Axel Kober
SCHLAGLICHTER AUF DIE FIDELIO-MUSIK
Beethovens Fidelio ist ein Werk doppelter Faktur: In manchem noch stark in der Singspiel-Welt verhaftet, weist die Oper gleichzeitig, was die Emotionalität und die Affinität zum Musikdrama anbelangt, bereits weit in die Zukunft. Für mich sind es gerade diese zweitgenannten Momente, die zu den großartigsten zählen, wenn Beethoven nämlich tatsächlich mit dem Singspielgedanken bricht und neue Wege geht. Das erlebt man zum ersten Mal bereits relativ früh in der Oper, und zwar beim sehr bekannten, sehr feinen Quartett von Leonore, Rocco, Marzelline und Jaquino (»Mir ist so wunderbar«), in dem die Zeit stehen zu bleiben scheint. Nicht nur musikalisch, sondern buchstäblich und durch die Handlung ausgedrückt: Jede und jeder hält inne und hängt hochpersönlichen Überlegungen nach. Beethoven führt dieses Quartett als Kanon, es gibt also eine Verknüpfung in der Form – und doch steht jede Figur alleine für sich und ist mit der eigenen Gedankenwelt beschäftigt. An dieser Stelle tritt auch eine der Herausforderungen (um das Wort Probleme nicht zu verwenden) der Oper deutlich hervor: Beethoven führt die Gesangsstimmen sehr instrumental, setzt sie also ein, als ob sie Musikinstrumente wären und ignoriert die gänzlich anderen Bedürfnisse, die der menschliche Vokalapparat mit sich bringt. Im Grunde könnte, rein von der kompositorischen Setzung her, der Abschnitt auch aus einem Streichquartett entstammen. A X EL KOBER
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