich eine flache Holzdecke. Bischof Neon ließ in die Ecken der Fensterzone Säulen stellen, die als Auflage für acht Zwickel dienten, mit denen die Überleitung vom Achteck in die Kreisform einer Kuppel erfolgte. Diese wurde aus horizontal gelegten leichten Tonröhren gefertigt, so dass zu ihrer Lastabtragung keine Verstärkung der Wände nötig war. Auf Neons vier biblischen Mosaiken in den Bögen der untersten Zone weisen nur noch Inschriften hin. Die Bogenzwickel sind mit Ranken und Prophetengestalten geschmückt. Der einst farbig gefasste Stuckdekor der Fensterzone enthält 16 stehende Figuren mit Büchern oder Schriftrollen in den 138

Nischen, Tiere und biblische Szenen in den Lünettenfeldern darüber. Aus den Mosaiken in den acht Zwickeln der Fensterzone wachsen hohe Pflanzengebilde auf, die in der untersten Kuppelzone ebensoviele prächtige, dreiteilige Säulenarchitekturen voneinander trennen. In deren Mittelfeld sieht man abwechselnd einen Tisch mit einem aufgeschlagenen, namentlich bezeichneten Evangelienbuch und einen Thron für ein Purpurgewand und ein Kreuzmedaillon. In der nächsthöheren Mosaikzone befinden sich die zwölf Apostel, die im Schema der »Vertikalen Huldigungsrichtung« mit ihren Kränzen Christus huldigen, dessen Taufe im zentralen Medaillon dargestellt ist (Abb. 119). Die namentlich bezeichneten Gestalten


Abb. 122.  Ravenna, S. Apollinare nuovo, Innenansicht nach Südosten.

sind durch pflanzliche Gebilde eingerahmt und tragen ihre Kränze im Ehrfurchtsgestus der verhüllten Hände. Die Kopftypen sind abwechslungsreich, die Bekleidung wechselt zwischen goldenem Mantel über weißer Tunika und weißem Mantel über goldener Tunika. Das Bild der Taufe Christi im Wasser des Jordan, der auch als Personifikation beigegeben ist, ist stark restauriert. Es befindet sich senkrecht über dem Taufbecken (Reste des ursprünglichen Exemplars wurden in der Tiefe gefunden). Ein Vergleichsbeispiel soll das Schema der »Vertikalen Huldigung« für einen kreisförmigen Dekor weiter veranschaulichen. Es handelt sich um ein nach der Weltausstellung in Paris 1889 spurlos verschwundenes Fußbodenmosaik aus Karthago (Abb. 120). In der äußeren Zone des Mittelbildes sind die Personifikationen der zwölf Monate dargestellt, die mit ihren Gaben der Personifikation der Erde (terra) huldigen, die mit einem

Füllhorn im zentralen Kreis thront. Die zwölf Monate sind ebenso in zwei Hälften aufgeteilt, wie die Apostel in Ravenna. Allerdings führen nicht Dezember und Januar die beiden Züge an, sondern Januar und Februar. Durch diese Verschiebung wurde erreicht, dass zwei offenbar mit positiven Vorstellungen verbundene Monate sich an der Huldigungsachse gegenüberstehen. Der Ostgotenkönig Theoderich war nach der Ausschaltung Odoakers in Ravenna bemüht, zusätzlich zu seiner zwangsläufig vorgegebenen Zusammenarbeit mit Konstantinopel auch ein positives Verhältnis zur römischen Verwaltung einzurichten, da ohne deren Unterstützung Italien nicht zu regieren war. Er ließ Bauten in Rom restaurieren und feierte hier sein 30. Regierungsjubiläum im Jahre 500 mit Veranstaltungen im Circus maximus und im Amphitheater.

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Schließlich ließ er auch Münzen mit der Stadtgöttin Roma und der römischen Wölfin mit Romulus und Remus prägen. Doch residierte er bis zu seinem Tode in Ravenna und investierte dort in die Infrastruktur und in Palast- und Kirchenbauten. Er war Anhänger des arianischen Christentums (S. ), ließ jedoch nicht etwa bereits vorhandene orthodoxe Kirchenbauten für den arianischen Kult umwidmen, sondern errichtete eine eigene Kathedrale mit zugehörigem Baptisterium und einer Bischofsresidenz .

gang. Die Kuppel unterscheidet sich von der Tonröhrenkuppel des Neon, da sie wie der übrige Bau aus Ziegeln besteht. Wie im Baptisterium der Orthodoxen (Abb. 121) ist im Kuppelscheitel die Taufe Christi im Jordan dargestellt, doch bezieht sich die Huldigung der Apostel in der unteren Zone hier nicht auf dieses Bild, sondern auf einen eigens eingefügten Thron mit dem siegreichen Kreuz Christi. Versuche, die Unterschiede in der Bauform und im Kuppelmosaik gegenüber dem Baptisterium der Orthodoxen auf Besonderheiten im arianischen GlaubensbeVom Schmuck der Kathedrale Theoderichs (heute kenntnis oder Taufritus zurückzuführen, bleiben die Kirche S. Spirito) blieb nichts erhalten, vom In- Vermutung. nendekor der zugehörigen Taufkirche nur der Mosaikschmuck der Kuppel. Der Bau ist achteckig wie Der Palast König Theoderichs blieb nicht erhalten, das Baptisterium der Orthoxen, sein Durchmesser jedoch die Palastkirche, heute S. Apollinare nuovo aber nur etwas mehr als halb so groß. Von den vier (Abb. 122). Der Bau erhielt diesen Namen erst im Nischen ist die östliche erheblich größer, die übrigen 9. Jh., als die Gebeine des Heiligen von der Apollinasieben Seiten des Achtecks umgibt ein schmaler Um- riskirche in Classe (Abb. 131), der Hafenstadt Raven-

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Abb. 123.  Mosaikdetail: Palatium des Theoderich.


Abb. 124.  Mosaikdetail: Weltgericht.

nas, in das Stadtinnere überführt wurden. Als Theoderich den Bau errichten ließ (wohl seit 520), wurde er Christus, dem Retter (salvator), geweiht. Nach der Übernahme für den orthodoxen, dem Christusbild des Konzils von Nikaia (325) folgenden Kult in der Mitte des 6. Jhs. hieß die Kirche San Martino in Ciel d’oro – »S. Martin mit dem goldenen Himmel« (eine Anspielung auf den Deckendekor). Der basilikale Bau, dessen ursprüngliche Apsis einstürzte und verloren ist, besitzt zwischen dem Mittelschiff und den beiden Seitenschiffen Säulen aus prokonnesischem Marmor mit Kapitellen, die aus Konstantinopel importiert wurden. Sie tragen die Bögen, auf denen die Fensterwand des Mittelschiffs ruht, die einen reichen, in drei Zonen übereinander angeordneten Mosaikschmuck trägt. Die unterste Zone zeigt im Süden einen Zug von Märtyrern mit Kränzen auf verhüllten Händen, der von der ummauerten Stadt Ravenna (CIVITAS RAVENN [a]) mit dem Palast (PALATIUM) ausgeht und in Nähe des Altars auf den zwischen vier Engeln mit Stäben thronenden Christus trifft (Abb. 123–1241). Auf der Nordseite sind Märtyrerinnen dargestellt, die ebenfalls auf verhüllten Händen Kränze tragen. Ihr Huldigungszug beginnt bei der Hafenstadt Classe (CIVITAS CLASSIS), wird von den drei Magiern aus der Kindheitsgeschichte Jesu

angeführt und endet bei Maria mit dem Kind, die wiederum zwischen vier Engeln thront. Diese Huldigungszüge stammen aus der Zeit der Übernahme der Kirche für den orthodoxen Kult unter Bischof Agnellus. Auf die Zeit Theoderichs gehen nur die Darstellungen der Städte Ravenna und Classe und die beiden Thronbilder zurück. An den Säulen des Palastes sind noch die Hände der Personen zu sehen, die ursprünglich zwischen den Säulen standen und dann durch Vorhänge ersetzt wurden. Die hier einst stehenden Gestalten müssen ebenso wie die Vorläufer der Märtyrerinnen und Märtyrer zum Hof Theoderichs gehört haben. Ihre Bilder konnten daher das Ende der gotischen Herrschaft nicht überleben. Die Mosaiken von Propheten und Aposteln zwischen den Fenstern stammen ebenso aus der Zeit Theoderichs wie der Schmuck der obersten Zone. Hier sind auf jeder Seite des Mittelschiffs in dreizehn Feldern von ca. 1,35 m Breite und 1,00 m Höhe Szenen des Neuen Testaments zu sehen. Sie sind durch Dekorfelder voneinander getrennt, die Kränze für die darunter stehenden Propheten enthalten. Beide biblischen Zyklen beginnen am Altarraum. In den Bildern der Nordseite ist Jesus jung und bartlos dargestellt und hat einen begleitenden Jünger zur Seite; Marmortesserae wurden für Gesichter, Hände und Füße ver141


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Abb. 126.  Ravenna, S. Vitale, Außenansicht von Süden.

Abb. 125.  Ravenna, Mausoleum des Königs Theoderich, Außenansicht.

wendet. Hier sind Ereignisse, Wunder und Gleichnisse Christi von der Berufung der Apostel (Matthäus IV 18–22) bis zur Heilung des Gelähmten dargestellt. Ein vermuteter Einfluss arianischer Vorstellungen auf die Szenenauswahl konnte bisher nicht belegt werden. Nach dem biblischen Text müsste die Berufung der ersten Jünger die erste Szene sein, doch man stellte zwei Szenen an den Anfang und damit in die Nähe des Altars, die in der frühchristlichen Literatur als Hinweis auf die Eucharistie gedeutet wurden, nämlich das Weinwunder auf der Hochzeit zu Kana (Johannes II 1–11; falsch ergänzt, aber durch eine Zeichnung Ciampinis aus dem 17. Jh. gesichert) und die wunderbare Vermehrung der Brote und Fische (Matthäus XV 32–39). In den Bildern auf der Südseite sind meist Glastesserae verwendet und Jesus ist älter und bärtig dargestellt. Dieser Zyklus reicht vom Letzten Abendmahl (Matthäus XXVI 20–29) über die Passion und Auferstehung Christi bis zur Szene mit dem ungläubigen Thomas (Johannes XX 24–29). Hier brauchte nichts umgestellt zu werden, denn das Abendmahlsbild befand sich als erstes dieser Reihe ohnehin in Altarnähe.

Als Einzelbild ist die Darstellung des Gleichnisses der Scheidung der Schafe und Böcke aus dem Zyklus der Nordseite ausgewählt (Matthäus XXV 31–46). Sie unterscheidet sich von der einzigen frühchristlichen Parallele für dieses Thema auf dem Sarkophagdeckel in New York (Abb. 66) durch die Wiedergabe Christi als Hauptperson und die Beigabe zweier Engel. Christus ist mit dem Kreuznimbus, einem Purpurgewand mit goldenen Schmuckstreifen und Sandalen ausgestattet und sitzt auf einem felsenartigen Thron mit gleichartigem Fußschemel. Er streckt seine rechte Hand einladend den drei Schafen entgegen, die sich farblich und in ihrer gelockerten Anordnung von den drei gefleckten Böcken abheben. Haut und Gewand des Engels hinter den Schafen sind rot gefärbt; bei seinem Gegenspieler hinter den Böcken ist die Farbe dunkelblau. Es ist der gefallene Engel, Satan, die Symbolgestalt des Bösen. Allerdings ist dieser böse Engel ausgesprochen schön, was man von seinem Gegenspieler gewiss nicht behaupten kann (die Gesichter Christi und der Engel sind original). Auch die Innenverzierung seiner Flügel ist ausdrucksvoller als beim roten Engel. Hier hat die in der frühchristlichen Literatur vielfach belegte Vorstellung ihren Niederschlag gefunden, Schönheit sei verführerisch, sie führe 143



Abb. 127.  Blick vom Obergeschoss des Umgangs in das Presbyterium.

Abb. 128.  Detail: Apsismosaik.

zur Sünde und könne nicht mit Tugend vereinbart werden. Hierzu sind auch die bunten Gewänder der törichten Jungfrauen im Rossano-Kodex zu vergleichen (Abb. 184). Der Grabbau, den Theoderich für sich selbst errichten ließ, ist aus der Besprechung des Grabbereichs herausgenommen, damit er hier an andere Bauten des Königs in Ravenna angeschlossen werden kann. Er unterscheidet sich allerdings von allen übrigen, aus Ziegeln errichteten Bauwerken Ravennas durch die Verwendung behauener Quadern aus weißem Kalkstein Istriens (Abb. 125). Die Bauleute dürften aus einem Gebiet gekommen sein, in dem die Technik der Steinbearbeitung aktuell war, etwa Konstantinopel oder Kleinasien. Dagegen gibt es für die zangenförmigen Ornamente im obersten, in Felder aufgeteilten Fries unter dem Kuppelstein Parallelen auf Fibeln germanischer Stämme. Aus der gesamten spätantiken Architektur wird das Mausoleum durch die Abdeckung mit einem kuppelförmigen Stein von 10,76 m Durchmesser und 3,09 m Höhe herausgehoben. Der Bau befindet sich, antiker Tradition ent-

sprechend, außerhalb der Stadtmauer. Sein Untergeschoss ist außen zehneckig und durch Pilaster-Nischen aufgelockert, innen dagegen kreuzförmig. Das innen kreisförmige, außen ebenfalls zehneckige Obergeschoss hat einen kleineren Durchmesser, doch hatte der äußere Wanddekor ursprümglich mehr Volumen. Die Eingänge beider Etagen liegen übereinander auf der Westseite, im Inneren des Obergeschosses befindet sich gegenüber der Tür eine Nische. Da es im 6. Jh. keine Treppe zum Obergeschoss gegeben hat, wurde der König vermutlich dort beigesetzt und blieb anschließend weitgehend ungestört. Auf einer Seite des Kuppelsteins sind Löcher zum Anbringen von Seilen vorhanden, mit denen der Deckstein auf schiefer Ebene hochgezogen werden konnte. Allerdings zeigen seine unregelmäßige Lage, einseitige Abarbeitungen und ein großer Riss, dass es nicht gelang, ihn korrekt aufzusetzen. Ob die henkelartigen zwölf Aufsätze am Rand des Steins nur einen dekorativen Zweck haben oder auch der Handhabung des etwa 230 Tonnen schweren Objekts dienten, bleibt fraglich. Die Anbringung der Namen der zwölf Apostel auf den Kuppelhenkeln erfolgte erst im Mittelalter. 145


Abb. 129.  Detail: Justinianmosaik.

Die ravennatischen Kirchenbauten S. Michele in Affricisco, S. Vitale und S. Apollinare in Classe wurden von einem Julianus finanziert, der sich selbst als argentarius bezeichnete, also eine Tätigkeit im Bankoder Finanzbereich ausübte (Abb. 126). Allerdings fehlt in den Inschriften jeder Hinweis auf eine Position in kaiserlichem oder kirchlichem Dienst. S. Michele stiftete er gemeinsam mit einem Bacauda aufgrund eines persönlichen Gelübdes, die beiden anderen Bauten entstanden in bischöflichem Auftrag. Dieser geht beispielsweise aus der Inschrift eines Steinreliquiars hervor, das unter dem Altar von S. Vitale gefunden wurde: + IVLIANVS ARGENT (arivs) SERVVS VEST(er) PRAECIB(vs) VEST(ris) BASILI(cam) A FVNDA(mentis) PERFEC(it) – »Julianus, der Bankier, Euer Diener, hat auf Eure Bitten hin die Basilika von Grund auf errichtet«. Die noch heute eindrucksvolle Kirche S. Vitale aus justinianischer Zeit verdankt ihren Titelheiligen der Reliquienfreude des Mailänder Bischofs Ambrosius. Dieser entdeckte mehrfach Reliquien von Märtyrern, darunter auch die Gebeine des Vitalis, die er im Jahre 146

393 in Bologna auffand. Im 5. Jh. gelangten Vitalisreliquien nach Ravenna, im frühen 6. Jh. verlegte die Legende sein Martyrium in diese Stadt und sah in Gervasius und Protasius, deren Reliquien Ambrosius bereits im Jahre 386 in Mailand gefunden hatte, Söhne des Vitalis. Für den über einem älteren Oratorium errichteten monumentale Zentralbau von S. Vitale ist der Bauauftrag des Bischofs Ecclesius (521/22 – 531/32) gesichert. Die meisten Arbeiten wurden nach Ausweis der Monogramme an den Kämpferkapitellen erst zwischen 537 und 544 unter Bischof Victor durchgeführt. Die Weihe der Kirche nahm im Jahre 547 sein Nachfolger Maximianus vor. Diesem wurden bis vor kurzem die Mosaiken der Kirche zugeschrieben, da sein Name über dem Kopf des Bischofs erscheint, der im Herrscherbild neben Justinian dargestellt ist. Neuere Untersuchungen haben jedoch ergeben, dass der Kopf des Bischofs und sein Name wie auch der Kopf zwischen dem Bischof und dem Kaiser auf nachträgliche Veränderungen zurückgehen. Im Unterschied zur übrigen Mosaikfläche wurden hier nur wenige Glastesserae und überwiegend Steinwürfel verwendet. Ursprünglich ließ sich also Bischof


Abb. 130.  Detail: Theodoramosaik.

Victor darstellen, der nach der Einnahme Ravennas im Jahre 540 wohl mit den Bildern Kaiser Justinians und seiner Gattin Theodora seine Loyalität zum Ausdruck bringen wollte. Der Zentralbau wurde auf achteckigem Grundriss mit zweistöckigem Umgang errichtet und trägt über einer Zwischenzone (Tambour) eine kreisförmige Kuppel aus leichten Tonröhren. Der von Hallen umgebene Vorhof (Atrium) besitzt eine vom Bau abweichende Achse, da er nicht an eine Seite, sondern an eine Ecke des Achtecks anschließt, um die Zahl der Ein- und Ausgänge zu verdoppeln. Die Mauern der Kirche wurden, wie in Ravenna üblich, aus Ziegeln errichtet, und auch einige Tonnengewölbe, das Kreuzgratgewölbe des Presbyteriums und die Halbkuppel der Apsis bestehen aus radial gestellten Ziegeln. Der Altar befindet sich noch heute am ursprünglichen Platz im Presbyterium, ebenso die Priesterbank mit der zentralen Kathedra des Bischofs in der etwas erhöhten Apsis (Abb. 127). Dagegen fehlen die Schranken am Eingang zum Altarraum, von denen Reste

im Erzbischöflichen Museum aufbewahrt werden. Nur im Presbyterium und der Apsis wurden über einer mit Marmor verkleideten Sockelzone Mosaiken angebracht (Abb. 128). In der Mitte der Apsiswölbung sitzt Christus auf einem Globus, der auf einem Hügel mit den vier Paradiesflüssen ruht, innerhalb einer mit Blumen geschmückten Landschaft. In purpurnes Gewand mit goldenen Zierstreifen und -buchstaben gekleidet und mit dem Kreuznimbus versehen, hält er in der linken Hand als Hinweis auf die Endzeit die apokalyptische Buchrolle mit sieben Siegeln (Offenbarung V) und streckt mit der rechten dem Titel heiligen Vitalis einen diademartigen Kranz entgegen. Der Märtyrer ist inschriftlich benannt und will mit verhüllten Händen den Kranz empfangen. Er wird durch einen der beiden Thronengel an der Schulter herangeführt. Der andere Engel geleitet den ebenfalls benannten Gründerbischof Ecclesius, der Christus das Modell der Kirche bringt. Beide Engel tragen die langen Stäbe, mit denen die Silentiarii am byzantinischen Hof Ruhe (silentium) geboten. Als Höhepunkt des Bildprogramms in S. Vitale wird das Apsisbild unter anderem durch die Stufenordnung 147


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der Christusbilder erwiesen. Auf dem Apsisbogen sieht man die Buchstabenallegorie eines von Adlern getragenen Monogramms, im Kreuzgratgewölbe ist die Tierallegorie des apokalyptischen Lammes verbildlicht, den Eingangsbogen krönt das Brustbild Christi, in der Apsiswölbung ist seine volle Gestalt dargestellt. Räumlich und inhaltlich gehören zum Apsisdekor weiterhin zwei querrechteckige Mosaikfelder zu Seiten der drei großen Fenster im Apsisrund. Auf der linken Seite nimmt der regierende Kaiser Justinian die Mitte ein, neben dem namentlich bezeichneten Bischof Maximianus, der seinen Vorgänger Victor ersetzt hat (Abb. 129). Der Kaiser trägt eine Patene (ein liturgisches Gefäß) und wird von drei Beamten und sechs Leibwächtern (mit Speeren und Schilden, darunter einem mit Christogramm) begleitet. Der Bischof trägt ein Handkreuz und ist in Begleitung von zwei Klerikern mit Evangelienbuch und Weihrauchfass dargestellt. Der Kaiser steht annähernd in der Bildmitte, er ist durch Rundfibel mit Anhängern, Diadem und Nimbus ausgezeichnet, überragt alle anderen Figuren an Größe und wird von niemandem überschnitten. Der Bischof und seine Kleriker stehen unmittelbar an der Grundlinie, während der Kaiser mit seinen Begleitern davon entfernt dargestellt ist (zu Abständen als Ausdruck von Rangunterschieden ist das Missorium in Madrid zu vergleichen, Abb. 44). Im Mosaik auf der rechten Seite gibt es nur eine Hauptperson, Kaiserin Theodora, die einen Kelch trägt und von zwei Beamten und sieben Hofdamen begleitet wird (Abb. 130). Ihre Einzigartigkeit betonen zahlreiche Bilddetails: die Größe ihrer in Wirklichkeit kleinen und zierlichen Gestalt und die Vermeidung jeder Überschneidung, ihr Gewand mit einer Darstellung der Magierhuldigung am unteren Mantelsaum (Matthäus II 1–12), ihre Insignien, ihr Nimbus und das Stehen vor einer Wölbungsarchitektur.

Abb. 131.  Ravenna, S. Apollinare in Classe, Apsismosaik.

In beiden Herrscherbildern stehen alle Gestalten frontal im Raum, doch ist eine Bewegung in Richtung auf die Apsismitte dadurch angedeutet, wie die verschiedenen Geräte gehalten werden. Justinian und Theodora stiften Gefäße für die Eucharistiefeier, doch ist es nicht möglich, den Anlass zu bestimmen, da die Prozessionen oder Einzüge der byzantinischen Liturgie die Beteiligung der Kaiserin nicht vorsahen und auch ein Anlass in S. Vitale ausscheidet, da das Kaiserpaar sich nie in Ravenna aufhielt. Die Gaben werden dem thronenden Christus im Schema der »Vertikalen Huldigungsrichtung« dargebracht, ähnlich den Kaiserpaaren in S. Giovanni Evangelista (S. ). Die Apsisfenster lagen dort höher als in S. Vitale, so dass auf der Mittelachse unter dem Chris-

tusbild Raum für einen Bischof blieb. In S. Vitale verhinderten die großen Fenster eine Darstellung des Bischofs unmittelbar auf der Mittelachse unter dem thronenden Christus; daher ließ er sich im selben Bildfeld darstellen wie der Kaiser, aber vor ihm. Die Bilder lassen erkennen, dass sich Bischof Victor als Auftraggeber der Darstellungen seines Vorranges vor dem Kaiser auf geistlichem Gebiet bewusst war. Bereits Bischof Ambrosius von Mailand hatte diesen Vorrang klar zum Ausdruck gebracht und mit ihm seine Forderungen durchgesetzt (S. ). Ein Jahrhundert später wurde er auch gegenüber Kaiser Anastasius vertreten, zunächst im Jahre 494 von Papst Gelasius I. (epistula XII 2), einige Jahre später von Papst Symmachus (epistula X 8). Justinian selbst hob in einer Darstellung der Zweigewaltenlehre die kaiserliche Sorge um die Würde der Priester hervor, wobei er als Begründung deren Vermittlung gegenwärtigen und zukünftigen göttlichen Heils anführte (Novella VI, praefatio). Die Seitenwände des Altarraums entsprechen einander in der architektonischen und in der ikonographischen Gliederung. Die Darstellungen sind heilsgeschichtlich geordnet; von unten nach oben folgen aufeinander die alttestamentlichen Zeiten »vor dem Gesetz« (Patriarchen) und »unter dem Gesetz« (Moses und die Propheten) und die neutestamentliche Zeit »unter der Gnade« (Kreuzmedaillons, Evangelisten). Im Gewölbe wird die Darstellung der Heilsgeschichte mit Hinweisen auf die Endzeit abgeschlossen. Hier ist in einem Kranz ein Lamm dargestellt, das auf vielfache Weise als das apokalyptische Christuslamm bezeichnet ist (Offenbarung V 1–14; XIV 1–5). Es besitzt einen Nimbus und erscheint vor einem Sternenhimmel mit 27 Sternen (3 x 3 x 3), die in dreifacher Potenzierung der Drei die höchste, also göttliche Vollkommenheit des im Lamm symbolisierten Christus bezeichnen. Außerdem wird der rahmende Kranz auf den vier Himmelsrichtungen durch vier Engel getragen, die auf Globen stehen. Auch der Hintergrund mit Tieren verschiedenster Art entspricht diesem Kontext (V 13). Von den zahlreichen Einzelmotiven des Bildprogramms sollen nur noch die Darstellungen aus der Patriarchengeschichte hervorgehoben werden. Aus dieser Stufe der Heilsgeschichte sind nämlich Szenen ausgewählt, die sich auf den aktuellen Kult in der Kirche beziehen. In der Südlünette des Altarraums opfern Abel und Melchisedek, obwohl im Text weit voneinander getrennt (Genesis IV 3–5; XIV 18–20), gemeinsam an einem (christlichen) Altar. In der Nordlünette nimmt der Tisch mit den drei Besuchern Abrahams unter der Eiche Mamre die Mitte ein (Genesis XI). Das Opfer Isaaks (Genesis XXII 1–14) galt schon seit Jahrhun149


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Abb. 132.  Ravenna, Kathedrale. Ambo des Bischofs Agnellus, Marmor, Höhe 2,92 m, Breite 2,41 m, die Seitenteile mit den Treppen fehlen.

Abb. 133.  Ravenna, Museo Arcivescovile. Maximianskathedra, Elfenbein, Höhe 1,50 m, Breite 60,5 cm, Einige der eingesetzten Reliefplatten verloren, Vorderansicht.

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derten als Vorbild des Opfers Christi und der Eucharistie. Apollinaris, der legendäre erste Bischof von Ravenna, wurde seit der ersten Hälfte des 5. Jhs. teils als Bekenner, teils als Märtyrer bezeichnet. Die Stiftung der Kirche außerhalb der Mauern von Classe erfolgte durch Bischof Ursicinus (533–536), der dem bereits erwähnten Geldgeber Julianus Argentarius den Bauauftrag gab (Abb. 131). Anlässlich der Weihe durch Maximianus im Jahre 549 wurden die Gebeine des Heiligen aus seinem Grab südlich der Kirche in das Innere überführt, was durch eine aus dieser Zeit stammende Inschrift bezeugt ist. Erst in der Mitte des 9. Jhs. wurden sie nach S. Apollinare nuovo in Ravenna überführt (Abb. 122). Mosaikschmuck ist in der Kirche in Classe nur im Apsisbereich erhalten. Ob der als dreischiffige Basilika gestaltete Bau ursprünglich weitere Mosaiken besaß, ist ungewiss. Aus dem 6. Jh. stammen außer dem Mosaik in der Apsiswölbung nur die beiden Erzengel Michael und Gabriel an den Seiten der Apsisstirnwand und die vier Bischöfe zwischen den Fenstern an der Apsisrückwand. Die Erzengel sind auf Goldgrund dargestellt und wie hohe Staatsbeamte in eine Tunika und die von einer Fibel gehaltene Chlamys gekleidet. Sie stehen auf einem mit Gemmen geschmückten Podium, ihren Kopf umgibt der Nimbus, und mit der rechten Hand halten sie eine Standarte mit dem griechischen Trishagion, dem dreifachen Huldigungsruf »Heilig, heilig, heilig!« der vier Wesen in der Apokalypse (Offenbarung IV 8). Hier in Ravenna hatte er ganz sicher im Bezug auf die Dreifaltigkeit antiarianische Bedeutung. Die vier Bischöfe stehen zwischen gerafften Vorhängen in angedeuteten Bogennischen mit Muscheldekor in der Wölbung. Sie werden von aufgehängten Diademen bekränzt, tragen jeweils einen prächtig dekorierten Kodex und sind namentlich bezeichnet: Severus und Ursus (4. Jh.) stehen neben dem Mittelfenster, Ecclesius und Ursicinus (6. Jh.) stehen außen. Die Gestalt des Apollinaris in Orantenhaltung, mit bischöflichem Ornat und Nimbus, die begleitenden Schafe und der Fries aus zahlreichen Buchstaben A am unteren Rand des Apsisbildes waren zunächst nicht geplant. Vorzeichnungen auf dem Ziegelmauerwerk unter dem Mosaik zeigen in der Mitte ein Kreuz zwischen Pfauen und seitlich Körbe mit Blüten zwischen Vögeln. Im ausgeführten Mosaik können die Schafe wegen ihrer Zwölfzahl an die Apostel erinnern oder auch ein Hinweis auf die Gemeinde von Ravenna und Classe sein, für die Apollinaris als Fürbitter dargestellt ist. Mit Sicherheit auf die Apostel Petrus, Jakobus und Johannes beziehen sich die drei Lämmer weiter oben in der paradisischen Landschaft, 152

denn die mit Namen bezeichneten Büsten der alttestamentlichen Propheten Moses und Elias in den Wolken lassen erkennen, dass hier eine Darstellung der neutestamentlichen Verklärung Christi vorliegt (Matthäus XVII 1–9), in der Christus durch das Kreuz in der Bildmitte und die drei Apostel durch Schafe symbolisiert werden. Die im Text erwähnte Stimme aus der Wolke ist durch die Hand Gottes am oberen Bildrand verbildlicht. Das Kreuz ist mit Gemmen geschmückt und trägt in der Mitte ein Medaillon mit der Büste des bärtigen Christus. Es erscheint innerhalb eines Rahmens mit Gemmen und Perlen auf einem dunkelblauen Nachthimmel mit 99 goldenen und silbernen Sternen. An den Seiten stehen die ersten und letzten Buchstaben des griechischen Alphabets, Alpha und Omega, die in der Apokalypse mehrfach als Namen Gottes und Christi verwendet und überzeitlich interpretiert werden. Die Buchstaben des griechischen Wortes ΙXΘΥC (»Fisch«), gelten als Summe der Anfangsbuchstaben (Akrostichis) von Christusnamen: Jesus Christus, Gottes Sohn, Erretter. Dieser Hinweis auf die Erlösung durch Christus wird unter dem Kreuz durch den lateinischen Titel SALVS MVNDI – »Heil der Welt« nochmals aufgenommen. Im Rahmen eines Verklärungsbildes ist dieses Thema sinnvoll, denn in der Erzählung bei Lukas wird über den Matthäustext hinaus noch erwähnt, dass Moses und Elias von Christi Ende sprachen, »das sich in Jerusalem erfüllen sollte.« (IX 31). Zur Ausstattung der christlichen Kirche gehörten außer dem Altar, unter dem häufig ein Reliquiar beigesetzt wurde, vor allem die Schranken, die den Altarraum umschlossen, der Ambo für Lesung und Verkündigung und die Sitze für den Bischof und die Kleriker. Als Beispiele für den Ambo und den Bischofssitz werden zwei ravennetische Denkmäler des mittleren 6. Jhs. abgebildet (Abb. 132–133). In frühchristlicher Zeit wurde die erhöhte Plattform für die Schriftlesung und die Verkündigung in Kirchen meist etwas seitlich vor den Schranken des Altarraums (Bema) errichtet. Ihre Bezeichnung als Ambo dürfte auf das griechische Verb anabainein, hinaufsteigen, zurückgehen. In der Regel hatten die Ambonen Treppen auf zwei Seiten. Seit dem 6. Jh. gab es bei einer Aufstellung auf der Mittelachse der Kirche einen erhöhten Gang (solea), der die östliche Treppe des Ambo mit dem Altarraum verband. In Konstantinopel ist diese Anordnung für die Polyeuktoskirche durch Fundamente gesichert, für die justinianische Hagia Sophia durch die Beschreibung des Ambo von Paulos Silentiarios (S. ). Das abgebildete Beispiel in Ravenna wurde aus der Basilica Ursiana des frühen 5. Jhs. in den Neubau des Bischofskirche des 18. Jhs.


Abb. 134. Parenzo (Poreč, Kroatien). Eufrasius-Basilika, Apsismosaik.

Übernommen (Abb. 132). Wie die Inschrift erklärt, ließ Bischof Agnellus (557–570) die als pyrgus (Turm) bezeichnete große Plattform anfertigen. Der Dekor ist auf beiden Seiten des ovalen Ambo gleich, und wahrscheinlich waren auch die heute fehlenden Treppenwangen links und rechts ähnlich dekoriert. Die Anordnung des Tierdekors in quadratische Rahmen von 26 cm Seitenlänge entspricht abenso dem Zeitstil wie die flache Reliefarbeit. Auf einem ähnlichen, nur 2,20 m hohen Exemplar aus dem letzten Jahrzehnt des Jahrhunderts erreicht diese Verflachung ihren Endpunkt. Die Profildarstellungen der Lämmer, Pfauen, Hirsche, Tauben, Enten und Fische beziehen sich formal auf die Mittelachse. Für eine eigene symbolische Deutung dieses Teils der göttlichen Schöpfung gibt es keine Hinweise.

Der Elfenbeinsessel (Kathedra) im ravennatischen Museum ist wegen des verwendeten kostbaren Materials einzigartig (Abb. 133). Der Sessel mit hoher, gerundeter und oben rund abgeschlossener Rückenlehne wird allgemein mit Erzbischof Maximianus von Ravenna in Verbindung gebracht (546–553), das lateinische Monogramm an der Vorderseite entsprechend aufgelöst. Hier befinden sich außer stark unterschnitten gearbeiteten Ranken mit Tieren fünf hochrechteckige Reliefs wechselnder Breite mit hierarchischen, frontal stehenden Gestalten des Johannes des Täufers und der vier Evangelisten. In die Rückenlehne sind Reliefplatten mit Darstellungen neutestamentlicher Szenen eingesetzt, die stilistisch unterschiedlich gearbeitet sind. Neben Reliefs mit stärker vom Grund gelösten Figuren finden sich auch flachere Arbeiten. Die acht Platten oberhalb der Sitzfläche sind auf beiden Seiten mit Reliefs versehen; 153


bei den acht Platten darunter entfällt eine zweite Ansicht. Insgesamt waren also 24 Szenen dargestellt. An den Seiten der Kathedra sind zwischen die tragenden Stützen jeweils fünf querrechteckige Platten abwechselnder Höhe eingesetzt. Ihre Reliefs sind wiederum in anderem Stil geschnitzt und stellen Szenen aus der alttestamentlichen Erzählung von Joseph und seinen Brüdern in Ägypten dar (Genesis XXXVII–L). Heute wird meist angenommen, das Objekt mit seinen stilistisch ganz unterschiedliche Reliefarbeiten sei in einer Werkstatt Konstantinopels von verschiedenen Schnitzern für den ravennatischen Bischof geschaffen worden. Als Beispiel für die neutestamentlichen Reliefs wird die Darstellung der Geburt Jesu (Lukas II 1–7) abgebildet. Das gewickelte Kind liegt in einer Krippe auf gemauertem Unterbau, dahinter erscheint der Stern, der die Magier nach Bethlehem führte. Ochs und Esel fehlen bei der Krippe nur selten, sie gehen auf einen Satz des Propheten Isaias zurück: »Der Ochse kennt seinen Besitzer und der Esel die Krippe seines Herrn« (Jesaja I 3). Maria und Joseph ist eine dritte Gestalt hinzugefügt, die aus apokryphen Kindheitsevangelien stammt (Protoevangelium des Jacobus XIX 3–XX 4; Pseudo-Matthäusevangelium XIII 3–5). Diese enthalten eine Erzählung zur Bestätigung der kirchlichen Lehren über Maria. Eine Hebamme Salome vermochte nach der Geburt Jesu nicht an die Unversehrtheit seiner Mutter zu glauben und wollte deren körperlichen Zustand mit der Hand erforschen. Zur Strafe verdorrte ihre Hand und es bedurfte eines Wunders, um sie wieder zu heilen: Daher streckt Salome in einigen frühchristlichen und mittelalterlichen Bildern dem Jesuskind in der Krippe oder seiner Mutter hilfesuchend ihre Hand entgegen. Vorbild für die Gestalt der ungläubigen Salome war der ungläubige Thomas des Johannes-Evangeliums (XX 24–29), der nicht an die Auferstehung Christi glauben konnte, bevor er seine Hand in dessen Seitenwunde gelegt hatte. Nach den Inschriften am unteren Rand des Apsismosaiks und am Altar war es Bischof Eufrasius (ca. 530–560), der in den Mauern der Ruine eines Vorgängerbaus die Basilika in Parenzo errichtete (Abb. 134). Der Aufwand für den Bau war beträchtlich, die Kapitelle der Säulen des Mittelschiffs stammen aus Konstantinopel und nicht nur im Inneren der Kirche wurden Mosaiken angebracht, sondern auch außen in den Giebelflächen im Osten und Westen. Die dreischiffige Kirche hat drei Apsiden, doch tritt nur die große des Mittelschiffs außen hervor. In den Wölbungen der beiden kleinen Apsiden befinden sich gleichartige Mosaiken, in denen der jugendliche, 154

als Büste dargestellte Christus mit beiden Händen Heilige bekränzt, links Kosmas und Damian, rechts Ursus und Severus (zum Bildmotiv siehe Abb. ). Die Datierung der Mosaiken in der Fensterzone der Hauptapsis ist unsicher, dagegen gehören die Darstellungen in der Apsiswölbung und an der Stirnwand zweifellos in die Zeit des Bischofs Eufrasius. Christus, der über dem Apsisbogen auf dem Globus thront und dem die zwölf Apostel mit einem Kranz, einer Buchrolle oder einem Kodex huldigen, stellt zweifellos den Höhepunkt des Bildschmucks dar. Doch auf der Höhe seiner Zeit zeigte sich Eufrasius durch das Gewölbemosaik: Es zeigt wie die Apsiden in SS. Cosma e Damiano in Rom (Abb. 109) und in S. Vitale in Ravenna die Annäherung lebender Personen an die von ihnen geglaubte überirdische Sphäre. Im Zentrum vor Goldgrund und in paradisischer Blumenlandschaft, sitzt Maria auf einem mit Gemmen und Perlen geschmücktem Sessel mit dickem Kissen und Fußschemel. Sie trägt über einer Tunika mit goldenen Zierstreifen einen dunklen, wohl purpurfarbigen Mantel, den sie über den Kopf gezogen hat. Ihre frontale Darstellung wird dadurch betont, dass sie das Jesuskind mitten vor ihrem Körper präsentiert. Aus dichten Wolken hält die Hand Gottes ein Diadem mit Perlen und Edelsteinen über Maria und das Kind. Der einführende Gestus der beiden begleitenden Engel gilt der Huldigung der übrigen Personen, die alle leicht zur Mitte gewendet sind. Den Ehrenplatz zur Rechten Marias nimmt der namentlich bezeichnete Märtyrer Maurus ein, der legendäre erste Bischof der Stadt und Titelheilige. Er trägt mit verhüllten Händen einen Kranz. Auch die drei Heiligen auf der Gegenseite huldigen mit einem Kranz oder einem Kodex. Doch sie sind unbenannt, als wäre ihre Aufgabe nur, für einen Ausgleich der beiden Bildhälften zu sorgen. Denn hinter Maurus bringt Bischof Eufrasius das Modell der von ihm erbauten Kirche, in Begleitung seines Erzdiakons Claudius, der ein Evangeliumbuch trägt. Über dem Knaben, der zwei Kerzen opfern will, ist zu lesen, er sei Eufrasius, der Sohn des Erzdiakons. Von den weißgekleideten Gewändern der Engel und Heiligen unterscheiden sich die goldfarbenen Mäntel des mittleren Heiligen auf der rechten Seite und des Knaben auf der linken Seite. Besonders auffällig ist jedoch der dunkle Mantel des Eufrasius, dessen Farbe an Marias Maphorion erinnert, auch wenn eine andere Schattierung von Purpur gewählt ist. Durch diese beiden unübersehbaren dunklen Flächen im Mosaik wird dem Betrachter eine besonders enge Beziehung des Bischofs zu Maria suggeriert. Die Vorderkante der Apsiswölbung ist mit Medaillons geschmückt, in denen außer einem Gotteslamm in der Mitte weibliche Heilige als Brustbilder erscheinen.


7c.  Ausgewählte Bauten in Konstantinopel, Griechenland und den östlichen Provinzen Anicia Juliana, die Enkelin Valentinians III., ließ in den Jahren 524–527 an der Hauptstraße Konstantinopels in der Nähe ihres Palastes eine große, mit Atrium versehene Basilika zu Ehren des heiligen Polyeuktos errichten, die nach den erhaltenen Fundamenten 58 m lang und 52 m breit war (Abb. 135). Zwischen breiten Fundamenten in West-Ost-Richtung befinden sich die Fundamente eines Ambo und eines Ganges zum Altarraum (solea). Zu den zahlreichen bei Ausgrabungen gefundenen Fragmenten der architektonischen Innenausstattung zählen Nischenbekrönungen und Pilasterkapitelle, auf denen in 11 cm hohen griechischen Buchstaben Teile der ersten 41 Zeilen eines in der Anthologia graeca überlieferten Gedichtes auf die Polyeuktoskirche wiedergegeben sind. Aufgrund der Fundlage der Details ließ sich annähernd die Innenarchitektur rekonstruieren: Im Norden und im Süden des Hauptschiffs der Kirche dürften sich drei Exedren befunden haben, die jeweils aus fünf abwechselnd halbkreisförmigen und

rechteckigen Nischen gebildet waren. In den Wölbungen der Rundnischen befinden sich radschlagende Pfauen, unter den Bögen der Rechtecknischen zwei auf die Mitte gerichtete Pfauen in Profilansicht. In diese Nischenarchitektur gehören auch die beiden Pfeiler mit reichem Reliefschmuck, die nach der Plünderung Konstantinopels im vierten Kreuzzug nach Venedig entführt wurden (Abb. 136). Dass diese auf der Piazetta di San Marco stehenden Pfeiler aus der Polyeuktoskirche stammen, ist durch vergleichbare Fragmente in Istanbul gesichert. Dasselbe gilt für Korbkapitelle mit Palmettenschmuck, die in der Markuskirche selbst eingebaut sind. Fragmente von Säulen mit Einlegearbeiten in Amethyst, farbigem Glas und Glas mit Goldfolie wurden in der Polyeuktoskirche im Altarraum gefunden. Sie könnten den Altarbaldachin getragen haben. Die vermutete Eindeckung der Mitte des Hauptschiffs mit einer Kuppel ist fraglich.

Abb. 135.  Istanbul, Archäologisches Museum. Nischenbekrönung aus der Polyeuktoskirche in Istanbul, Marmor, Höhe noch 1,44 m, Breite noch 2,26, ursprünglich 2,75 m. Dekor: Weinranken, radschlagende Pfauen und Inschrift.

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Noch bevor Justinian, der Neffe Kaiser Justins, im Jahre 527 dessen Nachfolge antrat, hatte er bei seiner Residenz, dem Hormisdas-Palast, eine den heiligen Petrus und Paulus geweihte Basilika errichtet. Zwischen 531 und 536 fügte er gemeinsam mit Theodora eine weitere Kirche an, die mit der schon bestehenden die Vorhalle und das Atrium gemeinsam hatte. Sie diente dem Kult einer monophysitischen Gemeinschaft, die im früheren Hormisdas-Palast untergebracht war und von Theodora besonders gefördert wurde. Bei dieser den Heiligen Sergios und Bakchos geweihten Kirche ist in einen etwas unregelmäßigen quadratischen Außenbau ein achteckiges, zweistöckiges und überwölbtes Zentrum eingeschlossen (Abb. 137–138). Die Kuppel wird von acht Pfeilern und zweigeschossigen Stütznischen mit abwechselnd rechteckigem und halbkreisförmigem Grundriss getragen. Der Pfeilerabstand wurde im Osten für den Zugang zum Altarraum und der Apsis bedeutend vergrößert, im Westen für den Eingang nur geringfügig. Auf dem horizontalen Gebälk des Untergeschosses der Nischen befindet sich eine sorgfältig gemeißelte Versinschrift in zwölf Hexametern. In ihr wird der hochgepriesene Sergios nicht nur für den Erhalt der Herrschaft des schlaflosen Kaisers angerufen, sondern auch für die Vergrößerung der Macht der frommen und für die Mittellosen sorgenden Kaiserin. Dass Justinian bis in die späte Nacht arbeitete, erwähnen mehrere zeitgenössische Autoren, beispielsweise Prokop (Bauten VII 8–10). Der Passus zu Theodora muss sich unter anderem auf ihre Sorge für die monophysitischen Flüchtlinge beziehen. Die Bögen des Obergeschosses und eingeschobene Zwickel tragen die aus Ziegeln gebaute, sechzehnteilige und über den Fenstern stark gedrückte Kuppel von rund 16,50 m Durchmesser. Ihre sechzehn keilförmigen Elemente sind abwechselnd flach oder leicht gewölbt. Die flachen Elemente sitzen über den Bogenscheiteln und sind von Fenstern durchbrochen, die gewölbten befinden sich über den Pfeilern, die außen an ihnen hochgeführt werden konnten. Die erste Kirche am Ort der Hagia Sophia, der heiligen Weisheit Gottes, wurde als Megale ekklesia – »große Kirche« 360 geweiht (Abb. 139). Der Bauauftrag für diese Basilika dürfte von Constantius II. erteilt worden sein. Nach einem Brand im Jahre 404 wurde sie von Theodosius II. wiederum in basilikaler Form erneuert. Von der Vorhalle zum Atrium dieses Baues, der im Jahre 532 beim Nika-Aufstand abbrannte (S. ) blieben Architekturteile beachtlicher Qualität erhalten. Kaiser Justinian gab sogleich nach dem Ende der Unruhen von 532 den Architekten Anthemios von Tralles und Isidoros von Milet den Auftrag zum Bau der Hagia Sophia, der bis heute stehenden 156

Abb. 136.  Venedig, Piazetta di San Marco, Pfeiler aus der Polyeuktoskirche in Istanbul. Marmor, Höhe ###.


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Abb. 137.  Istanbul, Kirche der heiligen Sergios und Bakchos, Grundriss.

berühmtesten Kirche der Spätantike (Abb. 140). Bereits 537 konnte der Neubau eingeweiht werden, der zwar mit 81 m Länge und 70 m Breite flächenmäßig nicht viel größer ist als der Vorgängerbau, in dem jedoch die längsgerichtete Architektur mit einer zentralen Kuppel von 31,30 m Durchmesser und 55,60 m Höhe verbunden ist. Im Innenraum verbindet sich das überwältigende Erlebnis der Kuppel mit einem starken Eindruck der Längsrichtung vom Eingang zur Apsis, also von Westen nach Osten (Abb. 141). Dieser kommt dadurch zustande, dass in dieser Richtung die Schildbögen unter der Kuppel offen sind, weil an sie Halbkuppeln angesetzt sind, unter denen sich weitere Nischen öffnen. Im Norden und Süden dagegen ist der Mittelraum in einer Breite, die dem Kuppeldurchmesser entspricht, räumlich und visuell abgeschlossen. Die Architekten Justinians hatten den Mut, eine Kuppelform in einem Großbau zu verwirklichen, die zuvor nur in kleinem Maßstab vorlag, die Pendentivkuppel über den vier Bögen eines Quadrats. Um die Bedeutung dieses Höhepunkts der spätantiken Wölbungsarchitektur zu erfassen, muss man sich

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den Unterschied zu einem völlig anderen System der Lastabtragung von Kuppeln vergegenwärtigen, dessen bis heute erhaltenes Meisterwerk das römische Pantheon aus hadrianischer Zeit darstellt. Dessen Kuppel von 43,30 m Durchmesser und derselben Höhe wurde von einem kreisförmigen Zylinder mit einer Wandstärke von 6,05 m im ganzen Umfang getragen. Allerdings erfolgte durch innere Bögen im tragenden Zylinder eine Aufteilung der Lasten, damit man zum Innenraum hin Nischen anlegen konnte. Die Gliederung durch Nischen wurde auch stärker aufgelöst, beispielsweise in Rom um 300 beim zehneckigen sogenannten Tempel der Minerva Medica und in Konstantinopel im 6. Jh. bei der Kirche der Heiligen Sergios und Bakchos (Abb. 137). Dagegen liegt der Basiskreis der Kuppel der Hagia Sophia nur an vier Punkten auf den Scheiteln der Schildbögen auf. Vom größten Teil der Kuppel wird die Last durch vier Eckzwickel (Pendantifs) auf die Bögen und die Eckpfeiler übertragen. Die Haltbarkeit der Kuppel des Anthemios und Isidoros hing also davon ab, ob die vier Bögen und die vier aus Quadern errichteten 157


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Abb. 138.  Innenansicht.

Abb. 139.  Istanbul, Hagia Sophia, Idealgrundriss. A Atrium B Brunnen C Herologion D Baptisterium E Treppenaufgang F möglicher vierter Treppenaufgang G Skeuophylakion

Eckpfeiler ausreichend dagegen geschützt waren, wieder verstärkt werden, bis hin zu den vier geunter dem Seitenschub nach außen auszuweichen. waltigen Strebepfeilern, die seit dem 14. Jh. die Außenansicht der Hagia Sophia dominieren. Von der Bereits 557 stürzte die Kuppel der Hagia Sophia nach ursprünglichen Innenausstattung blieben nur ArchiErdbebenschäden ein. Da die beiden Architekten tekturdetails erhalten. Nur aus Beschreibungen kenbereits gestorben waren, wurde ein gleichnamiger nen wir die Priesterbank in der Apsis (Synthronon), Neffe des Isidoros mit dem Neubau beauftragt. Auch den Altar mit prächtigem Baldachin, die Schranken seine Kuppel war aus radial angeordneten Ziegeln für die Plätze der Sänger, einen Verbindugsgang (Soerrichtet, aber etwa sechs Meter höher als die erste lea) zum ovalen Ambo unter der Kuppel, den BrunKuppel und daher statisch günstiger. Außerdem ließ nen im Vorhof (Atrium) vor den beiden Vorhallen Isidor die ausgewichenen tragenden Bögen im Nor- der Kirche. Ein zeitgenössischer Dichter Paulos, weden und Süden verstärken und auf diesen Seiten auch gen seines Amtes Paulos Silentiarios genannt, verfasste die Pfeiler zusätzlich unterstützen. Es sind noch öfter eine Beschreibung (Ekphrasis) der Hagia Sophia im Lauf der Jahrhunderte Teile der Kuppel eingestürzt, und eine weitere des Ambo. In ersterer wird für die meist als Folge von Erdbeben, immer als Folge der Kuppel der Vergleich mit dem Blick in den Himmel Defizite der Lastabtragung im Norden und Süden. erwähnt (490 f.; 529 f.), den schon kaiserzeitliche Im Osten und Westen sichert eine Halbkuppel den Autoren verwendeten. Außerdem wird ein nicht ertragenden Bogen im ganzen Umfang und wird selbst haltenes Kreuz im Kuppelscheitel beschrieben und von eingewölbten Nischen gestützt (Abb. ). Da- seine übelabwehrende Funktion »zum Schutze der gegen reichen im Norden und Süden die zweigeschos- Stadt« genannt (491 f.). sigen Nebenräume nur bis zum Fuß der Bögen (Abb. ), und die Bögen und Pfeiler mussten immer 159


Vom Palast des Galerius in Thessaloniki gelangte man durch den ihm errichteten Ehrenbogen (Abb. 13) zu einem Rundbau von 24,50 m Innendurchmesser und 29,80 m Höhe (Abb. 142). Er besaß acht innere Rechtecknischen, in der Wand darüber acht Fenster und schließlich eine Kuppel. Die Wände wurden aus abwechselnden Ziegel- und Bruchsteinschichten errichtet, die Tonnengewölbe der Nischen und die Kuppel bestanden aus Ziegeln. Dass der vermutlich nicht ganz fertiggestellte Bau als Mausoleum geplant war, ist nicht sicher; beigesetzt wurde der Kaiser jedenfalls bei seinem Alterssitz Felix Romuliana (S. ). Zu ungeklärtem Zeitpunkt, vermutlich unter Theodosius (379–395), wurde diese Rotunde für die Verwendung als christliche Kirche umgestaltet. Die östliche der acht Nischen wurde zum Altarraum mit einer Apsis ausgebaut und die übrigen zu einem neu angelegten, 8 m breiten Umgang geöffnet. Gegenüber der Apsis wurde ein weiterer Eingang eingerichtet. Da im Kuppelscheitel dieselben Ziegel verwendet wurden wie in der Apsis, wäre es möglich, dass die Kuppel des Galeriusbaus nicht vollendet war oder dass sie eine zentrale Öffnung besaß wie das römische 160

Pantheon. Auf die Marmorverkleidung der Wände bis zum Kuppelansatz weisen heute nur noch Dübellöcher hin. In den Tonnengewölben der Nischen befinden sich dekorative Mosaiken mit Blumen und Blüten in geometrischen Feldern, nur über dem Südeingang ein nicht unterteiltes Feld mit Fruchtkörben und Vögeln, in dessen Mitte ein großes Kreuz als Eingangsschutz erscheint. Die unterste Zone der Kuppelmosaiken wurde mit acht großen, zweistöckigen und dreiteiligen Architekturfassaden geschmückt, die gut erhalten blieben, außer der bei einem Einsturz zerstörten östlichen. In der Mitte der Prospekte sieht man Kreuze mit der Taube des Heiligen Geistes oder Tische, auf denen ein geschlossener Kodex liegt. Die reich mit Perlen und Edelsteinen geschmückten Architekturen können keine real existierenden Bauten wiedergeben, daher ist eine Interpretation als Symbol für Himmelsvorstellungen naheliegend. In einen solchen Kontext passt es auch, wenn vor jeder Fassade zwei oder drei überlebensgroße Märtyrer der östlichen Kirche in Gebetshaltung stehen . Die Heiligen sind unterschiedlichen Alters und in den Farben, Gesichtszügen, Haaren und gegebenenfalls Bärten stark von-

Abb. 140.  Außenansicht von Südwesten.


Abb. 141.  Innenansicht nach Osten.

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einander unterschieden. Eine griechische Inschrift nennt den Namen und Beruf jeden Märtyrers und gibt den Monat, die Provinz und die Diözese an, in denen sein Gedächtnis gefeiert wird. Ein Kriterium für die Auswahl der Märtyrer und ihre Anordnung wurde bisher nicht gefunden. In der nächsthöheren Mosaikzone der Kuppel müssen sich mehr als 24 Gestalten befunden haben, von denen nur die Füße und die Säume weißer Gewänder erhalten blieben. Es könnten Engel dargestellt gewesen sein, die sich in leichter Bewegung befanden (Abb. 143). Nach Vergleichsbeispielen (Abb. ) müssen diese Gestalten in Beziehung zu Christus gestanden haben, der im Scheitel der Kuppel auf silbernem Grund erscheint. Wie die Mosaikreste und die Vorzeichnung auf den Ziegeln erkennen lassen, ist Christus jugendlich, bartlos und mit langen Haaren dargestellt; er besitzt einen goldenen Nimbus, hat die rechte Hand triumphierend erhoben und trägt in der linken Hand einen Kreuzstab. Das Medaillon, in dem er mit etwas vorgesetztem rechtem Fuß steht,

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ist von einem Früchtekranz und weiteren Ornamentmotiven gerahmt. Dieser Rahmen wird von vier geflügelten und nimbierten Engeln »getragen«, zwischen die im Osten ein Phönix als Symbol der Ewigkeit eingefügt ist (S. ). Der Wanddekor in frühchristlichen Kirchen richtete sich nach ästhetischen und statischen Regeln. Über Säulenstellungen, also über einem Architrav oder über Bögen, wurde nur Bemalung oder Mosaik angebracht. Dagegen wurde in geschlossenen Wandteilen eine untere Zone häufig mit Marmorplatten verkleidet (Abb. 144). Diese verdankten ihre Wirkung meist der Maserung kostbarer Steinsorten. Doch konnten für diesen Dekor auch Reliefplatten verwendet werden, wie eine in Berlin befindliche Platte zeigt. Der Schmuck des Bogens mit einem ionischen Kyma (»Eierstab«) und Astragal (»Perlstab«) und seine Füllung mit einer Muschel entsprechen östlichen Vorbildern. Der Kindersarkophag in Istanbul (Abb. 80) geht ihm sicher zeitlich voraus. Das Hauptmotiv in der Nische ist ein Thron mit hoher Rückenlehne, auf

Abb. 142. Thessaloniki, Hagios Georgios, Grundriss.


Abb. 143.  Mosaikdetail: Christusmedaillon mit Engeln.

dessen Sitzkissen ein mit Rundfibel geschlossener Mantel (Chlamys) und ein Perlendiadem liegen. Rundfibel und Diadem sind Zeichen kaiserlichen Ranges, doch stellt die Taube des heiligen Geistes ebenso wie die dem Thron zugewandten beiden Lämmer sicher, dass diese Insignien auf Christus übertragen sind. Das Relief war unten ursprünglich länger und oben rechteckig abgeschlossen. Fehlende Teile der Taube und des vorderen Lammes waren selbständig gearbeitet und mit Hilfe von Dübeln angesetzt. Bei einem Vergleichsstück in Venedig ist der figürliche Dekor abgearbeitet, bei einer Parallele in Nikosia auf Zypern steht in der Bogennische ein Ziegenbock vor Bäumen.

quadratischen Nebenräumen von 7,08 m Länge und 6,80 m Breite gerahmt, deren Fußböden mit Mosaiken geschmückt sind. Während die Darstellungen im südlichen Nebenraum sich mit der Jagd beschäftigen, enthält das nördliche Mosaik eine bisher einmalige Darstellung. Im Mittelfeld von 3,01 m Breite und 2,93 m Höhe stehen drei Obstbäume und sechs Zypressen. Unter den Bäumen wachsen Blumen, vor den seitlichen Bäumen steht je ein großer Vogel, neben dem Granatapfelbaum ein kleinerer, über den Bäumen fliegen weitere acht Vögel. Im sehr abwechslungsreich gestalteten Rahmen befindet sich ein 60 cm breiter, umlaufender Wasserstreifen mit verschiedenartigen Fischen, Wasservögeln und -pflanzen, einem Harpunenfischer auf einem Boot und einem weiteren Fischer, der auf einem Felsen sitzt. Wären nur die soeben beschriebenen Mosaikdetails erhalten geblieben, so wäre ihre Deutung kaum über die Annahme einer Paradiesdarstellung hinausgekommen. Doch ist unter den Bäumen des Mittelfeldes eine griechische Mosaikinschrift angebracht:

Als Beispiel für Fußbodenmosaiken in Kirchen des 6. Jhs. wird ein Detail aus der Ausstattung der Kirche des heiligen Demetrios im griechischen Nikopolis abgebildet. Die Kirche wurde von einem Bischof Dumetios I. vermutlich in frühjustinianischer Zeit erbaut. Es handelt sich um eine dreischiffige Basilika mit Vorhof (Atrium), Vorraum (Narthex) und einem Querschiff vor der Apsis. Bei diesem ist das Bema- »Was du hier siehst, ist der berühmte, grenzenlose quadrat des Mittelschiffs von zwei seitlichen, fast Ozean, der in seiner Mitte die Erde enthält. Sie trägt 163


in einer »Christlichen Topographie«, die allerdings nur durch drei Kopien des 9. Jhs. bekannt ist, die seit Pythagoras, Platon und Aristoteles bekannte Vorstellung von der Kugelgestalt der Erde und ihrer Bewegung um die Sonne als widersprüchlich zur Heiligen Schrift zu erweisen. Bei der Ortschaft Kiti auf Zypern blieb in der mittelalterlichen Kirche Panagia Angeloktistos (von Engeln erbaute Kirche der Allheiligen, also Marias) die mittlere von drei Apsiden einer frühchristlichen Basilika mit dem Mosaikschmuck ihrer Wölbung erhalten (Abb. 145). Das ca. 3,70 m breite Mosaik unterscheidet sich von anderen Mosaiken der Insel durch eine technische Besonderheit. Unter den sehr kleinen und sorgfältig aneinandergefügten Mosaiksteinchen gibt es neben den gewohnten Glastesserae auch solche, die aus bemaltem Marmor bestehen. Ihre mattere Oberfläche sollte beispielsweise den stofflichen Charakter von Gewändern betonen. In der Mitte des Mosaiks steht Maria mit dem Jesuskind im linken Arm auf einer mit Gemmen geschmückten Fußplatte. Die Erzengel Michael und Gabriel, die ihr huldigen, sind wie Maria mit Namen bezeichnet (Abb. 146). Maria besitzt einen goldenen Nimbus, ist in eine gegürtete Tunika und eine purpurfarbene Palla gekleidet und hat das mit einem Kreuz geschmückte Maphorion (Schleier) über den Kopf gezogen. Das mit Redegestus, Buchrolle und goldenem Kreuznimbus ausgestattete Kind trägt ein Goldgewand und blickt ebenfalls auf den Beschauer. Dagegen schreiten die beiden Erzengel auf Maria und das Kind zu und haben die Köpfe etwas zur Mitte gedreht. Beide tragen ein Diadem und lange Zeremonienstäbe; ihre Nimben sind silbern, ihre Flügel mit Pfauenfedern geschmückt. Zur Huldigung bringt jeder Erzengel dem Christuskind einen großen Globus (sphaera) mit einem aufgesetzten Kreuz dar, das sich auf der Fläche der Kugel spiegelt. Die aus der Herrscherikonographie übernommene sinnbildliche Bedeutung des Globus als Zeichen der umfassenden Weltherrschaft ist hier ausnahmsweise durch die Farben zum Ausdruck gebracht: Im Globus wölbt sich der in kunstvollen Bildern alles, was da atmet und kriecht. blaue Himmel über dem graugrünen Erdkreis. In Stiftung des großherzigen Erzpriesters Dometios.« der Laibung des Apsisbogens in Kiti sind zu Seiten eines Kreuzmedaillons dekorative Darstellungen von Es ist gewiss überraschend, dass einige Vögel alle Tieren, Pflanzen und Gefäßen zu sehen. Lebewesen auf der Erde vertreten sollen, wie mit einem Homerzitat vermerkt wird (Ilias XVII 447; Unter dem Berg Sinai errichtete Kaiser Justinian für Odyssee XVIII 131). Besonders interessant ist jedoch, verstreut lebende Mönche das Katharinenkloster dass der Bischof mit seinem Mosaik das Weltbild (Abb. 147). Wie die Inschrift auf einer der originalen einer vom Ozean umgebenen flachen Erde vertrat. Reliefplatten an den Deckenbalken der Marienkirche Dieses wurde in der Mitte des 6. Jhs. besonders von des Klosters erkennen lässt, geschah dies nach dem Kosmas Indikopleustes (dem »Indienfahrer«) vertre- Tode der Kaiserin Theodora im Jahre 548. Die Anlage ten und in Miniaturen dargestellt. Er bemühte sich umgibt eine zehn Meter hohe und zwei Meter starke 164

Abb. 144.  Berlin, Staatliche Museen, Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst, Inv. 3772. Reliefplatte mit Throndarstellung, Marmor von der Insel Marmara (Prokonnesos), Höhe noch 1,67 m, Breite noch 86 cm, Herstellungsort vermutlich Konstantinopel.


Abb. 145.  Kiti (Kition) auf Zypern, Panagia Angeloktistos, Apsismosaik.

Abb. 146.  Detail: Globus, den der Erzengel Michael dem Jesuskind präsentiert.

Mauer aus behauenen Granitblöcken. Die Klosterkirche ist eine dreischiffige Basilika, die abweichend vom Plan des Klosters genau nach Osten gerichtet ist. In den Mosaiken der Apsisstirnwand wird die Mitte von einem Medaillon mit dem Gotteslamm eingenommen (Abb. 148). Es steht vor einem Kreuz und einem Hintergrund mit drei Farbzonen als Hinweis auf die göttliche Dreifaltigkeit. Ihm huldigen zwei fliegende Engel mit kreuzgeschmückten Globen. Sie tragen Kreuzstäbe und besitzen Flügel, die mit Pfauenfedern geschmückt sind. Auch Maria und Johannes in den Medaillons der Zwickel sind als Fürbitter dem Gotteslamm zuzuordnen. Weiter oben sind links und rechts neben zwei Fenstern zwei alttestamentliche Szenen dargestellt: Moses, der am brennenden Dornbusch auf dem Berg Horeb seine Sandalen auszieht (Exodus III 1–6) und der hier am Berge Sinai mit verhüllten Händen die Gesetzestafeln empfängt (Exodus XIX–XX). In beiden Bildern ist das Himmelssegment mit der Hand Gottes farblich dreifach abgestuft. In der Apsiswölbung ist die Verklärung Christi mit Moses und Elias und den Aposteln Petrus, Jakobus und Johannes zu sehen (Matthäus 165


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Abb. 147.  Sinai, Katharinenkloster, Gesamtansicht.

Abb. 148.  Sinai, Katharinenkloster, Marienkirche. Apsismosaik.

XVII 1–9). Dieses Bild wird oben und unten von zwei Reihen von Medaillons gerahmt. In diesen sind oben zu Seiten eines Kreuzes die Brustbilder von Aposteln dargestellt. Da sie – wie alle menschlichen Personen des Mosaiks – namentlich bezeichnet sind, erkennt man, dass die drei Zeugen der Verklärung Christi nicht wiederholt werden, sondern durch Paulus und die beiden noch fehlenden Evangelisten Markus und Lukas ersetzt sind. Unten sind siebzehn Vertreter des Alten Testaments aneinandergereiht. Die mittlere Gestalt König Davids ist wie ein römischer Kaiser gekleidet und trägt ein Diadem mit seitlichen Perlenanhängern und einem bekrönenden Kreuz. Da der König zudem nicht, wie üblich, bärtig erscheint, ist eine Anspielung auf Kaiser Justinian nicht auszuschließen. An den Ecken sind, durch rechteckige

Nimben als Lebende bezeichnet, ein Diakon Johannes und der auch in der Widmungsinschrift über den Medaillons genannte Hegoumenos (Abt) Longinus zu sehen. Der Kreuznimbus Christi im Verklärungsbild ist an der oberen Kante unterbrochen. Hier sind zwei Ringe befestigt, durch die ursprünglich ein Seil lief, an dem ein Altarkreuz auf- und abwärts bewegt werden konnte. Aller Wahrscheinlichkeit nach war dieses das »Moseskreuz«, ein im Kloster aufbewahrtes Messingkreuz justinianischer Zeit von 1,04 m Höhe und 0,78 m Breite, das einen Ring zum Aufhängen besitzt. Unter seinen Querarmen gibt es je drei Ringe für Schmuckanhänger, darüber jeweils einen Kerzenhalter. Wollte man Kerzen aufstecken und anzünden, so musste 167


man das Kreuz herablassen. Das Kreuz trägt in Gravuren dieselben beiden Szenen, die am Apsisbogen als Mosaikbilder erscheinen, also Moses am brennenden Dornbusch und beim Gesetzesempfang am Sinai. Da sich in Ägypten schon sehr früh Einsiedler (Eremiten) in die Wüste zurückzogen und bedeutende Klöster für das Zusammenleben von Mönchen (Koinobiten) entstanden, hätte man erwarten können, dass sich an einem der großen Klöster, etwa dem Schenutekloster bei Suhan eine ähnliche Entwicklung erge-

ben hätte, wie beispielsweise bei der Säule des Styliten Symeon in Qal’at Sem’an (Abb. 152). Stattdessen entstand das bedeutenste Pilgerziel Ägyptens an einer Stelle, an der man im frühen 5. Jh. das Grab eines nur durch Legenden bekannten Soldaten und Märtyrers mit Namen Menas gefunden zu haben glaubte (Abb. 149). Menas, der aus Ägypten stammte, soll in Phrygien als Soldat ein Opfer der Diocletianischen Christenverfolgung des frühen 4. Jhs. geworden sein. Sein Leichnam wurde zu einem militärischen Einsatz nach Ägypten mitgenommen und hier an dem Ort beigesetzt, an dem das zum Transport bestimmte

Abb. 149.  Ab6 Mpna(Ägypten), Plan des Kultzentrums. 1 Gruftkirche, 2 Große Basilika, 3 Baptisterium, 4 Großer Pilgerhof, 5 Halbkreisförmiger Pilgerhof, 6 Doppelbad, 7 Nordbad, 8 Großer Peristylbau.

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Kamel nicht mehr weitergehen wollte. Zur Erklärung, wie das Grab des Märtyrers im nächsten Jahrhundert in einer seit vierhundert Jahren verlassenen Siedlung wiederentdeckt werden konnte, dienten Erzählungen von Heilungswundern.

Abb. 150.  Ab6 Mpna, Grabungshaus. Flache Menasampulle. Ton, rötlich-braun, Höhe 11,1 cm, Durchmesser 7,9 cm, Tiefe 2,6 cm, Herstellungs- und Fundort Ab6 Mpna.

Das Zentrum des Märtyrerkults, die Gruft des heiligen Menas, wurde in einer unterirdischen Grabanlage errichtet, die ursprünglich nur durch einen senkrechten Schacht zugänglich war. Sie gehörte zu einer späthellenistischen Siedlung, die im 1. Jh n. Chr. aufgegeben wurde und von deren Lehmziegelhäusern ansehnliche Reste unter der ersten Phase der Gruftkirche und unter der Großen Basilika erhalten blieben. Der erste Bau der Gruftkirche, die »Kleine Basilika« wurde in der ersten Hälfte des 5. Jhs. errichtet, die dreischiffige »Große Basilika« mit breitem Querhaus vor dem Ende des Jahrhunderts an sie angebaut. Von der Kleinen Basilika blieb eine für das Pilgerwesen wichtige Anlage unter dem Altar erhalten, weil sie beim Neubau der Gruftkirche in justinianischer Zeit zur Weiterverwendung eingerichtet wurde. Unter einer Marmorplatte mit einer Öffnung von 5 cm Durchmesser befand sich ein Marmorkrater, der nach Aussage der vorgefundenen Verkrustungen immer wieder mit Öl gefüllt wurde. Aus ihm konnten mit einem Stäbchen einige Tropfen Öl entnommen und an die Pilger verteilt werden. Offenbar bedankten sich die Gläubigen seit der Mitte des 5. Jhs. beim Heiligen für diese Segensgabe, denn im Gefäß befanden sich über 8 000 Kleingeldmünzen. Seit dem Beginn der lokalen Keramikproduktion im letzten Viertel des Jahrhunderts wurden auch Pilgerampullen mit dem Bild des Märtyrers hergestellt; da sie nicht wasserdicht sind, dienten sie vermutlich dazu, einige Tropfen Öl als Andenken mitzunehmen. Mit der justinianischen Epoche begann die hauptsächliche Blütezeit des Pilgerortes. Der Neubau der Gruftkirche aus dieser Zeit war ein prächtiger Vierkonchenbau. Eine zweite Treppe zur Menasgruft wurde angelegt, damit die Pilger ohne Gegenverkehr am Grab des Heiligen vorbeiziehen konnten. Der Pilgerhof und sein Zugang erhielten Säulenhallen, Pilgerherbergen in Lehmziegeln wurden als Hausteinbauten erneuert. Es entstanden große Neubauten, wie der monumentale große Peristylbau mit zwei Innenhöfen südwestlich des Doppelbades. Dieses stammte aus dem 5. Jh. und erlebte nun eine neue Bauphase mit erweiterter Göpelanlage für die Wasserversorgung; ein weiteres Bad mit ganz ähnlichem großem Brunnen wurde weiter nördlich errichtet. Für den Bau der nur im Westen und Süden der Stadt nachgewiesenen Stadtmauer gibt es keinen Datierungshinweis. Sie wurde nie vollendet, möglicherweise

wegen der Perserinvasion um das Jahr 619, bei der große Teile der Stadt zerstört wurden und die Kirchen im Zentrum ausbrannten. Von dieser Katastrophe hat sich die Pilgerstadt nie ganz erholt. Seit der zweiten Hälfte des 7. Jhs. wurden zwar bescheidene Häuser aus wiederverwendeten Steinen gebaut, aber bedeutende Anlagen wie die beiden Bäder nicht wieder hergestellt, sondern als Müllabladeplatz verwendet. In der ersten Hälfte des 9. Jhs. wurde noch einmal eine Kirche errichtet, doch nach Aussage der Münzund Keramikfunde ging schon mit dem Ende dieses Jahrhunderts das Leben in Ab6 Mpna zu Ende. Am Gedächtnisort des heiligen Menas konnten die Pilger seit dem ausgehenden 5. Jh. verschiedenste buntbemalte figürliche Andenken erwerben: Reiterfiguren, Tiere, Tiergefäße und Statuetten schwangerer Frauen, die auf die Wundertätigkeit des Märtyrers gegen Kinderlosigkeit hinweisen. Das Hauptandenken 169


waren jedoch zweihenklige Tonampullen, die in großer Zahl in Ägypten und im ganzen Mittelmeerraum gefunden wurden (Abb. 150). Die einfachen, stets unbemalten Gefäße wurden aus zwei in Modeln geformten Hälften zusammengesetzt und nach Ansetzen der Henkel gebrannt. Meistens ist auf beiden Seiten der Heilige als Soldat in Gebetshaltung zwischen zwei an Kamele erinnernden Tieren dargestellt. Um deren merkwürdiges Aussehen zu erklären beschrieb eine spätere Legende, das Schiff mit der Leiche des Märtyrers sei auf der Überfahrt von kamelartigen Ungeheuern bedroht, aber durch die Macht des Heiligen gerettet worden. Nicht selten wird auf einer der Ampullenseiten mitgeteilt, das Gefäß sei ein Segensandenken (Eulogia) des heiligen Menas. Ohne das Vorbild der (bisher zu spät datierten) wertvolleren palästinischen Metallampullen (Abb. 160) sind die unscheinbaren Menasampullen kaum vorstellbar. Auf einer in London befindlichen Elfenbeinpyxis wurde im 6. Jh. die Menaslegende in drei Szenen dargestellt (Abb. 151). Bei der Verurteilung ist außer dem Richter und einem Soldaten auch ein Beamter mit einem Diptychon anwesend, ein Hinweis darauf,

dass Urteile in schriftlicher Form zu erfolgen hatten. Zur Enthauptung hat der Henker die Haare des fast nackten Märtyrers ergriffen. Dessen Seele will ein herbeieilender Engel mit verhüllten Händen in Empfang nehmen. In der Hauptszene ist der Rang des Heiligen in mehrfacher Weise betont: durch den Nimbus, die Bekleidung mit der Chlamys, die Bogennische mit gedreht gerillten Säulen und vier Gestalten, die ihm mit beiden Händen huldigen. Von links nahen sich zwei Frauen, von rechts zwei Männer, und auch die beiden Kamele fehlen nicht, durch die Menas identifiziert werden kann. In einer Übersicht über frühchristliche Kunst darf ein Hinweis auf die architektonischen Zeugnisse und die zahlreichen, aber künstlerisch bescheidenen Bildwerke nicht fehlen, die mit dem Leben einer besonderen Gruppe von Asketen verbunden sind, den Säulenstehern (griechisch: Styliten. Abb. 152). Als Erfinder dieser Lebensform gilt ein Mönch mit Namen Symeon, der sein Kloster verließ, um einsam auf einem nahen Felsen zu leben. Um das Jahr 417 bestieg er eine kleine Säule, die in der Folgezeit stufenweise erhöht wurde, bis sie 430 eine Höhe von 16 m erreicht

Abb. 151.  London, British Museum, Inv. PY PY 1879,1220.1. Deckelbüchse (Pyxis), Elfenbein, Höhe 7,8 cm, Durchmesser 12,2 cm, Deckel, Boden und Schloss verloren, Herstellungsort vermutlich Alexandria, Fundort Rom, Kirche S. Paul vor den Mauern.

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Abb. 152.  Qal'at Sem’an, Stylitenheiligtum. Südliche Vorhalle und Haupteingang.

hatte. Auf der Plattform dieser Säule lebte Symeon bis zu seinem Tode 459. Er predigte den Besuchern und soll zahlreiche Wunder gewirkt haben. Der Pilgerstrom zu seiner Säule endete auch nicht nach dem Tode Symeons, obwohl sein Leichnam unter militärischem Schutz in die Kathedrale von Antiochia überführt worden war. So enstand zwischen 475 und 490 ein großartiges Pilgerheiligtum unter Verwendung des lokalen Kalksteins, dessen Ausführung ohne Steinmetze aus der Hauptstadt Antiochia nicht vorstellbar ist. Gute Gründe lassen an eine Initiative und finanzielle Beteiligung des Kaisers Zeno (474–491) denken. Der Name der Anlage, Qal’at Sem’an (Symeonsburg), ist erst frühmittelalterlich. Wenn die Pilger aus den Herbergen in Deir Sem’an (Symeonskloster), dem antiken Ort Telanissos, den Hügel hinaufgestiegen waren, bot ein monumentales Tor Zugang zu einem ummauerten Bezirk von etwa 16.000 Quadratmetern. Am Kuppelbau eines Baptisteriums und einem Kloster mit eigener Kirche vorbei gelangte man zur Vorhalle des Haupteingangs im Süden der Gedenkstätte, in deren Zentrum die Säule des Styliten innerhalb eines achteckigen Raumes von etwa 28 m Durchmesser stand (Abb. 153). Die weiten Bogenöffnungen dieses Oktogons führten in vier kreuzförmig angeordnete dreischiffige Basiliken, von denen die östliche

durch drei Apsiden als Raum für die Feier der Eucharistie hervorgehoben ist. Im 6. Jh. berichtete Euagrios Scholastikos, dass die Pilger im Oktogon in Qal`at Sim’an die Säule des Styliten mit ihren Lasttieren umkreisten (historia ecclesiastica I 14). Das nächstgelegene Vorbild einer solchen vierflügeligen Anlage war die im letzten Viertel des 4. Jhs. erbaute Kirche in Antiochia-Kaoussie mit den Gebeinen des heiligen Babylas, eines Märtyrerbischofs von Antiochia aus dem 3. Jh. In seinen architektonischen Details ist der Kirchenbau in Qal’at Sem’an stark von einer Basilika abhängig, die im nahegelegenen Qalblaze einige Jahre zuvor errichtet worden war (Abb. 154). Diese Kirche, an deren Wänden es auch Stylitendarstellungen gibt, übte mit ihren weiten, von Pfeilern getragenen Mittelschiff-Arkaden und zwei Türmen an der Westseite starken Einfluss aus, der auch über Syrien hinausging. Das Beispiel Symeons regte eine große Zahl von Nachfolgern an, nicht nur in Syrien und Mesopotamien, wo mit etwa 70 Styliten gerechnet wird, sondern auch in angrenzenden Gebieten bis nach Konstantinopel. Auch von Stylitinnen wird berichtet. Der berühmteste Nachfolger Symeons (»des Älteren«) hieß ebenfalls Symeon (»der Jüngere«). Er verbrachte 171


im 6. Jh. fünfzig Jahre als Stylit auf einem Berg in der Nähe von Antiochia, der wegen der Wundertätigkeit des Styliten als »Berg der Wunder« bezeichnet wurde und auf dem schon zu seinen Lebzeiten große Kultund Pilgerbauten errichtet wurden. Viele aus Lehm gepresste Segensandenken tragen das Bild Symeons des Jüngeren auf der Säule, bisweilen mit der Umschrift: »Eulogie des heiligen Symeon vom Berg der Wunder«. Durch literarische Erzählungen wissen wir, was man dem am Fuß der Styliten-Säulen aufgenommenen Sand an Krankenheilungen, Dämonenaustreibungen und Besänftigung von Seestürmen zutraute.

Abgesehen von Stylitendarstellungen, die sich an Kirchenwänden befinden, blieben auch eine Reihe größerer Reliefs mit Stylitenbildern erhalten. Eine Basaltstele aus dem Jahre 492 nennt in ihren Inschriften nicht nur den heiligen Symeon, sondern auch den Namen eines Stifters (Abb. 155). Das Basaltrelief Symeons des Älteren in Berlin wurde in der Nähe von Homs gefunden und könnte Teil einer Chorschranke in einer syrischen Kirche gewesen sein. Der Stylit ist in Kurzform auf der Säule dargestellt. Das Kreuz auf seiner Kapuze weist ihn als Mönch aus. Dasselbe gilt für die Gestalt, die mit einem Weihrauchgefäß auf einer Leiter zu ihm emporsteigt. In

Abb. 153.  Qal'at Sem’an, Stylitenheiligtum. Blick von Norden über die Reste der Säule und ihres Sockels hinweg zur Eingangswand im Süden.

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Abb. 154.  Qalbl3ze, Ansicht der Kirche von Südosten.

der Literatur wird das Gebet des Styliten mit aufsteigendem Weihrauch verglichen, und die Beischrift einer Eulogie lautet: »Nimm, o Heiliger, den Weihrauch und heile alle!«. Für den Vogel, der den Säulensteher bekränzt, gibt es eine Parallele auf einer Basaltplatte im syrischen Homs. Das kleinere Silberrelief in Paris wurde nach Aussage der griechischen Inschrift am unteren Rand als Votivbild zum Dank für empfangene Wohltaten hergestellt: »Mit Dank gegen Gott und den heiligen Symeon habe ich (dies) dargebracht.« (Abb. 156) Das oben giebelförmige Relief kann eine der Schmalseiten eines Reliquiars sein oder war als Votivbild in einer Kirche aufgehängt, wie dies literarisch für eine Silbertafel mit Bild und Inschrift im Heiligtum des Styliten Daniel (gestorben 493) in Konstantinopel überliefert ist. Auf dem Relief in Paris steht Symeon in Mönchskleidung innerhalb des Gitters, das die Plattform auf dem Kapitell der Säule umgibt. Er hält mit verhüllten Händen die Basis eines unbestimmbaren Gegenstands, der sein Gesicht fast ganz verdeckt. Die Schlange, die sich um die Säule zu ihm hinaufwindet, erinnert an ein Heilungswunder, das der Stylit an einer Schlange vollführte. Während diese Schlange auf weiteren Stylitenbildern erscheint, gibt es für das kreisförmige, stark vergoldete Muschelemblem über dem Kopf Symeons keine Parallele in der spätantiken Kunst.

Eine weitere ganze Stadt als Pilgerheiligtum entstand in Syrien zu Ehren eines Märtyrers mit Namen Sergios (Abb. 157). Dieser soll als römischer Offizier gemeinsam mit einem Gefährten Bakchos am Anfang des 4. Jhs. in der Diocletianischen Christenverfolgung das Martyrium erlitten haben. Am Ort der Hinrichtung, in Rușafa, einer kleinen Militärsiedlung an der Euphratgrenze, soll er auch beigesetzt worden sein. Seine Verehrung führte im späten 5. Jh. zum Ausbau dieses Ortes zu einer großen Sergiosstadt (Sergiopolis), deren Mauer Kaiser Justinian monumental erneuerte (Prokop, Bauten II 9). Sie umschließt eine Fläche, die von Osten nach Westen 536 m lang ist und im Westen 411 m, im Osten 350 m breit ist. Die Anlage von Straßen und Plätzen, wie auch der Bau großer Zisternen diente den zahlreichen Pilgern zu den Reliquien des Heiligen. Diese wurden zunächst wahrscheinlich in einem Vorläuferbau der »Basilika B« verehrt und später in die um 500 errichtete »Basilika A« (Sergioskirche) übertragen (Abb. 158–159). Bei dieser Gelegenheit gab man dem Heiligen auch älteres gestiftetes Kleingeld und kleine Schmuckstücke mit und breitete sie im nordöstlichen Apsisnebenraum aus, bevor man die Platten des Fußbodens legte und einen Sarkophag mit den Reliquien des Heiligen aufstellte. Diese Münzen des heiligen Sergios erinnern an die Parallele im ägyptischen Menasheiligtum (S. ). Die Kirche des Sergios war eine dreischiffige 173


Abb. 155.  Berlin, Staatliche Museen, Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst. Inv. 9/63. Relief mit Stylitendarstellung, Basalt, Höhe 84,5 cm, Breite 76 cm, Tiefe 16,5 cm, Herstellungs- und Fundort Syrien.

Basilika (Länge 54,40 m, Breite 28,60 m). Sie war aus lokalen Gipsgesteinquadern errichtet und gehörte zum syrischen Typus der Weitarkadenbasilika (vgl. Qalbl3ze, Abb. 154). Vor der Apsis mit der Priesterbank (Synthronon) und dem von Schranken umgebenen Sanktuarium befand sich ein weiterer erhöhter Podest (Bema) mit Priesterbänken für den Wortgottesdienst, wie er im syrischen Kirchenbau öfters belegt ist. Neben weiteren kleineren Kirchen gab es seit dem 174

frühen 6. Jh. noch einen großen Zentralbau mit vier Apsiden (tetraconchos). Als es in der Heiligkreuzkirche im 7. Jh. statische Probleme mit ihren weitgespannten Mittelschiffsbögen gab, wurden Säulen der aufgegebenen Basilika B zu ihrer Verstärkung verwendet. Die Pilgerampulle in Baltimore besitzt auf beiden Seiten dieselbe Darstellung (Abb. 160). Sergios ist im

Abb. 156.  Paris, Musée du Louvre, Inv. Bj 2180. Relief mit Stylitendarstellung, Silber, teils vergoldet, Maße ###.


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Abb. 157.  Sergiopolis (Ruüafa, Syrien), Plan. Vorne links ›Basilika B‹, rechts ›Basilika A‹, hinten links Zentralbau.

Abb. 158.  ›Basilika A‹, Außenansicht von Norden.

typischen Bild des Reiterheiligen dargestellt, mit Nimbus, wehendem Mantel und einer Lanze, deren Ende ein Kreuz schmückt. Die von zwei Kreislinien gerahmte Umschrift lautet: ΕΥΛOΓΙΑ ΚΥΡΙOΥ ΑΓΙOΥ CΕΡΓΙOΥ – »Segensandenken des Herrn (vom Ort) des heiligen Sergios«. Unverkennbar ist die starke Ähnlichkeit zu palästinischen Pilgerampullen in der Herstellungstechnik, der Anordnung der Details, der Form des Halsdekors und der Buchstabenform der Umschrift, besonders der eigenartigen Spitze des Buchstabens Omega. Da eine ganze Reihe kleiner Steinreliquiare frühchristlicher Zeit aus Syrien erhalten blieben, die eine Einfüll- und eine Entnahmeöffnung besitzen, dürfen wir annehmen, dass die Ampulle Öl enthielt, das seine Segenskraft ebenfalls durch Kontakt mit den Reliquien des Heiligen erhielt. Östlich von Jerusalem liegt in einer Entfernung von etwa 57 km jenseits des Jordan und des Toten Meeres die Stadt Madaba, ein Bischofssitz frühchristlicher Zeit. In der Stadt selbst und in weiteren zum Bistum gehörenden Orten blieben besonders viele Fußbodenmosaiken erhalten, die vor allem seit dem 6. Jh. in Kirchen und Profangebäuden gelegt wurden. Um dem einzigartigen Mosaik einer Landkarte aus der 176

Johanneskirche in Madaba ein künstlerisches Umfeld zu geben, werden einige weitere Arbeiten aus dem geografischen Kontext erwähnt (Abb. 161). In einem Kirchenkomplex, der wegen seiner Ausstattung mit einem Baptisterium als Kathedrale angesehen werden kann, fanden sich überwiegend Fußbodenmosaiken des frühen und späteren 6. Jhs. mit Tierdarstellungen in Ranken und geometrisch geformten Feldern. Eine kleine Marienkirche mit kreisförmigem Grundriss wurde gegen Ende des Jahrhunderts mit einem Mosaik geschmückt, in dem eine Widmungsinschrift ausschließlich von unfigürlichem Dekor umgeben ist. Unter dem Narthex dieser Kirche wurde in 1,30 m Tiefe ein Raum mit mythologischen Mosaiken entdeckt, die an anderer Stelle zu beschreiben sind (Abb. ). Das Mittelschiff der Apostelkirche zeigt ohne Unterteilung in Reihen angeordnete Blumen und einander zugewandte Papageien. Im Zentrum ist in einem Medaillon eine weibliche Meerespersonifikation mit Fischen und Seemonstern dargestellt. Die am Kreisrand umlaufende Stifterinschrift fügt dem Meer auch Himmel und Erde hinzu: »Herr, Gott, der du Himmel und Erde geschaffen hast, gib Leben dem Anastasios und dem Thomas und der Theodora. (Werk) des Mosaizisten Salamanios.« Den Papageienteppich rahmt eine Blätterranke, deren Kreise

Abb. 159.  ›Basilika A‹, Innenansicht, Mittelschiff mit Blick auf die Apsis.


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mit Tieren, spielenden Knaben, Masken und Früchten gefüllt sind. Aus dem Mosesheiligtum auf dem Berg Nebo-Siyagha, das in 7 km Entfernung südwestlich von Madaba liegt, sei ein Mosaik mit Jagddarstellungen erwähnt, das man als geeignet für ein Diakonikon hielt. Aus dem benachbarten Mosesheiligtum in El Mukhayyat ist das Hauptmosaik einer Kapelle aus der zweiten Hälfte des 6. Jhs. zu erwähnen: In einem durch Ranken gegliederten Fußboden mit Tierbildern huldigen Jünglinge von beiden Seiten mit Fruchtkörben der inschriftlich bezeichneten Erdmutter. Hinzu kommen noch zwei Fische, die als Hinweis auf das Meer das Weltbild vervollständigen. Das bekannteste Mosaik Palästinas ist die Landkarte, die im Fußbodenmosaik der Kirche des heiligen Johannes in Madaba dargestellt wurde (Abb. 162). Die nur teilweise erhaltene Karte lag mit ca. 15,70 m Breite und 5,60 m Tiefe in der dreischiffigen Basilika quer vor dem Altarraum. Der Osten liegt oben, die geographische Reichweite von Ägypten im Norden und Syrien im Süden wurde so eingerichtet, dass sich Jerusalem und Madaba genau auf der Mittelachse der Kirche befinden. Die Beschriftung der Gebiete

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Abb. 160.  Baltimore, Walters Art Gallery, Inv. 55.105. Pilgerampulle aus Sergiopolis (Ruüafa), Blei-Zinn-Legierung, Höhe 5,4 cm, Breite 3,8 cm, Tiefe 1,6 cm.

Abb. 161.  Madaba (Jordanien), Apostelkirche. Detail des Fußbodenmosaiks: Meerespersonifikation.


Abb. 162.  Madaba (Jordanien), Johanneskirche. Fußbodenmosaik mit Karte Palästinas, Detail: die Stadt Jerusalem.

der zwölf Stämme Israels ist besonders groß und in roter Farbe angelegt, während die Bezeichnungen der Ortschaften und der Ereignisstätten des Alten und Neuen Testaments in kleinerer schwarzer Schrift erscheinen. Die Stadtvignetten, deren Größe die Bedeutung der Orte wiederspiegelt, sind meist als Vorderansicht gegeben, doch bei Jerusalem und einigen weiteren größeren Städten blickt man von oben in das Straßennetz und auf die Bauten. Innerhalb der Darstellung Jerusalems findet sich eine religiös motivierte Verschiebung. Auf der Westseite der

wichtigsten, von Süd nach Nord führenden Säulenstraße ist in der Mitte deutlich der Komplex der Grabeskirche (Abb. ) zu erkennen: die Stufen, die zu den drei Eingängen der konstantinischen Auferstehungsbasilika führen, deren Giebeldach, davor der freie Hof und schließlich die Kuppel über dem Grab Christi. Diese Details sind korrekt wiedergegeben, doch die ganze Anlage befand sich innerhalb des damaligen Stadtgebiets weiter nördlich, sie wurde also in Entsprechung zu ihrer religiösen Bedeutung in die Mitte versetzt.

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8. Profanbauten und ihre Ausstattung

8a.  Skulptur Obwohl die Aufstellung von Porträtstatuen im öffentlichen und privaten Bereich in der Spätantike stark zurückgegangen ist, gab es weiterhin Stiftungen, von denen einige kaiserliche bereits besprochen wurden. Hier wird ein Beispiel aus dem zivilen öffentlichen Bereich abgebildet. Das unten und an der Nase beschädigte Porträt ist Teil einer Büste, von der noch ein Gewandstück auf der linken Schulter erhalten blieb (Abb. 163). Sie stand auf einer Wandkonsole und war durch eine Beischrift als Eutropios bezeich-

net, der ein Beamter der Straßenbaukommission der Stadt Ephesus war. Der stark in die Länge gezogene Kopf mit flachem Bart an den Wangen, am Kinn und auf der Oberlippe wirkt unrealistisch durch die eckige Abgrenzung der Haare über der Stirn, die hier nicht singulär ist, sondern auch bei weiteren Porträts des 5. Jhs. auftritt. Unpersönlich ist auch die ornamentale Gestaltung der über die ganze Breite des Gesichts reichenden Augen, besonders in der Linienführung von Oberlid und Augenbraue.

8b.  Decken- und Wanddekor

Abb. 163.  Wien, Kunsthistorisches Museum, Inv. I 880. Kopf eines als Eutrop bezeichneten Mannes, Marmor, Höhe 29,5 cm, Scheitel bis Kinn 22,5 cm, Fundort Ephesos.

Bei einer Erweiterung der frühchristlichen Kirche Triers, die nach Münzfunden nicht vor 333 erfolgte, wurde vor der Zerstörung eines im Wege stehenden Raumes unbestimmter Verwendung zunächst dessen Bemalung abgeschlagen (Abb. 164). Viele tausende bemalte Putzfragmente konnten bei Ausgrabungen unter dem Dom geborgen werden. In jahrelanger Arbeit wurde bisher die Deckenmalerei wieder zusammengefügt, unterstützt durch die Abdrücke des tragenden Lattenrostes auf der Rückseite des Mörtels. Dieses Deckenbild ist so einmalig wie rätselhaft und hat viele unterschiedliche Deutungsversuche erlebt. Es wird durch Flechtbänder in 15 Felder geteilt. Sieben Paare tanzender geflügelter Eroten tragen Gefäße, Füllhorn, Purpurmantel und Globus, dazu gesellen sich Amor und Psyche. Drei Felder enthalten die Büsten von Philosophen oder Dichtern, drei weitere die Büsten reich geschmückter und mit Nimbus

ausgezeichneter Frauen. Sie tragen Halsketten von Lapislazuli und einen Perlenkranz und die Stephane mit Edelsteinaufsatz im Haar, über das ein leichter Schleier gelegt ist. Die Dame mit Kantharos (Henkelbecher) im Mittelfeld unterscheidet sich von den beiden anderen, deren Attribute Schmuckkasten und Spiegel sind, in einem bedeutsamen Detail (Abb. 165). Während diese in lang hinunterfallende Idealfrisuren Lorbeerblätter gesteckt haben, ist die zentrale Gestalt mit einer Frisur dargestellt, die in der Entstehungzeit aktuell war. Es könnte Konstantins Gattin Fausta sein, der die beiden anderen Frauen als Personifikationen guter Eigenschaften und Wünsche beigegeben sind. Allerdings fällt es schwer, den ungewohnten Kantharos in ihrer Hand zu erklären. Das letzte, nicht gut erhaltene Bildfeld zeigt die Büste einer Gestalt, die zwar einen Nimbus trägt, aber keinen weiteren Schmuck. Da sie wohl eine Laier spielt, wurde vor181


geschlagen, es könnte Apoll sein – was allerdings nur möglich scheint, wenn die Gestalt im Zentrum tatsächlich die Kaiserin wiedergibt, denn sonst müsste der Gott diese Stelle einnehmen.

bezogen. Daher wird man aus einer Zeichnung, die eine nicht erhaltene Tigerin mit erbeutetem Hirschkalb darstellt, auf ein weiteres Bilderpaar schließen können.

Aus der spätantiken, meist in Malerei ausgeführten Wanddekoration treten zwei teilweise erhaltene Beispiele farbiger Einlegearbeit des 4. Jhs. aus geschnittenen Steinen (opus sectile) hervor, die in Rom und in Ostia gefunden wurden (Abb. 166). Die Darstellungen eines Circusaufzuges (pompa circensis) und der Entführung des Hylas durch die Nymphen gehören zum Wandschmuck eines im 15. Jh. entdeckten Raumes, den Junius Bassus (S. ) auf dem Esquilin in Rom errichtete. Es blieben noch zwei weitere Einzelbilder erhalten, die eine Tigerin mit einem Stierkalb als Beute zeigen. Die beiden Raubtierbilder sind in ihrer Richtung als Paar aufeinander

Im Vordergrund des Circusbildes ist ein von zwei Pferden gezogener Wagen (biga) zu sehen, deren frontal dargestellter, hochrangiger Lenker eine farbige Toga trägt und die rechte Hand weit ausstreckt. Die vier Pferde im Hintergrund sind nach außen gewendet, ihre Reiter sind im Oberteil ebenfalls frontal wiedergegeben. Sie tragen die für die Wagenlenker im Circus typische Bekleidung mit Hosen und einer gegürteten Tunika mit langen Ärmeln. Die Farben ihrer Tuniken entsprechen denen der vier Circusparteien, also der Roten, Blauen, Grünen und Weißen. Der weiße Gegenstand in den Händen der Reiter kann bisher nicht bestimmt werden. Junius Bassus

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Abb. 164.  Trier, Bischöfliches Domund Diözesanmuseum, Inv. ###, unter dem Trierer Dom gefundene Deckenmalerei, auf Lattenrost und Mörtel trocken aufgetragen, 1. Drittel des 4. Jhs., Breite ca. 10 m, Höhe ca. 7 m


Abb. 165.  Detail: Weibliche Personifikation mit Halskette und Schmuckkasten.

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Abb. 166.  Rom, Museo Nazionale Romano, Palazzo Massimo alle Terme, Inv. 375831. Einlegearbeit, farbiger Marmor, Glas, Glasfluss, Halbedelsteine, Perlmutt, Breite 1,11 m, Höhe 0, 73 m, Fundort Rom, Basilika des Junius Bassus, Dekor: Circusaufzug.

Abb. 167.  Raub des Hylas.

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Abb. 168.  Ostia, Museum, WandIntarsien der ›Aula presso Porta marina‹. Detail: Nimbierter bärtiger Mann.

war im Jahre 331 Konsul, daher könnte dieses Bild ihn selbst bei der pompa circensis, dem Einzug zu den von ihm in dieser Funktion veranstalteten Wagenrennen darstellen. Das Bildfeld mit der Hylasdarstellung, einer mythischen Szene aus der Argonautensage, ist an den Seiten und der bogenförmigen Unterkante durch ein in viele Falten gelegtes grünes Tuch begrenzt, das an allen vier Seiten von Friesen mit ägyptisierenden Darstellungen gerahmt ist (Abb. 167). Der bis auf ein wehendes Mäntelchen nackte Jüngling hat sich auf einen Felsen gekniet, um mit dem Krug Wasser zu schöpfen. Doch drei Nymphen haben ihn dabei überrascht und zwei von ihnen ergreifen ihn, um ihn in ihre Quelle zu entführen. Da Hylas im Mythos schließlich Unsterblichkeit und ewige Jugend erhält, dürfte die Darstellung seines Raubes über die sinnliche Freude hinaus auch inhaltlich positive Assoziationen geweckt haben. Junius Bassus wurde erst 359, kurz vor seinem Tode, getauft (Abb. 77).

größere Teile der vertikalen und horizontalen Gliederung zusammengefügt werden. Die vor dem Tor zum Meer liegende, aus vielen Räumen bestehende Anlage wurde nie fertiggestellt. In der Wanddekoration der Halle enthalten die beiden größten Bildfelder Löwen mit jungen Hirschen als Beutetieren. Die Schmuckbänder, die um ihren Hals und Bauch geführt sind, vermitteln den Eindruck, als seien diese Löwen mit ihren dem Beschauer zugewandten Köpfen Circustiere. Der in ein Rechteck eingeschlossene bärtige Mann mit Nimbus, einem weißen Gewand mit einem purpurfarbenen und einem weißen Streifen (clavus) und einem Rede- oder Lehrgestus der rechten Hand wird teils als Christus, teils als Philosoph bestimmt (Abb. 168). Einerseits ist bisher kein Bild eines Philosophen bekannt, der einen Nimbus besitzt, andererseits sprechen die Raubtierszenen nicht sehr für eine christliche Deutung. Auch ein Jüngling mit ähnlicher Kleidung, der in einem quadratischen Feld als helles Bild vor einem dunklen Medaillon erscheint, ist unbestimmt.

In Roms Hafenstadt Ostia konnten in einer Halle vom zu Boden gestürzten Intarsien-Wanddekor auch

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Abb. 169.  Villa Romana del Casale, bei Piazza Armerina, Sizilien, Fußbodenmosaik. Detail: Verschiffung von Tieren in der ›Großen Jagd‹.

Abb. 170.  Fußbodenmosaik. Detail: Wagenrennen im römischen Circus maximus.

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8c.  Fußbodenmosaik

Abb. 171.  Fußbodenmosaik. Detail: Mahldarstellung der ›Kleinen Jagd‹.

Mit einem Umfang von mehr als dreitausend Quadratmetern sind die farbigen Fußbodenmosaiken einer Villa bei Piazza Armerina auf der Insel Sizilien der größte Fund solcher Ausstattung, der erhalten blieb. Nach anfänglicher Vermutung eines Bezugs zum Kaiser geht man heute davon aus, dass die Besitzer zur wohlhabenden römischen Aristokratie des 4. Jhs. gehörten, deren Interesse an Spielen im Amphitheater und Circus und an traditioneller Mythologie durch die Mosaiken bezeugt wird. Deutliche Ähnlichkeiten thematischer und stilistischer Art zu nordafrikanischen Mosaiken in und um Karthago lassen eine Tätigkeit von dort beheimateten Mosaikwerkstätten in dieser Villa und an anderen Orten Siziliens erkennen. Die »Große Jagd« schmückt den Fußboden eines Ganges von fast 60 m Länge und 5 m Breite (Abb. 169). Hier werden unter offizieller Aufsicht wilde und exotische Tiere für die Tierkämpfe

im Amphitheater (S. ) gejagt, auf einer Seite der Schiffe verladen und auf der anderen Seite wieder ausgeladen. Das Wagenrennen findet im römischen Circus maximus statt, wie der dargestellte Obelisk verdeutlicht, den Augustus hier aufstellen ließ (Abb. 170). Das Mosaik befindet sich in einem langgestreckten Raum von 21,70  m Länge und 5,39 Breite, der durch zwei Apsiden der Form eines Circus angenähert war. Bei solcher Größe konnte man für jede der vier Circusparteien nicht nur, wie meist üblich, eine, sondern zwei Quadrigen darstellen. Dem siegreichen Wagenlenker wird ein Palmzweig überreicht, der Unfall eines Wagens ist durch den Sturz des Lenkers angedeutet. Auf der Spina (der mittleren Mauer im Cirkus) stehen außer dem Obelisken das Bild der Großen Mutter Kybele und eine Vorrichtung mit sieben Eiern,

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mit denen die Runden des Wagenrennens angezeigt ten (Abb. 171). Besonders groß und nahe des Eingangs wurden sie sind in dem gezeigten Ausschnitt leider sind die Jagden auf Hirsche und Wildschweine dargestellt. Außerdem bietet das Mosaik Bilder des Ausnicht zu sehen. zugs zur Jagd und der Rückkehr, eines Opfers für die Das Mosaik der »Kleinen Jagd« gibt mit 7,05 m Höhe Göttin Diana und des abschließenden Mahls im und 5,90 m Breite Ereignisse wieder, die zu den pri- Typus des Sigmamahls (S. ), einschließlich der vaten Vergnügungen der Großgrundbesitzer gehör- Speisezubereitung.

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Abb. 173.  Detail: Christusmosaik.

Abb. 172.  London, British Museum, Inv. Inv. 33346001. 1. Mosaik aus einer Villa in Hinton St. Mary, Dorset, England, Länge 8,10 cm, Breite 5,20 m, Übersichtsbild über die Mosaiken beider Räume.

Im römischen Britannien ließen in frühchristlicher Zeit wohlhabende Villenbesitzer Fußbodenmosaiken legen, deren Inhalt uns heute widersprüchlich erscheint. Aus einem Haus in Hinton St. Mary blieben die zusammenhängenden Mosaiken zweier Räume erhalten, die durch einen breiten Durchgang verbunden waren (Abb. 172). Im kleineren Raum enthält das von Ranken gerahmte Mittelmedaillon eine Darstellung Bellerophons auf dem geflügelten Pferd Pegasus, der die Chimaera ersticht, ein mythisches dreiköpfiges Monster. In zwei seitlichen Rechteckfeldern werden Hirsche von Hunden verfolgt. Ähnliche Bilder von Tieren und Bäumen rahmen in Halbkreisen auch das Mittelmotiv des größeren Raums. Dieses enthält in einem Medaillon zwischen zwei Granatäpfeln die Büste eines unbärtigen Mannes, hinter dessen Kopf ein Christogramm so angebracht ist, als handle es sich um einen Christogrammnimbus (Abb. 173). Zwar konnte diesen auch ein Kaiser besitzen, doch fehlen in Hinton St. Mary kaiserliche

Insignien, so dass die in Tunika und Pallium gekleidete Gestalt trotz des benachbarten Bellerophon meist als Christus angesehen wird. In den Eckzwickeln des Mosaiks sieht man zwischen Blüten, Granatäpfeln oder Zweigen vier Windgötter mit aufgewehten langen Haaren. Die Begegnung der beiden Kulturen in Hinton St. Mary war nicht singulär: Ein Villenbesitzer in Frampton (Dorset) ließ etwa gleichzeitig im Fußboden neben Bellerophon mit der Chimaera, Dionysos mit dem Panther und weiteren mythischen Szenen ein Medaillon mit einem Christusmonogramm anbringen. Unter den zahlreichen Fußbodenmosaiken aus nordafrikanischen Landgütern und Villen gibt es eine Gruppe mit ländlichen Szenen und Villendarstellungen. Hierzu gehört ein ungewöhnlich großes Exemplar aus Karthago, das nach der Aufschrift IV(lio) DOM(ino) – »Unserem Herrn Julius« auf einer dem Gutsbesitzer überreichten Buchrolle be189


nannt und in das späte 4. oder frühe 5. Jh. datiert wird (Abb. 174). Da es aus einem städtischen Haus in Karthago stammt, hat Dominus Julius hier wohl das Landgut darstellen lassen, aus dessen Erträgen sein Wohlstand stammte. Die Darstellungen der Domäne des Julius werden von diagonal angeordneten Jahreszeiten gerahmt, die durch typische Tätigkeiten, Produkte und Tiere verbildlicht sind. Hier ernten Untergebene die Blumen und Früchte der Jahreszeiten und präsentieren sie, zugleich mit den entsprechenden Haus- und Jagdtieren, dem Dominus und der Domina als ihren Besitz. Der Mittelstreifen des Mosaiks ist dem großen Landhaus gewidmet. Seine kastellartige Anlage ist kein künstlerisches Schmuckmotiv; sondern entspricht der Unsicherheit der Entstehungszeit mit ihren Wanderungen nichtrömischer Völker. Links reitet der Do190

minus mit einem Begleiter auf sein prächtiges Haus zu, von dem aus rechts Jäger zur Jagd aufbrechen. Der obere Streifen des Mosaiks zeigt zwischen den Bildern des Winters und des Sommers die sitzende Hausherrin. Sie hält einen Fächer in der Rechten, in Entsprechung zur Darstellung des Sommers rechts neben ihr. Im unteren Bildstreifen sind Dominus und Domina zwischen Frühling und Herbst gemeinsam dargestellt. Dominus Julius bekommt eine Buchrolle überreicht, die Domina weist auf ihre Bildung und kulturellen Interessen durch eine Anlehnung an die typische Haltung der Muse Polyhymnia hin. Sie hat sich von ihrem Sessel mit hoher Rückenlehne erhoben, um wie die Muse an einer kurzen Säule zu stehen, auf die sie den linken Ellbogen stützt. Zusätzlich hält sie in der linken Hand einen Spiegel und greift mit der rechten nach einer Halskette, die eine Dienerin

Abb. 174.  Tunis, Nationalmuseum Bardo, Inv. 1. Mosaik des Dominus Julius, Breite 5,65 m, Höhe 4,50 m, Fundort Karthago.

Abb. 175.  Paris, Musée du Louvre, Inv. Ma 3442. Fußbodenmosaik aus Antiochia-Daphne (Antakya/Türkei. Ursprüngliche Höhe 12,35 m, Breite 10,30 m; jetzt 6,00 x 4,20, Detail: Phönix in Rosenteppich.


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aus einem Schmuckkasten entnommen hat (vgl. gewandt sind und ein Halsband tragen. Zwischen Abb. ). ihnen steht ein Rosenzweig. Aus den spätantiken Fußbodenmosaiken der Residenzstadt Antiochia am Orontes wird das Zentrum eines Mosaiks abgebildet, das sich in einem großen Hof befand (Abb. 175). Die Tesserae des nicht vollständig erhaltenen Mosaiks bestehen aus Marmor und farbigen Steinen. Auf übereinander getürmten Felsen steht ein Phönix von 87 cm Höhe, von dessen nimbiertem Kopf fünf Strahlen ausgehen. Das Symbol für Wiedergeburt und Ewigkeit (S. ) wirkt besonders monumental, weil es von einem gleichmäßigen weißen Mosaikteppich umgeben ist. Dessen Tesserae sind schuppenartig verlegt, und jede Schuppe enthält eine Rosenblüte (insgesamt ca 7.500 Blüten). Diese Fläche war von einem Rahmen umgeben, in dem sich ein dekoratives Motiv 24 mal wiederholt, wenn auch mit kleinen Unterschieden in den Farbnuancen. Hier tragen zwei flachliegende Vogelflügel zwei Vorderteile von Steinböcken, die einander zu192

Nachdem bereits für die Kirchen in Madaba auf die Ausstattung mit Fußbodenmosaiken hingewiesen wurde (S. ), wird noch ein Beispiel aus dem Profanbereich abgebildet (Abb. 176). Die Zweckbestimmung des Raumes, der unter dem Narthex der Marienkirche entdeckt wurde, ist nicht bekannt, doch kann man aus dem mythologischen Inhalt der Fußbodenmosaiken erschließen, dass dieser Raum nicht kirchlichen Zwecken diente. Das in drei Felder geteilte Mosaik wird von einer Akanthusranke eingefasst, in deren Feldern Tiere, Hirten und Jagdszenen dargestellt sind. An den Ecken befinden sich die als Büsten dargestellten Personifikationen der vier Jahreszeiten. Das erste Mosaikfeld innerhalb dieses Rahmens ist in Quadrate eingeteilt, die verschiedenartige Pflanzen und Tiere enthalten. Das mittlere Bildfeld ist durch eine spätere Mauer stark beschädigt, doch lassen die Namensbeischriften erkennen, dass hier die Haupt-

Abb. 176.  Madaba, Jordanien. ›Hippolytos‹-Saal unter der Marienkirche, Fußbodenmosaiken, Übersichtsphoto.


szene des tragischen Hippolytosmythos nach Euripides dargestellt war, in der die verliebte Königin Phaedra ihrem Stiefsohn durch die Amme einen Liebesbrief überbringen lässt. Die oberste Szene steht hierzu in fröhlichem Kontrast: Die reich geschmückte Göttin Aphrodite, die mit ihrem Geliebten Adonis am rechten Bildrand thront, bestraft mit ihrem Schuh einen nackten geflügelten Eros, der von einer der drei Chariten (Grazien) gehalten wird. Die zweite Grazie will einen Eros aus einem Baum ziehen, die dritte einen Eros fangen. Von den weiteren Eroten liebkost einer bittend Aphrodites Fuß, ein anderer leert einen Blütenkorb oder sucht Honig. Abgerundet ist die Darstellung an der linken Seite durch eine Frau vom Lande mit Früchtefüllhorn in der linken Hand und einem Vogel in der rechten. Wegen der unregelmä-

ßigen Form des Raumes wurden in den entstehenden Zwickeln noch Mosaiken mit Tieren und den sitzenden Stadtpersonifikationen von Rom, Gregoria und Madaba zugefügt. Alle drei halten einen langen, mit einem Kreuz geschmückten Stab. Rom trägt den üblichen Helm und ein Füllhorn mit Früchten, die ganz unbekannte Gregoria und Madaba haben Stadtmauerkronen und tragen Blüten in einem Korb oder Füllhorn. Die Mosaiken des »Hippolytos«-Saals können durch stilistische Vergleiche in die Mitte des 6. Jhs. datiert werden. Zu dieser Zeit scheint es auch in einer mit vielen christlichen Kirchen ausgestatteten Stadt wie Madaba Hausbesitzer gegeben zu haben, die ihr hohes Bildungsniveau durch Interesse an der klassischen Mythologie zu dokumentieren suchten.

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9.  Kunst und Kunsthandwerk im Kleinformat

9a.  Buchmalerei In vielen Bildern spätantiker Zeit tragen menschliche Gestalten eine Buchrolle in der Hand. Bisweilen ist ihnen auch ein Behälter voller Buchrollen beigegeben. Doch ist dies als traditioneller Hinweis auf Bildung und Kultur anzusehen, denn das aus Papyrus gefertigte, aufgerollte Schreibmaterial wurde zu dieser Zeit vom Pergamentkodex verdrängt, der Zusammenfassung von Einzelbättern aus der Haut junger Ziegen, Lämmer und Kälber in Buchform. Nach Gewöhnung an die neuen Möglichkeiten, die der Kodex bot, setzten größere Illustrationen ein, vor allem solche mit erzählerischem Charakter.

Abb. 180.  München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 10291. Notitia Dignitatum, Imago 415. Insignia viri illustris comitis sacrarum Largitionum − »Die Würdezeichen seiner Exzellenz, des Verwalters der heiligen Geschenke.«

Eine wichtige geschichtliche Quelle, besonders zum Verhältnis von Heidentum und Christentum im 4. Jh. ist ein Kalender des Jahres 354 (Abb. 177). Er wurde vom berühmten Kalligraphen Furius Dionysius Filocalus einem sicher hochrangigen Valentinus in christlicher Formulierung gewidmet: VALENTINE FLOREAS IN DEO – »Valentinus, Du sollst in Gott blühen (erfolgreich sein)«. Das Werk, das mit seinen verschiedenen Text- und Bildbeigaben zum Kalender eigentlich einen Almanach darstellt, ist uns nur in Kopien des 17. Jhs. erhalten. Auch diese gehen höchstwahrscheinlich nicht auf das Original des 4. Jhs. zurück, sondern auf eine Kopie karolingischer Zeit. Trotzdem wird auf seine Erwähnung hier nicht verzichtet, denn Abbildungsdetails, die nach anderen Quellen nachprüfbar sind, erweisen die inhaltliche Genauigkeit. Dies gilt zum Beispiel für die Ähnlichkeiten und Unterschiede bei den Bildern der Jahreskonsuln Constantius II. und Constantius Gallus. Beide Konsuln sind nimbiert, tragen eine Prunktoga und ein Zepter mit Kaiserbild und sind von einer

Würdearchitektur mit gerafften Vorhängen gerahmt. Doch nur der Augustus Constantius II. trägt ein Diadem im Haar, sitzt auf dem amtlichen Faltstuhl (sella curulis) und verteilt die Münzen der sparsio (»Verstreuen« der Geldgeschenke). Seine Toga ist reich mit Edelsteinen geschmückt, die des stehenden Caesars besteht lediglich aus einem Stoff mit Sternzeichendekor. Constans trägt nicht etwa die »Victoria auf dem Globus«, die ihn selbst bekränzen könnte; vielmehr steht seine Victoriastatuette von ihm abgewandt auf einem flachen Sockel, ebenso wie die Statuette, mit der fast zweihundert Jahre später auf dem Barberini-Elfenbein der Konsul dem Kaiser huldigt (Abb. 54). Dort findet sich auch ebenfalls der Sack mit dem Geldvorrat für die Largitiones zu Füßen des Konsuls, der im Kalender die Aufschrift 1000 S(olidi) trägt. Vom Vergilius Vaticanus, einer illustrierten Handschrift mit Werken des römischen Dichters Vergilius Maro blieben 75 Blätter mit 50 Miniaturen erhalten (Abb. 178). Sie bieten in lateinischer Sprache Teile aus der Aeneis und den Georgica des Dichters. Der Kodex dürfte urspünglich auch seine Bucolica (Hirtendichtungen) enthalten und mehr als 400 Blätter umfasst haben. Abgesehen von einigen ganzseitigen Illustrationen sind die Bilder auf den Textseiten über oder unter dem Text angeordnet. Die lebendigen Darstellungen erweisen durch die plastische Wiedergabe der Details ihre Abhängigkeit von älteren Vorbildern. Der freiwillige Tod der karthagischen Königin Dido nach der Abreise des treulosen Aeneas ist eine wichtige Episode in der Erzählung Vergils (Aeneis IV 641–705). Daher enthält die Handschrift hierzu 195


zwei Miniaturen, die Dido vor ihrem Tod (fol. 40r, Pict. 26) und die Trauer über diesen zeigen (fol. 41r, Pict. 27). Dido hat unter ihrem Lager einen großen Scheiterhaufen aufrichten lassen und ist in Begriff, sich das Schwert (ein Geschenk des Aeneas) ins Herz zu stoßen. Aus der perspektivischen Verkürzung der Decke und der Seitenwände des Raumes fällt die Vorderansicht der Tür heraus. Dies hat seinen Grund: Durch die Raffung des Vorhangs wird die Tür als geöffnet bestimmt und wird so zum Bild für die Abreise des Aeneas. Vom Vergilius Romanus, einer zweiten lateinischen Handschrift mit den Werken des Vergil sind 309 Blätter mit 19 Miniaturen erhalten. 23 weitere Bilder sind zu ergänzen. Die Handschrift ist also weniger aufwendig illustriert als der 100 Jahre ältere Vergilius Vaticanus. Darüber hinaus zeigen die Abbildungen in ihren linearen, möglichst unter Vermeidung von Überschneidungen auf die Fläche verteilten Details eine stärkere Betonung spätantiker Stilelemente. Die beiden ganzseitigen Hirtenbilder zu den Georgica Vergils sind einander gegenübergestellt wie die beiden Tafeln eines Diptychons (Abb. 179). Auf den musizierenden Hirten beziehen sich die beiden anderen Hirten beider Bilder. Die vollständige Bezeichnung des Werkes lautet: Notitia Dignitatum tam civilium quam militarium in partibus orientis occidentisque – »Handbuch der zivilen und militärischen Amtsinhaber im östlichen und westlichen Teil (des Reiches)«. Diese Übersicht über die Aufgaben und Ehrenzeichen für die unterschiedlichen Rangstufen ziviler und militärischer Dienststellen und Amtsträger ist reich illustriert, beispielsweise mit den zu einer Provinz gehörenden Städten oder den Schildzeichen der Truppeneinheiten (Abb. 180). Leider blieb weder ein Original des frühen 5. Jhs. erhalten, noch die Abschrift des 9. Jhs., nach der im 15. und 16. Jh. die heute vorhandenen Exemplare kopiert wurden. Die abgebildete Seite des Finanzverwalters zeigt die verschiedenen Objekte, die vom Kaiser verteilt wurden (S. ) und für deren Bereitstellung der hohe Beamte zuständig war. Die Erwähnung der largitiones, der Geschenke, spielt auf die Fiktion an, dass der Kaiser nie zu einer Zahlung verpflichtet sein könne. Dieser Beamte durfte zwar sein Ernennungskodizill mit dem Kaiserbild aufstellen, aber dessen Rahmung mit vier brennenden Kerzen war der höchsten Rangstufe, den Praetorianerpräfekten vorbehalten. Von einer Pergament-Handschrift der Ilias Homers in griechischer Sprache blieben 58 ausgeschnittene und nachträglich numerierte Bilder erhalten. Der 196

ursprünglich vielleicht 32 cm x 29 cm große Kodex könnte 180 größtenteils halbseitige Miniaturen des Trojanischen Krieges besessen haben. Während die menschlichen Gestalten in den übrigen Miniaturen, vor allem den vielfigurigen Schlachtenszenen, erheblich kleiner dargestellt sind, ist dem opfernden Achill (Ilias XVI 230–246) eine monumentale Darstellung gewidmet, die seine Bedeutung in Homers Dichtung bildlich zum Ausdruck bringt. Der Heros füllt die ganze Höhe des rahmenden Zeltes aus, hat den Kopf verhüllt, hält in der linken Hand einen Speer, in der rechten die Opferschale und opfert an einem Altar mit brennender Flamme. Mit seinem Opfer will er den Göttervater Zeus, dessen Büste in einem Bildnisschild erscheint, für den Sieg seines Freundes Patroklos und seiner Gefährten gewinnen (allerdings erfolglos). Während Achill im Text der Ilias Wein auf dem Hof vergießt, schüttet er in der Miniatur Weihrauch ins Feuer, weil für den spätantiken Literaturliebhaber zum Opfer ein Altar gehörte. Die künstlerisch wertvollste wissenschaftliche Sammelhandschrift der Spätantike wird nach dem Arzt Dioskurides Pedanios benannt (1. Jh. n. Chr.), weil dessen alphabetisch angeordnete, kommentierte Sammlung von 383 Heilkräutern in ganzseitigen Abbildungen in ihr den größten Raum einnimmt (Abb. 181). Meist sind jeweils auf der gegenüberstehenden Seite die pharmazeutischen Wirkungen der abgebildeten Objekte beschrieben. Die Texte sind in einer seit dem 2. Jh. gebräuchlichen Großbuchstabenschrift (»Bibelmajuskel«) auf Linien geschrieben, die in das Pergament eingeritzt waren. Für die Kunst der Spätantike besonders interessant sind einige den Heilkräutern vorausgehende Bilder, darunter die Darstellungen der Auffindung und Beschreibung der Mandragora (Alraune), der berühmtesten Heil- und Zauberpflanze der Antike. Die betäubende Wirkung des Giftes dieser Nachtschattenpflanze war schon im Hellenismus bekannt; die angeblichen Zauberkräfte verdankte sie der Menschengestalt ihrer Wurzel. Im Auffindungsbild ist die stehende Frau nach der originalen Beischrift Heuresis, die Personifikation des glücklichen Fundes. Diesen Fund, die Mandragora, präsentiert sie dem links in einem Sessel mit hoher Lehne und Fußbank sitzenden Dioskurides (oder seinem Vorbild Krateuas). Der am Boden liegende Hund mit einer später zugefügten Bennennug »Der Hund, der die Mandragora herauszieht und dann stirbt« spielt auf eine Erzählung bei Flavius Josephus (1. Jh.) an, wie man die Wurzel mit Hilfe eines Hundes gefahrlos gewinnen könne (Bellum iudaicum VII 180–184). In einer weiteren Miniatur lässt Epinoia, die Personifikation des Nachdenkens, des Gedankens und des Wissens das Zauberkraut beschreiben und malen.

Abb. 177.  Vatikan, Vatikanische Bibliothek, Cod. Barb. Lat. 2154. Der Kalender von 354, Fol. 13: Kaiser Constantius II. als Konsul des Jahres 354 bei der Geldverteilung.


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Abb. 178.  Vatikan, Vatikanische Bibliothek, Cod. Vat. Lat. 3225. Vergilius Vaticanus, Pergamentkodex, Höhe ca. 22 cm, Breite 20 cm, fol. 40r, Pict. 26: ganzseitige Miniatur zum Tod der Dido.

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Abb. 179.  Vatikan, Vatikanische Bibliothek, Cod. Vat. Lat. 3225. Vergilius Romanus, Pergamentkodex, Höhe ca. 33 cm, Breite 32 cm, fol. 44v: Hirtenbild.

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Das in Rossano aufbewahrte Evangeliar enthält verkürzte Evangelientexte, die mit silbernen Großbuchstaben (Unzialen) geschrieben wurden (Abb. 184). Die ersten drei Zeilen der Evangelien haben goldene Buchstaben. Von ursprünglich vielleicht 400 Blättern blieben 188 mit dem Text des Matthäusevangeliums und dem größten Teil des Markusevangeliums erhalten. Der Brief, mit dem Eusebius von Caesarea seinem Freund Karpianus die »Kanontafeln« widmete, lässt darauf schließen, dass den vier Evangelien ursprünglich diese Tafeln vorausgeschickt waren, in denen abzulesen war, in welchen Evangelien es Paralleltexte zu den einzelnen biblischen Ereignissen gab. Vor dem Text finden sich einige Blätter mit ganzseitigen Illustrationen. Abgesehen von zwei Pilatusszenen sind im unteren Teil der Bildseiten jeweils vier namentlich bezeichnete alttestamentliche Autoren dargestellt (Abb. 185). Sie tragen geöffnete Buchrollen mit Textstellen aus ihren Werken, die zum darüber dargestellten neutestamentlichen Ereignis in Beziehung stehen. David als Autor kommt auch zwei- oder dreimal auf Julianas Vater, Flavius Anicius Olybrius war 464 Kon- einer Seite vor. sul im Osten und 472 bis zu seinem Tode für kurze Zeit Kaiser des Westreichs. Über ihre Mutter konnte Das Gleichnis von den klugen und törichten Jungsie ihre Herkunft auf Kaiser Valentinian III., Galla frauen (Matthäus XXV 1–13) ist bereits in seiner Placidia und Theodosius I. zurückführen. Um 462 übertragenen Bedeutung dargestellt. Der Bräutigam geboren, heiratete sie um 479 Areobindus, der 506 der Erzählung ist Christus selbst, der Hochzeitssaal Konsul wurde, sich aber 512 bei einem Aufstand der ist das Paradies mit Obstbäumen und den dazugeMöglichkeit entzog, Kaiser zu werden. Der gemein- hörigen vier Paradiesflüssen. Die törichten Jungfrauen same Sohn, nach dem kaiserlichen Großvater Flavius vor der verschlossenen Paradiestür mit ihren leeren Anicius Olybrius genannt, erhielt den Konsulat bereits Ölgefäßen, erlöschenden Fackeln, bunten Gewändern 491. Nach seiner Heirat mit Eirene, der Tochter Kai- und roten Schuhen sind viel gedrängter dargestellt ser Anastasius I., scheint Anicia Juliana ihn auf dem als die klugen Jungfrauen im Paradies. Diese tragen Kaiserthron erträumt zu haben – was die imperialen einheitlich weiße Gewänder und goldene Schuhe und Züge des Dioskurides-Widmungsbildes erklären haben reichlichen Ölvorrat und hell leuchtende könnte. Doch mit der Krönung Justins I. im Jahre Fackeln. Über der Darstellung steht: »Über die Jung518 war dieser Traum beendet. Kurz vor ihrem Tod frauen«, darunter ist dreimal David mit Psalmversen errichtete Juliana um 524/27 in Konstantinopel den dargestellt, außerdem der Prophet Hoseas. grandiosen Kirchenbau für den Märtyrer Polyeuktos (Abb. ). 202

Abb. 181.  Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. med. gr. 1. Dioskurides, Sammelhandschrift auf Pergament, Höhe ca. 36 cm, Breite 30 cm, fol. : Die Auffindung der Mandragora. Abb. 182.  fol. 6v: Widmungsbild für Anicia Juliana.

Die Wiener Genesis gehört mit den Evangelien-Handschriften in Rossano und Sinope zu einer Gruppe prächtiger Bibelhandschriften des 6. Jh. (Abb. 183). Sie hatte ursprünglich wohl 96 Blätter, von denen 24 erhalten blieben. Jede Seite enthält oben einen gekürzten Text aus der Genesis, unten eine Abbildung mit der Darstellung einer oder mehrerer Szenen. Das Bild der Sintflut (Genesis VI–VIII) mit der zentralen, dem Text entsprechend dreistöckig wiedergegebenen Arche Noahs erhält durch die Darstellung noch lebender und bereits ertrunkener Opfer besondere Dramatik. Die Aussendung von Rabe und Taube (VI 8–12) fehlt im Text der Handschrift und ist daher nicht dargestellt.

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Das Widmungsbild stellt eine Huldigung für die Empfängerin des Kodex dar, die Prinzessin und Patrizierin Anicia Juliana (Abb. 182). Die Gliederung des Bildes erfolgt durch kordelartig gedrehte Bänder. In die Zwickeldreiecke des achteckigen Thronbildes sind in Gold auf purpurrotem Grund die acht Buchstaben des Namens IOYΛIANA eingetragen. Die Ecken sind als Schlaufen gestaltet, durch die eine Kordel in Kreisform gezogen ist. Die hierbei entstehenden acht Segmentfelder enthalten auf blauem Grund in Grau skizzierte Bilder (Grisaille) von Eroten bei Bauarbeiten. Diese beziehen sich auf eine Kirchenstiftung Julianas, die in der Inschrift am Rand des achteckigen Mittelfeldes erwähnt ist. Durch die Chronik des Theophanes erfahren wir, dass Anicia Juliana 512/13 für den Stadtteil Honoratae in Konstantinopel eine Marienkirche stiftete (Chronica CLVIII). Die Prinzessin thront auf einem mit Reliefs geschmückten Sessel mit Kissen und Fußschemel, hält in der Linken ein Diptychon und spendet mit der rechten Hand Münzen. In ihrer Bekleidung mit Tunika, Dalmatika und Palla (Trabea) ist an kaiserlichem Gold und Purpur nicht gespart, der Kopfschmuck mit Diadem und »Dreiblatt« entspricht dem einer Kaiserin. Zwei Buchrollenbehälter zu Julianas Füßen weisen auf ihre Bildung hin. Begleitet wird sie von Megalopsychia (Großzügigkeit, mit Goldmünzen im Gewandbausch) und Phronesis (Klugheit, mit einem Buch). Ein kleiner Eros präsentiert Juliana das geöffnete Buch, für das sie sich mit Münzen bedankt. Der Eros stellte nach der ursprünglichen Beschriftung Pothos tes Philoktistou dar, die »Liebe zur Baufreudigen«. Eine als «Dankbarkeit der Künste« bezeichnete Frau hat sich vor Juliana wie vor einer Kaiserin in der »Proskynesis« niedergeworfen und küsst ihr den Schuh.

Abb. 183.  Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. Theol. Gr. 31. Wiener Genesis, Handschrift des alttestamentlichen 1. Buches Moses (Genesis), Purpurpergament, griechische Schrift mit Silbertinte in Großbuchstaben (Unziale), fol. 2r (Bild 3): Darstellung der Sintflut.


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Abb. 184.  Rossano in Calabria, Museo dell'Arcivescovado. Codex Rossanensis, Evangelienhandschrift aus mit Purpur gefärbtem Pergament, Höhe ca. 31 cm, Breite 26 cm, fol. 2v.: Das Gleichnis von den klugen und den törichten Jungfrauen. Abb. 185.  fol. 8r: Christus vor Pilatus, Reue und Tod des Judas.

Bei der Darstellung des Gerichtes des römischen Statthalters Pontius Pilatus entspricht die Beischrift dem Evangelientext (Matthäus XXVII 2): »Sie fesselten ihn, führten ihn ab und übergaben ihn dem Statthalter Pilatus.« Zahlreiche Bilddetails weisen auf den amtlichen Charakter des römischen Gerichts hin: Pilatus und die rechts stehenden Beamten tragen über der Tunika eine Chlamys mit Einsatz (tablion), die durch eine Fibel gehalten wird. Die Thronwächter hinter Pilatus haben den typischen Halsring (Torques) der Germanen um den Hals und halten Standarten mit zwei Kaiserbüsten. Auf der Vorderseite der Tischdecke werden die Kaiserbilder wiederholt, das Tintenfass und die Schreibfedern auf dem Tisch betonen die Schriftlichkeit des Urteils. Christus wirkt gegenüber den anklagenden jüdischen Hohepriestern vor ihm schon durch seine Freistellung im Raum sehr majestätisch. Diese Szene ist ebenso wie die zweite Pilatusszene des Kodex, in der es um die Entscheidung zwischen Christus und Barrabas geht, mit einer dünnen Halbkreislinie gerahmt. Im unteren Teil dieser Seite ist dargestellt, wie Judas den Hohepriestern den Lohn für seinen Verrat vor die Füße wirft und sich dann an einem Baum aufhängt. Die Beischrift am unteren Rand entspricht dem zugehörigen Text (Matthäus XXVII 3–5). Eine syrische Handschrift der vier Evangelien in Florenz mit 293 Blättern wurde nach einer Notiz auf fol. 291a von einem Mönch Rabula im Johanneskloster von Zagba in Mesopotamien im Jahre 586 geschrieben (Abb. 186). Illustrationen befinden sich

nicht auf den Textseiten, sondern nur auf sieben ganzseitigen Bildseiten und auf den Rändern der ein- bis vierspaltigen Kanontafeln (S. ). Bei der Himmelfahrts-Illustration (Lukas XXIV 50 f.; Apostelgeschichte I 9–11) ist deutlich zu erkennen, dass das Bild neben der erzählenden Darstellung des einmaligen biblisch-»historischen« Ereignisses auch die überzeitliche Herrlichkeit des erhöhten Christus wiedergeben soll. Die beiden im Text erwähnten Männer in weißen Gewändern, die den Aposteln erklären, Jesus sei in den Himmel aufgenommen und werde von dort ebenso wiederkommen, sind als weißgekleidete Engel dargestellt. Die Zwölfzahl der stark erregten Apostel ist (nach Ausscheiden des Judas) durch Zufügung des Paulus erreicht, der ebenso neben einem der Engel steht, wie auf der anderen Seite Petrus. Die in der Mitte stehende Maria ist im Text nicht erwähnt. In der oberen Bildzone steht Christus in einer Mandorla (eine Art Aura), die von zwei Engeln »getragen« wird. Zwei weitere Engel huldigen dem Herrn wie einem Herrscher, indem sie mit verhüllten Händen diademartige Kränze darreichen. Noch stärker wird die Überzeitlichkeit des Bildes durch die zusätzlichen Motive unter der Mandorla zum Ausdruck gebracht; hier sind Details aus der Gottesvision Ezechiels (I 4–28) und der Offenbarung des Johannes (IV) miteinander verbunden. Die Miniatur gilt bisher als das früheste Beispiel für eine Himmelfahrtsdarstellung, die in zwei Zonen geteilt ist. Einen Hinweis auf viel frühere Darstellungen geben jetzt einige nordafrikanische Lampen (Abb. 227).

9b.  Metallarbeiten der Kirchenausstattung

Abb. 186.  Florenz, Biblioteca Medicea Laurenziana, Cod. Plut. 1,56. Rabula-Evangeliar, Pergamentkodex, fol. 13b: Himmelfahrt Christi.

Die wichtigsten Metallarbeiten, die zur Verwendung im kultischen Bereich hergestellt wurden, waren Prozessions- oder Altarkreuze, Reliquiare, die unter dem Altar beigesetzt wurden, Kelche und Patenen. Das abgebildete Kreuz in München wurde aus einer Messingplatte mit ca. 81 % Kupfer und 19 % Zink geschmiedet (Abb. 187–188). Es fehlt das ursprünglich aufgelötete Mittelmedaillon der Vorderseite, außerdem an den spitzen Enden der ausschwingenden Kreuzarme einige der aufgesteckten Kugeln und der untere Dorn zum Aufstecken auf einen Stab oder Ständer. Die beiden Löcher an der Unterkante der Querarme waren zum Anhängen der apokalyptischen Buchstaben Alpha und Omega bestimmt. Durch partiellen Auftrag eines Schwärzungsmittels wurde erreicht, dass auf der Vorderseite helle figürliche Darstellungen auf dunklem Grund stehen, auf der

Rückseite dunkle Figuren auf hellem Grund erscheinen. Diese Herstellung von Zweifarbigkeit kann erst nach dem Ersatz des abgebrochenen Aufsteckdorns erfolgt sein. Das verlorene Medaillon der Vorderseite dürfte ein repräsentatives Symbol Christi enthalten haben, da es von vier Engeln »getragen« wird und da es ein figürliches Christusbild bereits am oberen Kreuzarm gibt. Der untere Engel steht auf einer Basislinie, die drei anderen sind fliegend dargestellt; alle sind mit einem Mantel bekleidet, der mit Streifen und Medaillons verziert ist. Die beiden seitlichen Kreuzarme enden mit Kreuzen in Medaillons, der untere mit einem Bild Daniels zwischen zwei Löwen. Die Rückseite ist ausschließlich mit Medaillons geschmückt. In der Mitte ist die Büste eines bärtigen Christus so 207

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Abb. 187.  München, Sammlung C. Schmidt, Inv. 155. Altar- oder Prozessionskreuz, Messing, verzinnt, teilweise geschwärzt, Dekor ziseliert und gepunzt, Höhe noch 52,4 cm, Breite 40,9 cm.

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Abb. 188.  Rückseite.

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Abb. 189.  Mailand, Diozesanmuseum, Inv. MD 2004.115.001. Reliquiar, Silber, getrieben, ziseliert, teilweise vergoldet, Höhe 19,9 cm, Breite 20,1 cm, Tiefe 19,6 cm, Gesamtansicht.

dargestellt, dass der Bildrahmen wie ein Monogrammnimbus wirkt, der die griechischen Anfangsbuchstaben I und X von Jesus Christus enthält. Auf die Kreuzarme sind die Büsten der Apostel verteilt. Die Medaillons an den Enden der Kreuzarme sind etwas größer; das obere enthält ein Kreuz, die seitlichen Rosetten, das untere den zwölften Apostel. Dieses Kreuz dürfte im Osten des Reiches entstanden sein, doch kaum in einer der hauptstädtischen Werkstätten. Nach einer zeitgenössischen Notiz wurde ein in Mailand aufbewahrtes Reliquiar im Jahre 386 von Bischof Ambrosius unter dem Hauptaltar der Apostelkirche beigesetzt (Basilica Apostolorum, später S. Nazaro. Abb. 189). Es diente zur Aufnahme von Apostelreliquien, die ihm Papst Damasus für die neu errichtete Kirche geschenkt hatte. Eine Christusanrufung auf dem Boden mit Bitte um Barmherzigkeit könnte von Ambrosius selbst stammen. Die figürlichen Darstellungen weichen vielfach vom üblichen Bildschema der Szenen ab. Auf den vier Seiten des Reliquiars werden sie von einem kordelartigen Dekor gerahmt, auf dem Deckel von einem glatten Rand. Hier sind unter einem repräsentativen Bild des thronenden Christus mit den zwölf Aposteln fünf Körbe mit Brot und sechs Amphoren dargestellt, die vermutlich an die biblische Brotvermehrung und das Weinwunder zu Kana erinnern sollen (Abb. 190). An der Unterseite des Deckels ist ein aus Goldblech gearbeitetes Kreuz angebracht. Auch das Bild der thronenden Maria mit dem Kind auf der Vorderseite des Reliquiars ist zentralsymmetrisch gestaltet. Falls die Darstellung die Huldigung der Magier mit ihren Gaben darstellen 210

soll (Matthäus II 1–12), obwohl die Huldigenden viele Begleiter haben und nicht wie gewohnt als Orientalen mit phrygischer Mütze erscheinen, so könnte ihre ganz ungewöhnliche Zweizahl vielleicht auf das Streben nach Symmetrie zurückgehen. Das Thronbild auf der Rückseite könnte Benjamin und Juda mit auf dem Rücken gefesselten Armen vor Joseph in Ägypten darstellen (Genesis XLIV f.). Bei Darstellungen des Urteils Daniels über die beiden Ältesten in der Susannaerzählung (Daniel XIII) ist ein solcher Altersunterschied der Angeklagten nicht zu finden. Die Szene auf der rechten Nebenseite ist eindeutig als das Urteil Salomos zu erkennen (1 Könige III 16–28). Die Darstellung der drei Jünglinge im Feuerofen auf der linken Nebenseite (Daniel III) ist das einzige nicht als zentralsymmetriche Thronszene gestaltete Bild am Reliquiar. Von den als Orientalen mit phrygischer Mütze wiedergegebenen Jünglingen unterscheidet sich der rettende Engel durch seine Bekleidung mit Tunika und Chlamys. Ob sich hinter den recht ungewöhnlich gestalteten fünf Bildern ein übergreifendes Programm verbirgt, bleibt offen. Aus der beträchtlichen Zahl liturgischer Kelche des 6. bis 7. Jhs., die erhalten blieben, ist ein Exemplar ausgewählt, das mit einer Stifterinschrift versehen ist (Abb. 191). Die Form, bei der das eigentliche Gefäß von einem ausladenden Fuß getragen wird, der durch einen Knoten mit Blätterschmuck akzentuiert wird, bietet keine Besonderheit. Doch die Wandung ist mit vier Medaillons geschmückt, die in breitem Rahmen mit Nimbus ausgezeichnete Büsten enthalten. Sie wurden über Modeln geprägt und auf der Oberfläche nachgearbeitet. Christus ist jugendlich, bartlos und


Abb. 190.  Detail: Bild auf dem Deckel, Christus mit den Aposteln.

mit langen Haaren dargestellt, besitzt einen Kreuznimbus und trägt einen Kodex. Ihm gegenüber folgt Maria, und die beiden anderen Medaillons enthalten die Bilder der Apostel Petrus und Paulus. Über diesen Medaillons läuft eine Inschrift um, die durch Kreislinien gerahmt ist und über Christus beginnt: + ΠΡ(εστεÄς) ΚΥΡΙΑΚOC ΥΙOC ΔOΜΝOΥ Τω ΑΓΙω CΕΡΓΙω ΕΠΙ ZΗΝωΝOC ΠΡΕΒΥΤΕΡOΥ – »Der Priester Kyriakos, Sohn des Domnos, (stiftet diesen Kelch) dem heiligen Sergios unter dem Pries-

ter Zenon.« Das Objekt wurde zusammen mit einer Patene und zwei weiteren Kelchen gefunden, die zwar keine Inschrift tragen, aber mit den elben vier Medaillonbildern geschmückt sind. Die Patene trägt als Dekor in der Mitte ein Kreuz, das von einer Umschrift umgeben ist, die uns verrät, für welche Kirche in der Nähe von Antiochia die Kultgefäße gestiftet wurden: »Aufgrund eines Gelübdes hat Domnos, Sohn des Zacheos, (diese Patene) dem heiligen Sergios in der Ortschaft Beth Misuna gestiftet.« 211


Eine Patene in Washington mit Darstellung der Verteilung von Brot und Wein an die Apostel stammt aus einem Schatzfund, zu dem neben Kelchen und Fächern wahrscheinlich eine weitere Patene mit demselben Bildthema gehört hat. Diese befindet sich in Istanbul und soll aus dem Ort Stuma stammen, der nahe bei Riha liegt. Auf dem flachen Rand der Patene aus Riha befindet sich eine griechische Inschrift: ΥΠEP AΝΑΠΑΥCΕωC CΕΡΓΙΑC ΙωΑΝΝOΥ Κ(αι) ΘΕOΔOCΙOΥ Κ(αι) CωΤΗΡΙΑC ΜΕΓΑΛOΥ Κ(αι) ΝOΝΝOΥ Κ(αι) ΤωΝ ΑΥΤωΝ ΤΕΚΝωΝ – »Für den

Seelenfrieden der Sergia, der Tochter des Johannes, und des Theodosius, und für die Rettung des Megalos und der Nonnous und ihrer Kinder.« Die Wortwahl unterscheidet zwischen der Fürbitte für Verstorbene und der Bitte der lebenden Stifter für sich selbst und ihre Kinder. In der Darstellung tritt Christus zweimal auf. Er steht hinter einem Altar mit liturgischen Geräten und spendet auf der linken Seite dem ersten von sechs Aposteln den eucharistischen Kelch und auf der rechten Seite dem ersten der übrigen sechs Apostel das Brot. Diese zweigeteilte Form der Austeilung der Eucharistie an die Apostel ist im Codex Rossanensis

(S. ) auf zwei ganzseitige Miniaturen verteilt und von den biblischen Einsetzungsworten begleitet (Matthäus XXVI 26–28). Sie geht vermutlich auf die Ausmalung der Apsis einer Kirche zurück. Im Bild der Patene aus Riha steht hinter der Eucharistieszene eine Säulenarchitektur, auf deren Architrav zwei Lampen stehen. Der Muscheldekor des Bogens erinnert an ein Ciborium (ein Altarüberbau) über dem Altar (das bei der Patene aus Stuma deutlicher zu erkennen ist). Unter dem Hauptbild sind eine Griffschale (trulla) und ein Krug dargestellt. Wie bei zahlreichen Silberobjekten des 6. und 7. Jhs. befinden sich auf der Unterseite der Patene fünf Kontrollstempel unterschiedlicher Form, mit denen vor der Ausarbeitung des Dekors die Reinheit des verwendeten Silbers bestätigt wurde. Durch das kaiserliche Monogramm ist die Datierung in die Zeit Justins II. (565–578) gesichert. Der Stifter Megalos war ein hochrangiger Beamter am Kaiserhof in Konstantinopel und zeitweise in der Finanzverwaltung für die Anbringung der Stempel verantwortlich. Stempel mit seinem Namen finden sich auf weiteren Objekten, beispielsweise der Patene aus Stuma und einer Hängelampe in Riggisberg.

9c.  Metallarbeiten des Privatlebens Die Largitionsschalen von Kaisern wurden bereits oben behandelt (S. ), ebenso die Schale des Konsuls Ardabur Aspar (S. ). Doch blieben auch Arbeiten zu privatem Gebrauch erhalten, die zum Teil sehr qualitätvolle Beispiele des spätantiken Kunsthandwerks darstellen. Der Schatzfund aus Augusta Raurica (Kaiseraugst) stellt mit einem Gewicht von 57,5 kg eine der größten Sammlungen spätrömischen Silbers dar. 75 der 270 Objekte gehören zum silbernen Tafelgeschirr. Als letzte Besitzer bezeichnen gepunzte Angaben zwei höhere Offiziere, von denen einer Marcellianus hieß. Da sich unter den Funden eine Largitionsschale des Kaisers Constans zu seinen Vicennalien im Jahre 342/43 und außerdem zwei Silberbarren des Magnentius (350/51) befinden, könnten diese Kaiser ihre Dienstherren gewesen sein. Warum sie nach dem Sieg des Constantius II. über Magnentius ihren Besitz vergruben, wissen wir nicht. Möglicherweise besteht ein Zusammenhang mit den Einfällen der Alamannen zwischen 351 und 353, die das Lager von Raurica zerstörten.

(Abb. 191). Der Dekor im zentralen Rundfeld und auf dem erhöhten Rand wurde ziseliert und mit Niello gefüllt. Die acht Bildfelder des Randes sind abwechselnd mit geometrisch-pflanzlichen Motiven und Jagdszenen geschmückt. Bei letzteren sind zwischen Bäumen und Sträuchern Jäger zu Pferde und zu Fuß mit ihren Hunden bei der Jagd auf Bären, Eber, Hirsche und Hasen gezeigt. Das mittlere Medaillon enthält in der oberen Hälfte eine Ansammlung von Bauten mit Giebeldächern und Kuppeln, zu denen eine doppelseitige Rampe am Meeresufer Zugang bietet. Da zu spätantiken Stadtdarstellungen eine umgebende Stadtmauer gehört, ist das Ensemble als eine prunkvolle Villa anzusehen, deren zusätzlicher Luxus in der Lage am Wasser besteht. Dessen Oberfläche ist mit einer reichen Meeresfauna und mehreren Booten bedeckt, aus denen ein oder zwei geflügelte Eroten mit Netzen und Angeln fischen.

Bei der achteckigen Achilles-Platte ist auch der figürliche Dekor des Mittelmedaillons und des Rahmens von unten getrieben, Details sind anschließend von oben nachgearbeitet (Abb. 193). Ein Fußring ist angefügt. Auf der Unterseite sind zwei Gewichte angeNachdem die Meerstadtplatte aus einer Silberplatte geben; das niedrigere nennt den Endzustand, das getrieben war, wurde ihr ein flacher Fuß angesetzt höhere dürfte das Rohgewicht der Platte bezeichnen. 212

Abb. 191.  Cleveland, Ohio, The Cleveland Museum of Art, Inv. 50.378. Kelch, Silber, getrieben, Höhe 16,8 cm, Durchmesser 13,5–13,8 cm.


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Abb. 192.  Augst, Römermuseum, Inv. 1962.2. Platte mit Villa am Meer (›Meerstadtplatte‹), Silber mit Teilvergoldung und Niello, Durchmesser 59 cm, Höhe 5 cm, Gewicht 4,75 kg, Herstellung vermutlich in Rom, Fundort Kaiseraugst.

Mit Punzen wurde auch der griechische Name des Künstlers eingeschlagen: Pausilypos von Thessaloniki. Auf dem Rand und im Mittelkreis sind elf Szenen aus dem mythischen Leben Achills vor seiner Teilnahme am Trojanischen Krieg wiedergegeben, der ihm höchsten Ruhm und den Tod brachte. Das letzte und entscheidende Ereignis ist besonders groß ins Zentrum gestellt. Die Grundlinie, auf der die Gestalten im Mittelfeld stehen, verläuft nicht parallel zu einer Gefäßseite, sondern schräg dazu. Zieht man von ihrer Mitte aus eine Senkrechte zum Rand, so trifft sie genau auf die Säule, die das vorletzte und das erste Ereignis der mythischen Biographie von einander trennt. Verfolgt man die Bildfelder von hier beginnend gegen die Uhrzeigerrichtung, so findet man folgende Szenen: 1) Nach Achills Geburt ruht 214

sich seine Mutter Thetis aus, der Knabe sitzt schon auf dem Boden. 2) Thetis taucht ihren Sohn zum Schutz in den Unterweltsfluss, neben dem die Flusspersonifikationen Styx und Acheron zu sehen sind. Die Ferse Achills, an der ihn seine Mutter hält, bleibt verwundbar und wird später vom tödlichen Pfeil getroffen werden. 3) Thetis bringt Achill zur Erziehung dem weisen Kentauren Chiron (ein Mischwesen von Pferd und Mensch). 4) Achill speist – und Chiron zeigt ihm die Tiere, deren Mark als Speise ihm Kraft geben soll. 5) Achill soll von Chiron, auf dessen Rücken er sitzt, das Jagen lernen. 6) Chiron lässt Achill von Kalliope, der Muse der Dichtkunst, im Lesen unterrichten. 7) Achill lernt Diskuswerfen und Laierspiel. 8) Chiron gibt Achill der Mutter zurück. 9) Thetis bringt ihren Sohn zu König Lykomedes auf


Abb. 193.  Augst, Römermuseum, Inv. 1962.1. Platte mit AchillesDarstellungen, Silber, Durchmesser 53 cm, Höhe 3,9 cm, Gewicht 4,64 kg, Herstellung in Thessaloniki, Fundort Kaiseraugst.

die Insel Skyros, damit er in Mädchenkleidern versteckt wird. 10) Achill spielt den vier Töchtern des Königs auf der Laier vor. Neben ihm sitzt seine Geliebte Deidameia, die entdeckt hatte, dass er kein Mädchen sei. Hieran schließt das Zentralbild der Platte unmittelbar an, in dem der listige Odysseus es fertigbringt, Achill durch Trompetenklang zur Teilnahme am Krieg um Troja zu verführen. Seltener als Prunkgeschirr mit mythologischen Darstellungen sind spätantike Objekte mit Hinweisen auf die traditionellen heidnischen Kulte. Das Hauptbild der Kybeleplatte aus Parabiagio stellt einen zweirädrigen Wagen dar, der an der Seite mit einer Tänzerin geschmückt ist und von vier Löwen gezogen wird (Abb. 194). Auf ihm sitzt die phrygische Göttermutter Kybele in einem Mantel, der über den Kopf

und die Mauerkrone gezogen ist. Ihr rechter Arm stützt sich auf ein Tambourin, mit der rechten Hand hält sie ein Zepter, die Linke greift in das Gewand. Neben ihr sitzt ihr Geliebter, der jugendliche Attis, der mit Tunika, Chlamys, enger Hose und phrygischer Mütze bekleidet ist und eine Hirtenflöte (syrinx) und einen Hirtenstab hält. Um den Wagen tanzen drei mit kurzer Tunika bekleidete Diener der Göttin als Korybanten mit Helm, Schwert und Schild einen Waffentanz. Rechts taucht Atlas aus der durch einen Grashüpfer und eine Eidechse bezeichneten Erde auf und hält den ovalen Tierkreis, in dem Aion als Sinnbild ewiger Dauer steht. Er ist nur mit dem Mantel bekleidet, hält in der linken Hand ein Szepter und umfasst mit der rechten den Tierkreis. Ähnliche Bedeutung könnte auch die Schlange haben, die sich 215


Abb. 194.  Mailand, Civico Museo archeologico, Inv. AO.9.14264. Platte, Silber, gegossen, graviert, teilweise vergoldet, Durchmesser 39 cm, Höhe 5,4 cm, Gewicht 3,5 kg, Triumph der Kybele, Fundort Parabiagio bei Mailand.

weiter rechts um einen Obelisken windet. In der oberen Zone sind die Wagen des Sonnengottes und der Mondgöttin zu sehen, denen Phosphorus, die Personifikation des Morgensterns, und Hesperus, die Personifikation des Abendsterns, vorausfliegen. Die unterste Zone gehört den irdischen Bereichen von Erde und Meer. Ganz unten in der Mitte erheben sich über den Fischen des Meeres die Büsten der Meergottheiten Okeanus und Thetis mit Krebsscheren im Haar, Okeanus trägt ein Steuerruder. Rechts davon liegt die Erdgottheit Tellus. Eine lange Schlange windet sich um ihr Füllhorn, aus dem Weintrauben quellen und auf dem ein nackter Knabe sitzt, der mit ausgestrecktem Zeigefinger der rechten Hand nach oben weist, ebenso wie ein zweiter, der bei Tellus steht und ihr die linke Hand auf die Schulter legt. Links neben diesem Knaben folgen die Personifikationen 216

der vier Jahreszeiten. Ganz links in dieser unteren Zone erscheinen zwei weibliche Flusspersonifikationen (Quellnymphen). Die Einzelmotive sollen die zeitliche und räumliche Unbegrenztheit der Herrschaft der Göttin in allen Lebensbereichen symbolisieren. Der Teller gehört in den Umkreis der heidnischen Opposition, die beim Victoria-Altar in der römischen Kurie (S. ) und beim Diptychon der Nicomachi und Symmachi (Abb. 210–211) zu erwähnen ist. Der Sevso-Schatz von vierzehn spätantiken Silbergefäßen (Datierung ca. 350–450), die um 1980 im Kunsthandel auftauchten, wird allgemein nach der Umschrift des Mittelmedaillons dieses großen Silbertellers benannt. Sie ist von einem Kranz mit XP-Monogramm eingeleitet, den ersten Buchstaben des Namens Christus, und als Geschenkwunsch for-


Abb. 195.  London, British Museum, Inv. PY 1866,1229.1. Proiectakasten, Silber, mit getriebenem Reliefschmuck und Vergoldung (außer auf der Rückseite), Länge 55, 9 cm, Breite 43,2 cm, Höhe 28,6 cm, Gesamtbild.

muliert: H(a)EC SEVSO TIBI DVRENT PER SAECVLA MVLTA POSTERIS VT PROSINT VASCVLA DIGNA TVIS – »Seuso, mögen diese wertvollen Gefäße Dir für lange Zeit erhalten bleiben, damit sie auch Deinen Nachkommen dienen können.« Der Fußring von 51 cm Durchmesser wurde bereits mitgegossen. Für die Anlage der Randfriese mit Darstellungen der Jagd, einer Villa mit Hirtenbildern und mit geometrischen Motiven und die Eintragung mehrerer Kreise um das Mittelmedaillon wurde das Objekt auf einer Scheibe gedreht, wie ein vertiefter Zentrierpunkt erkennen lässt. Die Mahldarstellung im Mittelmedaillon befindet sich unter einer Hirschjagd mit Netz und über einem Wasserlauf mit aneinandergereihten Fischen und einer Wildschweinjagd. Unter einer zwischen zwei Bäumen dachförmig aufgespannten Stoffbahn ist ein Mahl dargestellt (zum »Sigmamahl« siehe S. ). Gelagert ist ein Paar zwischen drei wohl jüngeren Männern, die Frau mit Scheitelzopffrisur, Tunika und Halsschmuck, die Männer in kurzer Tunika mit verzierten Schmuckstreifen. Auf dem runden Tisch steht ein Missorium mit einem Fisch, ein weiteres wird herangetragen, ebenso wie Getränke. Eine starke Freude am Detail zeigen die Szenen der Speisezubereitung, der Weinflaschenbehälter und ein Krug mit Griffschale unter dem

Tisch – nicht zu vergessen der Mahlteilnehmer, der den Hund füttert. Die Beischrift IN(n)OCENTIVS – »der keinen Schaden bringt« benennt das Lieblingspferd des Hausherrn, der Name PELSO bezeichnet den Wasserlauf als einen See in Pannonien (heute wohl der Plattensee in Ungarn). Außer diesem Exemplar enthielt der Schatzfund noch drei weitere Silberplatten, außerdem unter anderem fünf Krüge und eine Deckelbüchse. Diese konnte verschlossen und an drei in einem Ring vereinigten Ketten getragen und aufgehängt werden. Eine Einsatzplatte mit sieben Löchern von 4,3 cm Durchmesser lässt erkennen, wie viele Flaschen und Büchsen für Parfüm oder Salben der Behälter aufnehmen konnte. Den Deckelknauf schmückt ein Gorgonenkopf, der Deckel trägt unter Akanthusblättern vier geflügelte, nackte Eroten mit Girlanden aus Früchten und Kornähren. Über letzteren erscheinen die Masken von Silen und einem Satyr, über den Früchten die Masken zweier Mänaden. Der Figurenfries der Büchse ist durch zwei tief herabhängende Vorhänge in zwei Bildfelder geteilt. Im breiteren werden der im Zentrum sitzenden Herrin von ihren Dienerinnen vor kurzen Wandbehängen Gegenstände, Gefäße und Behälter gebracht, die zur Toilette und

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Körperpflege gehören. Ein Spiegel dient dem Anlegen von Schmuck. Die letzte Dienerin auf der rechten Seite trägt einen großen Behälter, ist jedoch bereits auf die neben ihr beginnende Badeszene gerichtet. In dieser sind neben Wasserspeiern in Form von Löwenköpfen und einer voll bekleidete Dienerin zwei nackte Frauen zu sehen und eine weitere, die sich gerade auszieht. Ein Schatzfund, der 1792 unterhalb des römischen Esquilin geborgen wurde, enthält verschiedene wertvolle Gegenstände, die üblicherweise in einem vornehmen Stadthaushalt Verwendung fanden. Besondere Beachtung haben stets vier Aufsätze mit Stadtpersonifikationen gefunden (Abb. ), außerdem zwei für die weibliche Toilette bestimmte Gegenstände. Ein mit Musendarstellungen geschmückter kreisförmiger Behälter für Kosmetikflaschen, der mit der Parallele im Sevso-Schatz zu vergleichen ist, und der Proiectakasten (Abb. 195). Bei diesem hat der eigentliche Behälter ebenso wie sein mit Scharnieren befestigter Deckel die Form einer abgeschnittenen Pyramide mit rechteckigem Grundriss. Auf der Oberseite des Deckels halten zwei nackte Eroten einen Kranz mit den Halbfiguren eines Mannes und einer Frau. Diese trägt reichen Halsschmuck und eine Buchrolle 218

oder deren Hülle in den Händen, für den Mann ist seine Zugehörigkeit zur römischen Aristokratie gesichert, da er über der langärmeligen Tunika eine Chlamys trägt, die von einer Kreuzbogenfibel gehalten wird. Die vom Christusmonogramm mit Alpha und Omega eingeleitete Inschrift auf der Vorderkante des Deckels kann dem Dekor gleichzeitig oder später zugefügt sein: SECUNDE ET PROIECTA VIVATIS IN CHRI(sto). – »Secundus und Proiecta, ihr möget in Christus leben«. Auf der Vorderseite des Deckels richtet eine fast unbekleidete Venus vor dem Spiegel eine Nadel in ihrem Haar (Abb. 196). Sie sitzt in einer Muschel, die von Seekentauren gehalten wird, auf deren Rücken zwei Eroten stehen, die der Göttin einen Kasten und einen Korb mit Gaben bringen. Zu dieser Szene gehören auch die Darstellungen der Nebenseiten: zwei Nereiden, die auf einem Seepferd und einem Seedrachen reiten, wiederum im Beisein von Eroten. Im Unterschied zu diesen mythischen Darstellungen zeigt das Bild auf der Rückseite des Deckels ein Ereignis aus dem Leben der Besitzerin, das an die Darstellung auf dem Kasten anschließt. Diese übergreift alle vier trapezförmigen Felder und daher sind diese gleichförmig mit Säulen gegliedert, die abwechselnd Bögen und Giebel tragen, stets ausgehend von einem mittleren Bogen. Auf der Vorder-

Abb. 196.  Detail: Venus und die Besitzerin des Kastens richten ihr Haar.


Abb. 197.  London, British Museum, Inv. PY 1866,1229.23. Leistenaufsatz mit Darstellung der Stadtpersonifikation von Konstantinopel. Silber, gegossen, teilweise vergoldet, Höhe 16 cm, Breite ca. 6 cm, Tiefe 8,4 cm.

seite sitzt die Frau des Hauses auf einem Faltstuhl mit hoher Rückenlehne, durch reichen Halsschmuck ausgezeichnet. Sie hält in der linken Hand eine runde Büchse und vollführt mit der rechten Hand dieselbe Bewegung am Haar wie ihr mythisches Vorbild, die unmittelbar über ihr auf dem Deckel dargestellte Venus. Den Spiegel für die Ordnung des Haares hält eine Dienerin im nächsten Säulenfeld. Weitere Dienerinnen und Diener in den übrigen Abschnitten tragen die verschiedensten Geräte, die für Bad und Körperpflege gebraucht werden. Mit solchen Objekten wird die Dame auf der Rückseite des Deckels zu einem prächtigen Bauwerk mit vielen Kuppeln geleitet. Für eine Interpretation der Szene als Gang zum Bade sprechen vergleichbare Darstellungen in Mosaiken und auf der Deckelbüchse des Sevsoschatzes, für eine Einführung in die Villa des Hausherrn kann man Villendarstellungen wie das Mosaik des Dominus Julius anführen (Abb. 174). Auch die Haustiere, die dem Personal auf dem Proiectakasten beigegeben sind (Pfauen, Tauben, Hühner, Rebhühner und Enten) gehören zur spätantiken Villendarstellung. Die Anbringung einer betont christlichen Widmungsinschrift auf einem Objekt, in dessen Darstellungen das Bild der Venus als Sinnbild für weibliche Schönheit verwendet wird, scheint in der römischen Aris-

tokratie des ausgehenden 4. Jhs. offenbar unproblematisch gewesen zu sein. Aus dem römischen Schatzfund, dessen größtes Objekt der Proiectakasten darstellt, stammen auch vier Aufsatzhülsen, die auf Leisten mit einem Querschnitt von ca. 3,5 cm x 3,5 cm aufgesetzt werden können (Abb. 197). Zur Sicherung dient ein Stift, der an einer Kette befestigt ist. Diese Vorrichtung lässt darauf schließen, dass die Stücke nicht von einem häuslichen Möbelstück stammen, sondern nur bei Bedarf an einer Sänfte oder einem Wagen angebracht wurden. Auf der Oberseite jeder Hülse sitzt eine der vier Stadtpersonifikationen von Rom, Konstantinopel, Alexandria und Antiochia; unter ihnen ist jeweils ein großes Blatt beweglich angebracht. Alle Frauen tragen eine gegürtete Tunika mit zwei Zierstreifen und haben einen Mantel übergeworfen. Rom und Konstantinopel tragen einen Helm, die beiden anderen Personifikationen eine Stadtmauerkrone. Als Insignien hat Rom Speer und Schild, Konstantinopel Armringe, Spendeschale und Füllhorn, Alexandria Früchte, Ähren und einen Schiffsbug, Antiochia Früchte und Ähren. Die Gestalt der letzteren unterscheidet sich von den drei anderen durch die Beigabe von Felsen und der Flusspersonifikation des Orontes 219


– noch nach 600 Jahren war das Vorbild einer Skulptur des Eutychides wirksam. Zum anspruchsvollen Tafelgeschirr gehörten auch Krüge verschiedener Form. Hier wird ein wertvolles Beispiel aus Trier abgebildet, bei dem bereits die technische Herstellung erstaunlich ist (Abb. 198). Der hohe, schlanke Krug ist nicht etwa gegossen, sondern wurde vom Silberschmied aus einer einzigen Silberplatte getrieben. Der Deckel besteht aus einer anderen Silberlegierung und könnte daher ein antiker Ersatz sein. Die Umrisse und die Innenzeichnung der Darstellungen wurden ziseliert und dann mit Niello aus Silber und Schwefel gefüllt. Die übergreifende Anordnung des Dekors in Zonen unterschiedlicher Höhe ist wohlüberlegt im Wechsel von silbernen und vergoldeten Feldern und von geraden und bogenförmigen Oberkanten. Neben ornamentalem und pflanzlichem Dekor sind die zwölf Apostel dargestellt: Von den vier mit Tunika und Mantel bekleideten Männern in der Hauptzone über dem größten Durchmesser ist Petrus wegen des vollen Haupt- und Barthaares und Paulus wegen der hohen Stirn und des spitzen Bartes zu benennen. In der untersten Zone wechseln sich vier Apostel mit vier Lämmern ab, die sicher als Allegorien der vier fehlenden Apostel gelten müssen, da sie ebenso wie die figürlich dargestellten Apostel einen Nimbus haben. Für Aposteldarstellungen ist im römischen Tafelsilber bisher keine Parallele bekannt, doch blieben zahlreiche Silberlöffel erhalten, auf denen jeweils einer der zwölf Apostelnamen eingraviert ist. Der Krug könnte in der ersten Hälfte des 5. Jhs. in einer Werkstatt im Westen des Reiches gearbeitet worden sein. Dieses Meisterwerk spätantiker Silberschmiedekunst wurde 1992 an einer Stelle in Trier ausgegraben, in deren Nähe 1628 ein Silberschatz gefunden wurde, der rund 50 Objekte mit einem Gewicht von 115 kg umfasste und wegen Geldmangels eines Klosters eingeschmolzen wurde. Der sechseckige Münzanhänger in London vertritt einen großen Halsschmuck mit weiteren vier Anhängern (Abb. 199). Seine Fläche hat eingebogene Seiten und ist in Durchbruchsarbeit verziert (opus interrasile), ebenso auch die oben angelötete Öse zur Durchführung einer Kette. In der Mitte des Anhängers ist eine Fassung ausgearbeitet, in die eine Gedenkmünze im Wert von zwei Solidi eingesetzt ist. In Öffnungen an den sechs Ecken sind einzeln getriebene Büsten eingelötet, die nicht einmal einen Zentimeter hoch sind. Die Münze zeigt auf der Vorderseite in entsprechender Umschrift die nach links gerichtete Büste Konstantins I. in Panzer und Feldherrnmantel (paludamentum), mit einer Strahlenkrone und einem Globus. 220


Abb. 198.  Trier, Rheinisches Landesmuseum, Inv. 1992,51. Krug, Silber, getrieben, mit Vergoldung und Niello, Henkel gegossen, Höhe mit Deckel 50,2 cm, Durchmesser 13,8 cm, Gewicht ca. 2,8 kg, Fundort Trier.

Abb. 199.  London, British Museum, Inv. PY 1984,0501.1. Sechseckiger Anhänger für eine Halskette mit eingesetzter Münze, Gold, Größter Durchmesser 9,24 cm.

Auf der Rückseite sind die beiden ältesten Söhne Konstantins, die Caesares Crispus und Constantinus II. als Konsuln mit Globus und Adlerszepter dargestellt, nach der Umschrift in ihrem 2. Konsulat, also 321. Die sechs Büsten sind zur Mittelachse ausgerichtet, auf der sich das Bild Konstantins befindet. Es sind, oben beginnend und im Uhrzeigersinn beschrieben, eine Frau mit Tiara und Schleier; ein bärtiger Mann mit kurzem, lockigem Haar; eine Frau mit Diadem und oben kranzartigem Haar; ein junger Mann mit phrygischer Mütze (Attis); ein Mann mit Stirnband und Weinblättern und Trauben im Haar. Die Durchbruchsarbeit zwischen den Büsten zeigt jeweils ein symmetrisches Muster, das von einem kleinen Herz ausgeht und mit eingerollten Ranken ein größeres Herz bildet.

Bereits als Einzelobjekt ist dieser goldene Anhänger ein beachtliches Beispiel spätantiken Kunsthandwerks. Doch gehörte er zu einem Ensemble von fünf Anhängern, die heute auf vier Museen verteilt sind. Auch ein Verschluss für eine Kette und einige die Anhänger trennende Zwischenglieder in Form korinthischer Säulen mit Basis und Kapitell blieben erhalten. In der Mitte des Ensembles befand sich ein achteckiger Anhänger mit acht kleinen Büsten, dann folgten auf jeder Seite eine kreisförmige und außen eine sechseckige Münzfassung. Zwei der eingesetzten Münzen haben zwar die selben Bilder wie die übrigen, tragen jedoch eine Umschrift zum 3. Konsulat im Jahre 324. Ein ikonographisches Programm für die insgesamt 32 Büsten dieses Halsschmucks wurde bisher nicht entdeckt. Als kaiserliches Geschenk müsste das Objekt 221


Abb. 200.  Bonn, Rheinisches Landesmuseum, Inv. 72.0315.01. Zwiebelknopffibel mit Christogramm im Dekor, Kupferlegierung, vergoldet, Niello, Länge 8,0 cm, Breite des Querarms 6,5 cm, Grabfund Bonn.

Abb. 201.  Detail: Christogramm.

vor der Ermordung des Crispus 326 hergestellt und übergeben worden sein. Doch lassen Vergleichsbeispiele für die Durchbruchsarbeit und die Miniaturskulpturen an eine spätere Datierung innerhalb des 4. Jhs. denken, was auf einen privaten Kontext hinweist. Diese Gewandspange aus Bonn ist nicht, wie formal ähnliche Exemplare des frühen 4. Jhs. voll gegossen, sondern aus einzelnen Teilen zusammengesetzt, die alle, auch die typischen Zwiebelknöpfe am Ende des Bügels und an den Enden des Querarms, hohl sind (Abb. 200). Daher dürfte sie erst im letzten Drittel des Jahrhunderts gefertigt sein. Das zum Niellodekor von ineinandergreifenden, mit Quadraten gefüllten Kreisen zugefügte Christusmonogramm mit den apokalyptischen Buchstaben Alpha und Omega am Abschluss des Nadelkastens zeigt die Ausbreitung des Christentums in höheren Rängen der militärischen und zivilen Ebene zu dieser Zeit (Abb. 201). Die Fibel wurde in einem römischen Sarkophag an der Jakobstraße (Kesselgasse) in Bonn gefunden. Die Waffen des Toten sind typisch für nichtrömische Krieger. Da die meisten der übrigen Grabbeigaben vom Balkan stammen und eine sehr ähnliche Fibel in Ungarn gefunden wurde, dürfte nicht nur die Fibel, sondern auch der Verstorbene aus den donauländischen Provinzen des Imperiums gekommen sein. Solche Fibeln, mit denen der Mantel oder ein Umhang auf der rechten Schulter geschlossen wurde, lassen auf Träger aus höheren Rängen und ihre Familienangehörigen 222

schließen. Da dieses Exemplar aus Bonn keinen Kaisernamen trägt, wie etwa die Fibel von der Mosel (Abb. ), gibt es keinen Anlass, es unter die kaiserlichen Geschenke einzuordnen. Oben wurden die Bauten des Ostgotenkönigs Theoderich und ihre Ausschmückung behandelt. Eine besondere Form der Ausgestaltung von Schmuckgegenständen und Insignien brachten Goten und andere germanische Stämme aus dem Gebiet des Schwarzen Meeres im 4. und 5. Jh. in den Westen: die Füllung goldener Zellen mit Almandin. Dieser rote Stein aus der Gruppe der Granate scheint in der Antike aus Indien importiert worden zu sein, so dass sein Name auf den Handelsplatz Alabanda (südliche Türkei) zurückgeführt wird. Neben den in größerer Zahl auch jenseits der Alpen in Grabfunden erhaltenen Rundfibeln und zikadenförmigen Anhängern und Fibeln stellen zwei große Adlerfibeln aus einem Schatz- oder Grabfund in Domagnano einen Höhepunkt dar (Abb. 202). Die vor 120 Jahren gefundenen Objekte des späten 5. und frühen 6. Jhs. besitzen keinen archäologischen Kontext, sie kamen sofort in den Kunsthandel und sind auf zahlreiche Museen verteilt. Das paarweise Auftreten zweier Fibeln mit nach links oder rechts blickenden Adlern entspricht der spätantiken Mode weiblicher Kleidung. Für diese Fibeln gibt es Parallelen in Frankreich und Spanien und Vorläufer in Sattelbeschlägen aus einem Fürstengrab der 2. Hälfte des 5. Jh. im rumänischen Apahida. Die


Abb. 202.  Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Inv. FG 1608. Adlerfibel, Gold, Zelleneinlagen Almandin und Lapislazuli, Federnadel Bronze, Länge 12,0 cm, Breite 5,9 cm, Fundort vermutlich Domagnano, Republik San Marino/Italien.

Herstellungsweise der in Nürnberg aufbewahrten Fibel entspricht dem allgemeinen Standard dieser Almandinarbeiten. Auf eine goldene Grundplatte wurden Stege aus Goldblech aufgelötet, so dass Zellen unterschiedlichen Formats entstanden, durch die auch eine Binnenzeichnung des Objekts gebildet wurde. In die Zellen wurden auf einer Kittfüllung die Steine eingesetzt, deren Oberkanten einen Facettenschliff besaßen und die durch Einbiegen der Stege gesichert wurden. Die Farbe und der Glanz der durchscheinenden Almandine wurden durch verschiedene

Unterlagen verändert, etwa durch silberne oder goldene Folien. Auch Lapislazuli und Elfenbein sind bei dieser Fibel verwendet, von deren 246 Einlagen 187 verloren gingen, darunter auch die Füllung des Auges und des Mittelkreises im zentralen Kreuz. Dieses ist sicher nicht nur ein dekoratives Motiv, sondern als christliches Symbol hervorgehoben. Die Kostbarkeit des Materials und der hohe Herstellungsaufwand lassen auf eine hochrangige Besitzerin schließen, was auch durch die übrigen Objekte des Fundes von Domagnano bestätigt wird. 223


Abb. 203.  München, Sammlung C. Schmidt, Inv. 378. Kreisförmiger Anhänger für eine Halskette, Gold, Durchmesser 7,6 cm, Dicke 1,1 cm.

Die Darstellung biblischer Szenen breitete sich in der Kunst Konstantinopels auch im Bereich persönlicher Schmuckgegenstände aus, wie eine Reihe von erhaltenen Ringen, Gürtelbeschlägen und Goldanhängern belegt. Das abgebildete Beispiel eines Halsschmucks wurde ausgewählt, weil auf ihm Darstellungen aus der biblischen Kindheitsgeschichte Jesu mit einem Hochzeitsbild verbunden sind (Abb. 203–204). Bei diesem Medaillon in München sind zwei mit getriebenen Darstellungen und Perlenrahmen versehene Goldbleche aneinandergelegt und werden durch den etwas stärkeren Rahmen mit Durchbruchsverzierung (opus interrasile) zusammengefasst. Auf der Vorderseite ist ein Brautpaar dargestellt, das sich in traditioneller Weise die rechten Hände gibt (dextrarum 224

iunctio). Mann und Frau werden von Christus zusammengeführt, der seine Hände auf ihre Schultern legt und dem die griechische Umschrift die Versicherung in den Mund legt: »Meinen Frieden gebe ich euch!« (Johannes XIV 27). Die drei Gestalten stehen auf einer Bodenlinie, unter der aus einem Kantharos Ranken quellen. Der bärtige, langhaarige Christus ist in »Bedeutungsgröße« dargestellt und mit einem Kreuznimbus ausgestattet. Bei der Darstellung des jungen, bartlosen Mannes ist alles getan, um durch die reichen Besätze der Tunika, des Gürtels und des Mantels (chlamys) und vor allem die übergroße gebogene Fibel seinen hohen Rang zu betonen. Der Kopfschmuck der Frau mit einem doppelten Perlendiadem mit mittlerem Edelstein, drei Aufsätzen und


Abb. 204.  Rückseite.

langen Perlenanhängern käme eigentlich einer Kaiserin zu, die dazu jedoch eine Chlamys tragen würde. Ungewöhnlich ist auch der Versuch, ein privates Hochzeitsbild des 6./7. Jhs. durch die Symbole von Sonne und Mond neben den Köpfen des Brautpaars aufzuwerten. Das Hauptbild der Rückseite zeigt die Verkündigung an Maria. Der Gruß des Engels Gabriel ist in der Umschrift wiedergegeben: »Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir!« (Lukas I 28). Maria hält als Hinweis auf das legendäre Spinnen für den Tempelvorhang in der linken Hand den gesponnen Faden, der in einen runden Korb führt. Das Monogramm zwischen den Köpfen ist eine Verbindung der Anfangsbuchstaben des Namens Christi mit dem Kreuz. Unten ist die verbleibende Fläche

mit den sehr kleinen Figuren zweier weiterer Szenen aus der Kindheitsgeschichte gefüllt: der Begegnung von Maria mit Elisabeth (Lukas I 39–52) und der Geburt Jesu (II 1–20), die mit dem Hinweis auf den Zweifel der Salome verbunden ist (S. ). Medaillons mit Darstellungen biblischer Szenen waren nicht nur Schmuck, sondern gleichzeitig Amulette zur Übelabwehr. Ein Beispiel in Berlin mit den Bildern der Verkündigung an Maria und des Weinwunders auf der Hochzeit zu Kana trägt auf beiden Seiten die für Amulette typische Schutzanrufung »Herr, hilf der Trägerin!« Viel deutlicher als beim Hochzeitsanhänger ist der Amulettcharakter bei den gleichzeitigen Anhängern 225


(Enkolpien) mit der Darstellung eines Reiterheiligen Löwe stehen links und rechts außen. Darunter steht durch die Umschriften herausgestellt (Abb. 205–206). das »Trishagion«: ΑΓΙOC ΑΓΙOC ΑΓΙOC (cυριc Auf der Vorderseite lautet der Text: + O ΚΑΤOΙΚOΝ cααθ) – »Heilig, heilig, heilig (Herr Sabaoth)«. ΕΝ ΒOΗΘΙΑ ΤOΥ ΥΨΙCΤOΥ Ε(ν) CΚΕΠ(η) ΤOΥ Es folgen zwei Zeilen mit magischen Zeichen (»ChaΘΕOΥ ΤOΥ OΥΡΑΝOΥ ΑΥΛΙCΘΕCΕΤΑΙ ΕΡ(ε)Ι ΤO rakteres«, für uns nicht zu deutende Buchstaben); ΚΥΡ(ιω) – »Wer in der Hilfe des Höchsten wohnt bei den oberen, größeren Zeichen enden alle Striche und im Schutz des Himmelsgottes ruht, der spricht in kleinen Kreisen, wie auf weiteren Amuletten und zum Herrn« (Psalm XCI 1). Das Hauptmotiv der in Zauberpapyri belegt. Unten kann man einen nach Darstellung ist ein nach rechts gewendeter, mit Nim- rechts springenden Löwen über einer liegenden Frau bus ausgezeichneter Reiter. Er ersticht mit seinem erkennen. Rechts neben dieser Gruppe ist der Dekor Speer, an dessen oberem Ende ein Kreuz und ein bis auf ein Rad mit Speichen unlesbar. Banner zu sehen sind, ein am unteren Rand stehendes vierfüßiges Tier mit Kopf und Brüsten einer Zu diesem Amulett existieren zwei Parallelexemplare menschlichen Frau und langem Schwanz. Vor ihm in Ann Arbor und Washington. Die obigen Ergänsteht, ihm zugewandt, ein nimbierter Engel, der einen zungen zur Inschrift stammen von diesen ExemplaStab in der Linken trägt. Über dem Engel ein Stern, ren. Diese Amulette des 6. Jhs. knüpfen an frühere zu seinen Füßen eine Leiter. Links neben dem Reiter Gemmen und Bronzeamulette an, bei denen der steht der Text: EIC Θ(ε)C O ΝΙΚOΝ ΤΑ [cαcα] – Reiter, der eine Dämonin ersticht, meist als Salomon »Der eine Gott, der das Böse besiegt.« Die Rückseite benannt ist. Sie führen den Gottesnamen IAω und trägt die Umschrift: + CΦΡΑΓΙC Θ(εO)Υ ZOΝΤOC werden inschriftlich als »Siegel Salomos« bezeichnet. ΦΥΛΑΝ ΑΠO ΠΑΝΤOC ΚΑΚOΥ ΤOΥ ΦOΡOΥΝΤΙ Dieser Name geht auf eine kaiserzeitliche gnostische ΤOΥ ΦΥΛΑΚΤΕΡΙOΝ ΤOΥΤOΝ – »Siegel des leben- Schrift zurück, das »Testamentum Salomonis«. Der digen Gottes, bewahre den Träger dieses Phylakterions geringen materiellen und künstlerischen Qualität (Amuletts) vor allem Übel«. In der Darstellung thront vieler Amulette steht eine weite Verbreitung und ein oben der nimbierte Christus (mit Kodex?) in einer besonders intensiver Bezug zum täglichen Leben der Mandorla zwischen den geflügelten vier Wesen. Träger gegenüber. Mensch und Adler »tragen« die Mandorla, Stier und

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Abb. 205.  München, Sammlung C. Schmidt, Inv. 1462. Amulett mit heiligem Reiter, Bronze, gegossen; Dekor eingraviert, Durchmesser ca. 5 cm, Dicke 0,1 cm, Öse ausgerissen, Herkunft aus dem östlichen Mittelmeerraum.

Abb. 206.  Rückseite.


9d. Elfenbeinschnitzereien Abb. 207.  Monza, Museo del Tesoro del Duomo, ›Stilicho‹-Diptychon, Elfenbein, Höhe ca. 32 cm, Breite der Tafeln ca. 16 cm.

In Abschnitt 4 wurden Beispiele für Konsulardiptychen angeführt. Hier folgen weitere Diptychen aus dem privaten und kirchlichen Leben und Elfenbeinarbeiten anderer Form. Das Diptychon in Monza ist in westlicher Anordnung als ein Gesamtbild der aufge-

klappten Tafeln konzipiert, bei dem der Knabe zwischen seinen Eltern so weit wie möglich in die Mitte gestellt ist (Abb. 208). Beide Erwachsenen öffnen sich in der Körperhaltung zu dieser Mitte und auch ihre Gesichter sind leicht zu ihr gedreht. Der etwa zehn-

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jährige Knabe trägt ein Diptychon in der Hand, das auf eine Ernennung hinweist – vielleicht zum Tribunus und Notarius, der untersten Stufe der Ämterlaufbahn. Dies dürfte der Anlass zur Anfertigung des Diptychons gewesen sein. Aufgrund von Vergleichen mit dem Theodosius-Missorium (Abb. 44) und dem 228

Sockel des Obelisken (Abb. 34) werden die unter einer zweistöckigen Würdearchitektur dargestellten Personen meist als Stilicho und Serena mit ihrem (389 geborenen) Sohn Eucherius bezeichnet. Stilicho war Sohn eines in römischem Dienst stehenden Vandalen. Seine Karriere ist ein Beispiel für die Aufstiegsmög-

Abb. 208.  Brescia, Museo civico. Inv. ###. Diptychontafel der Lampadii, Elfenbein, Höhe 29 cm, Breite 11 cm


Abb. 209.  Berlin, Staatsbibliothek, Inv. Ms.theol.lat. fol.323. Diptychon des römischen Stadtvikars Rufius Probianus, Elfenbein, Höhe ca. 31 cm, Breite ca. 13 cm.

lichkeiten von Männern nichtrömischer Herkunft. 384 wurde er mit Serena, einer Nichte und Adoptivtochter des Kaisers Theodosius verheiratet. 394 ernannte ihn Theodosius aufgrund seiner Verdienste zum Oberbefehlshaber im Westen (magister utriusque militiae), im folgenden Jahr vertraute er ihm kurz vor

seinem Tod die Sorge für seine Söhne Arkadius und Honorius an. Die Bekleidung und Bewaffnung des mit Schnurrbart und kurzem Bart dargestellten Stilicho entspricht seinem hohen militärischen Rang. Die langärmelige Tunica und die Chlamys sind reich verziert, letztere mit einer zeittypischen Zwiebelknopf229


fibel gehalten. Der Gürtel ist aus Metall. Hinzu kommen lange Hosen (bracae) und Soldatenschuhe (campagi). Zu Schwert und Speer gesellt sich ein Schild mit einem Rundbild von zwei Kaiserbüsten unterschiedlicher Größe, was dem Altersunterschied zwischen Arkadius und Honorius entspricht. Die Beklei230

dung des Knaben ist der des Vaters angeglichen, bis hin zur ähnlichen Fibel. Auf seiner Chlamys ist ein kleiner Aufsatz zu erkennen. Serenas Haar zeigt eine Zopfkranzfrisur. Über der langärmeligen Tunica trägt sie die ärmellose Dalmatica, die durch einen mit Gemmen geschmückten Gürtel gerafft wird. Der


Abb. 210.  Paris, Musée de Cluny, Inv. Cl.17048. Diptychontafel der Nicomachi, Elfenbein, Höhe 29,9 cm, Breite 12,6 cm.

Abb. 211.  London, Victoria and Albert Museum, Inv. ###. Diptychontafel der Symmachi, Elfenbein, Höhe 29,8 cm, Breite 12,2 cm.

Abb. 212.  Mailand, Castello Sforzesco, Museo delle Arti Decorative, Inv. 9. Diptychontafel mit Auferstehungsbild (die Frauen am Grabe Christi), Elfenbein, Höhe 30,7 cm, Breite 13,4 cm.

locker getragene Mantel, Halsketten, Ohranhänger und ein Tuch in der linken Hand runden das Bild ab. Symbolische Bedeutung hat die Rose in Serenas rechter Hand, denn sie gleicht die Trägerin der Personifikation der Hoffnung an. Die Anordnung der Blüte über der Gestalt des Eucherius lässt erkennen, auf wen sich die (später nicht erfüllte) Hoffnung richtete. Darstellungen von Wagenrennen zeigen nur zwei der erhalten gebliebenen Elfenbein-Diptychen: die Diptychonhälfte der Lampadii und das Diptychon des östlichen Konsuls Basilius von 541. Die Tafel in Brescia mit der Namensinschrift der Lampadier ist die rechte Tafel eines westlichen Diptychons: Der in der Mitte stehende Spielgeber mit Mappa und Kaiserzepter hat den Kopf zur Mitte des ursprünglichen Gesamtbildes aus zwei Tafeln gedreht (Abb. 208). Das verlorene Gegenstück nannte die Familie der Rufii. Da kein öffentliches Amt unter zwei Familien aufgeteilt werden konnte, fand das hier dargestellte Wagenrennen anlässlich eines gemeinsam gefeierten Ereignisses statt, etwa einer Hochzeit. Die Loge im oberen Teil der Tafel hebt unter den drei mit Toga bekleideten Männern durch den Bogen und den größeren Säulenabstand den Spielgeber in der Mitte hervor. Er ist erheblich größer dargestellt als seine Begleiter und trägt ein Zepter mit Kaiserbüsten. Wieso er dieses auch tragen konnte, wenn er nicht als Jahreskonsul (consul ordinarius) fungierte, muss offen bleiben. Die Mittelachse (spina, eigentlich Wirbelsäule) des unten dargestellten römischen Circus maximus trägt den von Augustus aufgestellten Obelisken und zwei Siegesmale mit darunter kauernden Barbaren. An ihrem Ende sieht man die Wendemarken für die Viergespanne der vier Circusparteien (S. ). Durch geschickte Schrägstellung der spina wird ihre Länge angedeutet, während sonst Circusdarstellungen in der Regel Breitformat haben (Abb. ). Unter den Elfenbeindiptychen, die nicht von Konsuln in Auftrag gegeben wurden, erweckt das Probianus-Diptychon in Berlin einen gut vergleichbaren offiziellen Eindruck (Abb. 209). Die Namens- und Amtsinschrift beginnt auf der linken Tafel, also in westlicher Anordnung: RVFIVS PROBIANVS V(ir) C(larissimvs) / VICARIVS VRBIS ROMAE: – »Rufius Probianus, Exzellenz, Stadtvikar Roms«. Probianus sitzt auf einem durch zwei Stufen erhöhten Sessel mit hoher Rückenlehne (cathedra), vor einer typischen »Würdearchitektur« mit Vorhängen. Er selbst, seine Schreiber und die von unten akklamierenden Senatoren tragen auf der linken Tafel die Toga, auf der rechten über der Tunika den von einer Fibel gehaltenen Mantel. Rechts schreibt Probianus in eine Schriftrolle den ihm zugerufenen Glückwunsch PRO-

BIANE FLOREAS – »Probianus, Du mögest blühen (Erfolg haben)«. Im Relief des Tintenfassständers (theca) huldigen zwei weibliche Personifikationen mit Kränzen den Büsten zweier Kaiser, also Arcadius und Honorius. Da letzterer auf dem Diptychon des Probus aus dem Jahre 406 (Abb. 50) bärtig dargestellt ist, sollte das Probianus-Diptychon früher sein. Das Tintenfass und die Kaiserbilder sind wichtige Insignien des Stadtvikars, denn Rechtsprechung erforderte 231


Abb. 213.  München, Bayerisches Nationalmuseum. Inv. MA 157. Reliefplatte mit biblischen Szenen, Mittelteil einer fünfteiligen Diptychontafel, Elfenbein, Höhe 18,7 cm, Breite 11,5 cm.

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Abb. 214.  Mailand, Domschatz, Inv. 1385. Diptychon oder Buchdeckel mit zwei fünfteiligen Tafeln. Elfenbein und Silber, teilweise vergoldet, mit Einlagen von Granat, Saphir und Almandin, Höhe 37,5 cm, Breite 28,1 cm.

die Schriftform und erfolgte stets im Namen des Lange Zeit hindurch wurde als Anlass für die HerKaisers und in seiner im Bild repräsentierten Gegen- stellung des Diptychons eine der in der Literatur wart. belegten Hochzeiten zwischen Mitgliedern der beiden Familien vermutet, doch passen hierzu kaum gesenkte An das Diptychon des Probianus schließt sich eine Fackeln. Sie könnten eher ein Hinweis auf ein geGruppe von heidnischen und christlichen Elfenbein- meinsames Gedenken an einen herausragenden Verdiptychen an, für die sich eine Herstellung in dersel- storbenen sein. Das Diptychon mit seinen Erinneben römischen Werkstatt im Umkreis des Jahres rungen an verschiedene heidnische Kulte ist ebenso 400 erschließen lässt. Das Rahmenornament des wie annähernd zeitgleiche Parallelen mit DarstellunProbianus-Diptychons stimmt mit den Palmetten- gen von Asklepios und Hygieia oder der Vergöttlichung Lotus-Rahmen beider Tafeln des Diptychons der eines Kaisers ein Bildzeugnis für die literarisch gut Nicomachi und Symmachi überein (Abb. 210–211), bezeugte konservative Haltung eines Teils der römiaußerdem auch mit der Türeinfassung des Grabes schen Aristokratie, der sich dem kaiserlichen ChrisChristi auf der Auferstehungs-Tafel in Mailand tianisierungsdruck widersetzte und sich für die Er(Abb. 212). Deren vom sogenannten lesbischen Kyma haltung der traditionellen Kulte einsetzte. abgeleiteter Außenrahmen entspricht dem Rahmen einer nicht erhaltenen Parallele zur Tafel der Sym- Aus der römischen Werkstatt, die gegen Ende des machi, die durch eine Abbildung des 18. Jhs. bekannt 4. Jhs. für heidnische und christliche Austraggeber ist. Die Einteilung der beiden Tafeln des Probianusdip- arbeitete (S. ), stammt auch die Tafel in Mailand tychons in ein oberes und ein unteres Feld findet sich mit einem Bild der Auferstehung Christi (Abb. 212). auch bei der Auferstehungstafel in Mailand. Die Szene vor dem Unterteil des Grabbaus stellt eine Verbindung zweier Ereignisse aus der biblischen Wie bereits oben angedeutet, steht dieses Diptychon Erzählung dar. Für den Engel, der den beiden Frauen trotz heidnischer Darstellungen in engem Zusam- die Auferstehung verkündet, ist bezeichnend, dass er menhang mit gleichzeitigen christlichen Arbeiten. auf dem Stein sitzt, den er vom Grabe wegwälzt hat Die betonte Richtung der Darstellungen beider Tafeln (Matthäus XXVIII 1–6). Seine Flügellosigkeit ist in auf die Mitte eines Gesamtbildes bei geöffnetem der Entstehungszeit nicht ungewöhnlich, die VerhülDiptychon erweist seine Entstehung im Westen des lung der Köpfe bei den Frauen ist ein geläufiges Reiches. Die Profilansicht der beiden Hauptfiguren Zeichen der Trauer. Doch könnte die sitzende Gestalt verrät formal eine Rückwendung zu kaiserzeitlichen auch Christus selbst sein, dem die Frauen begegnen Darstellungsprinzipien. Die linke Tafel ist stärker und zu Füßen fallen (XXVIII 9 f.). Dafür sprechen beschädigt, vor allem an Gesicht und Hand der ste- die Buchrolle in seiner Hand und die Haltung der henden weiblichen Figur. Diese meist als Priesterin Frauen. Die Tür des Grabes ist nicht mehr geschlosbezeichnete Frau steht in klassizistischer Bekleidung sen; ihr Reliefschmuck zeigt die Auferweckung des vor einem brennenden Altar. Sie trägt einen ärmel- Lazarus (Johannes XI 33–44) und die Begegnung mit losen, gegürteten Chiton, dessen rechte Schulter- Zachäus (Lukas XIX 1–10). Im oberen Bildfeld sind schließe geöffnet ist, so dass die Brust entblößt wird. vor dem Oberteil des Grabes die beiden Grabwächter Das Hymation ist um die Hüften geschlungen. Die (Matthäus XXVIII 4) und ein Baum dargestellt, aubrennenden Fackeln in ihren Händen sind nach ßerdem in den Ecken zwei der vier apokalyptischen unten gerichtet und könnten ein Hinweis auf Deme- Wesen: Stier und Mensch (Offenbarung IV 6–8). Die ter sein. Am Pinienbaum im Hintergrund hängen beiden anderen Wesen, Löwe und Adler, sind ganz zwei Cymbeln, typische Attribute der Kybele, der sicher auf der verlorenen zweiten Tafel des Diptychons Großen Mutter. Die Frauengestalt auf der rechten dargestellt gewesen. Auf dieser könnte die HimmelTafel ist mit Chiton und Hymation voll bekleidet und fahrt Christi das Hauptthema gebildet haben, denn trägt als Hinweis auf Dionysos einen Efeukranz im Auferstehung (Frauen am Grabe) und Himmelfahrt Haar. Dasselbe gilt für ihre kleine Begleiterin, die sind auf einem werkstattmäßig sehr verwandten einen Früchtekorb und ein zweihenkliges Gefäß trägt, Elfenbeinrelief in München vereinigt (Abb. 213). einen Kantharos, der ebenfalls an Dionysos erinnert. Die Priesterin opfert Weihrauch an einem Altar, der Trotz mancher Ähnlichkeiten unterscheidet sich die mit einer Girlande von Eichenlaub geschmückt ist. Reliefarbeit der Münchener Platte von der Mailänder Diese dürfte ebenso wie der Eichenbaum im Hinter- Diptychontafel (Abb. 212) in der weicheren, durch gund eine Verbindung zum Göttervater Jupiter an- die Gewänder noch verstärkten Rundung der Körper deuten. Auf der oben erwähnten verlorenen Parallele und in einer größeren Liebe zum Detail (Abb. 213). zu dieser Tafel opfert eine Priesterin vor einem Tem- Diese kommt besonders im Mauerwerk und Schmuck pel des Merkur. des zweistöckigen Grabbaus und im Olivenbaum mit 233


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Abb. 215.  Berlin, Skulpturensammlung und Museum für byzantinische Kunst, Inv. 564. Diptychon mit Darstellung von Christus und Maria, Elfenbein, Höhe noch 29 cm, Breite 12,7–13 cm. Unten um etwa 5 cm beschnitten, so dass von einem Kastenmonogramm nur ein C erhalten blieb.

Abb. 216.  Berlin, Skulpturensammlung und Museum für byzantinische Kunst, Inv. 565. Diptychon mit Darstellung von Christus und Maria, Elfenbein, Höhe noch 29 cm, Breite 12,7–13 cm. Unten um etwa 5 cm beschnitten, so dass von einem Kastenmonogramm nur ein C erhalten blieb.

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Früchten und Vögeln zum Ausdruck. Auf die Auferstehung Christi weist die Engelverkündigung nach Matthäus (XXVIII 1–6) hin, die Dreizahl der Frauen folgt Lukas )(XXIV 10). Das Bild der Himmelfahrt Christi (Apostelgeschichte I 9–11) gehört zu den frühesten Darstellungen des Themas. Der mit einem Nimbus versehene Christus eilt weit ausschreitend eine Anhöhe hinauf, vor der zwei erschreckte Apostel kauern. Er hält in der Linken eine Buchrolle und streckt den rechten Arm nach oben, wo er von der rechten Hand Gottes am Handgelenk ergriffen wird, die aus einem Himmelssegment kommt. Die Verbindung eines aktiven Hinaufschreitens mit einem passiven Ergriffenwerden entspricht dem wechselnden Wortgebrauch der biblischen Texte. In diesen kommt jedoch Gott Vater bei der Himmelfahrt Christi nicht vor. Die Einbeziehung seiner Hand lässt sich ohne Rückerinnerung an vorausgehende Entrückungsbilder nicht erklären, wie beispielsweise die Hand der Minerva bei der Himmelfahrt des Hercules auf der Igler Säule bei Trier oder die Hand Gottes auf Consecrationsmünzen Konstantins I. (Abb. 8).

der vier Jahrszeiten mit dem nimbierten Christuslamm wie das Gemmenkreuz auf dem Hügel mit den Paradiesflüssen sind in eine Würdearchitektur gesetzt, die beim Kreuz noch durch die sonst bei menschlichen Gestalten üblichen gerafften Vorhänge betont ist (Abb. 214). Die in acht Kränze eingeschlossenen Darstellungen der vier Evangelisten und ihrer Symbole geben Anlass zu der Vermutung, die Tafeln könnten als Buchdeckel entworfen sein. Die Evangelistensymbole (Mensch für Matthäus, Stier für Lukas, Löwe für Markus, Adler für Johannes) halten geöffnete Bücher und sind nimbiert und geflügelt. Die deutlich angegebene Sechszahl der Flügel lässt die Abhängigkeit von den vier Wesen der Apokalypse des Johannes erkennen (Offenbarung IV 8). Auf der linken Tafel enthalten die schmalen senkrechten Platten die Verkündigung an Maria an einer Quelle (Protoevangelium des Jacobus XI), die drei Magier mit dem Stern (Matthäus II 2), die Taufe Jesu (Matthäus III 13–17), den Tempelgang der Maria (Protoevangelium des Jacobus VII), Jesus unter den Schriftgelehrten (Lukas II 46) und den Einzug in Jerusalem (Matthäus XXI 1–11). Auf den waagerechten Platten erscheinen die Geburt Bei zwei großen Tafeln in Mailand ist die Bedeutung Jesu (Lukas II 1–7) und der Kindermord in Bethlehem der beiden zentralen Symbole durch ihre Rahmung (Matthäus II 16–18). Auf der rechten Tafel sind in besonders betont: Sowohl der Kranz von Früchten den waagerechten Feldern die Huldigung der Magier 236

Abb. 217.  Trier, Domschatz. Reliefplatte mit Darstellung einer Reliquienübertragung, Elfenbein, rechte obere Ecke abgebrochen, Breite 26,1 cm, Höhe 13,1 cm.


(Matthäus II 1–12) und das Weinwunder bei der Hochzeit zu Kana (Johannes II 1–12) dargestellt. Die senkrechten Felder enthalten links eine Blindenheilung (Markus VIII 22–26), die Heilung des Gelähmten (Markus II 1–12) und die Auferweckung des Lazarus (Johannes XI 39–44), rechts nehmen zwei Männer mit verhüllten Händen von Christus Kränze entgegen oder huldigen ihm mit Kränzen. Christus sitzt auf der Weltkugel und hält die Hände flach über den Kränzen. Dann folgt eine verkürzte Darstellung des letzten Abendmahls (Lukas XXII 14–23) und das Opfer der Witwe (Markus XII 41–44). Auffällig ist dieses Bildprogramm von 20 Einzelthemen in zweifacher Hinsicht. Zum einen ist die Aufteilung der Kindheitsgeschichte und des öffentlichen Wirkens Jesu auf jeweils eine Tafel durch die Position der Magierhuldigung gestört, zum anderen ist das einzige überzeitliche Thema, die Kranzszene mit thronendem Christus, an ganz unauffälliger Stelle unter die biblisch-»historischen« Darstellungen eingereiht.

Das hochrechteckige Diptychon mit einteiligen Tafeln in Berlin zeigt Ähnlichkeiten formaler und stilistischer Art zur Maximianus-Kathedra in Ravenna (Abb. 215– 216). Besonders deutlich ist die Ähnlichkeit der Christusdarstellung des Diptychons mit den Gestalten des Johannes und der Evangelisten auf der Vorderseite der Kathedra. Die westliche Anordnung der beiden Tafeln (Christus links, Maria rechts) und die lateinische Form des Monogramms lassen auf eine Herstellung für einen Empfänger in Italien schließen. Das (fast ganz verlorene) Kastenmonogramm des Diptychons unterschied sich zwar von dem an der Kathedra, könnte jedoch einem Kämpfermonogramm des Maximianus im ravennatischen Museum entsprochen haben. Das Diptychon gelangte kurze Zeit nach der Herstellung nach Italien, wie die lateinischen Inschriften auf der Rückseite der Marientafel verraten. Sie sind in einem Schrifttypus geschrieben, der nicht mehr lange nach der Mitte des 6. Jhs. in Gebrauch war. Es handelt sich um eine zweispaltige Liste von

Abb. 218.  Berlin, Museum für Byzantinische Kunst. Inv. 563. Pyxis, Elfenbein, Höhe 12,2 cm, äußerer Durchmesser 14,5 cm, der Deckel fehlt, Thronender Christus mit Aposteln.

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Heiligen- und Märtyrernamen aus der Zeit der Christenverfolgungen, die unten abgeschnitten wurde, als das Diptychon um etwa 5 cm verkürzt wurde (vermutlich zum Einsetzen in einen Buchdeckel). Beide Hauptpersonen des Diptychons, der langhaarige, bärtige Christus und Maria mit dem Jesuskind sitzen auf gleichartigen Sesseln mit Kissen und Fußschemeln vor einer reich geschmückten Bogen-Nischenarchitektur mit Muscheldekor in der Wölbung und an Ringen hängendem Vorhang. Älterer Symbolik entsprechen die Büsten der Personifikationen von Sonne und Mond in den Eckzwickeln als Hinweis auf die zeitliche Universalität von Darstellungs- und Bedeutungszusammenhängen. Sol trägt eine Strahlenkrone und in der Hand die Peitsche zum Antreiben der Pferde des Sonnenwagens, Luna ist an der Mondsichel im Haar zu erkennen und hält eine Fackel in der Hand. Die Frontalität der Hauptfiguren ist durch bewegte Körper- und Gewanddetails aufgelockert. Der Jesusknabe auf der Marientafel ist an den Christus der Gegentafel angeglichen; er trägt allerdings eine Buchrolle statt dessen Kodex mit Gemmen auf dem Deckel. Petrus und Paulus stehen frontal neben Christus und wenden ihm die Köpfe zu. Dagegen sind die geflügelten Engel neben Maria, von denen einer einen Globus trägt, in stärkerer Bewegung dargestellt. Neben dem bandförmigen Diadem im Haar hebt die Bekleidung ihren Rang hervor: die langärmelige Tunika ist mit gemmengeschmücktem Gürtel gerafft, die Chlamys wird auf der Schulter von einer kaiserlichen Rundfibel gehalten. Ein Elfenbeinrelief in Trier, zu dem keine Parallele bekannt ist, könnte Teil eines Reliquiars gewesen sein (Abb. 217). Die Darstellung zeigt die Übertragung von Reliquien in eine Basilika, auf deren Neubau oder Restaurierung durch Handwerker auf dem Dach hingewiesen wird. Die Position der Kaiserin vor dem Gebäude lässt auf ihr besonderes Engagement für den Anlass schließen. Konstantinopel wird nicht nur als Herstellungsort des Reliefs vermutet, sondern auch als Schauplatz des dargestellten Geschehens, weil im Hintergrund der Torbau des Kaiserpalastes zu sehen ist, dessen Schmuck mit einer Christusbüste literarisch bezeugt ist. In den Fenstern der Säulenhalle sind Sänger zu sehen, die ihre Hand ans Ohr halten. Der Kaiser führt die Prozession zwar an, geht jedoch zu Fuß, während die Bischöfe mit einem Reliquiar auf einem von Maultieren gezogenen Wagen sitzen. Die Datierungsvorschläge reichen vom 5. bis ins 7. Jh., in Entsprechung zu den unterschiedlichen literarisch bezeugten Reliquienübertragungen, die von den Autoren als Darstellungsinhalt vermutet wurden. Der Empfang von Märtyrer- und Heiligenreliquien galt in Spätantike und frühem Mittelalter als besonders wichtiges Er-

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eignis, an dem die ganze Bevölkerung teilnahm. Man glaubte, dass Reliquien eine Stadt wirksamer schützen könnten als Mauern, Gräben, Waffen und Scharen von Soldaten. Doch verließen sich die Verantwortlichen natürlich nicht auf solche religiösen Wunschbilder, wie sich gut am Bau der großen, 5,7 km langen Stadtmauer Konstantinopels mit 96 Türmen ablesen lässt, die unter Theodosius II. vom Praetorianerpräfekten Anthemios errichtet wurde. Aus spätantiker Zeit blieb eine sehr große Zahl von Elfenbeinbüchsen mit heidnischen und christlichen Reliefdarstellungen erhalten, von denen das größte Exemplar hier abgebildet ist. Die Wandung solcher Pyxiden wurde aus dem hinteren Teil der Stoßzähne von Elefanten hergestellt, der wegen der Pulpa in der Mitte hohl war. Da der Querschnitt der Zähne in der Regel leicht oval ist, trifft dies auch auf die meisten Büchsen zu. Der in hohem Relief ausgeführte figürliche Schmuck des Exemplars in Berlin behandelt zwei Themen (Abb. 218). Die Darstellung des thronenden Christus mit den Aposteln nimmt drei Viertel des Umfangs ein, der Rest entfällt auf die Szene des Abrahamsopfers (Genesis XXII). Der jugendliche Christus sitzt auf einem Thron mit hoher Rückenlehne und Fußschemel vor einer Bogenarchitektur mit Palmetten an den Ecken und mit Säulen, die gedrehte Rillen haben. Seine rechte Hand ist im Redegestus erhoben, die linke hält eine geöffnete Buchrolle. Unter den Aposteln befinden sich zwei nach oben Blickende, die aus einer frühen zweizonigen Darstellung der Himmelfahrt Christi entnommen sind (S. ). Auf der Gegenseite der Pyxis ist Abraham bereit, seinen Sohn Isaak zu opfern. Er hält ein Schwert in der rechten Hand und fasst mit der linken in die Haare des Knaben, der vor der hohen Treppe zum Altar steht. Aus einem Himmelssegment erscheint die Einhalt gebietende Hand Gottes, ein Engel bringt einen Widder als Ersatzopfer. An dieser Stelle gehen die beiden Szenen ohne Trennung ineinander über, während auf der Seite des Altars noch ein trennender Baum eingefügt ist. Die Zweckbstimmung des Objekts kann nur vermutet werden. Das auf ihr dargestellte alttestamentliche Abrahamsopfer wurde in der christlichen Literatur schon sehr früh als Vorläufer des neutestamentlichen Opfers Christi und als Hinweis auf dessen Erneuerung in der Eucharistie angesehen. Daher wird man an eine Verwendung der Pyxis beim Gottesdienst denken können, etwa als Behälter für Brot oder Weihrauch. Da für keine der erhaltenen Pyxiden mit christlichem Dekor eine Datierung in das 4. Jh. zu sichern ist, dürfte auch dieses Exemplar erst im frühen 5. Jh. entstanden sein.


9e. Glyptik In den Bereich der Steinschneidekunst (Glyptik, nach griechisch glyphein, schneiden und ähnliche Tätigkeiten) gehört vor allem die Bearbeitung von Edelsteinen, weicheren Schmucksteinen (»Halbedelsteinen«) und Bergkristall, sowie in deren Nachahmung auch von gegossenem Glas. Bei größeren Edelsteinreliefs (Abb. ), wie auch bei vollplastischen Objekten und Edelsteingefäßen erfolgte der Dekor in

der Regel in erhabener Reliefarbeit (Kameo). Bei Ring- und Siegelsteinen ist er meist eingetieft (Tiefschnitt, Intaglio, Gemme; Abb. ) und seitenverkehrt angebracht, damit er im Siegelabdruck richtig erscheint. Dies trifft allerdings nicht auf Amulette zu, wie etwa dem Intaglio in Kraków (Abb. 219). Auf dieser ungewöhnlich großen Gemme, einem braun-weißen Sardonyx unbekannter Herkunft, ist

Abb. 219.  Kraków, Nationale Kunstsammlung im Königsschloss Wawel, ›Lanckorovski's Cameo‹. Amulettanhänger, Intaglio, dreischichtiger Sardonyx, Höhe 9,8 cm, Breite 6,7 cm, Dicke 1,5 cm.

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Abb. 220.  München, Sammlung C. Schmidt, Inv. ###. Intaglio, Cornelian, Breite 1,98 cm, Höhe 1,41 cm, Dicke 0,56 cm, Jonasszenen.

als Intaglio eine Kreuzhuldigung durch Petrus und Paulus dargestellt. Über dem Kreuz mit ausschwingenden Armen befindet sich eine Christusbüste mit angedeutetem Kreuznimbus. Dieses Motiv und die rechtsläufig angeordnete, für Amulette typische Inschrift EMMANOYHΛ – »Gott mit uns« (Matthäus I 23) die auch auf einigen palästinischen Pilgerampullen vorkommen, führte vermutlich zu einer späten Datierung des Intaglio in das 6. Jh. führte. Die Aufhängevorrichtung für den Integlio dürfte sich an einer nicht erhaltenen Fassung befunden haben. Frühchristliche Ring- und Amulettsteine sind in großer Zahl erhalten. In meist sehr bescheidener Intaglio-Arbeit tragen sie besonders häufig Kreuze, Christusmonogramme und -inschriften, einen Anker mit zwei Fischen, den Schafträger und biblische Szenen. Von letzteren wird ein Beispiel abgebildet, das durch eine ikonographische Besonderheit vor dem Verdacht geschützt ist, es könne zu den vielen Fäl-

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schungen gehören, die im 19. Jh. von römischen Gemmenschneidern hergestellt wurden (Abb. 220). Wenn sich auf einer Gemme eine Darstellung findet, für die keine Parallele bekannt ist, so hätte ein neuzeitlicher Künstler keine Vorlage für dieses Motiv gehabt. Die Münchener Gemme trug zunächst die frühkaiserzeitliche Darstellung eines Stiers und wurde bei der Wiederverwendung auf der Gegenseite mit Jonasdarstellungen versehen. Dem gewohnten Zyklus von Meerwurf, Ausspeiung und Ruhe des Jonas unter der Kürbislaube (S. ) ist eine vierte Szene nach der Ausspeiung durch das Ketos und vor der Ruhe unter der Kürbislaube eingefügt: Ein Engel trägt ein Tuch oder Gewand herbei, um den liegenden nackten Propheten zu bedecken. Eine Anregung hierfür könnten ähnliche Engel mit Tüchern in Bildern der Taufe Christi gegeben haben (Abb. ), aber für Jonas ist die Szene mit einem Engel in der frühchristlichen Kunst nicht noch einmal belegt.


9 f.  Glas Eine Glaswerkstatt, die im 4. Jh. im Rheinland arbeitete, vielleicht in Köln, stellte gewölbte Trinkschalen her, deren Darstellungen und Inschriften auf der Außenseite eingeritzt waren, aber beim Trinken in der Innenseite des Gefäßes seitenrichtig gesehen und gelesen werden konnten. Der Dekor reicht von Jagddarstellungen über Bilder aus der heidnischen Mythologie, beispielsweise Apoll und Diana oder den Kampf zwischen Hercules und Antaios im Beisein Athenas bis zu christlichen Szenen wie Adam und Eva im Paradies, das Abrahamsopfer und die Aufer-

weckung des Lazarus. Die am Rand umlaufenden Inschriften weisen auf den erfreulichen Trank hin »Nimm mich, ich werde dich erfreuen!« (bei der Eberjagd) oder wünschen Glück »Lebe mit den deinen, trink, lebe!« (bei einer Hasenjagd), »Freue dich in Gott, trink, lebe!« (bei Adam und Eva). Abgesehen vom Hinweis auf Gott bei den christlichen Darstellungen ist die Verwandtschaft der Schalen und Inschriften offensichtlich. Die meisten Objekte dieser Gruppe wurden in Gräbern gefunden, sind also Beispiele für eine Zweitverwendung als Grabbeigabe.

Abb. 221.  Trier, Rheinisches Landesmuseum. Inv. 1956,8 n. Trinkschale mit Ritzdekor, entfärbtes Glas, Durchmasser 19cm, Höhe 6 cm, Grabbeigabe TrierSüd, Dekor Hercules und Antaios.

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Die Schale in Trier zeigt den Helden Hercules im Kampf mit dem Riesen Antaeus, einem Sohn des Meeresgottes Poseidon und der Erdgöttin Gaia. Hercules hebt den Riesen in die Höhe, um ihn von der Verbindung mit der Erde zu lösen, die ihm Kraft verleiht. Rechts steht die Schutzgöttin des Hercules, Athena, im Panzer, mit großem Schild und ausgestreckter Hand (Abb. 221). Das Löwenfell des Hercules hängt links über einem Pfeiler, seine Keule und der Köcher für seine Pfeile liegen am Boden. Auf einem weiteren Pfeiler im Hintergrund liegen Hinweise auf die Feier nach dem Sieg: ein Trinkhorn und ein Tympanon. Die Umschrift läuft am Rand um: GAVDIAS CVM TVIS PIE Z(eses) – »Freue dich mit den Deinen, trink, lebe!«

Auf der Augsburger Schale steht in der Mitte der Baum der verbotenen Früchte im Paradies, um den sich die teuflische Schlange windet (Genesis III). Darüber steht ein großes Christusmonogramm zwischen zwei Sternen. Adam und Eva greifen mit der rechten Hand nach den Früchten im Baum und verhüllen mit der linken Hand ihre Blöße, als hätten sie schon gesündigt (Abb. 222). Die Umschrift lautet: VIVAS IN DEO P(ie) Z(eses) – »Lebe in Gott, trink, lebe!« Bei einer weiteren großen Gruppe von Trinkschalen des 4. Jhs. gibt es neben Beispielen mit heidnischem und christlichem Dekor auch einige Exemplare mit der Darstellung jüdischer Kultsymbole. Es handelt

Abb. 222.  Augsburg, Römisches Museum, Inv. 2000,4189. Trinkschale mit Ritzdekor, olivgrünes Glas, Durchmesser 19,5 cm, Höhe 5,2 cm, Siedlungsfund Augsburg, Dekor Adam und Eva im Paradies

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Abb. 223.  London, British Museum, Inv. PY 1863,0727.3. Goldglasschale, Entfärbtes Glas, Goldfolie, Farbe, Bodenfragment, Durchmesser 10,8 cm, Dekor: Hercules und ein Ehepaar.

sich sich um Gefäße, bei denen zwischen zwei Glasschichten eine Goldfolie eingeschmolzen ist, aus der Darstellungen und Inschriften silhouettenartig ausgeschnitten sind. Meist befindet sich dieser Dekor in dem von einem Standring eingefassten Boden der Schale. Es blieben sehr viele solcher wie Medaillons wirkende Gefäßböden erhalten, weil sie in den römischen Katakomben als Graberkennungszeichen in den feuchten Mörtel von Verschlüssen der Gräber eingedrückt waren. Ganz erhaltene Schalen sind selten, aber einige Reste der Wandung sind öfter oberhalb des Standrings vorhanden. Die Goldglas-Trinkgefäße waren als Geschenke beliebt, wie die als Glückwünsche formulierten Inschriften erkennen lassen: »Du Zierde Deiner Freunde, lebe glücklich mit den Deinen, trink!« »Trink, lebe fröhlich!«. »Trinkt, lebt, und lebt für viele Jahre!« Als Herstellungsort wird meist Rom vermutet. Für das

Exemplar mit Darstellung der Gesetzesübergabe an Petrus (Abb. ) ist dies besonders wahrscheinlich. Im Londoner Herculesglas ergänzen sich die bildliche Darstellung und die Inschrift vorzüglich (Abb. 223). Letztere war zu lang für die Umschrift und wurde über den Porträtköpfen fortgesetzt: ORFITVS ET COSTANTIA IN NOMINE HERCVLIS ACERENTINO FELICES BIBATIS – »Orfitus und Costantia, trinkt (oder: lebt) glücklich im Namen des Hercules Acerentinus!«. Der Beiname Acerentinus bezieht sich wohl auf einen bestimmten Tempel des Hercules. Orfitus und Costantia sind als Halbfiguren dargestellt. Zwischen ihren Köpfen steht auf einer Basisplatte eine kleine Figur des Hercules. Der Heros ist mit dem Fell des nemeischen Löwen bekleidet und hält in der rechten Hand seine Keule, in der linken die rot aufgemalten Äpfel der Hesperiden. Da diese für die 243


Abb. 224.  Paris, Bibliothèque nationale de France, Inv. 440. Goldglasschale, Bodenfragment, Durchmesser 8,8 cm, Dekor: Christus bekränzt ein Ehepaar.

Hochzeit von Zeus und Hera (Jupiter und Juno) gedacht waren, könnte die Trinkschale mit dieser Darstellung ebenfalls als Hochzeitsgeschenk hergestellt worden sein.

tike Münzen vorbildlich, auf denen eine kleine Victoria zwischen zwei Herrschern steht und sie in derselben Weise bekränzt. Auf dem Goldglasfragment in Paris sind Streifen auf den Gewändern Christi und des Mannes mit roter Farbe betont, ebenso der Halsschmuck der Frau. Die Umschrift ist relativ kurz und richtet sich merkwürdigerweise nur an den Ehemann: IVCVNDE CV RA CEZES ES – »Jucundus Curace, lebe!«

Das Goldglasfragment in Paris zeigt dieselbe Anordnung der Figuren wie das Exemplar mit Hercules, nur ist dieser durch Christus ersetzt, der über die Köpfe eines Ehepaars zwei Kränze hält (Abb. 224). Unter den Goldglasböden gibt es nicht nur für diese Darstellung mehrere Parallelen, sondern auch für die Eine der Werkstätten, die dem Goldfoliendekor auch Bekränzung von Petrus und Paulus durch Christus. rote und blaue Emaillepunkte und -details zufügte, Für das Bildmotiv waren kaiserzeitliche und spätan- stellte neben Glasschalen mit christlichem Dekor 244

Abb. 225.  Mailand, Civico Museo Archeologico, Inv. A 2840. Diatretglas (›Trivulziobecher‹), aus mehrfarbigem Glas geschliffen, Höhe 12 cm, Durchmesser 12,2 cm, Grabfund bei Novara.


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auch solche mit der Darstellung jüdischer Kultgeräte her. Im Israelmuseum in Jerusalem befindet sich ein Bodenfragment mit einer Glückwunschinschrift in fehlerhaftem Griechisch, die aus lateinischen Goldfolienbuchstaben zusammengesetzt ist: PIEZESIS ELARES – »Trink, lebe fröhlich!« Wie bei allen bekannten jüdischen Goldgläsern und den Malereien in jüdischen Katakomben Roms ist auf die Darstellung menschlicher Gestalten verzichtet. Im oberen Teil des Bildquadrats, von Vorhängen eingefasst, rahmen zwei Löwen mit Buchrollen zwischen den Vordertatzen einen geöffneten Toraschrein mit sechs Schriftrollen (Tora: die fünf Bücher Moses). Im unteren Teil des Bildfeldes stehen zwei brennende siebenarmige Leuchter (Menorot) zuseiten eines von Kulthorn (Schofar) und Zitrusfrucht (Ethrog) flankierten Feststraußes (Lulab). Links und rechts stehen Amphoren. Gefäße mit durchbrochener Arbeit (diatreta) wurden nach schriftlichen Quellen schon in der Kaiserzeit hergestellt, doch war die Blütezeit dieser Luxusprodukte das 4. Jh., was durch Münzdatierung von Kölner Grabfunden bestätigt wird. Im Rheinland und im Mittelmeerraum wurden etwa fünfzig Exemplare oder Fragmente gefunden, unter denen Gefäße mit

figürlichem Dekor im Vergleich zu Diatretgläsern mit Netzwerk seltener sind. Die Kreise des Netzes, ihre Verbindungen untereinander und zur Gefäßwand, wie auch die Buchstaben der Inschrift wurden aus einem gegossenen oder geblasenen mehrfarbigen Rohling mit dem Rädchen herausgeschliffen. Daher verlangte die Herstellung solcher wertvoller Gläser einen großen Zeit- und Arbeitsaufwand und war mit einem ständigen Bruchrisiko verbunden. Die Spezialisten für diese Arbeit (diatretarii) standen daher unter einer besonderen Einschränkung ihrer Haftung (Ulpian, Digesten IX 12,27,29). Das Mailänder Diatretglas, nach dem Vorbesitzer Trivulzio benannt, hat eine farblose Wandung, von der sich die grüne Inschrift und das hellblaue Netzwerk gut abheben (Abb. 225). Die Wunschinschrift ist lateinisch: BIBE VIVAS MVLTIS ANNIS – »Trink, lebe viele Jahre!«. Ähnliche lateinische Wünsche sind mehrfach belegt, und auch die griechische Inschrift bei einem Diatretbecher, der in einem Grab in Köln-Braunsfeld gefunden wurde, ist inhaltlich übereinstimmend: ΠΙΕ ZΗCAΙC ΚΑΛωC ΑΕΙ – »Trink, lebe schön, für immer!«.

9g. Ton Die am stärksten im ganzen Mittelmeerraum in der Spätantike verbreitete Keramik mit bildlichen Darstellungen wurde in Nordafrika hergestellt. Auf den Gefäßen der dortigen Werkstätten finden sich seit dem 4. Jh. neben Darstellungen aus der Welt des Circus und des Amphitheaters Bilder der heidnischen Mythen und des Alten und Neuen Testaments. Man verstand es offenbar, sich an die in der Spätantike sehr unterschiedlichen kulturellen und religiösen Interessen der Kunden anzupassen. Die rote Ware wurde zunächst im Gebiet von Karthago hergestellt, dann in verschiedenen Werkstätten Tunesiens und des östlichen Algerien (in der Antike Africa proconsularis und Mauretanien). Neben Krügen und den in unbeschreiblichen Mengen exportierten Lampen wurden überwiegend Teller und Schalen produziert, deren Ränder und Bodenoberseite dekoriert wurden. Eine beliebte Dekorationsweise bestand darin, einzelne Figuren in Formen herzustellen und dem Gefäß vor dem Brand zu applizieren. Seit der Mitte des 4. Jhs. finden sich diese Appliken bei Schüsseln mit steiler Wandung auf dem flachen runden oder vieleckigen Rand: beispielsweise Tiere, Fische, Bäume, Masken und Eroten, die Gottheiten Athena und Herakles, schließlich das Abrahamsopfer, der Paradiesbaum 246

und Jonasszenen (Abb. 226). Bei leicht gewölbten, randlosen Schüsseln von 16–21 cm Durchmesser wurden die Appliken auf der ganze Oberfläche verteilt, meist zwischen oder über umlaufenden Rillen. Das Eindringen christlicher Themen in eine heidnische Bildwelt und deren allmähliche Verdrängung ist gut zu verfolgen. Zum Circus gehört der siegreiche Wagenlenker, an das Amphitheater erinnert der Venator im Kampf gegen Bären oder Löwen ebenso wie die Darstellung der damnatio ad bestias, der Verurteilung zu den wilden Tieren. Aus der klassischen Mythologie stammen beispielsweise das Isisschiff, Herakles bei verschiedenen seiner Taten und mit Athena oder Victoria, Orpheus, Mithras, Ganymed und Figuren des dionysischen Bereichs. Unter den alttestamentlichen Darstellungen gibt es das Opfer des Isaak, das Urteil des Salomo, den Jonaszyklus und die drei babylonischen Jünglinge. Bei den neutestamentlichen Szenen finden sich die Auferweckung des Lazarus und die Heilungen des Lahmen und der Blutflüssigen. Gleichzeitig trat eine weitere Keramikgruppe auf, deren Darstellungen sich teils auf heidnische Mythen bezogen, teils auf die Veranstaltungen der Konsuln


im Amphitheater, teils auf christliche Erzählungen. Mit Hilfe von Modeln wurden 40 bis 60 cm große, rechteckige Platten hergestellt, deren Fläche im Zentrum mit Reliefszenen und Figurenensembles geschmückt ist. Diese sind von Einzelmotiven auf dem breiten, flachen Rand umgeben, die bisweilen gesonders aufgetragen wurden. Von zwei der Mittelfeldszenen blieben die meisten Fragmente erhalten: Das geflügelte Pferd Pegasus wird von drei Nymphen betreut und Achill wird von Priamos um die Leiche seines Sohnes Hektor gebeten (Homer, Ilias XXIV 477–676). Der Vater Hektors tritt von links auf den in der Mitte des Bildes sitzenden Achill zu, der eine Lanze hält. Hinter ihm sein Wagenlenker Automedon, neben ihm, auf einen Pfeiler gestützt, Briseis. Auf dem Rand sind die oben bei der silbernen Platte in Kaiseraugst notierten Szenen aus Achills Leben dargestellt (Abb. 193), denen Bilder mit den Waffen des Heros, mit Gottheiten und Musikanten zugefügt sind.

Die mit den Darstellungen auf Konsulardiptychen verbundenen Tribunal- und Tierkampfbilder auf diesen Tonplatten wurden bereits oben erwähnt. Zu den in der ersten Hälfte des 5. Jhs. einsetzenden christlichen Darstellungen sei angemerkt, dass jetzt auch Christusmonogramme und Bilder von Aposteln und Heiligen auftraten. Verglichen mit der Dekoration von Gefäßen mit Reliefs war die vom frühen 4. bis zum Ende des 6. Jhs. in Nordafrika angewandte Verzierung des Inneren von Tellern und flachen Schüsseln mit gestempelten Motiven weniger aufwendig und daher für Produktion und Export in großen Mengen besonders gut geeignet. Nach früh einsetzenden ornamentalen Stempelmotiven erschienen in der zweiten Hälfte des 5. Jhs. Kreuze und Christogramme, im 6. Jh. auch menschliche Gestalten wie Dionysos, Heilige und Christus als Wundertäter. Allerdings

Abb. 226.  Mainz, Römisch-Germanisches Zentralmuseum. Schale mit applizierter Darstellung von Jonasszenen: Meerwurf, Ausspeiung, Ruhe unter der Kürbislaube, Roter Ton, Durchmesser ### cm, Herstellung in Nordafrika.

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Abb. 227.  München, Sammlung C. Schmidt, Inv. 2167. Lampe mitDarstellung der Himmelfahrt Christi, Ton, Länge 14,5 cm, Breite 8,6 cm, Höhe 3,7/5,3 cm, Herstellung in Nordafrika.

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riefen die Gefäße mit einfachstem Dekor eine starke Konkurrenz im östlichen Mittelmeerraum hervor, vor allem durch Werkstätten auf Zypern und in Kleinasien. Die Herstellungsweise der nordafrikanischen Tonlampen mit ihren unterschiedlichen dekorativen, figürlichen und symbolischen Darstellungen war so wenig aufwendig, dass sie einen offenbar preisgünstigen Massenexport ermöglichte. Der Ton für die oberen und unteren Hälften der Lampen wurde mit der Hand in Modeln geformt und anschließend wurden beide Teile zusammengefügt und gebrannt. Hier ist ein Beispiel ausgewählt, dessen Darstellung der Himmelfahrt Christi eigenartige Besonderheiten aufweist (Abb. 227). Von dieser Lampe, die wohl seit der Mitte des 5. Jhs. hergestellt wurde, ist eine größere Gruppe übereinstimmender Exemplare bekannt, außerdem ein Model zur Prägung von oberen Lampenhälften. Für die frühen Bilder der Himmelfahrt Christi gibt es biher eine zweigeteilte Typologie. Beim »westlichen« Darstellungstypus, der seit dem späten 4. Jh. belegt ist, schreitet Christus in die Höhe und wird aus dem Himmel von der Hand Gottes am Handgelenk ergriffen (Abb. ). Beim »östlichen« Typus sind die Bilder in zwei Zonen geteilt: in der oberen wird der

thronende oder stehende Christus in einem Clipeus oder einer Mandorla von zwei oder vier Engeln »getragen«, in der unteren steht die im Text nicht erwähnte Maria in der Mitte der zwölf Apostel (Abb. ). Diese Unterscheidung der beiden Typen ist auf der Lampe in München aufgehoben. Unter den Randmotiven hat auf jeder Seite der zweite Doppelkreis ein Christusmonogramm als Füllung. Das Bild im Spiegel ist zweizonig: Oben wird Christus in einem Rundschild von zwei fliegenden Engeln »getragen«. Er ist stehend dargestellt, nimbiert, mit Tunika und Mantel bekleidet und trägt in der linken Hand einen Kreuzstab. Unten sieht man zwei frontal stehende Männer in gegürtetem Gewand, von denen der rechte mit der rechten Hand nach oben weist. Die Frage, ob hier Apostel oder die beiden in der Apostelgeschichte erwähnten himmlischen Boten gemeint sind, muss offen bleiben. Zu diesen »östlichen« Details der Zweizonigkeit und des Clipeus mit Engeln kommt ein typisch »westliches« hinzu: Christus wird am Gelenk der erhobenen rechten Hand von der Hand Gottes ergriffen. Dass Arm und Hand Gottes aus dem Himmel kommen, wird durch die oberhalb des Clipeus und der beiden Einfüllöffnungen für das Öl befindlichen vier apokalyptischen Wesen bestätigt. Aufgrund dieser Gruppe von Lampen wird es möglich, den Beginn zweizoniger Darstellungen der Himmelfahrt Christi bereits im frühen 5. Jh. anzusetzen.

9h. Ikonen Beim Begriff der Ikone (von griechisch Eikon, Bild) denken wir zunächst an isolierte Bilder von Christus, Maria mit dem Kind und Heiligen, die auf Holztafeln in enkaustischer Malerei dargestellt sind, also mit erhitzten farbigen Wachsen. Diese Bilder sind keine Porträts der dargestellten Personen, und der Grund hierfür war nicht etwa, dass man deren Aussehen gar nicht kennen konnte. Denn gleichzeitig mit den frühesten bekannten Ikonen des 6. Jhs. entstanden auch die ersten Legenden von der wunderbaren Auffindung von Ikonen, die nicht von Menschenhand gemalt sein sollten (griechisch: Acheiropoieta). Außerdem wurde die im 4. Jh. von Eusebius von Caesarea (Kirchengeschichte I 13) und der Pilgerin Egeria (peregrinatio XVII–XIX) erzählte Legende über einen in Edessa aufbewahrten Schriftwechsel zwischen Christus und König Abgar gegen Ende des 6. Jhs. im Sinne eines Acheiropoietons erweitert (Euagrios, Kirchengeschichte IV 27). Jesus sollte Abgar einen Stoff mit dem Abdruck seines Gesichts geschickt haben, und diese Ikone habe die Stadt Edessa im Jahre

544 vor den Persern gerettet. Die Maler der realen Ikonen versuchten überhaupt nicht, den Dargestellten ein natürliches Aussehen zu geben. Vielmehr hoben sie diese durch unbewegte Züge in eine zeitlos überirdische Sphäre, zu der die Gläubigen nur in dankbarer Verehrung aufblicken konnten. Dadurch unterscheiden sich die christlichen Ikonen grundsätzlich von den ägyptischen Mumienporträts, von denen dank der günstigen klimatischen Verhältnisse Hunderte in enkaustischer und in Temperamalerei erhalten blieben und deren Blüte im 3. Jh. zu Ende ging. Bei diesen, die zum Teil zu Lebzeiten der Dargestellten gemalt und erst nach dem Tod ihrer Mumie beigegeben wurden, wurde besonders großer Wert auf die bei den Ikonen vermiedenen natürlichen Porträtzüge gelegt. Die Herstellung der frühen Ikonen wird meist in Konstantinopel lokalisiert. Dies gilt auch für die Vorbilder, nach denen die frühesten römischen Marienikonen des 6. Jhs. kopiert wurden. Auch für das Diptychon in Berlin (Abb. 209), das zwei Christus- und Maria-Ikonen wiedergibt, wird eine 249


Abb. 228.  Sinai, Katharinenkloster, Inv. B 1. Christusikone, Holz mit enkaustischer Malerei, stark beschnitten, Höhe noch 84 cm, Breite noch 45,5 cm, Herstellung vermutlich in Ägypten.

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Herstellung in der Hauptstadt vermutet. Dagegen könnte die hier abgebildete Ikone des Sinai-Klosters mit einem Brustbild Christi in Ägypten entstanden sein (Abb. 228). Wegen der starken seitlichen Beschneidung der Tafel ist ein wichtiges Kompositionselement kaum zu erkennen: die Würdearchitektur hinter und neben dem Dargestellten. Sie besteht aus einer zurücksprin- neben stehenden alttestamentlichen Propheten in genden Nische zwischen zwei seitlichen, mit Fenstern der Ausmalung einer Kirche am Karm al Ahbarpa versehenen Bauteilen. Dieser architektonische Hin- beim ägyptischen Wallfahrtsort Ab6 Mpna (S. ) tergrund wurde für die Büste abgeschnitten, ergehörte ist so überzeugend, dass eine Herstellung der Ikone jedoch ursprünglich zu einer stehenden Gestalt. Die in Ägypten wahrscheinlich ist. Übereinstimmung mit der Architektur hinter und

9i. Textilien In Ägypten blieb eine große Anzahl gewebter und geknüpfter Textilien erhalten, teils aus klimatischen Gründen, teils wegen ihrer zweiten und endgültigen Verwendung als Leichentuch. Meist gehörten die Objekte zur mehr oder weniger aufwendig geschmückten Kleidung. Vorhänge oder Wandbehänge mit eingewebten figürlichen Darstellungen wie das Exemplar in Cleveland sind selten (Abb. 229). Maria sitzt vor rotem Grund mit dem Jesuskind auf einem mit Gemmen und Perlen geschmückten Thron, der eine hohe Rückenlehne und einen Fußschemel besitzt. Sie hat das Maphorion über den Kopf gezogen und trägt einen Nimbus. Auch die beiden Engel sind nimbiert, über den Haaren tragen sie Diademe, und der rechte präsentiert einen Globus mit Mondsicheln und Sternen. Wie auf der sehr ähnlichen Marientafel des Diptychons in Berlin (Abb. 209) ist das Thronbild mit einer Säulenarchitektur gerahmt, doch trägt diese hier nur eine schmale Leiste mit den Namen Marias und der Engel Michael und Gabriel. In der nach rechts verschobenen Christusdarstellung wechselt der Hintergrund von unterem Himmelblau mit Sternen zu oberem Rot. Das Bild Christi, der in einer Mandorla thront, die von Engeln »getragen« wird, hat der Weber einer zweizonigen Darstellung der Himmelfahrt Christi entnommen (Abb. ). Es ist zwar mit dem Marienbild gemeinsam von einem Band mit Blumen und Früchten umgeben, aber die Apostelmedaillons und deren Namensbeischriften rahmen nur das Marienbild mit den Engeln. Dessen Vorbild wird also eine selbständige Marienikone gewesen sein. Über dem häufigsten Gewandstück der Spätantike, der Tunika, wurde zwar häufig noch ein Mantel getragen, doch oft so locker, dass die Zierstreifen (clavi) und runden Aufsätze (orbiculi) der Tunika teilweise sichtbar waren (Abb. 232). Es ist daher nicht verwunderlich, dass für den Dekor der Tunika erheblicher Aufwand getrieben wurde. Bei dem in Vorderansicht gezeigten Exemplar in Riggisberg sind die etwa

12 cm breiten Zierstreifen mitgewebt. Sie befinden sich am Halsausschnitt und den Ärmeln und laufen auf beiden Seiten der Tunika senkrecht hinunter. Beide 1,28 m langen Hälften der Tunika wurden gleichzeitig gewebt, und zwar in der Weise, dass die langen Streifen im Webstuhl quer verliefen – der Webstuhl für diese Tunika muss also 2,60 bis 2,70 m breit gewesen sein. Die Streifen sind mit Blattranken und abwechselnd mit kreisförmigen und quadratischen Feldern verziert, in denen außer Gefäßen mit Pflanzen Tänzerinnen dargestellt sind. Damit ist der Dekor dieser Tunika auch ikonographisch typisch für die spätantike ägyptische Bekleidung. Man würde im 6. Jh. im christlich-koptischen Ambiente weitgehend biblische Darstellungen erwarten, doch bilden die »Josephstoffe« eine Ausnahme. Die Ikonographie der Streifen und der Aufsätze von Tuniken beschränkt sich sonst auf Eroten, Tänzerinnen, Jahreszeitengenien, Reiter, Angler, Pflanzen, Tiere und ähnliche Themen. Zusätzlich zu den Zierstreifen konnten auch meist kreisförmige, seltener quadratische Bildfelder den Dekor der Tunika erweitern (Abb. 231–232). Sie saßen meist unter den Schultern und in Höhe der Knie des Trägers (Abb. ). In großer Zahl blieben runde Bildfelder erhalten, die getrennt gewebt und dann auf Tuniken aufgenäht wurden, wie aus den nach hinten umgeschlagenen Webkanten hervorgeht. Technisch kamen zur senkrechten Leinenkette horizontale Leinen- und Woll-Schussfäden. Nur wenige Details sind mit der »fliegenden Nadel« eingetragen. Mit den beiden Angelfischern und den vielartigen Pflanzen und Tieren seines Dekors ist der Aufsatz in Riggisberg typisch für die Farbigkeit und den naiven Stil dieser Textilien. Der blaue Grund des äußeren Rahmens, des Rahmens des Mittelmedaillons und der beiden Palmetten bietet einen geschickten Kontrast zum roten Grund der übrigen Darstellungen.

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Abb. 229.  Cleveland, Ohio, The Cleveland Museum of art, Inv. 67.144. Vorhang, Wolle, Höhe 1,78 m, Breite 1,10 m. Wahrscheinlich in Ägypten hergestellt und gefunden.

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Abb. 230.  Riggisberg, Textilsammlung der Abegg-Stiftung, Inv. 1111. Tunika mit Ärmeln, Wolle, Höhe 1,28 m, Breite (mit Ärmeln) 2,74 m, Vorderansicht.

Abb. 231.  Riggisberg, Textilsammlung der Abegg-Stiftung, Inv. 640. Runder Tunikaaufsatz (orbiculus), Leinen und Wolle, Höhe 27 cm, Breite 28 cm, Angelfischer.

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Abb. 232.  Trier, Städtisches Museum Simeonstift, Inv. VII.52. Runder Tunikaaufsatz (orbiculus), Leinen und Wolle, Höhe 29,8 cm, Breite 28 cm, Josephszenen.

Auf einen solchen starken Farbkontrast ist beim abgebildeten runden Aufsatz in Trier verzichtet. Das Objekt ist ein besonders gut erhaltenes Beispiel aus der über fünfzig Fragmente zählenden Gruppe der orbiculi und clavi, die mit Szenen aus der alttestamentlichen Erzählung von Joseph und seinen Brüdern dekoriert sind (Genesis XXXVII). Im mittleren Me-

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daillon sind die Träume Josephs von den sich vor ihm verneigenden Garben und Sternen der Familie verbildlicht. Die Fortsetzung beginnt darüber mit den nimbierten Gestalten von Jakob und Joseph und ist entgegen dem Uhrzeigersinn bis zum Verkauf Josephs an Potiphar in Ägypten fortgesetzt.


10. Schlusswort

Dieser Band zu den Kunstwerken der spätantiken Übergangszeit von der antiken Tradition zum frühmittelalterlichen christlichen Weltbild beschließt das fünfbändige Werk »Römische Kunst«. Aus gutem Grund wurde der hier behandelte Zeitraum bis hin zu Kaiser Justinian ausgedehnt: Während bis in das 5. Jh. hinein in allen Kunstbereichen ein enger Zusammenhang mit den Spätformen der kaiserzeitlichen Kunst bestand, zeigen die Schöpfungen des 5. und 6. Jhs., dass die frühchristliche Kunst nunmehr eine starke eigene Dynamik in der Lösung architektonischer und bildkünstlerischer Aufgaben entwickelt hatte. Allerdings konnten die Bauten und Bildwerke, die diese Entwicklung veranschaulichen, nicht in einer übergreifenden historischen Abfolge dargestellt werden, sondern sie mussten wegen der Vielfalt der künstlerischen Aufgaben in thematischer Gliederung angeordnet werden. Zum Ausgleich wurde ein geschichtlicher Überblick an den Anfang gestellt, mit der Absicht, dem Leser die angestrebte Einordnung der ausgewählten Einzelmotive in ihren historischen Kontext zu erleichtern. Außerdem nennt dieser Überblick auch historische Ereignisse, die zwar für das Verständnis der weltanschaulichen und künstlerischen Entwicklung wichtig sind, jedoch nicht durch Bildzeugnisse belegt werden können. Als Hinweis sei der Übergang von der religiösen Toleranz, die dem Edikt des Galerius von 311 und der Mailänder Vereinbarung von 313 zugrunde lag, zur Intoleranz der theodosianischen Gesetzgebung genannt. Dieses Beispiel kann zugleich an die gegenwärtig in vielen Ländern zunehmende religiöse und gleichzeitig religionspolitische Intoleranz erinnern.

spiele bezieht: »Weshalb nehmen die Herrscher und senatorischen Führungskräfte in der Bildauswahl als Auftraggeber und als Dargestellte einen so unverhältnismäßig großen Raum ein?« Nun lässt sich die Bemühung um Objektivität einer Bildauswahl gewiss nur selten ganz verwirklichen, doch die Antwort auf diese Frage muss lauten, dass die genannte Unverhältnismäßigkeit nicht einem subjektiven Interesse entspricht, sondern tatsächlich die sozialen Verhältnisse im behandelten Zeitraum wiedergibt. Besonders auf politischem Gebiet wird deutlich, dass die Beschäftigung mit spätantiker Kunst über die ästhetischen Eindrücke hinaus in der Lage ist, den vielfach sehr abstrakten Vorstellungen, die für diese Übergangszeit geradezu typisch waren, Anschaulichkeit zu verleihen. Die Beeinflussung des hieratischen Christusbildes durch repräsentative Darstellungen tetrarchischer und christlicher Kaiser ist seit dem vierten Jahrhundert gut durch entsprechende Bilddetails bezeugt. Diese »Imperialisierung« der christlichen Kunst entspricht als Spiegelbild der Christianisierung des römischen Kaisertums. Zwar erfahren wir auch aus der spätantiken Literatur, dass die christlichen Herrscher ebenso wie ihre tetrarchischen Vorgänger glaubten (oder zu glauben vorgaben), von einer Gottheit berufen zu sein und von ihr unterstützt zu werden. Doch da in der christlichen Kunst weiterhin die traditionellen künstlerischen Mittel für die Darstellung des symbolischen Bezugs zur Gottheit verwendet wurden, sind die Bildwerke zu diesem Thema viel anschaulicher als alle Texte. Dasselbe gilt für die Darstellungen von Kämpfen mit inneren und äußeren Feinden, in denen der Eindruck vermittelt wird, man habe die Siege mit göttlicher Hilfe errunBereits beim ersten Blättern in diesem Band dürfte gen. Leider müssen wir feststellen, dass solche mysich dem Leser eine Frage aufdrängen, die sich auf thischen Vorstellungen bis in unsere Gegenwart weidie Auswahl der behandelten Themen und Bildbei- terleben. 255


Besonders deutlich ist das Streben der Auftraggeber nach Anschaulichkeit bei bildlichen Darstellungen in jenem Bereich, der jeden Menschen unmittelbar betrifft, nämlich am Grabe. Der Brauch, Zukunftsund Jenseitshoffnungen durch mythische Bilder zum Ausdruck zu bringen, änderte sich in der hier behandelten Übergangszeit nicht grundsätzlich. Die Entwicklung kam im inhaltlichen Wechsel zu den Themen des Alten und Neuen Testaments und christlicher Legenden zum Ausdruck.

natürlich von den aktuellen politischen Verhältnissen im Mittelmeerraum nicht unbeeinflusst bleiben. Die Abbildungen illustrieren nicht etwa vorgegebene Texte; vielmehr sollen die Begleittexte helfen, die Aussagen der Bilder zu erfassen. Wäre das Verhältnis umgekehrt, so würde der Band sehr viel ausführlichere Darlegungen zur antiken und christlichen Magie enthalten. Dieses Thema ist religionsgeschichtlich besonders wichtig: In Entsprechung zu den damaligen geringen Möglichkeiten der Medizin galt die Hoffnung auf Übelabwehr durch Amulette und auf Im Zentrum des Bandes stehen die Bau- und Kunst- wunderbare Heilung durch die Wirksamkeit von werke, ihre künstlerische Wirkung und ihre inhalt- Reliquien in allen Schichten der Bevölkerung als lichen Aussagen. Die Auswahl der Bilder konnte unverzichtbar.

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11. Index

Personen Aëtius Alarich Alexander Ambrosius Anicia Juliana Arbogast Ardabur Aspar Arius Arkadius Bauto Belisar Constans Constantia Constantinus II. Constantius Constantius Constantius I. Crispus Decentius Diocletian Eudokia Eusebius von Caesarea Fausta Flavius Eugenius Flavius Stilicho Gainas Galerius Galla Placidia Galla Placidia Gratian Honorius Johannes Chrysostomus Jovian Julian Justinian Konstantin

Leo I. Licinia Eudoxia Licinius Magnentius Magnus Maximus Marcian Maximian Pulcheria Serena Severus Silvester Symmachus Theoderich Theodora Theodora Theodosius Theodosius II. Valentinian I. Valentinian II. Valentinian III. Witigis Zeno Orte 

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12. Bibliographie

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11. Index

14min
pages 257-272

10. Schlusswort

3min
pages 255-256

9i. Textilien

4min
pages 251-254

9h. Ikonen

3min
pages 249-250

9f. Glas

4min
pages 241-245

9g. Ton

4min
pages 246-248

9e. Glyptik

2min
pages 239-240

7c. Ausgewählte Bauten in Konstantinopel, Griechenland und den östlichen Provinzen

32min
pages 155-180

9d. Elfenbeinschnitzereien

16min
pages 227-238

9c. Metallarbeiten des Privatlebens

24min
pages 212-226

8c. Fußbodenmosaik

7min
pages 187-194

9b. Metallarbeiten der Kirchenausstattung

7min
pages 207-211

7b. Ausgewählte Bauten in Rom, Italien und den westlichen Provinzen

1hr
pages 115-154

6b. Viertes bis sechstes Jahrhundert

27min
pages 81-100

5b. Christliche Kunst

6min
pages 70-72

4d. Kaiser und Kaiserinnen als Empfänger von Konsulardiptychen

4min
pages 62-66

4. Künstlerische Auftragsarbeiten der Kaiser und Konsuln

8min
pages 51-55

4c. Konsuln in Circus und Amphitheater

4min
pages 59-61

3. Bauten, Denkmäler und Skulpturen von Kaisern und für Kaiser im öffentlichen Raum

8min
pages 21-28

3c. Konstantin und seine Nachfolger in Konstantinopel

13min
pages 38-49

4b. Geschenke der Konsuln

7min
pages 56-58

2. Geschichtlicher Überblick

22min
pages 9-19

3b. Konstantin im Westreich

10min
pages 29-37

1. Einleitung

0
pages 7-8
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